Dreizehntes
Kapitel: Wettlauf gegen die Zeit
Frodo
kämpfte sich aus dem schwarzen Nebel, der ihn umfing, langsam
frei und öffnete die Augen. Alles um ihn herum drehte sich und
er fühlte sich, als sei er gerade aus einem tiefen Schlaf
aufgewacht. Verschwommen konnte er seine eigenen Hände sehen,
die eine Sprosse fest umklammert hielten. Als er das sah, durchzuckte
ihn die Erkenntnis, was geschehen war. Er erinnerte sich, wo er sich
gerade noch befunden hatte und er wusste, dass es wieder der 12.
Oktober war. Voller Angst krallte er sich an der Sprosse fest und
bemühte sich, nicht daran zu denken, was gleich passieren würde.
Obwohl Frodo eigentlich keine Höhenangst hatte, wagte er es
nicht nach unten zu sehen. Ein Kribbeln stieg in seinem Magen auf und
dieses beunruhigende Gefühl zu wissen, dass er gleich sterben
würde, wenn er die Leiter weiter hinaufstieg, machte ihn sehr
nervös. Langsam und ohne hinunterzusehen stieg er Sprosse für
Sprosse hinab und achtete sorgsam auf jedes Geräusch, dass die
Sprosse der Leiter unter ihm von sich gab. Bei jedem kleinsten
Knacken zuckte er zusammen und ihm fuhr ein Schauder über den
Rücken. Ihm wurde heiß und er war nur darauf bedacht den
Geräuschen der Leiter zu lauschen. Nichts anderes um ihn herum
nahm er mehr war.
"Herr Frodo", brüllte Sam auf
einmal und kam wie ein gehetztes Tier aus der Hobbithöle
gestürmt. Frodo verlor vor Schreck den Halt und stürzte die
letzten Sprossen der Leiter hinab. Die Leiter selbst fiel um und
donnerte neben ihm zu Boden. Frodo fiel auf den Rücken und blieb
völlig verschreckt und wie betäubt liegen.
Sam stand der
Schrecken ins Gesicht geschrieben. Er wollte etwas sagen, doch er
brachte keinen Ton heraus. Er blieb wie angewurzelt und mit weit
aufgerissenen Augen stehen. Nach einigen Momenten erst war er in der
Lage sich überhaupt wieder zu rühren. Erst jetzt zwang er
sich dazu vorwärts zu gehen, auf Frodo zu.
"Herr Frodo",
fragte Sam mit zittriger Stimme und die Angst ergriff wieder Besitz
von ihm. Panische Angst. Angst, den Kampf verloren zu haben, noch ehe
er begonnen hatte.
"Oh nein, Herr Frodo, bitte nicht! Nicht
schon wieder", stammelte er und betrachtete sich Frodo
eingehend, der ziemlich blass und immer noch regungslos auf der Erde
lag.
Frodo wagte es nicht, sich zu bewegen. Der Schreck saß
tief und im Moment hatte er selbst keine Ahnung, ob er sich
vielleicht verletzt hatte. Er lag auf dem Rücken und wartete
förmlich darauf, dass etwas geschah. Er wartete, dass irgendwo
etwas schmerzte, oder dass etwas anders war, als normal, doch nichts
geschah. Er richtete seinen Blick auf den völlig verschreckten
Sam und bewegte vorsichtig seine Arme und Beine. Dann richtete er
sich langsam auf, immer noch sorgsam darauf achtend, ob etwas
ungewöhnlich war. "Ich glaub mir fehlt nichts, Sam",
sagte er vorsichtig.
"Oh, Herr Frodo, ich dachte schon... Ich
wollte dich nicht erschrecken, ich war mir nur nicht sicher, ob du
vielleicht nicht mehr weißt, dass wenn du den Baum...",
überschlugen sich Sams Worte fast.
"Doch, ich weiß",
fiel Frodo ihm ins Wort. "Ich habe es nicht vergessen. Ich war
gerade dabei gewesen vorsichtig hinunterzuklettern."
Sam
schaute sich wütend um. "Ich bin ein ungeschickter Tölpel!
Fast wäre dir meinetwegen wieder ein Unglück wiederfahren.
Schau mal, wie ich zittere. Es tut mir so leid! Hast du dir wirklich
nichts getan?"
Sam hielt Frodo seine zitternden Hände
vor die Augen und blickte sehr schuldbewusst drein.
"Nein,
ich hab mir nichts getan, aber du könntest mir hoch helfen,
meine Knie zittern mindestens genauso wie deine Hände."
Frodo
setzte ein Lächeln auf, um die angespannte Situation etwas
aufzulockern und ließ sich von Sam auf die Beine zerren.
"Du
glaubst ja gar nicht, wie froh ich bin", teilte Sam mit und
klopfte Frodo das Gras von der Kleidung.
"Und wie froh ich
erst bin...", fügte Frodo hinzu.
Elanor erschien in der
Tür und betrachtete sich ihren Vater und ihren Onkel. Dann lief
sie aufgeregt zu ihrer Mutter und verkündete dort: "Du,
Mutti, der Onkel Frodo ist ganz grün vom Rasen, ich glaube, der
sollte auch mal baden!"
Rosie, die immer noch sehr verdutzt
über Sams Reaktion mit dem Schrank, den er eben hingeworfen
hatte, war, nickte nur mit dem Kopf und kümmerte sich dann um
den kleinen Frodo, der immer noch etwas nass vom Baden auf dem
Teppich saß. Ihr Mann würde ihr gewiss noch erklären,
warum er eben so eilig in den Garten geflüchtet war...
Frodo
und Sam standen im Garten und blickten sich an.
"Wir haben
nur wenig Zeit um alles zu ändern. Gandalf hat sich gewiss
gleich auf den Weg zu Legolas und Gimli gemacht, jetzt liegt der Rest
an uns", sagte Sam und Frodo nickte.
"Du holst Merry und
Pippin, ich kaufe Flocke und am Ende treffen wir und wieder hier,
einverstanden", fragte Sam und machte sich schon bereit, um zu
gehen.
"Warte! Wie soll ich es ihnen erklären",
fragte Frodo und hielt Sam am Ärmel fest.
"Nevturiel hat
gesagt, sie macht irgendetwas... Geh erst mal zu ihnen und sag ihnen,
was sie tun müssen. Ich schlage vor, du vermeidest es, von den
Zeitdrehern zu erzählen, sie würden nur viele Fragen
stellen und das würde dauern... Sag ihnen nur, was sie machen
sollen und nenne vorerst keine Gründe oder sag ihnen woher du
das alles weißt."
Frodo nickte, er hatte zwar keine
Ahnung, was er Merry und Pippin eigentlich erzählen sollte, aber
er konnte jetzt nichts anderes tun, als erst mal zu ihnen zu gehen
und zu sehen, was passieren würde.
So lief Frodo mit eiligen
Schritten hinaus aus dem Garten und die Straße entlang.
Sam
hingegen lief hastig in die Höhle, vorbei an der verdutzten
Rosie und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Er nahm ihr Gesicht in
seine Hände und sagte: "Hör zu, du magst mich jetzt
vielleicht für verrückt halten, aber ich werde in Kürze
zusammen mit Frodo aufbrechen und nach Gondor gehen. Es ist sehr
wichtig warum wir das tun, aber ich kann dir jetzt die Gründe
nicht erklären. Wundere dich nicht, ich erkläre dir alles,
wenn ich wieder zurück bin. Bleib mit den Kindern hier, ich bin
bald wieder da!"
Noch ehe Rosie etwas sagen konnte, war Sam
an ihr vorbeigehastet, griff sich einen Beutel mit Geld und lief aus
der Tür hinaus und auf die Straße.
Im Sturm klopfte
Frodo an Merrys Tür vom Brandyschloß. Wahre Ungeduld wurde
in ihm geweckt, als nach einer ganzen Weile immer noch nichts
geschah. Frodo stampfte unruhig mit den Füßen hin und her
und klopfte erneut. Nichts. Wo konnte Merry nur sein? Was, wenn er
gar nicht da war? Es würde sehr lange dauern, bis Frodo ihn
gefunden hätte, wenn er ihn suchen würde.
Der Hobbit
seufzte und schaute sich um. Er ging am Gartenzaun entlang und
schaute in Merrys Garten. Plötzlich vernahm er ein leises
Fluchen und schaute sich aufgeregt um.
"Merry", rief
Frodo und wartete auf eine Antwort. Es raschelte in einem Gebüsch,
das nur wenige Meter vor dem Zaun stand, und Merry krabbelte daraus
hervor und schien an seinem Zeigefinger zu lutschen.
"Igel",
donnerte Merry mürrisch. "Sie rollen sich überall da
zusammen, wo man es nicht vermutet und ahnungslose Hobbits fassen
natürlich genau in die Stacheln."
"Hallo Merry",
begrüßte ihn Frodo. "Was suchst du denn auch dort
unten im Gebüsch?"
"Ach ja. Hallo Frodo. Ich suche
meine Harke. Aber ich glaube, ich lasse das und kaufe mir lieber eine
Neue. Ich will lieber nicht weiter suchen, wer weiß, was da
noch so alles im Gebüsch liegt..."
Frodo wiegte sich
unruhig hin und her. Sam und er waren davon ausgegangen zwei Tage
Vorsprung zu haben, aber das stimmte nicht. Ehe Merry und Pippin in
Beutelsend eintreffen würden, würde es bestimmt fast
Nachmittag sein. Wenn sie Pippin schnell finden würden...
"Sag
mal Merry, ist Pippin in der Nähe? Er ist doch zu Besuch! Ich
brauche unbedingt eure Hilfe, ihr müsst etwas tun."
"Was
ist denn los?"
"Das erkläre ich lieber, wenn Pippin
auch da ist, hast du eine Ahnung, wo er sich rumtreibt? Es ist
wirklich dringend!"
Merry sah ihn verdutzt an. Es musste
etwas wichtiges sein, Frodo sah recht nervös aus. "Ja, der
ist hier in der Gegend. Gib mir eine halbe Stunde, ich muss nur den
Bäcker oder das Wirtshaus finden, wo er drin ist. Möchtest
du vielleicht erst mal reinkommen und etwas trinken? Dann gehe ich
ihn holen."
"Ja, das wäre sehr nett. Durst habe
ich. Aber, du musst dich unbedingt beeilen, wir haben keine
Zeit."
Merry führte Frodo in seine Behausung und gab ihm
einen guten Schluck roten Wein. Frodo setzte sich an den Tisch und
nahm auch den Kuchen, den Merry ihm vorsetzte dankbar an. Auf Frodos
Drängeln hin eilte Merry dann hinaus, um Pippin zu suchen.
Frodo
kam die Zeit, in der er alleine am Tisch saß wie eine Ewigkeit
vor. Unruhig trommelte er mit seinen Fingern auf dem Tisch herum.
Ständig schaute er aus dem Fenster, in der Hoffnung, Merry und
Pippin kommen zu sehen.
Nach einer Dreiviertelstunde öffnete
sich endlich die Tür und Merry trat in Begleitung von Pippin
ein. "Frodo, welch eine Freude", sagte Pippin und umarmte
Frodo. "Was gibt es denn? Wieso sollte ich kommen?"
"Hört
zu, das ist jetzt alles etwas schwierig, aber ich muss euch bitten
nach Gondor zu Aragorn zu gehen. Jetzt und sofort, es geht um Leben
und Tod und wir dürfen keine Zeit verlieren. Ich erkläre
euch alles auf dem Weg nach Beutelsend", sagte Frodo und stand
schon auf.
"Um Leben und Tod? Was ist denn nur geschehen?
Frodo, wir müssen erst Sachen packen für eine Reise, wir
können doch nicht einfach so Hals über Kopf aufbrechen",
meinte Merry und Pippin nickte.
"Doch, ihr könnt. Ihr
müsst sogar. Merry, du hast doch sicher noch dein Pony, oder?
Nimm es und kommt, die wichtigsten Sachen könnt ihr von Sam
bekommen."
Merry und Pippin sahen sich entgeistert an. Sie
hätten nicht mit einer Reise nach Gondor gerechnet und schon gar
nicht mit solch einer überstürzten. Merry strich sich
überlegend über die Haare. Was konnte nur so wichtig sein?
Er überlegte. Gab es etwas wichtiges, dass er noch tun musste,
bevor er aufbrechen würde? Denn dass er zusammen mit Pippin
aufbrechen würde war gar keine Frage. Wenn Frodo so inständig
darum bat, musste es etwas wichtiges sein.
Ihm wollte nichts
einfallen. Nachdem er das Brandyschloß verlassen und Pippin
derweil sein Pony geholt hatte, begannen sie zusammen mit Frodo die
Straße wieder zurück zu laufen.
"Also, was ist nun
los? Du machst mir Angst", fragte Pippin und sah Frodo
auffordernd an. Dieser spürte auch Merrys bohrenden Blick auf
der Haut und überlegte wo er anfangen sollte.
"Also, es
ist so. Vor einigen Jahren gab es wohl in Gondor irgendwelche
Auseinandersetzungen bei denen auch Aragorn gekämpft hat. Ohne,
dass er es wusste, hat ihm damals ein Mann das Leben gerettet
und..."
"Er heißt Lhunroth, nicht wahr",
fragte Pippin und blieb mit weit geöffneten Augen stehen.
"Ja..
aber... woher weißt du", stammelte Frodo.
"Ich
habe es gesehen."
"Du hast was gesehen?"
"Ich
habe gesehen, wie Lhunroth Aragorn das Leben gerettet hat..."
"Wo
hast du es gesehen?"
"Heute Nacht. Da war ein Traum...
Er war so echt, und doch war es nur ein Traum... Habe ich gedacht",
sagte Pippin tonlos und ging einen Schritt weiter.
Nevturiel,
schoss es Frodo durch den Kopf. Sie hatte dafür gesorgt, dass
die Beiden schon etwas wussten.
"Ja, das war kein Traum. Ihr
müsst zu Aragorn gehen und ihm sagen..."
"...dass
er sich bedanken soll", fiel ihm Merry ins Wort.
"Ja,
aber... woher", wollte Frodo fragen und blieb abrupt
stehen.
"Das habe ich heute geträumt. Ich habe geträumt,
dass wir zu Aragorn gehen und ihm sagen, dass er sich bei diesem Mann
bedanken soll. Es ist mir erst jetzt eingefallen, erst jetzt wo ihr
davon gesprochen habt."
Frodo war erstaunt. Sie wussten es.
Er vermutete, dass sie nichts über die genauen Gründe
wussten, aber sie wussten, was sie zu tun hatten und nur das war
wichtig. Er musste ihnen nicht viel erklären, sie würden
mit Sicherheit von selbst wissen, was sie sagen mussten, wenn sie vor
Aragorn standen.
"Frodo, was ist hier los? Die Träume,
die Hektik mit der wir aufbrechen... Irgendetwas stimmt nicht, habe
ich recht? Ich fühle, dass es etwas wichtiges ist, aber was ist
es Frodo?"
Frodo überlegte. Was sollte er jetzt sagen?
Merry und Pippin sahen ihn auffordernd an.
"Es wird ein
Unglück geben, wenn Aragorn nichts von Lhunroth erfährt!
Ich kann euch jetzt nicht so genau erklären, woher ich das weiß,
aber glaubt mir, es ist so! Es tut mir leid, dass Sam und ich euch da
jetzt mit reinziehen, aber wir gehen selbst nach Gondor, aber auf
anderem Wege. Auch wir müssen etwas tun, um das Unglück zu
verhindern, dass ganz sicher kommen wird, wenn einer von uns
versagt..."
Merry und Pippin wussten nicht warum, doch
irgendetwas schien sie daran zu hindern weitere Fragen zu stellen.
Sie nahmen alles so hin und wussten, dass sie das tun mussten, worum
Frodo sie gerade gebeten hatte.
Normalerweise hätte Pippin
jetzt schon aus Neugier gefragt, warum Sam und Frodo einen anderen
Weg nach Gondor gehen wollten, doch er tat es nicht, denn in ihm war
ein Gefühl, das ihm sagte, dass alles so richtig war und seinen
Grund hatte.
Frodo wunderte sich darüber, dass sie alles
einfach so aufnahmen, aber er wusste auch, dass Nevturiel ihren Teil
dazu beigetragen hatte.
Schneller als gedacht erreichten sie
Beutelsend. Es war nun früher Nachmittag und Sam wartete schon
sehr ungeduldig. Er hatte bereits alles, was wichtig war verstaut und
er hatte sogar daran gedacht, für Merry und Pippin etwas
Wegzehrung bereitzulegen.
Sam blickte ihnen fragend entgegen. Ob
Merry und Pippin wirklich bereits wussten was sie tun sollten und den
Plan einfach so hinnehmen würden, obwohl sie nichts genaues über
die Gründe erfahren hatten?
Frodo setzte ein Lächeln,
begleitet von einem Nicken auf, und Sam wusste sofort, dass er es
geschafft haben musste. Sam fühlte, wie ihm schon mal ein
kleiner Stein vom Herzen viel. Immerhin sah es bis jetzt noch nicht
so aus, als wäre der Gegner schon auf sie aufmerksam geworden.
Gut war es auch, dass scheinbar alle Beide dazu bereit waren zu
gehen. Natürlich hätte es vielleicht auch einer allein
geschafft, aber zu zweit war es einfach sicherer. So würde
keiner der Hobbits allein gehen müssen.
"Hallo. Wir sind
euch so dankbar", sagte Sam erfreut und lächelte die beiden
an.
"Wir sind verrückt, wir haben eigentlich keine
Ahnung was los ist, aber wir wissen aus irgendwelchen unerfindlichen
Gründen, was wir tun müssen und dass es wichtig ist. Aber
trotzdem hätte ich ganz gerne eine Erklärung, wenn wir bei
Aragorn waren", murmelte Merry und klopfte Sam auf die
Schulter.
"Die werdet ihr bekommen, dass verspreche ich
euch", antwortete Sam. Er hielt es für besser erst dann
alles zu erklären.
"Kriegen wir was zu essen für
den Weg mit", fragte Pippin und scharrte unschuldig den Sand
unter seinen Füßen hin und her.
"Sollt ihr
bekommen, hier habt ihr einen ganzen Beutel mit allen haltbaren
Sachen, die ich in der Speisekammer finden konnte. Und hier habt ihr
noch ein paar Umhänge und ein paar Decken, was braucht ihr
noch", fragte Sam und drückte den beiden die
verschiedensten Dinge in die Hand.
"Wasser vielleicht",
überlegte Pippin und ließ sich daraufhin von Sam eine
kleine Flasche überreichen.
"Ach und Futter fürs
Pony", rief Merry.
"Stimmt, daran hatte ich gar nicht
gedacht!"
Sam verschwand im Schuppen und brachte einen großen
Beutel Hafer mit.
Es dauerte nicht lange, da war alles so weit
verstaut und die vier Hobbits waren abreisefertig. Pippin schüttelte
gelegentlich amüsiert den Kopf, wenn er sich vor Augen rief, wie
verrückt doch diese ganze Sache irgendwie war.
Die Hobbits
beschlossen den Weg vorerst gemeinsam zu bewältigen. Erst in
Rohan würden sich ihre Wege trennen, denn dann würden Frodo
und Sam in nördliche Richtung gehen, um auf Lhunroth zu treffen
und Merry und Pippin würden direkt nach Minas Tirith laufen.
So
schnell sie es vermochten, brachen sie auf. Sam hatte noch einmal mit
Rosie gesprochen und auch sie schien auf merkwürdige Art und
Weise zu verstehen, dass es eine sehr wichtige Angelegenheit war, was
Sam da tat, und dass es falsch wäre, ihn an seinen Vorhaben zu
hindern.
Am Nachmittag brachen sie in schnellem Tempo auf. Obwohl
sich Merry und Pippin wunderten, dass Sam und Frodo den Eindruck
machten, als würden sie verfolgt, so schnell waren sie,
schlossen sie sich ihrem Tempo schweigend an und grübelten auch
nicht lange nach der Ursache. Pippin wunderte sich sehr über
sich selbst, er war sonst so neugierig, das gab er manchmal nicht
gerne zu, aber nun interessierten ihn die merkwürdigsten Sachen
auf einmal nicht mehr. Es war ihm egal, es würde richtig
sein.
Der Weg führte sie schnell aus dem Auenland hinaus in
die Wildnis.
Sam führte Flocke neben sich her und hoffte,
dass die Zeit reichen würde, die sie hatten. Außerdem
hatte er ein ungutes Gefühl, als er daran dachte, dass das
Schicksal vielleicht vorhatte sie aufzuhalten...
Er beterachtete
sich die Umgebung und musste gegen seinen Willen schmunzeln. Wie oft
war er diesen Weg in der letzten Zeit gegangen?
Sam wurde bei
seinen Überlegungen gestört, als Pippin munter begann vor
sich hinzupfeifen, bald darauf Merry und Frodo einstimmten und
schließlich auch er davon verführt wurde mitzumachen.
Fröhlich pfeifend wanderten sie durch die abgeernteten Felder
und die grünen Wiesen. Wenn sie es nur schaffen würden, war
Sams einziger Gedanke, den er im Moment hatte und den er auch auf dem
ganzen Weg nicht verlor.
Gandalf saß auf Schattenfell
und spürte die Bewegungen des Tieres unter sich. Sein Geist war
wie vernebelt und erst nach einer ganzen Weile wurde er sich darüber
bewusst, dass er die Augen geschlossen hatte. Nach und nach
erschienen alle Erinnerungen in seinem Geist und er wusste wieder,
welche Aufgabe er zu erfüllen hatte. Er musste Legolas und Gimli
vor ihrem Schicksal bewahren.
Gandalf sah sich um und lauschte den
Geräuschen. Das Rauschen des Wassers drang an sein Ohr. Er war
direkt am westlichen Ufer des Anduin, auf der Höhe von Dol
Guldur. Er sah in den Großen Strom hinein und konnte erkennen,
dass er gerade an einer Stelle mit heftigen Stromschnellen war. Mit
scheinbar unbändiger Kraft rauschte das Wasser hier herunter. Es
wurde aufgeschäumt und zog alles was auf seiner Oberfläche
schwamm erbarmungslos in die Tiefe. Gandalf überlegte, er hatte
ein Problem und das war keinesfalls gering. Er musste den Anduin
überqueren, denn sonst würde er einen Umweg einschlagen
müssen, wenn er auf Legolas und Gimli treffen wollte. Wenn er am
westlichen Ufer entlang reiten würde, müsste er einmal
durch Anorien hindurch, an Minas Tirith vorbei und müsste
Legolas und Gimli hinterher reiten bis zu dem Fennfeld, auf dem sich
die beiden befanden, wie Gandalf wusste. Das würde nicht nur
Zeit kosten, sondern wäre auch gefährlich, denn er wusste,
dass Lhunroth und seine Männer hinter dem Elb und dem Zwerg
waren. Also würde Gandalf mit Sicherheit zu erst auf Lhunroth
treffen. Das durfte jedoch nicht passieren.
Die andere Möglichkeit
war, dass er den Anduin überquerte und somit aufs östliche
Ufer gelangte, dann könnte er flussabwärts reiten, durch
die Totensümpfe hindurch und würde schließlich genau
auf Legolas und Gimli zureiten. Doch da gab es ein gewaltiges
Problem. Es gab keine Brücke, keinen Übergang, der ein
einigermaßen ungefährliches Hinüberkommen ermöglicht
hätte. Nur im Norden gab es die Alte Waldstraße, wo
Gandalf sich einer alten Brücke entsann. Würde er
hinaufreiten, müsste er ebenfalls einen riesigen Umweg nehmen,
denn die Alte Waldstraße befand sich ungefähr auf der Höhe
des Gebirges im Düsterwald und das lag im Norden! Er würde
also einmal um ein riesiges Stück des Anduin herumreiten müssen,
um dann an dem östlichen Ufer entlang reiten zu können.
Gandalf
rechnete in Gedanken die Zeit aus. Er könnte sich in Lorien ein
Boot leihen und so den Anduin überqueren, doch würde er
danach auf Schattenfells Dienste verzichten müssen und seinen
Weg zu Fuß fortsetzten. Das würde wahrscheinlich mehr Zeit
kosten, als mit Schattenfell den Umweg zu reiten. Doch über
eines war sich Gandalf sehr wohl bewusst. Die Zeit würde kaum
reichen...
Gandalf forderte sein Pferd auf zu wenden. Wenn er
jetzt noch länger damit verbrachte zu überlegen, wie er
Legolas und Gimli erreichen wollte, dann würden seine Chancen
erst recht geschmälert werden. Er würde den Umweg nehmen.
Gandalf würde zusammen mit Schattenfell zur Alten Waldstraße
reiten, dort die Brücke überqueren und dann so schnell wie
möglich den Anduin hinunterreiten. Mit Schattenfells Tempo
könnte er die verlorene Zeit vielleicht so wieder zum Teil
aufholen.
Gandalf trieb Schattenfell zur Eile an und das Pferd
galoppierte mit eleganten Bewegungen nach Norden, immer dem Anduin
folgend.
Nach etlichen Tagen führte der Weg den Reiter
schließlich vor den Fluss Schwertel, den Gandalf und
Schattenfell überqueren mussten. Er war schmal, das Wasser wurde
lediglich von starken Wind aufgewühlt, doch waren seine Ufer
hoch und voller Schlamm. Gandalf überlegte, ob er eine halbe
Meile nach westlich reiten sollte, um dort eine noch geeignetere
Stelle für den Übergang zu finden, doch als er zum Himmel
sah, bemerkte er Beunruhigendes.
Wolkenberge türmten sich
auf, erste Regentropfen fielen, und der Wind wurde immer stärker
und ließ das Wasser immer unruhiger werden. Wenn er jetzt erst
westlich reiten würde, würde sich das Wetter mit Sicherheit
verschlechtern und zum Überqueren des Flusses wäre es dann
sehr gefährlich, da er und Schattenfell schwimmen mussten. Er
würde dann warten müssen, bis sich das Wetter wieder
verbessert, doch wann würde das sein? Gandalf fühlte, dass
er gezwungen wurde den Fluss an genau dieser Stelle zu
überqueren.
Der Zauberer blickte zweifelnd drein. War das
jetzt ein Zufall? Oder war es der Gegner, der seinen ersten
teuflischen Schachzug ausspielte? Gandalf seufzte und war ziemlich
ratlos. Er fürchtete sich etwas davor den Fluss zu
durchschwimmen, zu sonderbar erschien es ihm, dass er nahezu dazu
gezwungen wurde, den Fluss hier zu überqueren. Doch er hatte
keine andere Wahl.
Gandalf stieg von Schattenfell herunter und
stellte sich neben das Tier. Er streichelte den Hals des Tieres und
murmelte ein paar Worte. Gandalf wusste, dass Schattenfell es
schaffen würde, über den Fluss zu schwimmen, er war ein
besonderes Tier. Das Gepäck, das Schattenfell trug war nicht
allzu schwer und so ließ Gandalf es auf dem Pferderücken.
Er selbst zog seinen Umhang aus und band ihn ebenfalls auf
Schattenfell, denn den Umhang konnte er beim schwimmen nicht
umlassen, er würde viel zu schwer werden, wenn er sich mit
Wasser voll saugen würde. Genauso tat er es mit seinem
Zauberstab. Der Zauberer wusste, dass er gut bei seinem Reittier
aufgehoben war.
Er trieb Schattenfell an, an das Ufer zu gehen. Es
war schlammig und somit ziemlich rutschig, doch das Pferd scheute
kaum, es tat das, was sein Herr von ihm verlangte. Langsam glitt das
Tier in den Fluss und begann durch das kalte Wasser zu schwimmen. Den
Kopf hielt es dabei mühevoll über Wasser und es schnaubte,
als ihm das Wasser in die Nüstern lief.
Am anderen Ufer
angekommen, begann es angestrengt Fuß zu fassen auf dem
rutschigen Boden. Mehre Male rutschte es wieder zurück und wäre
beinahe wieder in das Wasser gestürzt, doch nach einiger
Anstrengung gelang es dem Tier, das hohe Ufer hinaufzusteigen. Nass,
mit Schlamm bedeckt und erschöpft kroch es an das sichere Land
und legte sich dort ins Gras. Der Wind begann sofort seine Mähne
trocken zu blasen und Schattenfell richtete seinen Blick auf Gandalf,
der nun ebenfalls vorsichtig das schlammige Ufer hinunterkletterte.
Der Zauberer fröstelte durch die Kälte und dachte mit
Unbehagen daran nun in das kalte Wasser zu müssen. Mühevoll
hielt der Zauberer die Balance und tastete sich immer weiter
hinunter, zum Wasser hin. Es wurde mehr und mehr aufgewühlt von
dem starken Wind, den man nun schon fast als Sturm bezeichnen konnte.
Gandalf wusste, dass er sich beeilen musste, die Regentropfen fielen
schon stärker, durchnässten seine Kleidung, und es war
schon jetzt erbärmlich kalt, wie Gandalf fand.
"Das ist
wahrlich nichts für einen alten Mann", murmelte er und
krallte seine Hände in den schlammigen Boden und die Pflanzen,
die darauf wuchsen, um Halt zu finden. Er nutzte auch alte Äste,
die tief im Schlamm steckten und Wurzeln, um an der steilen Böschung
Halt zu finden.
Den Zauberer trennte nur noch ein einziger Meter
vom Wasser. Seine Sicht war stark eingeschränkt, denn Schlamm
war in sein Gesicht gespritzt und zwang ihn dazu seine Augen fast zu
verschließen, damit der Schmutz nicht in sie gelangte.
Plötzlich brachte ihn eine heftige Windböe dazu, den Halt
zu verlieren. Er versuchte ihn wiederzuerlangen, doch war seine
Bemühung vergebens. Von einem Keuchen begleitet stürzte der
Zauberer in die kalten Fluten und es war ihm, als würden ihm
tausend Messer in den Leib stechen. Als Gandalf unter Wasser die
Augen öffnete, konnte er nicht sehen, außer Dunkelheit,
denn durch den düsteren Himmel, der durch das Unwetter draußen
entstand, hatte sich auch das Wasser des Flusses nahezu pechschwarz
gefärbt.
Der Zauberer spürte, wie sich seine Kleidung
mit Wasser voll saugte und drohte, ihn nach unten zu ziehen. Nachdem
Gandalf einige Sekunden vor Schreck und Kälte überhaupt
nicht in der Lage war sich zu bewegen, begann er mit den Armen zu
rudern, obwohl er nicht wusste, welche Richtung die richtige war. Das
ließ den Zauberer in Panik verfallen, denn durch den
überraschten Sturz hatte er seine Lungen nicht ausrechend mit
Luft füllen können und er spürte bereits jetzt, wie er
dringend welche brauchte. Unkontrollierte, hektische Stöße
mit den Armen rieben ihn voran durch das kalte, schwarze Wasser. Aus
einem Instinkt heraus fand er jedoch den Weg zur Oberfläche und
gierig sog er die Luft ein. Das Wasser spritzte ihm ins Gesicht und
er wurde ein Stück weit weggetrieben. Die Kälte raubte ihm
die Kraft und er keuchte angestrengt. Der Regen, der innerhalb von
ein paar Minuten sehr heftig geworden war, prasselte auf sein Gesicht
und er versuchte durch die Schleier, die durch ihn entstanden, das
richtige Ufer zu finden. Gandalf hatte keine Ahnung, wo er war. Er
suchte Schattenfell, denn dann konnte er sich sicher sein, dass er an
dieses Ufer musste. Doch wie weit hatte ihn das Wasser bereits
mitgerissen?
Er hatte keine Wahl, er musste jetzt an ein Ufer
schwimmen, ganz gleich, ob es das richtige war oder nicht. Er musste
aus dem kalten Wasser hinaus, sonst würden ihn seine Kräfte
bald verlassen.
Angestrengt machte der Zauberer die ersten
Schwimmzüge und erkannte, wie schwer es war gegen den Strom
anzukommen. Ganz gleich, für welches Ufer er sich entschied,
gegen die reißende Strömung musste er dennoch schwimmen,
denn sie kam von der Seite.
Mehre Male wurde Gandalf nach unten
gezogen und er verbrauchte viel Kraft um sich wieder hinauf zu
kämpfen. Seine Arme schmerzten bald heftig von der Anstrengung
und verzweifelt stellte er fest, dass das rettende Ufer noch so fern
war. Seine Lunge brannte vom gierigen Luftholen und er bemerkte, dass
er durch die Kälte kaum noch Gefühl in seinen Beinen hatte.
Der Zauberer spuckte Wasser aus, dass ihm in den Mund gespült
wurde und kämpfte sich verbissen durch die eisigen Fluten
vorwärts.
Irgendwann, als Gandalfs Arme sich schon fast
weigerten weitere Schwimmstöße auszuführen, erblickte
er vor sich das Ufer. Mit all seiner Kraft, die ihm noch verblieben
war, krallte er sich in den schlammigen Boden und zog sich ein Stück
weit aus dem Wasser. Er blieb für eine Weile keuchend und
zitternd einfach nur an der steilen Böschung hängen und war
unfähig sich zu bewegen. Die Kälte lähmte seine
Glieder, die Kraftlosigkeit brachten ihn fast dazu seinen Griff zu
lösen und damit in die Fluten zurückzustürzen. Gandalf
rang nach Luft und versuchte sich ein Stück weiter nach oben zu
ziehen, doch es war so schwer. Die Kleidung klebte an ihm und schien
ebenfalls viel schwerer als sonst. Der Zauberer bekam eine Wurzel zu
fassen und zog sich mühevoll vorwärts. Der kalte Wind blies
ihn an, doch er hatte kein Gefühl mehr, um zu frieren. Keuchend
zog er sich vorwärts, bis er das steile Ufer fast überwunden
hätte und auf flachen Boden gelangt wäre. Doch dann
versagten ihm die Kräfte. Er wusste, würde er jetzt
loslassen um sich weiter vorzuziehen, würde er wieder
hinabstürzen, denn er war zu schwach, um sein Arm zu heben und
neuen Halt zu finden. Seine Finger waren ebenfalls klamm und
weigerten sich zu greifen.
Gandalf hing an der Böschung und
hatte nur einen Gedanken: Der Feind hatte ihn besiegt!
Er war viel
zu kraftlos, um weiter zu kommen, er würde loslassen müssen
und sich den kalten Fluten ergeben. Es gab keine Rettung, die Zeit
und das Schicksal hatten ihn dazu gebracht jetzt den Fluss überqueren
zu müssen und es war, wie Gandlaf es schon vermutet hatte, eine
Falle gewesen, die nun sein Leben kosten würde. Und auch das
Leben von Legolas, Gimli und Aragorn. Gandalf hatte versagt bei
seiner Aufgabe, der Feind hatte ihn geschlagen.
Der Zauberer
lockerte seinen Griff und wollte sich gerade fallen lassen, als er
ein Wiehern vernahm und über sich Schattenfell erkannte. Das
Pferd stand auf ebenem Boden und schaute zu ihm herab.
Das Pferd
wusste, dass sein Herr sich in Gefahr befand. Es kniete sich auf die
Vorderhufen und seine lange Mähne fiel herab, so dass Gandalf
sie greifen konnte. Der Zauberer tat es auch, die letzte Chance, die
ihm gegeben war, würde er versuchen zu nutzen. Selbst wenn es
nicht gelingen würde, hätte er es wenigstens noch
versucht.
Seine klammen Finger schlossen sich um ein dickes
Büschel aus Schattenfells Mähne und das Pferd stand auf und
zog mit einem Wiehern den Zauberer empor. Ein paar Schritte des
Pferdes nach hinten sorgten dafür, dass Gandalf den Rest der
schlammigen Böschung hochgezogen wurde und keuchend auf der
Wiese liegen blieb. Völlig mit Schlamm bedeckt und zitternd vor
Schwäche und Kälte blieb der Zauberer liegen und war nicht
fähig aufzustehen.
Erst nach vielen Minuten konnte er sich
überhaupt auf den Rücken drehen und der Regen sorgte dafür,
das der Schlamm von seinem Gesicht gespült wurde.
Schattenfell
stupste Gandalf an der Brust und forderte ihn damit auf aufzustehen.
Es hielt seinen Kopf so, dass Gandalf wieder in seine Mähne
greifen konnte. Der Zauberer tat es auch und ließ sich von
Schattenfell auf die Beine zerren. Mit Hilfe des Pferdes schaffte es
der Zauberer unter einen Baum zu gelangen, wo der Regen nicht so
heftig war. Gandalf lehnte sich erschöpft mit dem Rücken an
einen Stein und schloss müde die Augen. Er merkte gar nicht
mehr, wie sehr er zitterte, doch er fühlte sich sehr elend. Er
hatte viel Wasser geschluckt und das verursachte eine Übelkeit
bei ihm.
Schattenfell legte sich neben ihn und drehte sich so,
dass Gandalf im Stande war seinen Zauberstab von dem Pferderücken
zu nehmen. Der Zauberer tat es und entfachte ein warmes Feuer. Ihm
kam sein Zauberstab so schwer vor, dass er ihn sofort wieder sinken
ließ.
Gandalf schloss die Augen und sank gleich in einen
Halbschlaf. Das Feuer sorgte dafür, dass sein kalter Leib wieder
etwas warm wurde und dass das Gefühl wieder in seine Glieder
zurückkehrte. Der Regen prasselte immer noch und schien die Erde
ertränken zu wollen. Es donnerte und blitzte, doch all das hörte
Gandalf nicht.
Nach etwa einer Stunde ließ der Regen und
auch der Wind etwas nach.
Das Blitzen und Donnern hielt an und der
Himmel war immer noch schwarz verhangen.
Schattenfell erhob sich
und stupste den Zauberer wieder an, der darauf langsam die Augen
öffnete. Das Pferd wieherte und Gandalf wusste, das es weiter
wollte. Das Tier schien zu ahnen, dass sie nicht rasten konnten, zu
sehr drängte die Zeit.
Mit Schattenfells Hilfe gelang es dem
noch immer völlig entkräfteten Zauberer auf den Rücken
des Pferdes zu klettern. Das Tier trabte vorwärts und merkte
bald, wie sein Reiter wieder eingeschlafen war. Das Pferd wusste
jedoch den Weg und lief weiter, immer den Anduin entlang und der
Alten Waldstraße entgegen. In der Ferne brachen nun die Wolken
auf und die Sonne senkte ihre Strahlen auf die Erde.
Hinter
Gandalf und Schattenfell jedoch war der Himmel immer noch pechschwarz
und das Gewitter donnerte. Fast schien es so, als wäre das
Schicksal erzürnt über das Misslingen seines Plans...
"Was
ist das nur für ein verdammtes Unwetter", fragte Pippin und
zuckte beinahe zusammen, bei dem heftigen Donnern.
Zusammengekauert
saßen die Hobbits unter einem Felsvorsprung und sahen hinaus in
den Regen. Es war stockfinster, nur die Blitze machten die Umgebung
für einen Bruchteil von Sekunden taghell.
"Ich habe
keine Ahnung, Pip. Ich hoffe nur, dass es bald aufhört",
antwortete Merry und schüttelte seine völlig durchnässten
Locken.
"Was haben wir uns nur gedacht...", murmelte
Pippin und drückte sich eng an den kalten Fels.
"Glaubt
mir, alles, was ihr tut ist richtig und von großer Bedeutung.
Wir können heute sowieso nicht weiter gehen, es ist ja schon
beinahe Nacht. Wir liegen aber ganz gut in der Zeit, glaube ich. Wir
müssten in wenigen Tagen an der Pforte von Rohan sein",
sagte Sam zufrieden und entfachte ein kleines Feuer.
Frodo wühlte
in seinem Rucksack und brachte dutzende von Gegenständen zum
Vorschein. Als er den Beutel mit Hafer griff, öffnete er ihn und
streute den beiden Ponys, die halb draußen in Regen standen,
etwas von dem Futter vor die Nüstern. Freudig begannen die Tiere
den Hafer aufzulesen, der Regen und das Donnern schienen ihnen kaum
etwas aus zu machen. Frodo lächelte, als er sah, wie gierig die
Tiere den Hafer in ihren Mäulern verschwinden ließen.
"Habt ihr auch Hunger", fragte er in die Runde und stellte
aber schon die Beutel mit dem Brot und dem Trockenobst in die Mitte
der Hobbits.
Merry und Pippin begannen sofort sich über die
Beutel herzumachen und schaufelten munter alles Essbare in sich
hinein.
"Du kannst verrückte Fragen stellen",
bemerkte Sam lächelnd. Er blickte sich um. Der Felsvorsprung war
groß und an der hinteren Wand entdeckte Sam plötzlich eine
Höhle. Mit gerunzelten Augenbrauen sah Sam in das schwarze Loch
und eine Gänsehaut breitete sich auf seinem Rücken aus. Er
hatte sie gar nicht bemerkt, als er und die anderen sich vor dem
Regen dort herunter geflüchtet hatten. Aber bis jetzt war nichts
geschehen, also würde wohl auch in Zukunft nichts geschehen. Die
Höhle war sicher verlassen und völlig ungefährlich.
Sam widmete sich wie die anderen seinem Essen und sah müde, aber
zufrieden aus. Er hatte die ersten Tage von ihrer Reise ständig
darauf gewartet, dass etwas geschah, doch sie kamen gut voran, das
Wetter war ihnen bis heute einigermaßen zugetan gewesen und
auch sonst war nichts ungewöhnlich. Sam hoffte in seinem
Inneren, dass er seinen Kampf vielleicht schon gewonnen hatte.
Vielleicht war die Zeit und das Schicksal ja nachsichtig mit ihm.
"Wo
genau wollen wir uns eigentlich trennen", fragte Merry mit einem
Mal und riss Sam aus seinen Gedanken.
Der Hobbit überlegte.
"Ich würde sagen, irgendwo in Rohan. Dann können
Pippin und du gleich etwas weiter südlich gehen, so dass ihr
nach Minas Tirth gelangt und Frodo und ich schlagen dann die
nördliche Richtung ein. Ich denke mal, wenn wir uns in der Höhe
des Weißen Gebirge trennen, reicht das. Vorher können wir
zusammen gehen."
"Zu viert ist es ja auch viel
sicherer", gab Pippin zu bedenken.
Die Hobbits verzehrten ihr
Abendbrot und breiteten danach ihre Decken aus. Sie rollten sich
alle, einer nach dem anderen, zusammen und schlossen die Augen.
Frodo
schlummerte seelenruhig neben Sam und Merry und Pippin lagen auf der
anderen Seite des Feuers. Ihre Gesichter wurden von den Flammen
beschienen und ließen ihre Locken golden glänzen.
Sam
konnte nicht schlafen. Es mussten bereits Stunden vergangen sein,
seit sie sich alle hingelegt hatten. Immer wieder starrte der Hobbit
misstrauisch zur Höhle. Irgendwie beunruhigte er sie und er
wusste, hätte er sie vorher gesehen, hätte er vielleicht
einen anderen Platz als Nachtlager gewählt. Sam wurde mit einem
Mal nervös. Die Decke kratzte ihn, er begann zu schwitzen und
warf sich unruhig hin und her. Frodo seufzte im Schlaf und drehte
sich um und Sam beneidete ihn etwas um die Ruhe, die er hatte. Er
schloss die Augen und versuchte sich zum Schlafen zu zwingen. Es
gelang ihm, in einen Halbschlaf zu fallen, der ihn träumen
ließ.
Er träumte von einem wunderschönen Garten,
mit vielen Blumen. Rosie und die Kinder standen in der Mitte und
lächelten ihn freundlich an. Er selbst stand in einem Beet und
schnupperte an einer Rose. Sam lächelte zurück und freute
sich. Plötzlich war ein Grollen zu hören und Sam drehte
sich ratlos nach allen Seiten um. Wo kam dieses merkwürdige
Geräusch her? Rosie und die Kinder lächelten immer noch und
sonst war nichts und niemand in der Nähe. Völlig
schlaftrunken erwachte Sam und rieb sich müde die Augen. Was für
ein sonderbarer Traum. Alles so friedlich und dann ein Grollen.
Doch... Sam erstarrte. Bildete er sich das nur ein? Da war das
Grollen immer noch!
Es war gar kein Traum! Hektisch blickte er
sich um. Die anderen schliefen noch. Er schlug die Decke zurück
und richtete sich mit klopfendem Herzen auf. Das Grollen kam aus der
Höhle. Es war gar kein Grollen, viel eher ein Knurren, wie von
einem wilden Tier!
"Herr Frodo", flüsterte Sam und
schüttelte Frodo. Dieser schlug die Augen auf und brummte
irgendwas vor sich hin.
"Herr Frodo", sagte Sam noch
einmal und als Frodo endgültig die Augen offen hatte, legte er
sich den Finger auf den Mund und Frodo wusste, dass er leise sein
sollte.
"Was ist denn, Sam", flüsterte er.
Sam
deutete in Richtung Höhle. "Da ist irgendwas!"
Frodo
schluckte, als er das Knurren hörte. In seine Augen trat sofort
ein Ausdruck der Angst. Sam machte ein paar Gesten, die Frodo sagten,
er solle sofort aufstehen und so schnell wie möglich
verschwinden.
Sam krabbelte zu Merry und Pippin hinüber und
weckte auch sie ganz leise.
Nachdem auch sie das Knurren, das hin
und wieder verstummte, wahrnahmen, waren auch sie sofort damit
beschäftigt, das nötigste zu packen und schnellstens
aufzubrechen. Draußen war es noch fast tiefe Nacht, die Ponys
standen immer noch am Eingang des Felsvorsprungs und Merry und Pippin
waren bereits dabei ihr Pony zu beladen.
Als sie fast fertig
waren, wurde das Knurren mit einem mal lauter und Sam drehte sich
erschreckt um und starrte in die Schwärze der Höhle.
Er
brachte kein Ton heraus, als er zwei funkelnde Augen erkannte, die
sich vorwärts zu bewegen schienen.
"Sam", sagte
Frodo mit zitternder Stimme. Als er die Augen ebenfalls erblickte.
Ein fauliger Gastank wehte ihnen plötzlich um die Nase und Merry
und Pippin hielten sich die Hände vor die Nasen. Blitzschnell
schnappte sich Sam das Schwert Stich aus einer Tasche, das er auch
diesmal dabei hatte. Merry und Pippin warf er ein Messer zu, das er
zum Brotschneiden mitgenommen hatte.
Merry fing es und stellte
sich vor Pippin, der schutzlos war.
Frodo blieb in Sams Nähe
und alle starrten nur die beiden Augen an, die sie ihrerseits
ebenfalls völlig fixierten und stetig näher kamen,
begleitet von diesem hässlichen Knurren. Die Hobbits wichen
immer weiter zurück und hofften, irgendwann schnell flüchten
zu können. Sehr zu Sams Schrecken, bäumte sich Flocke
plötzlich auf und galoppierte davon. Merrys Pony jedoch war dazu
gezwungen zu bleiben wo es war, denn es war mit der Zügel an
einen Baumstamm gebunden worden. Das Tier schlug mit den Hufen nach
hinten aus und versuchte sich panisch loszureißen.
Die
Hobbits gingen immer noch ganz langsam nach hinten, schnelle
Bewegungen, fürchteten sie, könnte diese Bestie dazu
veranlassen hinter ihnen herzulaufen. Bald konnten die Hobbits auch
ein Maul mit messerscharfen Zähnen erkennen, die im Dunkeln
bedrohlich glänzten.
Pippin verlor fast die Nerven und
krallte sich in Merrys Arm fest.
Ein riesiger Warg erschien mit
einem mal im Höhleneingang und den Hobbits wurden allesamt die
Knie weich.
Ohne eine Vorwarnung sprang das Biest plötzlich
laut knurrend und zähnefletschend auf Merry und Pippin los.
Merry stieß ihm das Brotmesser in die Seite, doch das erzürnte
den Warg nur noch mehr. Er fuhr herum, sprang beinahe ins Feuer und
wirbelte Funken auf. Dann stürzte er wieder auf Merry los und
der Hobbit wurde zur Seite geschleudert.
Sam kam seinen Freunden
zur Hilfe und stürzte sich mit einem Schrei auf den Warg und
rammte ihm Stich in die Flanken. Das Biest fuhr erschreckt herum und
sprang vor Schmerz mit aller Macht an eine Felswand. Steine, durch
die Wucht des Tieres ausgelöst, donnerten herab und stellten
gefährliche Geschosse da. Staub rieselte von der Decke und
keiner der Hobbits konnte mehr irgendwas sehen. Der Warg musste
irgendwie eine Steinlawine ausgelöst haben, denn plötzlich
donnerten überall mächtige Felsstücke herab.
"Wo
seid ihr denn alle", rief Sam angstvoll und drehte sich hektisch
im Kreis. Er konnte nichts mehr erkennen, überall fielen Steine
herab und Staub wurde ausgelöst. Die Erde bebte unter den vielen
Felsen. Sam versuchte den Felsbrocken auszuweichen und legte
schützend die Hände über den Kopf. Er hörte ein
gefährliches Bellen, dann ein Schreien, von dem er nicht wusste,
von welchem seiner Freunde es stammte. Merrys Pony wieherte und
verstummte dann plötzlich ganz abrupt.
Wieder hörte Sam
ein Schreien und ein Rufen, überall polterte es und der Hobbit
versuchte verzweifelt etwas durch den Staub zu erkennen. Er drang in
seine Lungen ein und brachte ihn zum Husten.
"Wo seid ihr",
schrie er wieder, doch er hörte nur ein Rufen, das wie aus
weiter Ferne kam.
Dann plötzlich war es still. Die letzten
Felsbrocken rollten herab und der Staub begann auf die Erde zu
rieseln. Irgendwo war ein Wimmern zu hören und Sam versuchte die
Richtung aus der es kam zu orten. Auf der anderen Seite erklang ein
Stöhnen und Sam bekam mit der Angst zu tun.
"Wo seid
ihr", fragte Sam und lauschte, ob er irgendwo eine Antwort
bekam.
"Hier", kam es kläglich zurück.
Sam
erkannte Frodo. Er musste hier irgendwo in der Nähe sein. Der
Hobbit lauschte, ob das Knurren noch da war, doch konnte er nichts
mehr hören, dass danach klang.
"Herr Frodo?"
"Hier
hinten, Sam. Verdammt, ich bin eingeklemmt!"
Sam blieb im
ersten Moment fast das Herz stehen. Die Angst schoss ihm wie eine
Welle einmal durch den ganzen Körper und lähmte ihn. "Oh
nein, nein, nein", murmelte er und machte sich dann langsam auf
den Weg in die Richtung, in der er Frodo vermutete.
Sam kletterte
über einen Haufen Steine hinweg und löste versehentlich
eine neue kleine Lawine aus.
"Herr Frodo, ist alles in
Ordnung", fragte er ängstlich, als es wieder ruhig
wurde.
"Ich weiß nicht, ich... meine Hand... da liegt
ein Stein drauf", ertönte es und Sam war dankbar, dass
Frodo anscheinend von den von ihm losgetretenen Steinen nicht
getroffen worden war.
"Halt aus Herr Frodo, ich komme zu
dir!"
Sam balancierte über die Steine hinweg und stützte
sich wo es nur ging ab, um nicht selbst zu fallen.
Bei jedem
Schritt rieselte Staub herab und Sam fürchtete sich davor, neue
Steine loszutreten.
"Sam, ich... ich kriege meine Hand nicht
mehr frei", wimmerte Frodo und Sam folgte seiner Stimme.
Sam
war sich schon fast nicht mehr sicher, ob er an Frodo nicht
vielleicht schon vorbeigelaufen war, als er ihn plötzlich
erblickte. Sein Freund hockte vor einem größeren
Felsbrocken, unter dem seine Hand klemmte.
Sofort eilte Sam zu ihm
und musterte den völlig verstaubten Frodo.
"Oh Sam, ich
bin ja so froh, dass du da bist, du musst mir helfen!"
"Ist
sie gebrochen", fragte Sam und begutachtete Frodos Hand, die
unter dem ziemlich schweren Felsbrocken begraben war.
"Keine
Ahnung, ich weiß nur, dass sie weh tut", jammerte Frodo
und bekam feuchte Augen.
"Schon gut, ich helfe dir ja."
Sam
ließ seinen Blick kreisen und erkannte einen Ast, den er
aufhob, um ihn als Hebel zu benutzen.
Er stemmte den Ast unter den
Felsbrocken und zog ihn nach hinten, so dass der Felsen ein Stück
hochgedrückt wurde.
Begleitet von einem Keuchen zog Frodo
seine Hand hervor und umschloss sie sofort mit der anderen.
"Und",
fragte Sam aufgeregt.
"Sie ist ganz blau", wimmerte
Frodo.
"Hör zu, wir müssen erst mal sehen, wo die
anderen sind! Komm mit, Herr Frodo!"
Frodo erhob sich
mühevoll und hielt seine Hand fest umschlungen.
"Merry,
Pippin, wo seit ihr", brüllte Sam so laut, dass erneut
Staub von der Decke rieselte und ein Echo erklang. Er konnte in der
Dunkelheit kaum etwas erkennen und wenn nicht die Morgendämmerung
durch den entfernten Eingang hinein gefallen wäre, wäre es
wahrscheinlich stockfinster gewesen. Sam schluckte schwer. Was wenn
sie tot waren? Der Warg konnte sie geholt haben. Oder die Felsen
konnten sie erschlagen haben.
"Antwortet doch endlich",
rief Sam und die Verzweiflung keimte in ihm hoch.
"Sam? Wir
sind hier drüben", hörte er Pippins Stimme.
"Geht
es euch gut", fragte Sam und glaubte vor Erleichterung fast den
Boden unter den Füßen zu verlieren.
"Ja, es ist so
weit alles in Ordnung. Ist Frodo bei dir", fragte Merry.
"Ja,
ist er, wo genau seit ihr denn?"
"Am Ausgang, kommt
hierher."
Sam und Frodo gaben sich viel Mühe vorsichtig
einen Weg zum Ausgang zu finden. Sie hielten sich gegenseitig so gut
es ging fest und konzentrierten sich ganz darauf möglichst
sicheren Halt zu finden.
Endlich erreichten sie den Ausgang, doch
was sie da sahen, ließ sie erstarren.
Blut, überall. Es
tränkte buchstäblich die Erde.
Merry und Pippin kamen
ihnen erschöpft entgegen. An Merrys Stirn klaffte eine Wunde
auseinander und Pippin hatte ein paar Schrammen an den Armen, aber
sonst schien es beiden ganz gut zu gehen.
"Unser Pony ist
weg", stellte Merry verbissen fest.
"Und der Warg zum
Glück auch", ergänzte Pippin. "Es scheint, als
habe er seine Mahlzeit gefunden..."
Sam würgte leicht
bei dem vielen Blut. Es lag nahe, dass der Warg das Pony gerissen
hatte.
"Tja, damit wären dann auch all unsere Vorräte
auf und davon", sagte Merry wütend und stemmte die Hände
in die Hüften.
"Frodo, was ist denn mit dir",
fragte Pippin besorgt und sah, wie der Freund schluchzend auf die
Knie fiel.
Sam kniete sich ebenfalls zu ihm runter. "Seine
Hand war unter einem Felsen eingeklemmt."
"Und, ist es
schlimm", fragte Pippin weiter.
Sam zuckte mit den Schultern.
"Frodo, zeig mir deine Hand." Er sorgte dafür, dass
Frodo endlich seine andere Hand von der Verletzten runternahm.
Der
Hobbit konnte die Hand nicht mehr bewegen, sie schmerzte stark, war
angeschwollen und blau angelaufen.
"Vielleicht ist sie nur
gequetscht", vermutete Merry und sah Frodo mitleidig an.
"Egal,
es tut jedenfalls verdammt weh", schluchzte Frodo.
Sam sorgte
dafür, dass Frodos Hand in einer Regenpfütze gekühlt
wurde und stellte dann den kompletten Arm mit einer Schlinge ruhig.
Pippin kümmerte sich derweil um Merrys Verletzung an der
Stirn.
"Wir müssen hier weg", bemerkte Sam, als sie
fertig waren. Die Hobbits, außer Frodo, suchten die
verbliebenen Gepäckstücke zusammen und machten sich dann
auf den Weg, weg von der Höhle. Sie wollten lieber nicht
miterleben, wenn der Warg zurückkam.
Sam fluchte leise vor
sich hin. Auch Flocke war verschwunden. Sie kam nicht, als er ihren
Namen rief. Innerlich fürchtete Sam, dass sie vielleicht
ebenfalls von dem Warg erwischt wurde.
Niedergeschlagen machten
sich die Hobbits auf den Weg, weiter in Richtung Rohan. Sie
schleppten mühevoll das Gepäck hinter sich her und wirkten
recht verzweifelt und noch immer etwas geschockt.
Sie liefen dem
Sonnenaufgang entgegen, der nun die Gegend in ein zartes Rot
tauchte.
"Können wir bitte mal eine Pause machen,
meine Hand tut so weh", sagte Frodo in die völlige Stille
hinein.
Seit Stunden waren die Hobbits nun gelaufen. Es musste
bereits später Mittag sein. Kaum jemand hatte ein Wort gesagt,
alle liefen recht verbissen nebeneinander her. Merry wollte nicht
gestehen, dass seine Stirn brannte und versuchte ständig gegen
den Schmerz anzukämpfen, Pippin war etwas traurig über das
Pony und Sam war einfach nur ängstlich und ratlos. Frodo hatte
schon seit einer ganzen Weile um eine Pause bitten wollen, aber erst
jetzt, wo er sie wirklich brauchte, fragte er danach.
Die Hobbits
ließen sich auf einer Wiese nieder und legte das Gepäck
neben sich. Niemand sagte ein Wort, die Stille war nahezu erdrückend.
Sam ging stillschweigend zu Frodo rüber und kühlte seine
Hand erneut. Dann stand er auf und ging etwas abseits der
anderen.
Merry und Pippin guckten sich verdutzt an, hüllten
sich aber dennoch in Schweigen.
Nachdem Frodo eine Besserung durch
das Kühlen verspürte, stand er auf und lief zu Sam hinüber.
Hinter sich hörte er jetzt, wie Merry und Pippin anfingen sich
zu unterhalten.
Frodo stellte sich schweigend neben Sam und
bemerkte wie seinem Freund die Tränen über die Wangen
liefen. Frodo wollte etwas sagen, doch noch ehe er das konnte,
ergriff Sam schon das Wort. "Was war das heute Nacht?"
Frodo
sah ihn an und versuchte zu begreifen, was Sam meinte.
"Was
glaubst du war das heute Nacht", wiederholte Sam.
Frodo gab
keine Antwort sondern blickte, wie Sam, in die Ferne.
"Glaubst
du das war ein Zufall? Ich denke nicht. Ich denke, es ist so weit.
Der Gegner ist gerade dabei seine Schlacht gegen uns auszufechten.
Sie sind wieder gegen uns. Die Zeit und das Schicksal sind wieder
gegen uns", sagte Sam und er klang aufgewühlt und
hilflos.
"Aber Sam, wir sind alle am Leben! Wir hätten
so leicht da drinnen sterben können, aber wir sind alle am
Leben. Vielleicht war es doch nur ein Zufall", versuchte Frodo
Sam Mut zuzureden.
"Ich glaube, es gibt gar keine Zufälle!
Ich glaube, das ist alles so geplant. Sie sind gegen uns!"
"Aber
Sam, selbst wenn, du wusstest doch, dass sie das sein würden.
Ich habe es doch auch gewusst."
Sam schüttelte verbissen
den Kopf. "Ach, Herr Frodo. Ich bin so ein Narr! Ich mache mir
etwas vor! Eigentlich wusste ich, dass es so sein würde, aber
ich habe immer gehofft, dass es vielleicht doch nicht so ist. Ich
habe gehofft, dass wir die anderen einfach so retten können,
dass die Zeit und das Schicksal vielleicht Gnade zeigen oder
nachsichtig sind. Vielleicht, dass sie mir verzeihen und mich den
Kampf hier gewinnen lassen. Und weißt du, warum ich das gehofft
habe?"
Frodo schüttelte den Kopf.
"Weil ich
genau weiß, dass ich gegen sie verliere, wenn sie gegen mich
sind! Und jetzt sehe ich, wie sie sich gegen mich stellen und ich
weiß, ich bin viel zu schwach, um gegen sie anzukommen und um
mein Ziel zu erreichen", sagte Sam und schluchzte.
"Das
habe ich damals auch gedacht, als ich den Ring hatte. Aber mit deiner
Hilfe habe ich es geschafft! Glaubst du nicht, wir könnten das
vielleicht doch zusammen schaffen", fragte Frodo und
lächelte.
Sam strich sich über das Haar und schloss die
Augen. "Und wie?"
"Indem wir einfach weiter gehen.
Indem wir das tun, was wir vorhatten! Weißt du, ich glaube, wir
haben durchaus eine Chance."
"Woher willst du das
wissen?"
"Ich glaube Nevturiel hätte dir nicht
geholfen, wenn du ganz chancenlos wärst."
Sam nickte und
wischte sich die Tränen weg. "Ich möchte so gerne
glauben, dass das vorhin in der Höhle nur ein Zufall war. Ich
möchte glauben, dass es nicht von Bedeutung war. Ich möchte
jetzt nicht immer zweifeln müssen, ob es richtig ist, für
was ich mich entscheide. Ich möchte mich nicht ständig
fragen müssen, ob wir vielleicht gerade in unser Verderben
rennen, weil es das Schicksal so will."
Frodo nickte. "Du
solltest darüber nicht nachdenken! Sehen wir das doch einfach
als eine Schlacht, die wir gewonnen haben! Wir wissen vielleicht
nicht wie, aber wir haben es halt. Wir sind am Leben und die Zeit
reicht noch, um unseren Plan auszuführen. Lass uns einfach
weiter machen, ungehindert dessen, was heute geschehen ist, sei es
nun Zufall oder nicht."
"Aber was, wenn es nicht doch
Auswirkungen hat. Vielleicht wollte das Schicksal, dass wir unsere
Pferde verlieren, vielleicht ist das alleine schon ausschlaggebend,
ob unser Plan scheitern wird oder nicht."
"Dann gehen
wir eben den Dingen, die auf uns warten entgegen! Was haben wir denn
für eine Wahl? Willst du umkehren? Aufgeben? Es ist zu spät
Sam, selbst wenn der Gegner jetzt da ist, sind wir verdammt, dagegen
zu kämpfen, oder aufzugeben. Was willst du tun?"
Sam
stand eine Weile nur da und starrte vor sich hin.
"Kämpfen...",
murmelte er.
"Und ich werde dir helfen, so wie du mir damals
geholfen hast", sagte Frodo und bemühte sich, sehr
überzeugend zu klingen.
"Ich danke dir, Herr Frodo",
bemerkte Sam und drückte Frodo fest an sich.
"Wir können
es schaffen, Sam", flüsterte Frodo ganz leise.
Die
beiden Hobbits gingen zu Merry und Pippin zurück, die gerade
dabei waren etwas Proviant zu verspeisen. Sie blickten die beiden
fragend an.
"Ich würde sagen, wir ändern unseren
Plan und bleiben zusammen, bis kurz vor Minas Tirith. Wir haben nur
wenig Proviant, den wir teilen müssen", stellet Sam jetzt
wieder gefasst fest.
Merry und Pippin nickten.
Die Hobbits
rasteten noch eine Weile auf der Wiese. Dann packten sie alles wieder
zusammen, um ihren Weg fortzusetzen. Sie wollten gerade losgehen, als
Sam glaubte, Hufgetrappel zu hören. Verdutzt drehte er sich um
und erspähte Flocke in der Ferne. Sie kam geradewegs auf die
Hobbits zugelaufen.
"Flocke", sagte Sam fassungslos und
ging ein paar Schritte auf sie zu.
Es dauerte nicht lange, da
stand das Tier vor ihnen und begrüßte sie freudig.
"Sie
muss weggelaufen sein und so dem Warg entkommen sein", vermutete
Merry.
"Egal, sie wird uns jedenfalls auf unserem weiteren
Weg helfen", sagte Sam freudig und begann sein Gepäck auf
Flockes Rücken zu laden.
Nachdem Flocke versorgt und beladen
war, marschierten die Hobbits weiter. Bald würden sie Rohan
erreichen und dann war es nicht mehr weit, bis sie ihr Ziel erreichen
würden...
Gandalf brauchte fast zwei Tage, um sich von
den Strapazen zu erholen. Er hatte die Gelegenheit sich auf dem
Rücken von Schattenfell auszuruhen, das war entscheidender
Vorteil, denn so konnte er ruhen, wurde aber dennoch von seinem
treuen Reittier seinem Ziel näher entgegen getragen.
Gandalf
legte nur die nötigsten Pausen ein, er ritt so lange, bis die
Dunkelheit ihn dazu zwang zu rasten, und wenn der erste Sonnenstrahl
vom Himmel fiel, war der Zauberer auch schon wieder auf dem Weg. Die
Tage vergingen und der Reiter und sein Pferd erreichten schließlich
die Alte Waldstraße. Sie führte direkt über eine
ältere, mit Grünspan bedeckte Brücke aus Holz. Sie
führte direkt zum anderen Ufer des Anduin, von dort aus der
Zauberer zum Fennfeld reiten wollte.
Zögernd stand Gandalf
vor der Brücke und betrachtete sie sich. Er hoffte inständig,
dass sie das Gewicht von ihm und Schattenfell tragen würde.
Unter
ihr brauste das Wasser mit enormer Geschwindigkeit hindurch und riss
alles mit sich, was nicht einen festen Halt hatte. Gandalf erkannte
Fische in der reißenden Strömung, die mit dem Strom
schwammen und Fluss abwärts getrieben wurden. Gandalf umschloss
seinen Zauberstab fester und trieb Schattenfell an, vorwärts zu
gehen. Das Tier setzte eine Hufe auf die ersten Bretter, die
bedrohlich unter dem Gewicht knackten. Wasser wurde immer wieder über
die Brücke, auf der teilweise Algen wucherten, geschwemmt und
ließ sie, gefährlich rutschig werden. Schattenfell ging
jedoch ganz ruhig weiter und testete vorsichtig jeden Schritt auf
seine Sicherheit.
Plötzlich rutschte das Tier mit einem
der Vorderläufe weg und Gandalf wurde schmerzlich gegen das
Geländer der Brücke gedrückt. Er hielt sich mühevoll
daran fest, umklammerte gleichzeitig seinen Zauberstab und versuchte
wieder Halt auf dem Pferderücken zu finden. Schattenfell
schaffte es nicht der rutschigen Stelle zu entkommen und rutschte mit
den Hinterläufen ebenfalls weg. Das Tier stürzte auf der
Brücke nieder und schnaubte ängstlich. Gandalf bekam im
letzten Moment das Geländer gänzlich zu packen und fing
seinen Sturz in die Fluten ab. Er fluchte wütend vor sich hin
und rieb sich seinen schmerzenden Oberschenkel. Schattenfell schaffte
es schließlich sich wieder aufzurichten und blieb unbeholfen
stehen, wo es war. Gandalf dankte den Valar, dass sein Pferd so etwas
Besonderes war, jedes andere Pferd wäre der Panik verfallen und
hätte die Situation nur noch verschlimmert. Langsam setzten sie
ihren Gang fort. Gandalf ging voran und horchte aufmerksam dem
Knacken der Bretter unter sich.
Dabei murmelte er Schattenfell
stets beruhigende Worte zu. Das Tier folgte seinem Herrn ganz ruhig
und schließlich gelangten sie sicher zum anderen Ende der
Brücke. Gandalf drehte sich um und atmete einmal tief durch.
Schattenfell und er hatten es geschafft. Der Anduin stellte nun keine
Bedrohung mehr dar und sie brauchten nun nur noch Legolas und Gimli
entgegenreiten. Schattenfell wieherte freudig und Gandalf schwang
sich wieder auf seinen Rücken. Sie setzten ihren Weg fort und
kamen gut voran. Sie ritten das östliche Ufer des großen
Stroms entlang, immer weiter nach Süden. Der Weg führte sie
am Düsterwald entlang, durch die braunen Lande, durch die Emyn
Muil hindurch, bis hinein in die Totensümpfe...
Gandalf
senkte seinen Blick und erkannte die ersten Nebelschwaden, die sich
wie Hände um Schattenfells Hufe schlossen. Der Boden war weich
und wurde immer sumpfiger, je weiter sie vordrangen. Gandalf war
schon ein paar mal zuvor hier gewesen. Manchmal hatte er die
Totensümpfe nur kurz betreten auf seinen Reisen, doch zwei mal
war er auch schon gezwungen gewesen hindurchzureiten. Der Zauberer
gestand sich ein, dass es ihn schauderte hier durchzureiten, und
hätte er gekonnt, er hätte einen Umweg genommen.
Der
Nebel wurde immer dichter und zog geheimnisvoll, wie Rauchschwaden,
über den Boden. Hier und da konnte Gandalf bereits den tiefen
Sumpf erkennen. Teiche waren überall, auf denen sich ebenfalls
der Nebel legte. Gandalf wusste nicht, ob er sich das nur einbildete,
oder ob es der Wirklichkeit entsprach, aber er hatte stets das
Gefühl, als könne er Blut riechen. Blut, das geflossen war
als die Menschen und Elben auf der Dagorlad ihren Tod fanden. Die
Menschen und Elben, deren Körper jetzt in den Teichen zu sehen
war. Überhaupt war die Luft erfüllt von einem Geruch des
Todes. Über dem ganzen Gebiet schien der Tot zu liegen, alles
war grau, verlassen und kalt. Nicht mal die Sonne schaffte es durch
den Nebel zu dringen, der nun auch über Gandalf und Schattenfell
lag.
Nur die Feuer, die scheinbar Wege zeigten, waren das einzig
Lebendige in den Totensümpfen. Feuer, die diejenigen, die die
Totensümpfe durchquerten erst in die Irre und schließlich
in ihr eigenes Grab leiteten.
Gandalf ritt auf die Teiche zu
und bemühte sich seinen Blick nicht in das Wasser fallen zu
lassen. Bleiche Gestalten lagen zu Hunderten in den Teichen und
schienen hinaufzublicken. Sie schienen nach Gesellschaft in ihrem
Totenreich zu gieren.
Glasige, milchige Augen verfolgten jeden
Schritt von Gandalf. Und weiße, tote Hände schienen ihn in
ihr Reich winken zu wollen.
Der Zauberer fröstelte, doch
nicht vor Kälte. Schauer jagten ihm über den Rücken
und er versuchte ruhig zu bleiben und den richtigen Weg zu
finden.
Gandalf hatte den Eindruck als würden in weiter
Ferne Schreie an sein Ohr dringen. Schreie von der Schlacht, die
einst auf der Dagorlad geschlagen wurde und in der so viele den Tod
fanden. Man hatte sie hier begraben und der Sumpf hatte ihre Gräber
verschlungen und die Toten zu sich geholt.
Gandalf blickte auf
Schattenfell. Das Pferd machte einen völlig ruhigen Eindruck.
Gandalf ritt an einem Teich vorbei und es war ihm nicht möglich
seinen Blick davon abzuwenden. Wie in Trance blieb er stehen und sah
in seiner Mitte einen einst stolzen Elbenkrieger, der nahezu im
Wasser schwebte. Sein blasser Mund wurde von einem Lächeln
umspielt, ein Lächeln, das Gandalf fast das Blut in den Adern
gefrieren ließ. Fast schien es, als würde er den Zauberer
belächeln, weil er mehr wusste, als Gandalf. Der Zauberer
schluckte schwer und hatte mit einem Mal das Gefühl, als würde
der Tote sich darüber freuen, bald nicht mehr alleine in dem
Teich zu ruhen.
Plötzlich begann etwas neben dem Elben zu
schillern und mit Schrecken sah Gandalf, wie etwas neben dem Krieger
aufzutauchen schien. Es wurde immer größer und trieb an
die Oberfläche. Langsam erkannte Gandalf, dass es eine weitere
Leiche war. Der Zauberer wollte wegreiten, doch er war wie
versteinert. Eine Kälte ließ ihn fast einfrieren und auch
Schattenfell regte sich nicht mehr unter ihm. Wie gebannt starrten
Pferd und Reiter in den Teich und sahen die Leiche, die auftauchte,
immer deutlicher. Plötzlich wurde sich Gandalf dessen bewusst,
dass es nicht nur eine Leiche war, sondern auch ein totes Pferd mit
hinauftrieb. Sie trieben mit dem Rücken voran und nachdem sie
die Oberfläche erreicht hatten, drehten sie sich wie von
Geisterhand um. Gandalf spürte, wie sein Herz einmal aussetzte,
als er in das Gesicht des Toten blicken konnte. Es war sein eigenes!
Und unter ihm trieb Schattenfell, weiß und das Maul weit
geöffnet, als hätte es an seinem Lebensende gewiehert. Die
Leiche im Teich drehte sich ganz auf den Rücken und Gandalf
erkannte nun zu deutlich, dass der Tote er selber war. Er hatte sogar
seinen Zauberstab fest umschlungen und seine Augen waren weit und
angsterfüllt. Dann plötzlich schien der Elbenkrieger sich
zu bewegen. Sein Lächeln wurde breiter, so breit, dass
schließlich seine Zähne zu sehen waren. Er öffnete
seine glasigen Augen und schien einmal durch Gandalf
hindurchzublicken. Er steckte seine knöcherne Hand zur
Oberfläche und ballte sie zur Faust. Nur noch den Zeigefinger
ließ er draußen und dann begann er ganz langsam mit dem
Zeigefinger zu winken. Er forderte Gandalf auf zu ihm zu kommen, doch
wie in Trance schüttelte der Zauberer den Kopf.
Der
Elbenkrieger riss zornig seinen Mund auf und plötzlich
schillerte es an mehreren Stellen in dem See. Überall stiegen
Leichen auf und Gandalf versuchte sich verzweifelt von der Stelle zu
bewegen, doch die Kälte hielt ihn fest. Ein Stöhnen und
Ächzen drang an sein Ohr, wie die letzten Geräusche, die
ein Sterbender macht.
Die Toten trieben ebenfalls mit dem Rücken
zur Oberfläche und drehten sich dann langsam um. Gandalf
versuchte die Augen zu schließen, er fürchtete sich so
sehr vor dem Anblick, doch er konnte es nicht. Sieben Leichen trieben
auf und drehten sich ganz langsam um. Ein Schrei der Angst entfuhr
dem Zauberer, als er ihre Gesichter erblickte. Zuerst drangen
Aragorns tote Augen durch ihn hindurch, neben ihm trieben die vier
Hobbits und hinter ihnen Legolas und Gimli.
Sie sahen aus, als
wären sie schon längere Zeit im Wasser, denn ihre Haut war
genauso fahl, wie die der anderen Leichen. Der Tod musste sie schon
eine Weile zuvor geholt haben, denn sie hatten alle kaum mehr Haut
auf ihren Knochen. Fast waren sie Skelette, doch Gandalf erkannte,
wer sie einst gewesen waren ohne Zweifel. Alle blickten Gandalf mit
ihren toten Augen an und schienen ihre Hände, wie um Hilfe
flehend, nach ihm zu strecken.
Der Elbenkrieger hatte wieder
dieses kalte Grinsen auf seinen Lippen und winkte dem Zauberer wieder
zu. Ganz langsam, um ihn zu holen. Er lockte ihn hinunter in den
Teich und er wusste, diesmal würde der Zauberer zu ihm
kommen!
Gandalf spürte sein Herz bis zum Hals schlagen und
konnte sich nicht gegen die Macht wehren, die nun Besitz von ihm
ergriff. Als würden ihn Arme packen und vom Pferd
hinunterziehen, neigte er sich in die Richtung des Wasser, bereit
hineinzutauchen. Die Hobbits, Aragorn, Gimli, Legolas und sogar
Gandalfs eigene Leiche nickten und zeigten dem Zauberer, dass er das
richtige tat. Obwohl Gandalf es nicht wollte, spürte er, wie er
langsam vom Pferd gezogen wurde. Er rutschte immer weiter hinunter,
bis nicht mehr viel gefehlt hätte und er wäre in den See
gestürzt.
Dann urplötzlich durchschnitt Schattenfells
Wiehern diese erdrückende Ruhe und das Pferd rannte vorwärts,
noch ehe Gandalf den Toten in den Teich folgen konnte. Sofort löste
sich Gandalfs Starre, in der er sich befunden hatte und mit
zitternden Händen griff er in Schattenfells Mähne und
richtete sich wieder auf seinem Reittier auf. Die Schreie der Toten
entfernten sich immer mehr und ihr Stöhnen wurde
leiser.
Gandalfs Gedanken waren wie vernebelt und die Angst
schnürte ihm die Kehle zu und brachte sein Herz fast dazu stehen
zu bleiben.
Was er in dem Teich gesehen hatte, würde er nie
vergessen, dessen war er sich bewusst. Die verwesten Leichen seiner
Gefährten und sich selbst zu sehen, war so grausam, dass sich
dieses Bild tief in seine Seele hineinbrannte.
Gandalf hatte zum
ersten Mal panische Angst. Was, wenn das gerade die Wahrheit gewesen
war? Vielleicht waren die anderen alle schon tot. Vielleicht war
etwas geschehen, dass sie nicht vorhergesehen hatten. Doch Gandalf
erinnerte sich an seine eigene Leiche im See. Er selbst war noch
nicht tot, er wäre es gewesen, wenn Schattenfell nicht
davongelaufen wäre, aber er lebte noch. Das Tier hatte ihm
wieder das Leben gerettet. Die Toten im Teich waren nur ein Trugbild,
versuchte sich der Zauberer einzureden.
Gandalf schloss die
Augen und ließ Schattenfell den Weg finden. Er wollte die Toten
nicht mehr sehen, er hatte Angst in die Teiche zu blicken.
Stunden
vergingen und Schattenfell trabte immer weiter.
Der Boden wurde
wieder fester und der Nebel lichtete sich allmählich.
Der
Geruch des Todes verschwand und die Hand der Angst ließ
Gandalfs Herz wieder los. Die Sonne schaffte es wieder, durch den
Nebel zu dringen und brachte Licht und Wärme in Gandalfs vor
Angst erkaltete Seele.
Schattenfell hatte ihn aus den Sümpfen
hinausgeführt, das Tier hatte sich gewiss noch an den Weg
erinnert.
Gandalf wusste, dass er wieder gescheitert wäre,
wenn ihm sein Pferd nicht so gute Dienste geleistet hätte.
Dem
Zauberer war kalt und er genoss die ruhige Gegend, in der er nun
gelangte. Sie war so beruhigend und friedlich. Nicht mehr weit, und
er würde am Fennfeld sein.
Er hoffte so sehr, dass er
rechtzeitig kommen würde...
Die Hobbits waren nach dem
Angriff
durch den Warg recht gut voran gekommen. Sie hatten längst die
Pforte von Rohan passiert, waren am Weißen Gebirge entlang
gelaufen und waren nun etwa eine Tagesreise von Minas Tirith
entfernt, in der Nähe des Mindolluin.
Merry und Pippin würden
ihr Ziel bald erreicht haben und Frodo und Sam würden noch gut
einen Tag brauchen, bis sie auf Lhunroth und seine Männer
treffen würden.
Der Abend brach herein und die Hobbits
beschlossen ihr Nachtlager aufzuschlagen. Die Gegend hier war mit
hohen Gras bewachsen und alte, morsche Baumstämme lagen hier und
da. Pippin stellte fest, dass sich in und unter ihnen allerlei Getier
tummelte und rümpfte die Nase, als ein großer
Tausendfüßler vor ihm ins innere eines morschen
Baumstammes flüchtete.
"Eine angenehme Umgebung, und so
nette Gesellschaft", bemerkte er gespielt freudig und
beobachtete, wie das Hinterteil des Tausendfüßlers
verschwand.
Frodo schmunzelte über diese Bemerkung und gähnte
einmal herzhaft. "Aber das Gras ist hier schön hoch, wenn
wir uns hier hinlegen, sieht uns niemand mehr."
"Ich
glaube hier würde eh keiner herkommen, bei diesem ganzen
Viehzeug...", murrte Pippin und breitete seine Decke
aus.
"Nörgele doch nicht, morgen kannst du schon in
einem weichen Bett mit weichen Kissen in Minas Tirith liegen, während
wir noch mindestens zwei Tage im Gras schlafen dürfen",
bemerkte Sam genervt.
Pippin würdigte Sam eines beleidigten
Blickes und setzte sich dann ins hohe Gras. Es war so hoch, dass nur
noch ein paar seiner Locken über die Spitzen der Grashalme
ragten.
"Toll", knurrte er stand daraufhin auf, um das
Gras etwas platt zu treten, doch es war so widerspenstig, dass es ihm
nicht gelang.
Ein Feuer konnten die Hobbits bei dem trockenen Gras
nicht riskieren, aber es war ohnehin recht warm an diesem Abend und
der Vollmond, der sich nun langsam seinen Platz am Himmel suchte,
würde ihnen etwas Licht spenden.
"Kannst du mir bitte
mal helfen", fragte Frodo und reichte Sam seinen Rucksack, damit
dieser den Verschluss öffnete. Seine Hand bereitete ihm immer
noch ab und zu Schwierigkeiten, obwohl sie gut verheilt war. Er trug
lediglich noch einen Verband darum und konnte sie auch schon wieder
benutzen, nur bei so kleineren Arbeiten hatte er manchmal Probleme.
Bei sehr geschickten Arbeiten gehorchte sie ihm manchmal nicht
richtig, oder schmerzte leicht. Sam hatte den Rucksack innerhalb von
wenigen Sekunden geöffnet und reichte ihn Frodo. Dieser lächelte
und packte die verbleibenden Reste von dem Proviant aus.
Nach
einem kargen Abendmahl kehrte Ruhe bei den Hobbits und Flocke ein.
Die Hobbits wurden von dem hohen Gras regelrecht verschluckt und
beobachteten über sich, wie der warme Wind mit den Grashalmen
spielte; wie er sie niederdrückte und sie sich wieder
aufrichteten. Flocke lag etwas weiter abseits und schnaubte müde
vor sich hin.
Mit dem Geräusch des rauschenden Windes in den
Ohren schliefen die Hobbits schließlich, einer nach dem
anderen, friedlich ein. Kleine Wölkchen zogen am Vollmond vorbei
und störten den hellen Schein für kurze Zeit.
Eine
schleichende Bewegung über dem Boden wurde von niemandem
Bemerkt. Geschmeidig und mit flüssigen Bewegungen wand sich das
Geschöpf aus seinem Versteck hinaus und kroch über den
Boden. Eine gespaltene Zunge nahm den fremden Geruch der Halblinge
war, doch der interessierte die Kreatur eigentlich gar nicht.
Vielmehr folgte sie dem süßen Geruch ihrer Beute, die sie
in nicht allzu weiter Entfernung geortet hatte. Der schuppige Leib
wand sich über den Boden und begann über einen an der Erde
liegenden Halbling hinweg zu gleiten.
Sam wollte sich gerade
auf die Seite drehen, als er eine sonderbare Berührung an seinem
Arm wahrnahm. Er war so verschlafen, dass er sie zuerst ignorieren
wollte, doch dann spürte er, wie etwas ziemlich langes über
ihn hinweg zu kriechen schien. Aus einem Instinkt heraus blieb er
ganz ruhig liegen und öffnete vorsichtig die Augen. Ein kleiner
Kopf mit Augen, in deren Mitte schlitzförmige Puppillen kalte
Blicke aussandten, ließ Angstschweiß auf seiner Haut
erscheinen. Sein Atem ging hastig und er versuchte das Bedürfnis
schnell aufzustehen und das Tier blitzartig von sich zu schütteln,
krampfhaft zu verdängen. Der graue, seidigglänzende,
schuppige Körper hielt plötzlich in seiner Bewegung inne
und blieb still auf Sams Oberkörper ruhen. Der kleine Kopf mit
den fast blinden Augen erhob sich und blieb elegant vor Sams Augen
wie versteinert stehen. Sam spürte, wie die Panik immer weiter
wuchs. Er wusste, würde er sich jetzt bewegen oder ein Geräusch
machen, würde das Geschöpf zustoßen. Er biss sich auf
die Lippen um kein Geräusch aus seinem Mund zu lassen, doch ein
klägliches Wimmern entfleuchte ihm dennoch. Der Schweiß
rann fortwährend über seine Stirn und in seine Augen
hinein, wo er brannte, und sein Atem war so laut, dass Sam hoffte
niemand von den anderen würde dadurch wach werden und etwas
undurchdachtes tun. Sein Unterkiefer begann zu zittern beim Anblick
der Schlange auf seinem Körper. Sie fuhr gierig ihre gespaltene
Zunge aus witterte diesen Geruch der Angst die von dem Halbling unter
ihr ausging.
Eine Ewigkeit schien zu vergehen, bevor ihr grauer
Körper sich wieder in Bewegung setzte, an Sams Kopf vorbeiglitt
und im hohen Gras verschwand. Sams Muskeln schmerzten alle, als er
seine Verkrampfung löste. Er musste erst wieder zu Besinnung
kommen und blieb einige Momente zitternd und mit schnell klopfendem
Herzen im Gras liegen.
Die Schlange setzte ihren Weg fort, über
einen weiteren Halbling hinüber. Mit eleganten Bewegungen glitt
sie über Frodos Verband hinweg und über seine Beine. Frodo
seufzte einmal im Schlaf und legte seine Hand an eine andere Stelle.
Die Schlange fuhr erschreckt hoch und richtete sich bedrohlich auf.
Ihre Zunge schnellte immer wieder vor und zurück und
untersuchte, ob die Bewegung, die sie gerade wahrgenommen hatte, eine
Gefahr darstellte. Nichts geschah und so glitt das Geschöpf mit
erhöhter Aufmerksamkeit weiter.
Die Schlange versuchte den
Geruch ihres Opfers wiederzufinden, den sie durch die vielen
verschiedenen Düfte kurzzeitig wieder verloren hatte. Sie ortete
ihre Beute neu und änderte ihre Richtung, wobei Pippin dabei in
ihrem Weg lag. Pippin lag auf der Seite und sein rechter Arm ruhte
auf seinem Körper. Die Schlange kroch über den Hobbit
hinweg und gelangte schließlich wieder auf den Boden, doch
plötzlich rutschte Pippins Arm hinunter und landete genau auf
dem Körper der Kreatur. Blitzschnell und ohne Vorwarnung stieß
die Schlange zu und vergrub ihre Giftzähne in Pippins Hand.
Der
Hobbit war binnen Sekunden hellwach und schrie laut vor Schmerz und
Angst, als er die Schlange erblickte.
Selbst völlig
erschreckt, glitt die Schlange schnell davon und suchte Schutz unter
einem Stein.
Sam riss die Augen auf, als er Pippins Schreie hörte,
Frodo fuhr angsterfüllt hoch und Merry wusste im ersten Moment
überhaupt nicht was los war. Er stürzte zu Pippin, der wild
um sich schlug und immer noch völlig panisch schrie.
"Was
ist denn los", wollte Merry wissen und versuchte Pippin den Arm
festzuhalten, mit dem er immer wieder um sich schlug.
"Mich
hat eine Schlange gebissen, tu doch was", brüllte er Merry
an und der sah ihn nur entgeistert an.
"Bist du dir sicher,
dass du nicht nur geträumt hast", fragte er Pippin, doch
die heftige Reaktion seines Freundes ließ ihn bereits wissen,
dass dem nicht so war.
Pippin kauerte sich zusammen, und heftige
stechende Schmerzen in seiner Hand ließen ihn immer wieder
aufschreien.
Sam und Frodo kamen zu den Beiden dazu und sahen
hilflos zu ihnen hinunter.
"Was ist denn", fragte Frodo
vorsichtig und bekam es mit der Angst zu tun, als er Pippin sah.
"Er
sagt, er sei von einer Schlange gebissen worden", gab Merry
verzweifelt zurück.
"Tut doch irgendwas, ich will nicht
sterben", schrie Pippin und sah völlig aufgelöst zu
Sam und Frodo.
Keiner wusste sich einen Rat. Frodo und Sam sahen
sich an und schienen äußerst verzweifelt und Merry
versuchte Pippin, der seine Hand fest umschlungen hielt und
abwechselnd schrie und weinte, irgendwie zu beruhigen.
"Verdammt,
was kann man tun", murmelte Frodo und sah Sam an, als wüsste
er die Lösung.
Sams Reaktion auf Frodos Frage ließ
Frodo wütend auf Sam werden, obwohl er es gar nicht wollte.
Sam
drahte sich einfach um und begann verbissen zu lächeln.
"Wahrscheinlich brauchen wir uns nicht mal die Mühe machen
und irgendetwas tun", hauchte er. "Wir könnten
eigentlich gleich nach Süd-Gondor zu Nevturiel gehen!"
Frodo
glaubte nicht richtig gehört zu haben. Er verstand Sam zwar,
aber ohne es zu wollen keimte eine Welle der Wut in ihm hoch. Er
packte ihn hart am Arm und riss ihn herum. "Verflucht Sam, so
was kannst du nur sagen, weil du nicht in Pippins Lage bist! Du bist
zwar derjenige, der hier ständig alles rückgängig
macht, aber du warst dem Tode noch nie so nah, geschweige denn hat er
dich je geholt! Und wer sagt dir, dass Nevturiel uns diesmal wieder
hilft? Wer sagt dir, dass sie es überhaupt kann? Du verlässt
dich da auf etwas, was nicht gewiss ist, du bist leichtsinnig,
Sam!"
"Ich bin leichtsinnig? Was denkst du denn, was
jetzt geschehen wird, Frodo? Wir sind einen Tag entfernt von Minas
Tirith, keiner von uns kennt sich mit Schlangenbissen aus! Vielleicht
siehst du ja die Realität gar nicht!"
"Nein Sam,
vielleicht gibst du viel zu schnell auf! Natürlich sehe ich die
Realität, aber ich werde ihn jetzt nicht da liegen lassen und
warten bis das eintritt, was du glaubst!"
"Könntet
ihr vielleicht aufhören, ihr macht mir Angst", schluchzte
Pippin und wurde von Merry in die Arme genommen.
Erst jetzt wurde
Sam und Frodo klar, dass sie gerade vor Pippin diskutiert hatten. Sie
hatten zwar nichts direkt ausgesprochen, doch Pippin wusste mit
Sicherheit, worum es ging...
Sam und Frodo überkam sofort das
schlechte Gewissen.
Merry funkelte die beiden zornig an und schien
völlig außer sich. "Was zum Balrog wisst ihr, was wir
nicht wissen", fauchte er.
Sam sah schuld bewusst drein und
schämte sich fast in den Erdboden. Was hatte er nur getan? Er
hatte wieder nicht richtig aufgepasst. Die Schlange war zu erst über
ihn hinweggekrochen und hätte ihn diese verdammte Angst danach
nicht so gelähmt und hätte er die anderen gewarnt, dann
wäre vielleicht alles anders gekommen...
Jetzt stand er hier,
wollte beinahe zulassen, dass das Schicksal ihn einfach so besiegte
und hätte fast einen seiner Freunde aufgegeben. Warum nur hatte
die Schlange nicht bei ihm zugestoßen? Sam glaubte, es verdient
zu haben. Der Hobbit konnte gar nichts richtig sagen, am liebsten
wäre er einfach nur fortgelaufen. Er wollte, dass das alles nur
ein schlimmer Traum ist, er wollte die letzten Worte nie gesagt
haben, er fühlte sich so unendlich schuldig.
Merry fragte
nicht weiter, stattdessen sah er Frodo dankbar an, der sich zu Pippin
auf den Boden kniete und wenigstens versuchte irgendetwas zu tun.
Sie
brachten Pippin dazu ihnen seine Hand zu zeigen, obwohl er sich
anfangs weigerte. Wie zwei kleine Nadelstiche sah die Bisswunde aus.
Um die kleinen Löcher hatte sich die Haut rot verfärbt und
die Hand war angeschwollen. Pippin klagte über stechende
Schmerzen, die seine ganze Hand beherrschten und die er nicht
aushalten könne.
Merry versuchte verzweifelt zu überlegen,
was sie tun könnten.
"Vielleicht hilft es ja, wenn wir
versuchen das Gift erst mal aufzuhalten", sagte Sam plötzlich
und kniete sich ebenfalls neben Pippin.
Frodo war erleichtert,
dass Sam wieder zur Vernunft kam und Pippin bekam neue Hoffnung
vielleicht doch nicht sterben zu müssen.
"Aber wie",
fragte Frodo und strich sich unwirsch durch die Haare.
"Ich
habe mal ein bisschen was über Gift gehört. Pippin, du
solltest dich nicht so viel bewegen, dadurch kann es schneller in
deinen Körper gelangen", riet er und Pippin versuchte
daraufhin möglichst still zu liegen, was ihm aber recht schwer
fiel.
Sam sah sich suchend um und bat Merry schließlich ihm
sein Halstuch zu geben, was dieser ohne weiteres tat.
Sam schob
Pippins Hemdärmel zurück und band das Halstuch um dessen
Oberarm. Er zog es ganz fest, so dass das Gift sich nicht sofort
weiter ausbreiten konnte. Pippin wimmerte kläglich vor sich hin,
er vermochte es nicht durch die Schmerzen still zu liegen und Tränen
rannen seine blassen Wangen herunter. Er zitterte vor Angst und
zuckte oft schmerzerfüllt zusammen.
Merry hielt ihn tröstend
in den Armen und Frodo ging und holte eine Wasserflasche.
Der Mond
verfinsterte sich plötzlich durch eine Wolke und für ein
paar Augenblicke konnte keiner der Hobbits mehr etwas sehen. Sie
warteten stillschweigend bis sich die Wolke wieder verzogen hatte und
das Licht des Mondes wieder hell schien. Es war ganz ruhig, nichts
war zu hören außer Pippins herzzerreißenden
Schluchzern.
"Du musst doch keine Angst haben, wir sind doch
alle da", versuchte Frodo ihn zu beruhigen. Der Hobbit sah ihn
traurig an und sagte dann kläglich: "Frodo, es tut so
weh... Ich möchte noch nicht sterben, ich habe solche Angst
davor..."
"Aber Pippin, du wirst doch nicht sterben! Wir
bringen dich nach Minas Tirith und da werden dir die Heiler gewiss
helfen können."
"Aber das ist noch ein ganzer Tag
bis dorthin, das schaffe ich vielleicht gar nicht!"
"Doch,
du wirst das schaffen! Vielleicht ist das Gift der Schlange gar nicht
so gefährlich."
"Und wenn doch", fragte Pippin
ängstlich und stöhnte einmal laut, als durch seine Hand ein
neuer heftiger Stich fuhr.
"Nein, gewiss nicht, sonst müsste
es schon viel schlimmer sein, wenn das Gift wirklich so gefährlich
wäre", antwortete Frodo und tränkte ein Stück
Stoff mit dem Kühlen Wasser.
"Ich kann meine Finger
nicht mehr bewegen, sie sind wie gelähmt", gab Pippin
zurück und wurde von Frodo daraufhin eingehend gemustert.
Merry
strich ihm beruhigend über die Locken und Frodo wickelte das
nasse Stück Stoff um Pippins Hand, in der Hoffnung, dass das
kühle Wasser den Schmerz etwas betäuben würde.
"Das
ist gut", stellte Sam fest. "Vielleicht hindert das Wasser
das Gift auch daran sich weiter auszubreiten. Es ist kalt und
vielleicht verlangsamt die Kälte das Gift ja irgendwie."
Frodo
nickte und gab Pippin etwas zu trinken. Frodo musste sich
eingestehen, dass Pippin ihm gar nicht gefiel. Der Hobbit war zwar
ruhig geworden, doch er wirkte so abwesend und müde.
"Wir
sollten ganz schnell los", bemerkte Sam und eilte zu Flocke um
sie zu holen. Jede Bewegung sollte Pippin möglichst vermeiden
und laufen war mit Sicherheit gar nicht gut, selbst wenn er
könnte.
Merry und Frodo halfen Pippin auf das Pony
aufzusteigen und Sam packte in Windeseile alle Sachen zusammen.
Schnellen Schrittes liefen sie los, obwohl es noch Nacht war, doch
der Mond erleuchtete ihnen den Weg und sie mussten so schnell wie
möglich nach Minas Tirith gelangen...
Der Morgen graute
und Sam ging schweigend voran. Er starrte auf den Boden und hatte ein
ungutes Gefühl. Er wusste nicht genau, was er eigentlich fühlte.
Er war zornig, dass einer seiner Freunde schon wieder mit dem Tod
ringen musste, weil er selbst versagte. Er wusste, dass es wieder der
Feind gewesen war, der schon wieder zum nächsten Schlag
ausgeholt hatte, doch wagte Sam es nicht das laut auszusprechen. Und
doch drang langsam in seinem Kopf die Erkenntnis vor, dass er
versagen würde. Es würde keinen Sinn haben und ohne es zu
merken sprach er es leise und für sich aus. Frodo war neben ihn
gekommen und hörte seine Worte.
"Hast du je daran
gedacht, dass sie genau das vorhaben könnten?"
"Was
meinst du", fragte Sam verwirrt.
"Dich so weit treiben,
dass du aufgibst, damit sie gewinnen."
"Das kann keiner
von uns wissen, wir wissen nicht, was der Feind vorhat, ich kann ihn
nicht durchschauen."
"Willst du aufgeben, Sam",
fragte Frodo trocken und sah ihn eindringlich an.
"Nein, das
brächte ich nicht übers Herz, um Pippins Willen nicht und
um euer Willen nicht. Es tut mir leid, was ich vorhin gesagt
habe."
"So kenn ich dich! Ich glaube sie wollen, dass du
aufgibst, Sam. So wollen sie gewinnen."
"Dann werden wir
sie nicht lassen, oder", fragte Sam und lächelte
schwach.
"Nein Sam, lassen wir nicht", antwortete Frodo
ebenfalls lächelnd und klopfte Sam auf die Schulter. "Willst
du Merry vielleicht einweihen? Ich meine, willst du ihm vielleicht
die Wahrheit erzählen? Es besser, glaube ich, er hat unser
Gespräch gehört..."
Sam nickte und Frodo ging
zurück zu ihm, Pippin und Flocke und schickte Merry nach vorne
zu Sam.
Er selbst nahm nun Flocke an die Zügel, blieb etwas
im Hintergrund und beobachtete, wie Sam begann, Merry alles zu
erzählen.
Frodo lief neben Flocke her und wusste nicht genau,
was er tun sollte. Pippin schluchzte häufig und er hätte
ihm so gerne irgendwie geholfen. "Frodo, mir ist so schlecht",
presste Pippin hervor und sank völlig in sich zusammen.
"Das
wird bald wieder besser, glaub mir."
"Mir tut alles weh
und mir ist kalt", jammerte er.
Frodo brachte die anderen
dazu anzuhalten und legte seinen Umhang um Pippin, der nur schwach
lächelte als Dank. Frodo löste auch den Verband um Pippins
Hand um ihn neu mit Wasser zu tränken. Der Hobbit stellte fest,
dass die Haut um die Bisswunde herum sich seltsam verfärbte und
die Sorge um seinen Freund wurde schlagartig größer. Was
wenn Sam doch recht hatte? Vielleicht hatte der Gegner schon längst
gesiegt, ohne dass sie es wussten...
Ohne ein Wort legte Frodo den
Verband neu an und erhöhte noch mal sein Tempo, als er mit
Flocke wieder loslief. Sie mussten schneller werden, wenn sie
überhaupt noch etwas erreichen wollten.
Nach Stunden
kamen sie endlich in die Nähe von Minas Tirith. Merry war nun
über alles informiert. Er konnte das alles kaum glauben, doch
die Träume, die er hatte und Sams eindringliche Erzählungen
hatten ihm gezeigt, dass es wahr war.
Pippin ging es immer
schlechter. Er war nicht mehr in der Lage aufrecht auf dem Pony zu
sitzen und verlor von Zeit zu Zeit das Bewusstsein. Er jammerte oft
vor Schmerzen und klagte über Übelkeit.
Die Hobbits
hatten beschlossen, dass Sam und Frodo wie schon geplant zu Lhunroth
gehen würden. Merry würde Pippin in die Häuser der
Heilung bringen und dann Aragorn warnen.
So kam es, dass Sam
Flocke entbehrte und die Hobbits sich am Eingang von Minas Tirith
trennten.
Sam und Frodo hatten ein sehr schlechtes Gefühl,
als sie Merry und Pippin verließen. Sie hofften so sehr, dass
alles gut werden würde.
Frodo und Sam sahen Merry noch kurz
nach, wie er den ersten Ring der Stadt betrat und dann schon hinter
den ersten Häusern verschwand.
Dann machten auch sie sich auf
den Weg, um zu Lhunroth zu gelangen.
Legolas blickte genervt
drein. Wieso konnte der Zwerg sich nicht einmal aufraffen und
friedlich mitkommen? Immer diese Diskussionen...
Der Elb saß
schon auf seinem Pferd, bereit loszureiten, während Gimli sich
gerade wieder ins Gras legte und darauf bestand ein
Verdauungsschläfchen zu halten, nachdem er etwas von den Lembas
verzehrt hatte. Wenn es nach dem Zwerg gegangen wäre, dann hätte
er, jetzt am Vormittag, viel lieber einen Braten und Malzbier gehabt,
als das trockene Elbenbrot, doch Legolas weigerte sich entschieden,
diese Art Wegzehrung für seinen Freund mitzunehmen.
Legolas
stellte sich samt seinem Pferd vor den Zwerg und setzte ein drohendes
Gesicht auf. "Wenn du jetzt nicht endlich kommst, nehme ich dir
die Axt weg."
"So grausam bist du nicht",
antwortete Gimli leicht erschreckt.
"Warts ab und jetzt
schwing dich endlich hier hoch, es wird Zeit."
Murrend und
die Hand ängstlich an seiner Axt tat Gimli das, was Legolas von
ihm verlangte. Der Elb schüttelte belustigt den Kopf und trieb
sein Pferd an, loszureiten.
Aus Rücksicht auf Gimli, der sich
schon wieder über das lange Reiten beschwerte, legte Legolas am
Nachmittag eine Pause ein. Er bestand jedoch darauf, danach noch bis
zum Abend weiter zu reiten und zu seiner Überraschung kostete es
nicht mehr viel Überredungskunst, um den Zwerg ebenfalls zu
überzeugen, denn dieser fürchtete immer noch um seine
Axt.
Am Abend ritten sie über einen Hügel und kamen dann
auf eine Wiese, auf der hier und da Büsche, kleine Bäume
und Findlinge zu finden waren und an deren Seite ein Wald lag.
Legolas war beeindruckt von dem Anblick, denn die Gegend war
wunderschön und jetzt, da alles in ein zartes Abendrot getaucht
wurde, bezauberte sie den Elben noch mehr. Legolas und Gimli waren
von ihrem Pferd abgestiegen und der Elb hatte es ein Stückchen
abseits an einen Baum festgebunden.
Gimli schnarchte schon leise
vor sich hin und es war bereits stockdunkel, als auch Legolas sich
dafür entschied etwas zu schlafen. Er lauschte noch für
einen Moment dem Zirpen der Grillen, bevor er in den Schlaf
sank.
Mitten in der Nacht schreckte Legolas plötzlich hoch
und lauschte aufmerksam in die Nacht hinein. Er hatte ein Geräusch
gehört, und irgendetwas sagte ihm, dass Gimli und er nicht mehr
alleine waren. Aufmerksam versuchte er in die Dunkelheit zu spähen,
doch konnte er noch niemanden erkennen. Ein zarter Nebel begann sich
auf dem Boden zu bilden und Legolas versuchte das Pferd in der
Dunkelheit zu finden. Es stand immer noch da und schien ganz ruhig zu
sein. Legolas erhob sich und lief in geduckter Haltung zu Gimli
hinüber, der immer noch friedlich schlief. Auf einmal spürte
er, dass jemand ganz in seiner Nähe war und voller Anspannung
sah der Elb nach vorne und versuchte die dunkle Gestalt zu erkennen,
die sich schemenhaft in einiger Entfernung vor ihm abzeichnete.
Legolas schnellte blitzartig auf die Erde und griff nach seinem
Bogen, der neben Gimli lag. In Windeseile hatte er ihn gespannt und
zielte auf die Gestalt vor ihm.
"Legolas, nicht schießen",
drang eine wohlbekannte Stimme an sein Ohr.
"Gandalf",
fragte Legolas nach einigen Augenblicken völlig verdutzt und
ohne den Bogen sinken zu lassen.
"Ja, ganz recht, ich bin
es!"
Langsam senkte der Elb den Bogen und blickte den
Zauberer an, der nun immer deutlicher für ihn zu erkennen
war.
"Aber wie...", begann Legolas, doch Gandalf
unterbrach ihn.
"Keine Zeit für Erklärungen. Es ist
schon fast zu spät, wenn das Morgengrauen hereinbricht, wird
etwas passieren, wenn ihr hier bleibt. Ich bitte dich, weck deinen
verschlafenden Gefährten da unten und hol dein Pferd, wir müssen
hier weg und zwar gleich!"
Legolas blickte zwar immer noch
höchst erstaunt drein, tat dann aber, was Gandalf von ihm
verlangte. Gimli war im ersten Moment mehr als verwundert, als er den
Zauberer erblickte, begann dann aber sofort zu murren, dass nun schon
zwei Leute ihn an seiner wohlverdienten Ruhe hindern würden.
Gandalf
warf immer wieder eine paar vorsichtige Blicke in Richtung Hügel,
weil er wusste, dass Lhunroth und seine Männer über ihn zu
Legolas und Gimli kommen würden. Der Zauberer atmete erleichtert
durch, als Legolas und Gimli mit ihrem Pferd neben ihm standen und
sie alle aufbrachen um in Windeseile das Weite zu suchen...
Es
dauerte etwa zwei Stunden, bevor das Morgengrauen hereinbrach.
Legolas hatte arge Sorgen, dass sein Pferd in der Dunkelheit die
Unebenheiten und Löcher im Boden nicht bemerken würde, doch
sehr zu seiner Erleichterung, meisterte das Pferd den schnellen Ritt
in der Dunkelheit recht gut.
Gimli hatte die ganze Zeit vor sich
hingebrummt, doch plötzlich merkte Legolas, wie der Zwerg hinter
ihm scheinbar einzuschlafen schien. Der Elb spürte den Kopf
seines Freundes auf seinem Rücken und ein leises Schnarchen
drang an sein Ohr. Verwundert blickte der Elb zu Gandalf. Gimli war
zwar sehr verschlafen, das wusste Legolas selbst nur zu gut, aber
dass der Zwerg jetzt sogar schon beim Reiten einschlief, verwunderte
ihn doch etwas. Noch während Legolas sich darüber wunderte,
hatte er plötzlich den Eindruck, als würde ein seltsamer
süßlicher Duft in seine Nase steigen. Eine ungewöhnliche
Müdigkeit überkam ihn plötzlich und sie war so stark,
dass ihm sogar kurz die Augen zufielen.
"Alles in Ordnung",
hörte er Gandalfs Stimme neben sich, die ihn aus seinen
angehenden Schlaf riss. Der Elb fühlte sich so müde wie
noch nie zuvor. Schlaf war normalerweise etwas gutes, wenn er ihn
bekam, aber er hatte ihn nicht unbedingt nötig, doch jetzt
brauchte er ihn, so dringend, wie noch nie.
"Sollen wir kurz
eine Pause machen", fragte Gandalf und warf ein paar besorgte
Blicke auf Legolas und Gimli. Er wusste, dass es eine Erinnerung an
das Betäubungsmittel war, doch schien sie sich heftiger zu
äußern, als der Zauberer es erwartet hätte. Noch ehe
Legolas eine Antwort geben konnte stoppte der Zauberer langsam
Schattenfell und stieg herunter. Legolas hielt sein Pferd ebenfalls
an und weckte den Zwerg hinter sich. Gimli kroch mühevoll von
dem Reittier herunter und rollte sich danach gleich wieder im Gras
zusammen. Legolas lehnte sich an einen Baum und schloss die Augen.
"Ich verstehe das nicht, so etwas passiert mir sonst nicht",
murmelte er und Gandalf trat vor ihn und beobachtete seine
angestrengten Versuche wach zu bleiben.
Der Zauberer wollte sein
Wissen im Moment noch nicht preisgeben. Die Zeit war noch nicht
gekommen. Eine ganze Weile war vergangen, als Gandalf plötzlich
ein merkwürdiges Gefühl durchfuhr. Noch war seine Aufgabe
nicht erfüllt, noch war hatte er Gimli und Legolas nicht nach
Minas Tirith gebracht...
Lhunroth könnte ihnen gefolgt sein
und diese Pause, die sie gerade machen mussten, könnte Lhunroth
einen großen Vorteil verschaffen...
Daran hatte Gandalf
bisher gar nicht gedacht, er war so froh gewesen nicht zu spät
gekommen zu sein, doch war es damit schon geschafft, dass er die
Beiden von dem Ort weggeholt hatte, an dem sie eigentlich überfallen
worden wären? Vielleicht waren sie noch gar nicht in
Sicherheit...
"Legolas, ich glaube, es ist keine gute Idee,
wenn wir hier länger rasten...", sagte Gandalf und rüttelte
den Elb an der Schulter.
Legolas sah ihn mit halbgeöffneten
Augen an. "Es tut mir leid, du weißt Gandalf..."
"Ich
weiß, du bist normalerweise der letzte, der eine Pause fordern
würde. So gern ich dir diese hier gönnen würde, aber
es ist gefährlich länger hier zu bleiben."
Legolas
nickte, er war viel zu müde, um irgendwelche Fragen zu stellen.
Schwerfällig rappelte er sich wieder hoch, während Gandalf
den Zwerg wachrüttelte. Als Gandalf sich zu Legolas umdrehte,
bemerkte er, wie der Elb am Baum lehnte und schon wieder im Begriff
war die Augen zu schließen.
Gandalf hielt ihn am Arm fest.
"Legolas, ich bitte dich, nimm dich doch zusammen, wir müssen
weiter", sagte er eindringlich.
Im Halbschlaf schwang sich
der Elb auf sein Pferd und ebenso tat es Gimli. In einem schnellen
Trab setzten sie ihren Weg fort.
Es dauerte gar nicht lange, da
verschwand bei Legolas die Müdigkeit genauso schnell, wie sie
gekommen war. Der Elb konnte sich das nicht erklären, doch
irgendwie war es ihm auch etwas unangenehm etwas darüber zu
sagen, oder mit Gandalf darüber zu sprechen. So ritten sie
stillschweigend nebeneinander her. Selbst Gimli war wieder erwacht
und blickte verdutzt drein, als er sich darüber gewahr wurde,
dass er hinter Legolas auf dem Pferd geschlafen haben musste.
Sie
kamen jetzt schnell voran und nährten sich Minas Tirith immer
mehr. Sie beschlossen auch die nächste Nacht hindurch zu reiten,
dann würden sie spätestens am Vormittag in der Hauptstadt
Gondors angekommen sein. Gandalf spürte, wie Legolas und Gimli
das Bedürfnis entwickelten ihn nach dem Grund für sein
plötzliches Kommen zu fragen, wieso er sie wieder nach Minas
Tirith holte und was die Gefahr war, von der der Zauberer gesprochen
hatte. Gandalf jedoch sagte noch nichts, er wusste, es würde nur
noch mehr Fragen aufkommen lassen. Erst wollte er in Minas Tirith
ankommen und dort auf die Hobbits warten, erst dann, wenn ihr Plan
gelungen war, konnten sie den anderen die Wahrheit erzählen.
Frodo
und Sam erreichten die Stelle, an der Gandalf Legolas und Gimli
abgefangen hatte, am nächsten Tag zur Mittagszeit. Die Hobbits
waren vor dem Hügel und wussten, dass Lhunroth sich in der Nähe
befinden musste, denn sie konnten bereits Stimmen in einiger
Entfernung hören. Sam musste sich eingestehen, dass ihm ein
Schauer über den Rücken lief, als er daran dachte, wenn
Lhunroth vor ihm stehen würde. Er hatte ja gesehen zu was der
Mann in der Lage gewesen war. Frodo erging es nicht anders, doch
beide wussten, dass sie nicht umhin kamen, zu dem Mann zu gehen, der
ihre Freunde töten würde.
Lhunroth und seine Männer
diskutierten wild über ihre Entdeckung. Sie sahen sehr wohl,
dass der Elb und der Zwerg hier gerastet hatten und Lhunroth wusste,
dass er sie an dieser Stelle eigentlich hätte einholen müssen,
doch nun waren sie verschwunden. Lhunroth fluchte leise vor sich hin,
er hatte Spuren entdeckt, aus denen er schließen konnte, dass
noch ein dritter Reiter zu ihnen gestoßen sein musste, der sie
anscheinend aus irgend einem Grund weggelockt haben musste.
Lhunroth
war sehr wütend. Er hatte den Zwerg und den Elb nun schon so
lange beobachtet, sein Plan war sorgfältig durchdacht gewesen
und nun ereilte ihn so eine Enttäuschung. Durch seine Maske war
ein zischender Laut zu hören, der seine Aufregung kundtat. Im
Morgengrauen hatte er entdeckt, dass der Elb und der Zwerg
verschwunden waren und seitdem verharrte er mit seinen Männern
an diesem Ort hier und überlegte, was er nun tun wollte. Sicher,
er würde sie weiter verfolgen. In jedem Fall würde er das
tun, nur wohin ritten der Elb und der Zwerg jetzt? Er würde
ihren Spuren folgen müssen und sie irgendwo überraschen
müssen. Lhunroth überlegte. Ob sie wieder auf dem Weg nach
Minas Tirith waren? Aber dann wären sie ihm doch entgegen
gekommen, es machte überhaupt keinen Sinn solch einen Umweg zu
nehmen. Lhunroth schüttelte verbissen den Kopf, dann nahm er
eine entschlossene Haltung ein. Er würde ihnen folgen, egal
wohin sie geritten waren...
"Herr Frodo", fragte Sam
leise.
"Ja Sam."
"Wenn wir jetzt gleich da
runter gehen, dann sagen wir am besten, dass wir Diener von Aragorn
sind. Ich fürchte, wenn wir sagen, dass wir seine Freunde sind,
tun die nachher mit uns das, was sie eigentlich Gimli und Legolas
antun wollten."
Frodo nickte.
Die Hobbits standen auf und
stiegen den Hügel hinauf. Beide waren recht nervös, als sie
die Spitze erreichten. Sam schluckte einmal schwer, als er den Hügel
hinunter sah und sich dessen bewusst wurde, dass Aragorn von hier
oben herunter gestürzt war. Obwohl der Hügel von unten so
flach wirkte, sah er von hier oben doch reichlich höher aus. Die
Hobbits gingen den Hügel hinunter und Sam wurde noch mulmiger,
als er den dicken Ast erblickte, an dessen Seite der Kleinere
abzweigte und von dem er wusste, dass dieser Aragorns linkes Bein
beim Fall durchstochen hatte.
Lhunroth wurde als erster auf die
beiden Gestalten aufmerksam, die den Hügel hinunter kamen und
gleich danach drehten sich seine Männer ebenfalls zu Sam und
Frodo um und zogen ihre Waffen.
"Bitte, wir kommen in
friedlicher Absicht und stehen in den Diensten des Königs von
Gondor", rief Sam und hob die Hände, damit die Männer
sahen, dass von ihm keine Gefahr ausging. Frodo tat es ihm gleich,
doch die Männer ließen ihre Waffen nicht sinken, was Sam
gar nicht als gut erachtete.
Trotzdem liefen sie weiter, bis sie
fast vor der Gruppe angekommen waren. Lhunroth schien die Beiden
unter seiner Maske zu mustern und Sam hoffte inständig, dass er
nicht die Unsicherheit und Angst in seinem Gesicht bemerken würde.
"Was seid ihr für Wesen", zischte Lhunroth.
"Man
nennt uns Halblinge, oder auch Hobbits", antwortete Frodo.
"Wir
sind Diener des Königs von Gondor und haben eine Botschaft für
euch", setzte Sam hinzu und beobachtete Lhunroths Reaktion, der
anscheinend sehr erstaunt schien.
"Des Königs",
fragte er und seine Stimme klang irgendwie fassungslos.
Sam und
Frodo nickten und die umstehenden Männer ließen endlich
ihre Waffen sinken.
"Was für eine Botschaft habt ihr
denn für mich", wollte Lhunroth wissen.
"Der König
lässt euch ausrichten, dass es ihm sehr leid tut, dass er sich
bisher für das, was ihr für ihn getan habt nicht
erkenntlich gezeigt hat. Er bittet dafür um eure Vergebung und
möchte, dass ihr zu ihm kommt, damit er sich in aller Form bei
euch bedanken kann", log Sam und versuchte so überzeugend
wie möglich zu klingen.
Für eine Weile herrschte
absolute Stille. Lhunroth stand da, wie versteinert und sagte kein
Wort und seine Männer starrten sich ungläubig an und
schüttelten verwirrt die Köpfe.
Nach einer ganzen Weile
drehte sich Lhunroth zu seinen Männern um und sagte. "Seht
ihr, ich wusste, dass der König nicht kaltherzig ist."
Lhunroth
senkte schuldbewusst den Kopf, er war so ein hinterhältiger
Narr! Fast hätte er dem König unrecht getan mit seinem Plan
seine Freunde zu entführen und ihn so zu sich zu locken.
Lhunroth schämte sich für seine Pläne und auch einige
seiner Männer senkten bedrückt die Köpfe.
Einer
der Männer winkte Lhunroth zu den anderen herüber und
dieser stellte sich zu seinen Gefährten. Die Männer
tuschelten miteinander und trotz großer Anstrengungen konnten
Sam und Frodo nur einzelne Wortfetzen vernehmen, mit denen sie nicht
viel anfangen konnten. Unsicher blickte Frodo zu Sam, die Männer
beratschlagten ganz offensichtlich, was sie nun tun sollten. Sam
wurde bereits von großer Ungeduld ergriffen, als Lhunroth
wieder zu ihnen kam und sich vor sie stellte. "Wir werden mit
euch kommen und hören, was euer Herr zu sagen hat", sagte
er und seine Stimme klang fast fröhlich, wie Sam fand.
Die
Hobbits nickten und beobachteten dann wie die Männer sich auf
ihre Pferde schwangen und wieder anfingen miteinander irgendwelche
Informationen auszutauschen. Lhunroth winkte einen seiner Männer,
der ebenfalls schon auf seinem Pferd saß und auffällige
strohblonden Haare hatte, zu sich hinüber.
"Wollt ihr
Hoblinge vielleicht hinter meinem Gefährten und mir Platz
nehmen, so würde der Weg schneller zu meistern sein",
fragte Lhunroth.
"Mein Herr, verzeiht, aber es heißt
entweder Hobbits oder Halblinge", bemerkte Sam vorsichtig und
betrachtete den missmutigen, blonden Mann.
"Ja natürlich,
was ist nun, wollt ihr aufsteigen?"
Obwohl Frodo und Sam es
lieber nicht getan hätten, willigten sie ein, schließlich
wollten sie bei Lhunroth und seinen Männern kein Misstrauen
erwecken. Frodo nahm hinter Lhunroth Platz und Sam schwang sich
hinter den blonden Mann. Beide Hobbits waren immer noch recht nervös
und warfen sich ein paar vielsagende Blicke zu, als die Männer
ihre Pferde langsam in Bewegung setzten.
"Ihr seid also
Diener des Königs", fragte Lhunroth.
"Ja",
antwortete Frodo knapp.
"Und wie lange dient ihr ihm schon",
fragte Lhunroth weiter und Frodo schluckte. Er wollte es eigentlich
vermeiden ständig lügen zu müssen, irgendwann würde
Lhunroth den Lügen vielleicht auf die Schliche kommen.
"Seit
einiger Zeit schon, so genau vermag ich das nicht zu sagen."
"Und
wie ist der König so? Ich habe ihn damals so bewundert."
"Oh,
er hat sich nicht viel verändert, würde ich sagen."
Frodo
bemerkte die Begeisterung, die in Lhunroths Stimme zu erkennen war.
Irgendwie war ihm dieser Mann unheimlich. Frodo wusste nur zu gut,
was er Aragorn eigentlich antun wollte und jetzt wirkte er nahezu
begeistert, wenn er von ihm sprach.
"Wieso hat sich der König
mit seinem Dank so viel Zeit gelassen", wollte Lhunroth wissen
und Frodo begann zu schwitzen bei dieser Frage.
"Das kann ich
euch nicht sagen, der König hat mich und meinen Freund lediglich
damit beauftragt euch zu holen, mehr hat er mir nicht
gesagt."
Lhunroth schien diese Antwort zufrieden zu stellen
und Frodo atmete erleichtert durch. Lhunroth fragte Frodo noch, was
genau ein Hobbit ist und wo man solch wundersame Wesen, wie er fand,
finden konnte. Frodo gab daraufhin einen umfangreichen Bericht vom
Leben der Hobbits ab und erzählte danach eine Menge über
das Auenland. Nach einer Weile stellte er fest, dass Lhunroth im
Grunde ein gutes Herz zu haben schien. Seine Worte zeigten echtes
Interesse und er unterhielt sich freundlich mit Frodo. Der Hobbit
konnte das kaum glauben, fast schien es nicht der selbe Mensch zu
sein, den er bei Nevturiel im Spiegel gesehen hatte.
Sam hatte
nicht so viel Glück. Der Mann vor ihm war nicht sehr gesprächig
und auf Fragen, die der Hobbit ihm stellte, antwortete er nur knapp
und mit einer brummigen Stimme. So gab Sam es schließlich auf
und vertrieb sich die Zeit damit, die Umgebung zu betrachten.
Am
späten Abend rasteten die Männer an einem Waldrand.
Lhunroth forderte die Hobbits auf, sich schlafen zu legen. Sam und
Frodo taten das auch, doch Sam beschloss für sich, wach zu
bleiben, um die Männer eine Weile im Auge zu behalten. Mitten in
der Nacht saß Lhunroth mit einem Mann am Feuer und unterhielt
sich angeregt. Sam merkte bald, dass es bei dem Gespräch um
Aragorn ging.
"Ich bewundere dich, dass du mit einem
einfachen Dank zufrieden bist und alles vergisst", flüsterte
der Mann, mit dem Lhunroth sich unterhielt.
"Das bin ich. Ich
gebe es zu, dass ich meine Entscheidung schon öfter bereut habe
und ich werde es wohl von Zeit zu Zeit immer wieder tun, aber es war
meine Entscheidung. Elessar hat damit nichts zu tun und mit seinem
Dank bin ich glücklich. Ich will nur, dass er weiß, wer
ich bin und sich an mich erinnert, mehr verlange ich nicht von ihm.
Mit seinem Dank hat Elessar alles getan, was ich je von ihm verlangen
würde. Damit wäre ich glücklich."
"Aber
dein ganzen Gesicht ist verbrannt. Deine Frau hat dich wegen deiner
Entstellung verlassen und dein Kind wirst du auch nicht mehr sehen.
Dein ganzes Leben hat sich dadurch verändert und du vergisst das
alles, nur wegen ein paar Worte aus dem Munde des Königs?"
"Nein,
vergessen werde ich es wohl nie. Wie könnte ich? Aber mehr kann
und will ich von Elessar nicht verlangen. Mehr schuldet er mir nicht.
Ich habe es getan, weil ich von ihm überzeugt war. Ich hielt
seine Ziele für gut und seine Absichten für edel. Ich
glaube, er ist gerecht und ein guter König. Ich wollte nicht,
dass dieser König stirbt, deshalb habe ich es getan. Wenn er der
König bleibt, den ich so bewundert habe und wenn er weiterhin so
herrsch, dann bin ich vielleicht sogar froh dieses Opfer gegeben zu
haben. Dann hat sich mein Opfer gelohnt."
"Ich bin dein
Bruder und ganz verstehen werde ich dich wohl nie, aber ich
akzeptiere es. Du hast es aus reiner Überzeugung getan und wenn
du damit leben kannst, so will ich nicht derjenige sein, der auf den
König zornig ist, weil du entstellt bist."
"Wenn
jemand Grund hätte zornig zu sein, dann wäre ich das. Aber
warum sollte ich? Elessar hat mich zu nichts gezwungen, es wäre
falsch ihn für etwas verantwortlich zu machen, dass er nicht
entschieden hat."
"Nun ja, da magst du Recht
haben."
"Aber einen Dank verlange ich schon, denn wenn
er wirklich der König ist für den ich den Pfeil gefangen
habe, dann tut er das. Und so wie es aussieht erfüllt er jetzt
meine Erwartungen."
Der Mann nickte und klopfte Lhunroth auf
die Schulter.
Sam kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Lhunroth
war völlig überzeugt von Aragorn, deshalb hatte er dieses
Opfer gebracht. Und als Aragorn sich nicht bedankt hatte, hatte sich
Lhunroth verraten gefühlt und war bitter enttäuscht worden.
Die Wut musste ihn daraufhin so beherrscht haben, dass er zu diesen
Taten, die Sam so erschütterten, fähig gewesen war.
Sam
wusste, dass der Mann im Grunde keine bösen Absichten hatte, er
wollte nur beachtet werden. Und er wollte den guten König, für
den er aus Überzeugung fast in den Tod gegangen wäre.
Merry
erreichte zusammen mit Pippin die Häuser der Heilung und klopfte
aufgeregt an die große Tür. Pippin hing kläglich auf
dem Pony und wimmerte vor sich hin. Als niemand die Tür öffnete,
tat Merry es. Er blieb in dem großen, weißen Flur stehen
und rief: "Wir brauchen Hilfe, bitte!"
Seine Stimme war
so laut, dass sie von den Wänden wiederhallte und bis in die
oberen Stockwerke zu dringen schien. Merry war sich sicher, dass sein
Rufen jemand gehört haben musste.
Kurze Zeit später
waren auch schon eilige Schritte zu hören und eine Heilerin,
ganz in weiß gekleidet, trat vor die Tür.
"Wie
kann ich euch helfen", fragte sie und ihr Blick blieb sofort auf
Pippin hängen.
"Er... Er wurde von einer Schlange
gebissen", berichtete Merry und sah die Heilerin hilfesuchend
an.
"Wann", fragte sie weiter.
"Vor etwas mehr
als einem Tag."
"Du liebe Güte, dass ist ja schon
ganz schön lange her", bemerkte die Heilerin und Merry
erkannte einen beunruhigen Unterton.
"Könnt ihr ihm
helfen", fragte er und achtete auf die Reaktion der
Heilerin.
"Am besten wir bringen ihn erst mal herein, dann
werden wir sehen", entschied die Heilerin und eilte zurück
um jemanden zu holen, dem es leichter fallen würde den Hobbit zu
tragen. Sie selbst war noch ziemlich jung und von sehr zierlicher
Gestalt.
Merry ging zu Pippin und Flocke zurück. "Sie
werden dir helfen, bald geht es dir wieder besser", sagte er
hoffnungsvoll zu Pippin und drückte dessen gesunde Hand
leicht.
"Es soll endlich aufhören weh zu tun. Meinen
ganzen Arm kann ich schon nicht mehr bewegen und sogar die Schulter
fühlt sich schon komisch an. Mir ist so schlecht und jeder
Muskel tut weh."
Merry bemerkte wie sein Freund leicht würgte
und eine große Träne verlor.
Pippin wurde kurz schwarz
vor Augen und er war so schrecklich müde.
"Pippin, es
wird bald besser, vertrau mir!"
Pippin sah ihn mühevoll
an und verlor immer mehr Tränen. "Bleib bei mir, bitte.
Lass mich nicht alleine", flüsterte er.
Merrys Augen
wurden ebenfalls feucht, es zerschnitt ihm das Herz, dass er Pippin
diesen Wunsch nicht erfüllen konnte. Er strich seinem Freund
über die kalte, verschwitzte Stirn. "Ich komme bald wieder,
ich muss nur kurz zu Aragorn, dann werde ich gleich wieder zu dir
kommen!"
In diesem Moment erschien ein Heiler und kam auf die
Hobbits zu. Er nickte Merry zum Gruß kurz zu und machte sich
dann daran, Pippin sachte von Flocke zu heben. Pippin wollte Merrys
Hand gar nicht los lassen, als der Heiler ihn schon auf dem Arm
hatte.
"Pippin, es wird nicht lange dauern, sie werden sich
hier um dich kümmern. Sobald ich mit Aragorn gesprochen habe,
komme ich wieder hierher! Aber nun solltest du dich von dem Heiler
hineinbringen lassen, sonst wirkt das Gift immer stärker",
versuchte ihn Merry zu überreden.
Pippin ließ in der
Tat seine Hand los und schluchzte einmal laut. "Du solltest dich
beeilen, sonst ist es zu spät", flüsterte er und ließ
sich von dem Heiler hinein tragen.
Merry sah ihn mit großen
Augen hinterher und wischte sich die Tränen weg. Hatte Pippin
jetzt das gemeint, was er dachte? Das konnte er nicht ernst gemeint
haben! Wie angewurzelt stand der Hobbit vor der Tür, als die
Heilerin wieder zu ihm trat und ihm noch einige Fragen stellte. Er
beantwortete sie, ohne richtig bei der Sache zu sein, seine Gedanken
waren ganz woanders. Die Heilerin machte sich nach einer Weile auf,
um wieder hineinzugehen. "Sie können ihm doch helfen,
oder", fragte Merry mit zitternder Stimme.
"Das wird
sich zeigen, wir können ihnen sicher mehr sagen, wenn sie
nachher wiederkommen." Mit diesen Worten verschwand sie und
schloss die Tür hinter sich.
Merry musste sich fast dazu
zwingen, sich zu bewegen. Das Herz war ihm mächtig schwer und
gerne hätte er sich jetzt einfach nur alleine in eine Ecke
gesetzt. Doch er wusste, dass er das nicht konnte. Er nahm sich
zusammen und machte sich zusammen mit Flocke auf zu Aragorn.
Aragorn
saß an in einem bequemen Sessel, vor einem kleinen Tisch, auf
dem eine dampfende Tasse Tee stand. Als ob es etwas ganz besonderes
wäre, beobachtete er fasziniert, wie der Dampf aus der Tasse
aufstieg. Nach einer ganzen Weile begann er mit einem Löffel in
der heißen Flüssigkeit zu rühren und den Dampf
gelegentlich wegzupusten.
"Hat der König im Moment keine
anderen Aufgaben", fragte Arwen lächelnd, als sie ihren
Mann beobachtete.
"Nein, wenn er wollte, hätte er wohl,
aber er will nicht", erwiderte Aragorn, ebenfalls lächelnd,
und beobachtete, wie Arwen vor ihm Platz nahm.
Sie begann etwas zu
erzählen und Aragorn hörte ihr aufmerksam zu. Er genoss es
mal für eine Weile ungestört mit seiner Frau reden zu
können, wenn es auch nur belanglose Dinge waren, über die
sie sich unterhielten.
Es dauerte jedoch gar nicht lange, da
klopfte es an der Tür und herein kam ein Wachmann, der dem
Königspaar mitteilte, dass jemand dringend mit dem König
sprechen wollte.
"Es scheint, als würde der König
doch wieder gebraucht", bemerkte Arwen.
"Ja, es sieht so
aus". "Wer will mich denn sprechen", fragte er an den
Wachmann gewannt.
"Ein Hobbit namens Merry aus dem Auenland",
bekam er als Antwort.
Aragorn und Arwens Blick trafen sich, dann
stand Aragorn schnell auf und folgte dem Wachmann in ein kleines
Zimmer in dem Merry wartete.
Aragorn blickte leicht verwirrt
drein, als er den Hobbit in dem kleinen Zimmer vorfand. Er lief
ungeduldig hin und her und schien erleichtert, als er Aragron
erblickte. Der Wachmann verließ das Zimmer und ließ die
Beiden alleine.
"Merry, sei mir willkommen", begann
Aragorn das Gespräch. Er bemerkte, dass der Hobbit irgendwie
mitgenommen und nervös schien. "Geht es dir gut, was kann
ich für dich tun?"
"Um ehrlich zu sein, geht es mir
nicht gut, ich mache mir große Sorgen um Pippin, ich musste ihn
gerade in die Häuser der Heilung bringen, er wurde von einer
Schlange gebissen."
"Das ist ja furchtbar, kann ich
irgendwie helfen", fragte Aragorn besorgt.
"Ich denke,
sie werden sich wohl um ihn kümmern, aber du musst etwas anderes
tun! Es ist sehr wichtig, viel hängt davon ab", sagte der
Hobbit ernst und sah Aragorn fest in die Augen.
Aragorn sah in
erwartungsvoll an und überlegte, was es wohl sein könnte,
dass Merry ihm gleich sagen würde.
"Du darfst dich nicht
wundern, Gandalf kommt in Kürze mit Legolas und Gimli hier in
Minas Tirith an und Frodo und Sam sind ebenfalls auf dem Weg hierher.
Sie werden jemanden mitbringen, Aragorn, bei dem du dich unbedingt
bedanken solltest!"
Aragorn wusste nicht recht, was er davon
jetzt halten sollte. Er hatte keine Ahnung, warum alle plötzlich
nach Minas Tirith kamen und er konnte sich auch nicht erklären,
bei wem er sich bedanken sollte. Der Hobbit sah seinen ratlosen
Gesichtsausdruck und begann von Lhunroth zu erzählen. Er
erzählte ihm jede Kleinigkeit, was Lhunroth für Aragorn
getan hatte, wie er dadurch entstellt wurde, und was Aragorn jetzt
tun sollte. Merry versuchte sich an jedes kleine Detail zu erinnern,
das Sam ihm erzählt hatte, nur erwähnte Merry nichts von
Lhunroths Absichten.
"Woher weißt du das", fragte
Aragorn ungläubig.
"Du musst mir vertrauen, alles was
ich dir erzählt habe stimmt! Und du solltest noch etwas wissen.
Ich kann dir jetzt nicht erklären woher ich das weiß, aber
wenn du nicht das tust, was ich dir eben gesagt habe, dann wird etwas
schlimmes passieren. Tu es einfach und stell nicht zu viele Fragen
über die Gründe, wir werden es dir erklären, wenn die
Zeit gekommen ist."
"Das ist... unglaublich! Wie konnte
ich diesen Mann nicht sehen, der mir das Leben gerettet hat",
fragte Aragorn und schüttelte den Kopf. "Wenn ich mich auch
wundere woher du das wissen kannst, Merry, aber so bin ich dir doch
sehr dankbar, es wäre eine Schande, wenn ich dem Mann für
das, was er getan hat, nicht danken würde!"
Merry
nickte. "Ja, das wäre es. Frodo und Sam kommen mit ihm
hierher, du darfst dem Mann aber nicht sagen, dass du es von mir
hast! Tu einfach so, als würdest du es selber wissen, glaube
mir, es ist besser so."
Aragorn nickte. Er hatte das
unheimliche Gefühl, dass es von großer Bedeutung war, was
Merry da sagte und dass er unbedingt das tun sollte, worum Merry ihn
bat. Plötzlich fiel die Verwunderung von ihm ab und auch das
Bedürfnis Fragen zu stellen, erlosch vorübergehend. Aragorn
kam das Gefühl etwas seltsam vor, doch etwas tief in ihm drinnen
sagte ihm, dass es richtig war, was Merry sagte und dass er es genau
so tun musste, wie Merry es ihm geraten hatte. Er fühlte
plötzlich, dass es nicht nur ein einfacher Zufall war, dass der
Hobbit hier war. Er fühlte, dass es von großer Bedeutung
war...
Es dauerte nicht mehr lange, da verließ Merry ihn
wieder. Aragorn sah ihm nach und verinnerlichte sich Merrys Worte
noch einmal. Er trat an ein großes Fenster von wo aus er über
einen großen Teil der Stadt blicken konnte. Gedankenversunken
stand er davor und versuchte sich die Aufstände, bei denen
Lhunroth ihm das Leben gerettet haben musste, in seinen Kopf
zurückzurufen. Er erinnerte sich an die vielen Menschen, das
Feuer und den Pfeilhagel. Es war kein schöner Anblick gewesen
und in der Hektik hatte er selbst kaum Zeit gehabt auf eine einzelne
Person zu achten. Er war Merry sehr dankbar, dass er ihn auf Lhunroth
aufmerksam gemacht hatte, doch verstand er nicht ganz, warum Gandalf
mit Legolas und Gimli ebenfalls hierher kamen. Was hatten sie mit der
ganzen Sache zu tun?
Aragorn seufzte einmal. Er würde es
gewiss noch erfahren.
Sam und Frodo beobachteten teils
überrascht und teils ungläubig, wie Lhunroth immer
aufgeregter wurde, je näher sie Minas Tirith kamen. Wenn er über
Aragorn sprach, steigerte er sich förmlich in seine Erzählungen
hinein und entpuppte sich als ein begeisterter Anhänger des
Königs. Sam und Frodo mussten Lhunroth viel über Aragorn
erzählen, was sie auch taten, und beide Hobbits bemerkten
danach, wie der Mann von seinem schlechten Gewissen gequält
wurde. Fast tat es Sam leid, dies zu sehen und auch Frodo ließ
manchmal ein paar vielsagende Blicke zu Sam hinüber wandern, die
Sam sagten, dass sein Freund dasselbe dachte.
Als sie Minas Tirith
nach ungefähr zwei Tagen nach ihrem Aufbruch erreichten, sagte
Lhunroth kein Wort, als sie die Stadt betraten. Er hüllte sich
in völliges Schweigen. Stumm ritten er, seine Männer und
die Hobbits zum weißen Turm hin. Als sie den Turm fast erreicht
hatten hielt Lhunroth sein Pferd abrupt an und Frodo, der hinter ihm
saß, wunderte sich über den plötzlichen Halt.
"Ich
weiß nicht... Ihr müsst das jetzt nicht verstehen, aber
ich... Ich habe mir mehr, als alles andere je gewünscht vor dem
König zu stehen und jetzt verlässt mich mein Mut...",
sagte er leise und unter der Maske war sein schwerer Atem zu
hören.
Frodo bemerkte, wie Lhunroths Hand zitterte und
glaubte seinen Augen kaum zu trauen. "Wovor fürchtet ihr
euch", fragte der Hobbit.
"Vor mir selbst",
antwortete Lhunroth.
"Mein Herr, wie kann ich das
verstehen?"
"Ich hätte etwas Schlimmes getan, wenn
ihr nicht gekommen wärt. Ihr habt mir so viel von Elessar
erzählt und mir gezeigt, dass meine ganzen Vorurteile gegen ihn
völlig falsch sind. Wie kann ich ihm jetzt vor die Augen treten?
Was habe ich mir eigentlich bei alle meinen Plänen bloß
gedacht? Wie geblendet war ich, etwas derart teuflisches zu planen?
Ich bin ein Schuft, allein für meine Gedanken sollte mich der
König in den Kerker werfen..."
Frodo sah Sam an, der
jetzt neben ihnen war, denn der blonde Mann hatte sein Pferd neben
Lhunroths gestellt.
"Aber ihr habt doch nichts getan. Was
immer es war, was ihr geplant habt, der König wird euch für
nichts bestrafen. Das würde er nie tun. Nichts ist geschehen und
ihr könnt ihm ohne Reue vor die Augen treten", sagte Frodo
unschuldig und Sam nickte.
"Er möge mir vergeben...",
murmelte Lhunroth.
"Es gibt nichts zu vergeben, ihr habt
keinen eurer Pläne, was immer sie auch sein mochten, in die Tat
umgesetzt und nur die Tat ist, was zählt. Ihr seid ein guter
Mann, quält euch nicht selbst. Vergebt euch selbst und tretet
ohne Schuldgefühle vor den König. Die müsst ihr nicht
haben", sagte Sam.
"Ihr habt vielleicht recht. Es ist
Unsinn, was ich hier tue."
Er forderte seine Männer auf
hier zu bleiben, ab jetzt würde er mit den Hobbits alleine
gehen. Die Männer nickten und stiegen von ihren Pferden ab. Sie
nahmen auch Lhunroths Pferd und beobachteten, wie er zusammen mit
Frodo und Sam den Weg zum Palast einschlug.
Lhunroth bewunderte
das große Tor, dass hinein ins Innere des Palastes führte.
Die Treppe war ganz aus weißem Stein und am Ende standen zwei
Wachmänner. Sam wurde etwas nervös bei dem Anblick, er
hoffte, dass sie sie ohne Schwierigkeiten durchlassen würden,
denn schließlich war Lhunroth noch immer in dem glauben, er und
Frodo wären Diener. Die Lüge würde ans Tageslicht
kommen, wenn die Wachen jetzt Schwierigkeiten machen würden. Er
verfluchte es, dass er nicht vorher daran gedacht hatte und, dass er
Merry nicht gesagt hatte, dass er dafür sorgen sollte, dass es
damit keine Probleme gab.
Zu ihrer Überraschung wurden sie
jedoch ohne große Nachfragen eingelassen. Aragorn hatte bereits
dafür gesorgt, dass man sie problemlos durchließ und Sam
fielen gleich zwei Steine vom Herzen. So wusste er auch gleich, dass
Merry alles geschafft hatte und mit Aragorn gesprochen hatte.
Sie
wurden von einem anderen Wachmann in den Thronsaal geleitet, wo
Aragorn im hinteren Teil des Raumes stand und, als er sie sah,
langsam auf sie zu kam. Frodo bemerkte wieder das Zittern von
Lhunroths Händen und als Aragorn näher kam, senkte er den
Kopf, so als wolle er ihm nicht in die Augen sehen. Aragorn hatte
seine Königskleidung angelegt und wirkte in der Tat sehr
eindrucksvoll, wie Sam fand. Auf seinen Lippen hatte er jedoch ein
warmherziges Lächeln, was fast jedem der vor ihm stand, seine
Scheu nahm. Kaum stand Aragorn vor den Dreien, fiel Lhunroth auf die
Knie und verbeugte sich so tief vor ihm, wie es nur ging. Dann erhob
er sich so lange, bis er wieder auf den Knien saß und blickte
scheinbar verwirrt zu Frodo und Sam, die noch genauso da standen.
Zuerst wusste Sam nichts mit der Verwirrtheit Lhunroths anzufangen
und er blickte sich fragend um. Dann durchschoss ihn aber die
Erkenntnis, warum Lhunroth immer wieder zwischen ihm und Frodo hin
und her sah.
Als Lhunroth wieder zu Frodo blickte, formte Sam mit
seinen Lippen die Worte: "Verbeugen, wir sind doch Diener."
Wie
auf Kommando fielen die Hobbits ebenfalls auf die Knie. Aragorn
schmunzelte bei dem Anblick etwas, normalerweise hätte er jetzt
die Hobbits in die Arme geschlossen...
"Mein König, wir
bringen dir den Mann, den ihr sehen wolltet", sagte Sam
theatralisch und beobachtete gespannt, ob Aragorn mitspielte.
"Ich
danke euch, ihr dürft jetzt gehen und euch von eurer Reise
stärken. Ich habe für euch ein paar Speisen richten
lassen", antwortete er in einigermaßen strengem Ton.
Frodo
und Sam standen schmunzelnd auf und zogen sich dann, rückwärtsgehend,
zurück, schließlich war es für einen Diener unhöflich
dem König seinen Rücken zuzuwenden. Aragorn bestand zwar
nicht mal bei seinen Dienern auf dieses Ritual, doch Sam und Frodo
zogen es vor, da es bei den meisten Königen so Brauch war und
sie Lhunroth nicht schon wieder verwirren wollten. Aragorn zwinkerte
ihnen, von Lhunroth unbemerkt, zu und die Hobbits verließen
lächelnd den Raum.
Lhunroth kniete schweigend und
ehrfürchtig auf der Erde. Aragorn bemerkte ebenfalls das Zittern
seiner Hände und reichte ihm die Hand.
"Kommt, steht
auf, das habt ihr nicht nötig. Ich glaube, ich sollte mich vor
euch verneigen", sagte er freundlich und lächelte
mild.
Lhunroth, der seine schwarzen Handschuhe anhatte, nahm
Aragorns Hand verlegen und erhob sich dann.
"Nichts, was ich
euch anbieten könnte, würde auch nur annähernd ein
Dank sein, für das, was ihr für mich getan habt. Sagt mir,
wie kann ich mich wenigstens etwas erkenntlich bei euch zeigen",
fragte er und bot Lhunroth einen Platz auf einem Sofa an. Er selbst
setzte sich ihm gegenüber in einen Sessel.
Lhunroth schien
nach einer Antwort zu suchen und Aragorn bemerkte immer noch die
große Unsicherheit, die ihn beherrschte.
"Habt keine
Furcht, ihr habt mir das Leben gerettet und verdient mehr, als ich
euch je geben könnte. Ihr braucht keine Ehrfurcht zu zeigen, die
sollte ich haben, und glaubt mir die habe ich! Ihr seid ein
bewundernswerter Mann und ich habe großen Respekt vor euch.
Seht nicht den König in mir, sprecht einfach frei und sagt mir,
womit ich euch danken kann."
"Oh mein König, euer
Dank allein ist mir schon genug", antwortete Lhunroth leise und
sah Aragorn das erste Mal in die Augen.
"Mein Dank allein ist
das Geringste, was ich euch geben kann. Aber er ist bei weitem nicht
genug! Ihr habt so viel wegen mir verloren, nennt mir etwas, dass ich
euch geben kann. Verlangt es einfach, ich werde euch nichts
abschlagen", sagte Aragorn und beugte sich zu Lhunroth vor.
Der
Mann hüllte sich wieder in Schweigen und wich Aragorns Blick
erneut aus. Für eine Weile herrschte Schweigen, dann murmelte er
leise: "Es gibt vielleicht etwas... Aber das ist vielleicht zu
viel verlangt..."
"Das kann nicht sein", erwiderte
Aragorn.
"Nun, mein König, ich besitze kaum etwas... Ich
habe überhaupt kein Geld..."
"Ihr möchtet
Geld? Das sollt ihr haben."
"Nein, mein König, ich
möchte das Geld nicht einfach so von euch..." Aragorn
bemerkte, wie Lhunroth nervös hin und her rutschte.
"...
Wisst ihr, niemand will mir mehr Arbeit geben, weil ich entstellt
bin. Sie wollen mich nicht, weil meine Erscheinung etwas... nun ja...
ungewöhnlich ist, um es vorsichtig auszudrücken. Ich habe
schon alles versucht, aber bisher hatte ich nirgends Glück."
Lhunroth machte wieder eine Pause und hob seinen Blick wieder.
"Vielleicht könntet ihr mir ja eine Arbeit geben?
Vielleicht in eurem Palast? Es wäre mir eine große
Ehre..."
Aragorn atmete einmal laut aus und erhob sich dann.
"Ihr wollt für mich arbeiten?"
Lhunroth nickte
vorsichtig.
"Das kann nicht alles sein, mein Freund. Wenn ihr
wollt könnt ihr natürlich für mich arbeiten, aber ich
würde euch gerne noch mehr geben als das. Nur wegen euch bin ich
noch am Leben und ihr verlangt nicht mehr, als in meine Dienste zu
treten?"
Lhunroth nickte.
"Also schön, wenn das
euer Wunsch ist, so will ich ihn natürlich erfüllen. Aber
tut mir einen Gefallen. Überlegt euch noch einmal, ob da nicht
doch noch etwas ist, was ich tun könnte. Denkt in Ruhe darüber
nach und kommt dann zu mir".
Lhunroth nickte wieder und erhob
sich dann. "Ich danke euch Majestät", sagte er und
wollte sich wieder verneigen, doch Aragorn hielt ihn sachte an den
Schultern fest. "Nein, mein Freund, das brauchst du
nicht."
Stattdessen umarmte er Lhunroth einmal
freundschaftlich, der daraufhin mehr als beeindruckt war, und führte
ihn dann hinaus, um auch ihm etwas zu essen anzubieten und sich noch
etwas mit ihm zu unterhalten
Sam und Frodo lächelten vor
sich hin. Sie hatten das Essen im Nu gefunden und stürzten sich
schnell auf die Köstlichkeiten. Sie wollten sich beeilen, denn
sie hatten vor sofort zu den Häusern der Heilung zu eilen und
sich nach Pippins Wohlbefinden zu erkundigen.
"Sam, ich kann
das nicht mehr glauben, was wir da in dem See der Zeit gesehen
haben", sagte Frodo auf einmal und schüttelte ungläubig
den Kopf.
"Wir haben Lhunroth gesehen. Wir haben gesehen, wie
er war und wir haben Aragorn sterben sehen, genau wie Legolas und
Gimli und jetzt..."
"Jetzt ist es wieder so, wie es sein
sollte. Ich habe es bei dir schon einmal erlebt, es ist ein gutes
Gefühl, wenn jemand, den man sterben gesehen hat plötzlich
wieder da ist. Es ist so wunderbar...", bemerkte Sam.
"Es
ist einfach nur unglaublich, wie ein Traum. Wie etwas, dass nie
geschehen ist. Als ich Aragorn eben gesehen habe, da habe ich mich
gefragt, ob das, was wir da in dem See gesehen haben wirklich
passiert ist..."
"Das wohl schon und bald wirst du auch
Beweise dafür sehen, aber ich hoffe, dass es für uns jetzt
nicht mehr Bedeutung bekommt, als ein Traum! Ich hoffe, es bleibt
einfach nur eine Erinnerung."
"Ja, so wie es aussieht
haben wir alles geschafft. Wenn Gandalf mit Legolas und Gimli hier
noch eintreffen, dann können wir wirklich sagen, dass wir
erfolgreich waren."
Sam nickte und aß den Rest von
seinem Teller. Frodo nahm noch den Rest in seine Hand und beide
Hobbits machten sich dann auf zu den Häusern der Heilung.
Schon
von Weitem erkannten die beiden Hobbits eine kleine,
zusammengekauerte Gestalt, die auf der Treppe vor den Häusern
der Heilung saß. Frodo und Sam konnten bereits erkennen, dass
es Merry war, der auf der Treppe saß und den Kopf in die Arme
gelegt hatte, die auf seinen Knien ruhten. Frodo merkte sofort, wie
sein Herz schneller schlug als gewöhnlich und Sam verlangsamte
plötzlich sein Tempo und wurde kreidebleich.
Merry blickte
auf und blieb aber auf der Treppe sitzen, trotzdem er sah, dass die
Beiden kamen. Je näher Sam und Frodo ihrem Freund kamen, desto
deutlicher erkannten sie, dass seine Augen stark gerötet waren
und er am ganzen Leib zitterte.
Sam blieb stehen, als er das sah,
doch Frodo zog ihn mit klopfendem Herzen weiter. Als sie in Merrys
Nähe kamen, hatte Sam das Gefühl, als würde ihm jemand
das Herz zusammendrücken. Merry sah ihn an und viele Tränen
rannen seine Wangen herunter.
"Bitte, sag es jetzt nicht...",
flüsterte Sam.
Merry schüttelte den Kopf und immer mehr
Feuchtigkeit sammelte sich in seinen Augen.
"Sag nicht, dass
er...", fing Sam wieder an.
"Er stirbt", schluchzte
Merry tonlos.
"Aber wie.... Die Heiler... Können sie
denn nicht...", begann Frodo seine Frage.
"Sie konnten
ihm lediglich ein Mittel geben, das die Vergiftung etwas aufhält,
aber... Es ist nur noch eine Frage der Zeit. Sie können nichts
mehr für ihn tun", antwortete Merry und starrte in die
Ferne.
"Wie lange noch", fragte Frodo und ein Kloß
im Hals verhinderte es, dass die Worte deutlich hörbar aus
seinem Mund kamen.
"Einen Tag noch, vielleicht zwei",
flüsterte Merry und brach in Tränen aus.
Sam drehte sich
um, und sah zum Himmel hinauf. Dann streckte er die Hände
ebenfalls empor und schrie so laut, dass es noch meilenweit zu hören
sein musste. "Wieso? Warum tust du das, was habe ich denn getan,
dass du gegen mich bist und mich vernichtest", brüllte er
gen Himmel und seine Gesicht verfärbte sich rot vor Wut.
"Verdammt, du erbärmlicher Feigling, du willst doch mich!
Bring es doch endlich zu Ende, worauf wartest du denn? Hier steh ich,
töte mich endlich und lass die Anderen am Leben!"
"Sam
hör auf, ich bitte dich, hör auf Sam,", sagte Frodo
und nahm seinen Freund in die Arme. Die Hobbits sanken zu Boden und
knieten dann auf der Erde, während Merry immer noch weinend auf
der Treppe saß.
"Wir haben gedacht, wir hätten
gewonnen, doch haben wir wieder verloren... Es ist vorbei, Herr
Frodo, sie haben und besiegt."
"Vielleicht... Vielleicht
müssen wir es noch mal versuchen", versuchte Frodo auf ihn
einzureden.
"Wofür denn? Damit sie uns wieder besiegen?
Das ist ein Feind, den man nicht besiegen kann. Es ist
vorbei..."
"Nein, Sam wir gehen noch mal zu Nevturiel,
wir sind das nächste Mal vorsichtiger. Wir wissen doch jetzt,
was alles passiert, wir können es das nächste mal
schaffen."
Über Sams Gesicht kullerten jetzt Tränen.
"Verstehst du nicht, Herr Frodo? Selbst wenn wir die Zeit
tausendmal zurückdrehen, wir würden nie gewinnen. Weil du
es nicht kannst. Wir werden immer jemanden verlieren, egal, ob wir
wissen, was passiert oder nicht. Es wird immer etwas geben, das wir
nicht wissen und das wird uns dann zum Verhängnis werden. Und es
ist ganz egal wie hart wir kämpfen. Das ist kein Krieg gegen
einen dunklen Herrscher oder gegen ein Volk, das man vielleicht noch
besiegen kann. Dieser Gegner hier ist nicht zu besiegen. In keiner
Weise. Er hat nichts, wo wir angreifen können, er ist ja nicht
mal sichtbar für uns. Wir wurden besiegt, Herr Frodo."
"Aber
irgendetwas... Es muss doch irgendetwas geben, dass..."
"Ja,
es gibt etwas", fiel Sam ihm ins Wort. Dann stand er plötzlich
auf, blickte wieder zum Himmel und schrie dann so laut er konnte:
"Wenn du ihn sterben lässt, dann zerstöre ich dieses
verdammte Rad der Zeit! Ich werde es in tausend Stücke zerhauen
und es ist mir egal, was dann geschieht. Dann habe ich vielleicht
nicht gewonnen, aber eins weiß ich: Du hast es auch
nicht!"
"Das kann nicht die einzige Lösung sein",
flüsterte Frodo, ohne, dass Sam es hörte.
Merry
starrte vor sich hin und hielt seine Arme eng um seinen Körper
geschlungen. "Vielleicht sollte ich jetzt wieder reingehen, er
will nicht alleine sein", flüsterte er und stand auf.
"Kann
man denn mit ihm sprechen", fragte Frodo während Sam sich
an einen Baum lehnte und gar nichts sagte.
Merry nickte. "Ja,
das kann man, wenn man weiß, was man ihm sagen will. Ich weiß
es nämlich nicht mehr. Ich kann ihm nicht mal mehr Hoffnung
machen, meistens sitze ich einfach nur neben ihm. Was willst du auch
schon jemandem sagen, der ganz genau weiß, dass er stirbt? Es
gibt nichts mehr, dass von Bedeutung ist."
"Das kenn
ich", murmelte Sam und warf einen Blick auf Frodo, doch er wich
ihm aus und blickte nur Merry mitleidig an. "Weiß er es
denn?"
"Oh ja, ich glaube er wusste es schon die ganze
Zeit, oder er hat es zumindest geahnt. Er hat darauf bestanden, dass
die Heiler ihm die Wahrheit sagen, weil er diese Ungewissheit nicht
ertragen konnte. Seitdem schläft er nicht mehr, er liegt nur
noch da und starrte an die Decke. Ab und zu weint er, aber sonst...
Ich habe schon so viel versucht, er reagiert auf nichts mehr. Er will
nur, dass ich bei ihm bin, ich bin auch nur raus gegangen, weil ich
einmal an die frische Luft wollte. Er wollte nicht mal, dass ich zu
Aragorn gehe und es ihm sage. Aragorn kam gestern Mittag noch, um
Pippin zu besuchen, aber da wussten wir es noch nicht. Wir wissen es
erst seit gestern Abend", sagte Merry tonlos und seine Stimme
klang rau.
Merry ging in Richtung Eingang und Frodo folgte ihm.
Sam blickte ihnen hinterher und senkte dann den Kopf. Bevor Frodo und
Merry in die Tür eintraten, hielt Frodo Merry sachte am Ärmel
fest, um ihm zu zeigen, dass er kurz warten sollte. Es dauerte auch
nicht lange, da blickte Sam auf und folgte ihnen, und über
Frodos Mund huschte ganz kurz ein Lächeln, das aber sofort
wieder erstarb.
In den Häusern der Heilung roch es nach den
verschiedensten Kräutern. Nicht immer war es ein angenehmer
Duft, überhaupt hatten die Häuser der Heilung etwas an
sich, dass Frodo nicht mochte. Vielleicht lag es einfach nur daran,
dass man nicht ohne Grund hierher kam. Entweder kam man, weil man
selbst krank war oder man gin
g
zu jemandem, der krank war, so wie sie es jetzt taten. Dadurch, dass
die Hobbits barfuß waren, machten ihre Schritte keine
Geräusche, doch hier und da hörte man die Heiler eilig über
die Flure huschen. Das Echo, das die Schritte auslösten, war
irgendwie so beunruhigend, auch wenn Frodo nicht recht wusste, woran
das lag. Sie kamen an vielen Zimmern vorbei, von dem einen oder
anderen stand die Tür offen und die Hobbits warfen ungewollt
einen Blick hinein. Ein kleines Mädchen und ein kleiner Junge
saßen auf dem Krankenbett von einem Mann, der wohl ihr Vater
war und um seinen Arm einen Verband hatte. Eine Frau stand daneben
und lächelte fröhlich.
In einem anderen Zimmer lag eine
alte Frau und schlief friedlich. Und in einem weiteren Zimmer lag ein
etwas älterer Junge, der sich mit einem Heiler unterhielt und
einen neugierigen Blick auf die Hobbits warf, als sie an seiner Tür
vorbeigingen.
Dann kamen sie vor einer verschlossenen Tür an
und Merry drückte die Klinke runter und trat ein. Frodo folgte
ihm und danach Sam. Frodo warf Sam einen vielsagenden Blick zu, als
sie das Zimmer betraten, denn er war sichtlich gerührt bei dem,
was er erblickte. Merry hatte sich große Mühe gegeben.
Pippin lag in einem Bett, hatte die Augen geschlossen und um ihn
herum standen drei Tische, auf denen Merry alles hingestellt hatte,
was Pippin sonst so gerne mochte. Pilze, Kuchen, Äpfel hatte er
kleingeschnitten, und allerlei andere Köstlichkeiten standen
darauf, die Pippin aber weil es ihm so schlecht ging nicht essen
konnte. Frodo war sich sicher, dass der Hobbit, selbst wenn er gesund
gewesen wäre, das nicht alles geschafft hätte.
"Die
Heiler waren so freundlich und haben mir erlaubt noch zwei Tische zu
holen und ihm anderes Essen zu bringen, als das, was er hier bekommen
hätte", sagte Merry, als er sah, wie Frodo und Sam sich die
ganzen Sachen betrachteten. "Ich dachte, vielleicht kann ich ihm
damit eine Freude machen", fügte Merry hinzu und schluchzte
unwillkürlich.
"Das hast du", sagte Pippin ganz
leise und alle blickten sofort auf ihn, als der Hobbit sich
bewegte.
"Pippin, schau, wen ich mitgebracht habe",
sagte Merry in bemüht freudigen Ton und setzte sich neben Pippin
ans Bett.
"Hallo, ihr Beiden, wie schön, dass ich euch
noch einmal sehe", sagte er leise und lächelte
schwach.
Frodo wusste gar nicht, wie er darauf jetzt reagieren
sollte, und so begrüßte er ihn ganz gewöhnlich mit
einem "Hallo" und versuchte so gut wie möglich, sich
nichts anmerken zu lassen. Auch Sam tat das und Merry zuckte nur mit
den Schultern, als er Sams ratlosen Blick erkannte.
"Wie geht
es dir", fragte Frodo, doch wusste er, dass diese Frage mehr als
töricht war, aber schließlich musste er ja irgendetwas
sagen.
"Ich bin so müde", antwortete Pippin und
schloss die Augen.
Frodo fiel auf, dass seine Haut eine leichte
aschgraue Farbe hatte. Er war irgendwie mager, obwohl er in den
letzten zwei Tagen kaum viel abgenommen haben konnte, aber dennoch
machte es den Anschein. Seine Augen waren dunkel umrandet. Sie
wirkten irgendwie glasig und waren so schrecklich leer, wie Frodo
fand. Seine Lippen waren blass und trocken und Frodo fand es
erschreckend, wie der sonst so lebenslustige Hobbit in nur zwei Tagen
sich derart verändern konnte.
Die Heiler hatten Pippin die
Hand mit dem Schlangenbiss säuberlich verbunden und er hatte sie
auf seinem Bauch ruhen.
"Warum schläfst du dann nicht",
fragte Frodo und zog sich einen kleinen Stuhl an Pippins Bett um sich
neben ihn zu setzten.
"Weil ich so schreckliche Angst habe,
nicht mehr aufzuwachen", presste der Hobbit hervor und kaum
merklich rann eine Träne seitlich aus seinem Auge. Merry nahm
seine Hand, die ungewöhnlich kühl war und drückte sie
sanft.
"Ich weiß, es ist verrückt, aber ich habe
solche Angst einzuschlafen. Ich weiß, dass ich nichts
verhindern werde, aber... Aber trotzdem, fürchte ich mich so,
wenn ich die Augen zu mache", flüsterte Pippin und sah
Frodo müde an.
"Ich verstehe...", sagte Frodo leise
und schluchzte.
Sam wäre am liebsten aus dem Zimmer gegangen,
er wusste nicht, was er sagen sollte und kam sich sehr schändlich
vor. Er empfand zwar Trauer, aber er hatte fast den Eindruck, als
würde die Wut im Moment überwiegen. Er wusste, dass wenn er
jetzt das Zeitrad vor sich hätte, er nicht zögern wurde, es
zu zerstören. Er schämte sich für diesen Gedanken,
denn er wusste, dass er im Moment nicht mehr selbstlos war und er
fürchtete, dass Nevturiel ihm jetzt ihre Hilfe verwehren würde.
Es war ihm ganz egal, ob damit für alle anderen die Zeit
ebenfalls stehen blieb, er wollte nur dieses Rad zerstören und
genau das machte ihn in diesem Moment selbstsüchtig und er
wusste das. Selbst wenn er jetzt wieder zu Nevturiel gehen würde,
fürchtete er, dass sie die Zeit nicht noch einmal zurückdrehen
würde und er wusste, dass Pippins Tod dann endgültig sein
würde.
Obwohl er Merry von dem Rad der Zeit erzählt
hatte, hatte er ihm auch gleich gesagt, dass man nicht beliebig oft
daran drehen konnte. Merry schien es zu wissen, dass er seinen Freund
verlieren würde, und dass die Hoffnung nicht groß war,
dass sie es noch einmal ändern konnten. So gab ihm das wenig
Hoffnung. Sam war am Überlegen, ob er Pippin nicht einfach vom
Rad der Zeit erzählen sollte, das würde ihm vielleicht die
Angst vor dem Sterben nehmen, auch wenn sein Tod vielleicht doch
endgültig war. So hätte er wenigstens etwas, worauf er
hoffen könnte, auch wenn es sinnlos war. Doch Sam verwarf diesen
Gedanken, denn er wollte seinen Freund nicht derartig belügen.
Das könnte er sich nie verzeihen und außerdem fürchtete
er, dass Pippin es ihm eh nicht glauben würde, sondern
stattdessen, es für bloße Hoffnungsmache hielt, womit er
ja nicht mal Unrecht hätte.
"Glaubt ihr, es geht
irgendwie weiter nach dem Tod", fragte Pippin und atmete hörbar
aus.
Frodo zuckte mit den Schultern. Wenn er sich an seinen Tod
erinnern könnte, dann hätte er ihm eine Antwort geben
können, aber jetzt wusste er nicht, was er darauf antworten
sollte.
Für eine Weile herrschte völliges Schweigen.
Nichts war zu hören, außer irgendwelche leisen Geräusche,
die aus dem Nebenzimmern drangen.
Frodo war völlig in
Gedanken versunken, als er plötzlich Pippins Hand an seinem
Kragen spürte. Der Hobbit zog ihn zu sich hinunter und wimmerte
vor sich hin. "Ich will doch noch nicht sterben, Frodo. Warum?
Warum muss ich denn sterben, ich habe solche Angst davor, ich...
Ich... Ihr könnt mich doch nicht einfach so sterben
lassen..."
Er weinte laut und drückte sein Gesicht an
Frodos Schulter. Der Hobbit nahm ihn in den Arm und spürte, wie
sein Freund zittere und fast schon bebte vor Angst und Verzweiflung.
Pippin krallte sich völlig an Frodo fest und schluchzte immer
wieder: "Ich will nicht sterben." Frodo behielt ihm
tröstend im Arm; Es zerschnitt ihm das Herz, wie Pippin weinte.
Jeder Schluchzer des kleinen Hobbits ging ihm unter die Haut und er
musste sich stark zusammennehmen, um nicht selber zu verzweifeln.
Wenn er ihm doch nur helfen könnte. Merry schien das gleiche zu
denken, er blickte sich hilflos um und sah dann, wie Sam zur Tür
hinaus verschwand. Ohne zu überlegen folgte er ihm und ließ
Frodo mit Pippin in den Armen zurück, der immer noch laut
schluchzte und sich gar nicht beruhigen wollte.
Sam eilte durch
den Flur und sein Magen schmerzte heftig. Er konnte es nicht
ertragen, wie Pippin förmlich darum flehte, nicht sterben zu
müssen.
"Hilf ihm, Sam", hörte er Merrys
Stimme hinter sich den Flur entlang hallen.
Langsam drehte sich
Sam um und wartete, bis Merry vor ihm stand.
"Wie kannst du
da zusehen, Sam? Hilf ihm endlich, sag ihm irgendwas, oder geh und
drehe an diesem verdammten Rad", sagte Merry, doch seine Stimme
klang seltsam aufgewühlt.
"Ich glaube, ich kann ihm
nicht helfen, Merry", flüsterte Sam.
"Wieso nicht?
Bei Frodo konntest du es doch auch! Wieso geht es jetzt nicht mehr",
fragte Merry und seine Stimme wurde immer lauter, so dass Sam
zusammenzuckte.
"Ja, ich konnte Frodo helfen und was habe ich
ausgelöst? Sieh es dir doch an, Merry!"
Ohne, dass Sam
damit rechnete, stieß ihn Merry unsanft an die Wand. "Ich
sehe, dass Frodo lebt und Pippin stirbt", donnerte er.
Sam
sah ihn verständnislos an. "Wenn ich könnte, wurde ich
mit ihm tauschen", flüsterte er.
"Ach ja,
natürlich, du würdest mit ihm tauschen. Warum glaube ich
dir das nicht, Sam? Du hast eine Frau und Kinder und das würdest
du alles so aufgeben? Lüg doch nicht!"
"Weißt
du eigentlich was es für ein Gefühl ist für alles die
Verantwortung zu haben? Weißt du, was es für ein Gefühl
ist wegen allem die Schuld zu haben? Wenn er stirbt habe ich die
Schuld, Merry, und ich bin mir dessen sehr wohl bewusst! Glaubst du
nicht, wenn ich es ändern könnte, würde ich es tun?
Aber ich sehe, dass es keinen Sinn macht. Es ist hart das zu sagen,
ich weiß und es ist hart das zu akzeptieren, aber ich glaube
Nevturiel wird mir nicht mehr helfen, selbst wenn ich sie darum
bitte." Er machte eine Pause und sah Merry fest in die
Augen.
"Und vielleicht ist es das, was sie die ganze Zeit
wollten. Jetzt haben sie uns so weit, dass wir uns mit unserem
Schicksal abfinden müssen."
Sam sah, wie Wut in Merrys
Augen aufblitzte. Er drückte Sam immer weiter gegen die Wand.
"Sag mir, wo dieses verdammte Zeitrad ist und ich gehe da selbst
hin, wenn du zu feige bist!"
"Damit dir dasselbe
passiert wie mir?"
"Das ist immer noch besser, als jetzt
zuzusehen, wie Pippin stirbt!"
Frodo trat plötzlich aus
der Tür und blickte die Beiden entgeistert an. Er fürchtete
fast, Merry würde mit seiner Hand ausholen, so wütend war
er.
"Was macht ihr denn da? Seid ihr völlig verrückt",
schrie er über den Flur.
Merry schien erst jetzt zu bemerken,
dass er im Begriff war auf Sam loszugehen und völlig verstört
ließ er von Sam ab und trat ein paar Schritte zurück.
"Es
liegt nicht mehr in meiner Macht, Merry. Ich glaube, das hat es noch
nie getan. Ich habe es eine zeitlang gedacht, doch ich wurde eines
Besseren belehrt", sagte Sam leise und drehte sich dann um, um
hinaus zu gehen.
Merry lehnte sich keuchend an die Wand und sah zu
Frodo, der auf ihn zu kam.
"Merry, er schläft jetzt. Du
solltest wieder zu ihm gehen, er braucht dich, wenn er wieder
aufwacht", sagte Frodo, und vermied bewusst, über das zu
sprechen, was er gerade gesehen hatte. Merry nickte nur stumm und
ging dann wieder zu Pippin.
Frodo folgte Sam hinaus.
Sam
und Frodo gingen ohne ein Wort zu sagen zu Aragorns Palast um zu
berichten, was sie gerade erfahren hatten. Auf dem Weg dorthin trafen
sie Lhunroth und seine Männer, die in einiger Entfernung
standen. Lhunroth winkte ihnen zu und die Hobbits erwiderten den
Gruß. Ohne auch nur ein Wort mit den Wachen zu wechseln traten
sie ein und fragten dann ein Dienstmädchen, wo sich der König
gerade aufhielt. Sie vermutete ihn im Thronsaal, also machten sich
Sam und Frodo wieder auf den Weg dorthin. In der Tat fanden sie
Aragorn dort, aber zu ihrer großen Überraschung, war er
nicht alleine. Gandalf, Legolas und Gimli waren ebenfalls da und
unterhielten sich angeregt. Die Hobbits machten so traurige
Gesichter, dass alle sofort zu ihnen sahen.
"Ihr seid auch
da", stellte Sam leise an Gandalf, Legolas und Gimli gewand
fest.
"Ja, seit ein paar Stunden bereits, wir sind aber erst
vor kurzem hier im Palast eingetroffen", antwortete
Gandalf.
"Was ist denn geschehen", fragte Aragorn und
sah die Hobbits auffordernd an.
"Pippin... Er... Er.... Die
Heiler können das Gift nicht aus seinem Körper kriegen. Er
hat nur noch höchstens zwei Tage", stotterte Frodo.
"Der
arme Kleine", murmelte Gimli und sah zu Legolas hoch.
"Woran
liegt es", fragte der Elb und beobachtete die Hobbits
aufmerksam.
Beide zuckten nur mit den Schultern.
"Ich
denke, es liegt wohl daran, dass die Heiler nicht viel Erfahrung mit
Schlangengift haben. Als ich neulich dort war um Pippin zu besuchen,
da konnten mir die Heiler zwar noch nicht sagen, dass es so schlimm
um Pippin steht, weil sie noch nichts genaues wussten, aber der
Heiler meinte, dass sie so wenig Erfahrung hätten und hofften
die Sache trotzdem meistern zu können", erklärte
Aragorn und senkte den Kopf. "Es tut mir so leid."
"Sie
haben keine Erfahrung mit Schlangengift", fragte Frodo
ungläubig.
"Woher denn? Hier gibt es kaum Schlangen und
die meisten von ihnen sind ungiftig. Sie haben halt einfach keine
Erfahrung damit", erklärte Aragorn weiter.
"Ich
schon", bemerkte Legolas und alle hoben die Köpfe.
"Was",
fragte Sam.
"Ich weiß ein bisschen über
Schlangengift. Im Düsterwald gibt es ein paar Giftschlangen und
einige Elben stellen gelegentlich Mittel her, die bei Schlangenbissen
als Gegengift wirken. Ich habe da mal zugesehen", bemerkte der
Elb.
"Du weißt, wie man ein Gegenmittel herstellt",
fragte Sam nach und seine Stimme zitterte vor Aufregung.
"Ich
könnte es ja versuchen."
Sam lächelte den Elben
dankbar an und auch Frodo atmete einmal erleichtert durch.
"Ich
kann nichts versprechen, aber ich bin bereit es zu versuchen",
bemerkte Legolas.
"Immer noch besser, als nichts tun zu
können und auf seinen Tod zu warten", sagte Frodo.
"Ach
komm, ein bisschen elbische Heilkraft, dann geht das schon",
meinte Gimli und zupfte Legolas am Ärmel.
"Du kannst
gleich mitkommen, dich kann ich gut gebrauchen", stellte Legolas
fest und schmunzelte, als der Zwerg etwas verdattert guckte.
"Wenn´s
wichtig wird, werde ich immer gebraucht", stellte der Zwerg
zufrieden fest.
"Kann ich etwas tun", fragte
Aragorn.
"Nein, ich glaube mit Gimli habe ich Hilfe genug.
Ich werde erst mal zu den Häusern der Heilung gehen und fragen,
was das für eine Schlange war. Das ist wichtig", antwortete
der Elb.
"Das kann ich dir auch sagen", bemerkte Sam.
"Ich habe sie noch sehr gut in Erinnerung, schließlich ist
sie über mich hinweggekrochen".
"Um so besser. Wie
sah sie aus", wollte Legolas wissen.
Sam teilte dem Elben
jedes Detail mit, an das er sich erinnern konnte. Die Farbe, die
Größe, alles was er wusste erzählte er. Legolas hörte
dabei aufmerksam zu und fragte danach, wie Pippins Zustand wäre.
Der Hobbit erklärte ihm auch das und wo er etwas vergessen
hatte, ergänzte ihn Frodo. Als die beiden Hobbits geendigt hatte
drehte Legolas sich stirnrunzelnd zu Aragorn um.
"Du sagst es
gibt hier nicht viele Schlangen... Wenn ich eine finden wollte, wo
müsste ich suchen", fragte er.
Aragorn überlegte
eine ganze Weile und meinte dann: "Zwei Stunden von hier gibt es
ein kleines Stück Wald. Da liegen viele Steine und Baumstämme
und da gibt es auch gelegentlich eine Schlange, aber das dauert, bis
man da was findet, fürchte ich."
"Dann sollten wir
da gleich hingehen", meinte Legolas und blickte zu Gimli. Der
Elb fragte Aragorn nach dem genauen Weg und Aragorn erklärte ihm
genau, wo er hin musste.
"Glaubst du, du kannst ihm helfen",
fragte Sam, nachdem Aragorn geendigt hatte.
Legolas lächelte.
"Ich glaub, ich weiß, wie ich ein Gegengift herstellen
kann."
"Du musst dich aber beeilen, sonst ist es zu
spät", bemerkte Frodo.
"Es wird bald dunkel,
Legolas", meinte Aragorn.
"Ich weiß, aber das ist
nicht mal schlecht. Schlangen sind oft im Dunkeln aktiv."
"Viel
Erfolg, ich hoffe, ihr Beiden schafft das", sagte
Gandalf.
Legolas nickte und eilte mit Gimli im Schlepptau
hinaus.
Gandalf warf den Hobbits einen vielsagenden Blick zu und
die Beiden erwiderten ihn. Gandalf erkannte sehr wohl, dass es ein
großen Glück war, dass er gerade jetzt mit dem Elb und dem
Zwerg hier eingetroffen war.
Ohne viel nachzudenken und etwas zu
sagen eilten die Hobbits wieder zurück zu den Häusern der
Heilung, denn jetzt hatten sie etwas, womit sie ihren Freunden
Hoffnung machen konnten und sie würden dabei nicht lügen
müssen...
Legolas holte sein Pferd und führte es,
ohne aufzusteigen, an den Zügeln bis an den Rand von Minas
Tirith. Gimli folgte ihm bereitwillig und sagte nicht mal etwas über
das schnelle Tempo des Elben, bei dem er aufpassen musste, nicht
zurück zu fallen. Erst, als ein heftiger Stich durch seinen Kopf
fuhr, der ihn zusammenzucken ließ, blieb er stehen und fasste
sich verwundert an die Stirn. Ein schwarzer Schleier legte sich kurz
über seine Augen, der sich jedoch sofort wieder aufklarte. Der
Zwerg machte einen Schritt nach vorne und wurde wieder von mehreren
Stichen hintereinander heimgesucht, die sich durch seinen Kopf zogen
und ihn fest die Augen schließen ließen, in der Hoffnung,
sie würden dann verebben.
"Gimli, wo bleibst du denn",
hörte er Legolas in etwas weiterer Entfernung rufen.
"Ich
komme gleich", rief Gimli zurück und rieb sich die
Stirn.
Der Schmerz in seinem Kopf blieb, als Gimli sich nach
einigen Momenten wieder in Bewegung setzte. Er entflammte mal so
stark, dass er den Zwerg zusammenfahren ließ und dann klang er
wieder fast völlig ab.
"Was hast du denn", wurde er
von Legolas gefragt, als er sich dem Elben näherte, der auf ihn
gewartet hatte. Legolas hatte eine besorgte Mine aufgesetzt und
beobachtete den fast wankenden Gang des Zwerges.
Gimli antwortete
nicht, stattdessen meinte er nur: "Können wir vielleicht
jetzt schon auf das Pferd aufsteigen, wir sind doch weit genug aus
der Stadt."
Gimli wollte sich nur so wenig wie möglich
bewegen und endlich sitzen. Er mochte es zwar gar nicht auf einem
Pferd zu reiten, aber er wollte jetzt nichts sagen, sondern viel mehr
mit Legolas losziehen, um Pippin zu helfen.
Der Elb musterte ihn
kritisch und wollte etwas sagen, doch Gimli kam ihm zuvor. "Du
brauchst nicht so besorgt gucken, es ist alles in Ordnung, kommst du
jetzt?"
Damit machte er Anstalten auf das Pferd zu steigen
und Legolas wunderte sich zwar, tat es dann aber seinem Freund
gleich.
Der Zwerg schloss hinter dem Elben sofort die Augen und
hoffte, dass die Stiche in seinem Kopf endlich abklingen würden.
Bei jeder Bewegung, die er tat, loderten sie auf und er dachte schon,
sie würden ihn gar nicht wieder loslassen, so endlos lang kamen
ihm die Sekunden vor, in denen ihn der Schmerz festhielt.
Legolas
lenkte sein Pferd das letzte Stückchen aus Minas Tirith hinaus
und kam dann zusammen mit Gimli wieder in die Wildnis hinein. Wiesen,
die aus wilden Gräsern bestanden und auf denen Büsche
wuchsen zeigten nur deutlich, dass sie die Stadt wieder verlassen
hatten.
Sie waren nicht lange geritten, als Gimli plötzlich
merkte, wie der Elb vor ihm zusammenzuckte. Er fasste sich an die
Linke Seite und krümmte sich leicht auf dem Pferd zusammen.
Gimli runzelte die Stirn und war sich nicht sicher, ob er etwas
fragen sollte, oder nicht. Noch ehe der Zwerg dies recht überdenken
konnte, hielt Legolas das Pferd an und begann hinunterzusteigen. Er
hatte seinen Arm immer noch an der Seite, mit dem anderen stützte
er sich am Pferd ab und schloss die Augen.
"Geht es dir nicht
gut", fragte Gimli, dessen Kopfschmerzen langsam weggingen und
jetzt nur ganz gering vorhanden waren.
Der Elb antwortete nicht,
stattdessen beugte er sich einmal hinunter, presste seine Hand fest
auf seine Seite und keuchte angestrengt. Er hustete und ein
merkwürdiger metallischer Geschmack drang ihm in den Mund. Nicht
mal wenn er mehrere Stunden hintereinander schnell lief, verspürte
er diese Atemlosigkeit, die er im Moment verspürte.
"Legolas",
hörte er Gimlis raue Stimme und spürte eine Berührung
an seinem Arm. Der Zwerg war ebenfalls vom Pferd hinuntergestiegen
und stand nun ängstlich dreinblickend vor seinem Freund. Legolas
richtete sich wieder auf und lehnte sich völlig erschöpft
ans Pferd. Er war blass und auf seiner Stirn glänzte der
Schweiß.
"Bei meinem Barte... Was...", begann
Gimli seine Frage.
"Es geht schon, mir fehlt nichts",
fiel ihm Legolas ins Wort.
"Es geht schon", wiederholte
der Zwerg spöttisch. "Du solltest dich mal ansehen, du
siehst aus ein Geist. Das ist ja gruselig!"
Legolas zog die
Augenbraue hoch und musterte den Zwerg kritisch für diese
Äußerung. Er stellte sich möglichst gerade hin und
versuchte ein beleidigtes Gesicht aufzusetzen.
"Bist du
krank", fragte Gimli und ignorierte Legolas´ Blick.
"Das
ist eigentlich unmöglich, ich werde nicht krank", erwiderte
er.
"Vielleicht ist es irgendeine ominöse
Elbenkrankheit, du siehst wirklich nicht gut aus", bemerkte der
Zwerg besorgt.
"Selbst wenn, das spielt jetzt keine Rolle,
wir müssen weiter.
"Ich hatte vorhin Kopfschmerzen,
vielleicht liegt es am Wetter", überlegte Gimli, doch das
Wetter konnte eigentlich nicht der Grund sein. Es war weder
sonderlich heiß, noch sehr kalt und das Wetter machte dem Elb
in der Regel nicht viel aus.
Legolas zuckte mit den Schultern und
versuchte den stechenden Schmerz zu ignorieren, doch er musste sich
eingestehen, dass er ein ungutes Gefühl hatte und sich über
diesen aus heiterem Himmel kommenden Schmerz doch reichlich
wunderte.
Legolas versuchte sich nichts anmerken zu lassen, als er
wieder aufs Pferd stieg und kniff verbissen die Augen zusammen. Gimli
merkte es sehr wohl, sagte aber nichts. Er beschloss für sich,
seinen Freund im Auge zu behalten.
Sie ritten weiter und kamen
schließlich zu dem Ort, den Aragorn ihnen beschrieben hatte.
Legolas machte sich, kaum war er vom Pferd gestiegen daran, den Boden
zu betrachten. Er suchte nach Spuren, die darauf hindeuteten, dass
vielleicht eine Schlange in der Nähe war.
"Mal eine
bescheidene Frage, wozu brauchst du eine Schlange", murmelte
Gimli, während er etwas nutzlos in der Gegend herumstand.
"Ich
brauche das Gift einer Schlange, damit es gegen das Gift, das Pippin
im Körper hat wirkt."
"Du willst dem Hobbit Gift
geben", fragte Gimli leicht entrüstet.
"Ja, aber
nicht nur. Da kommen auch noch ein paar Kräuter und andere
Bestandteile dazu."
"Wie beruhigend", murmelte
Gimli so leise, dass Legolas es nicht verstand.
"Und wie
willst du hier Schlangenspuren erkennen? Nicht mal ich hinterlasse
hier Spuren auf dem Boden", fragte er weiter.
"Vielleicht
hat sich ja irgendwo eine Schlange gehäutet oder wir finden
durch Zufall Spuren auf dem weichen Sand. Das würde dann ein
guter Hinweis sein..."
Gimli nickte und begann dann den Boden
ebenfalls zu begutachten, obwohl er nicht genau wusste, worauf er
achten sollte und vom Spurenlesen hatte er eh wenig Ahnung. Er wollte
aber auch nicht einfach so rumstehen, also lief er in gebückter
Haltung umher und betrachtete sich alles.
Dem Zwerg kam es vor,
als wären Stunden vergangen. Der Elb schien sich jeden
Zentimeter der Erde zu betrachten und war unermüdlich dabei,
immer weiter in den Wald hineinzugehen. Gimli folgte ihm, doch hatte
er selbst nicht die Hoffnung etwas zu finden. Stattdessen beobachtete
er seinen Freund, der sich immer noch des öfteren an die Seite
griff und dessen Atem so laut war, dass Gimli es als sehr unnormal
erachtete. Als er ihn jedoch noch mal darauf ansprach, antwortete
Legolas nur knapp, dass Gimli sich keine Sorgen machen
brauchte.
Gimli beobachtete, wie sein Freund unter eine große
Kiefer kroch, deren Äste fast bis zum Boden reichten.
"Ich
hab was", rief der Elb und Gimli wurde ganz aufgeregt.
Legolas
zog eine milchig weiße Schlangenhaut hervor, die er Gimli vor
die Nase hielt. Der Zwerg machte ein angewidertes Geräusch.
"Dort
unten ist eine alte Wurzel, die tief in der Erde steckt und eine
kleine Höhle bildet. Es ist zwar nichts drin, aber schau, was
ich gefunden habe. Vielleicht ist die Schlange auf Jagd und kommt
hierher zurück", erklärte Legolas.
"Schön,
und du willst hier auf sie warten", fragte der Zwerg
skeptisch.
"Ich wollte dich eigentlich bitten das zu machen,
ich wollte ein paar Kräuter suchen gehen."
Gimli setzte
eine entrüstete Miene auf. "Aber.... Aber, du kannst mich
doch nicht hier alleine lassen! Ich habe doch keine Ahnung wie ich
eine Schlange fange."
Legolas gab ihm eine Tasche und
erklärte ihm dann, wie es anzustellen sei. Er sagte ihm, wo er
sich hinlegen sollte, damit die Schlange ihn nicht so schnell wittern
würde und nannte noch einige andere nützliche Dinge.
Nach
nur kurzer Zeit lag der Zwerg brummend unter der Kiefer. Die Tasche
in der Hand und skeptisch die Wurzel betrachtend.
"Toll,
immer dasselbe", murmelte er, als er Legolas noch tiefer in den
Wald laufen sah.
Es schienen Stunden zu vergehen. Gimli verfluchte
es innerlich, dass er sich zu dieser Aufgabe hatte überreden
lassen. Nur gut, dass heute Vollmond war und so wenigstens ein
bisschen was zu sehen war. Aber die Sicht war trotzdem nicht gerade
gut unter diesem Baum. Der Zwerg machte sich so seine Gedanken.
Wer
wusste, ob die Schlange überhaupt zurückkam und wenn ja,
wann?
Doch sie sollten Glück haben. Gimli hörte erst
ein zaghaftes Rascheln und dann sah er, sich im Laub etwas bewegen,
dass fast schon zu schnell für sein Auge war. Er hielt Ausschau
nach dem Elb, doch konnte er ihn nirgends entdecken. Gimli wurde von
einer Nervosität ergriffen. "Hoffentlich kann er nicht bald
für zwei sein Giftgebräu mischen", dachte er.
Die
Schlange kroch relativ träge über den Boden und witterte
nur schwach einen anderen Geruch. Doch sie setzte ihren Weg fort, in
ihr Versteck unter der Kiefer. Der Zwerg sah sie nur schemenhaft.
Wenn er ehrlich war, wusste er nicht mal genau wo vorne und hinten
war. Er beschloss für sich, einfach die Tasche auf das Tier zu
werfen, obwohl das nicht die Fangmethode war, die Legolas ihm erklärt
hatte. Der Zwerg richtete sich so leise wie möglich auf und
hielt die Tasche bereit. Das Geräusch jedoch, das der Zwerg
dabei machte, ließ die Schlange, die Gimli mittlerweile
ziemlich nahe war, erschreckt hochfahren und eine bedrohliche
Stellung einnehmen. Der Zwerg schluckte und versuchte so ruhig wie
möglich zu sein, als er den kleinen Kopf fast vor seinen Augen
erkannte. Gimli bekam feuchte Hände. Er sah nur den schwarzen
Umriss, aber das genügte vollkommen. "Wie konnte er mich
nur alleine lassen", fuhr es ihm durch den Kopf, als er sich der
gefährlichen Situation bewusste wurde.
Dann plötzlich
nahm Gimli eine schnelle Bewegung wahr und schloss die Augen.
Als
er sie wieder öffnete, erkannte er Legolas, der die Schlange am
Kopf gepackt hatte und das zappelnde Tier energisch fest hielt. Der
ganze Leib peitschte hin und her, aber den Kopf hatte der Elb so fest
in der Hand, dass die Giftzähne keine Gefahr mehr
darstellten.
Gimli atmete erleichtert aus und seine Glieder
entspannten sich wieder.
"Wie kannst du mich alleine lassen
und noch dazu mit so einem Monstrum", entfuhr es dem Zwerg. "Es
hätte mich beinahe gebissen!"
"Es ist kein
Monstrum, ich will nicht sehen wie du reagierst, wenn jemand vor
deiner Erdhöhle rumlungert. Und außerdem bin ich ja
rechtzeitig gekommen", schmunzelte Legolas.
"Das ist
überhaupt kein Vergleich! Ich beiße nicht",
protestierte der Zwerg.
"Dafür hast du deine Axt."
Gimli
murmelte etwas vor sich hin, dann fragte er: " Woher weißt
du eigentlich, dass es eine Giftschlange ist?"
"Sie hat
schlitzförmige Augen und wenn sie den Mund aufmacht siehst du
ihre beiden Giftzähne. Gib mir die Tasche", forderte
Legolas ihn auf.
Er tat das zappelnde Tier hinein und versicherte
Gimli, dass sie auch nicht hinauskommen würde und auch nicht,
wie der Zwerg es befürchtete, durch die Tasche beißen
würde.
Legolas hatte der Weile den Großteil seiner
Zutaten, die er brauchte, zusammen. Den Rest, so war er sich sicher,
würde er auch noch in Minas Tirith irgendwie bekommen. So machte
er sich gemeinsam mit dem Zwerg, der sich wieder einigermaßen
beruhigt hatte, auf den Rückweg.
Am frühen Morgen
stand Aragorn auf seinem Balkon und blickte hinunter auf den Platz
mit dem Springbrunnen. Er war gestern, kaum waren Gimli und Legolas
fort gewesen, noch zu den Häusern der Heilung gegangen um Pippin
zu besuchen. Leider hatte der Hobbit die frohe Botschaft seiner
Freunde nicht ganz so gut aufgenommen, wie erhofft. Zwar hatte er
gelächelt, aber er hielt das ganze mehr für eine
Hoffnungsmache, so wie Sam es fast schon befürchtet hatte. Nicht
einmal Aragorn hatte ihn mit seinen ernsten Worten so richtig von dem
Gegenteil überzeugen können. So war Aragorn wieder
gegangen, Sam und Frodo hatten ebenfalls beschlossen so lange wie
möglich bei Pippin zu bleiben und Merry wachte ohnehin rund um
die Uhr an seiner Seite.
Aragorn stützte sich müde auf
die Brüstung. Er hatte nicht gut geschlafen in dieser Nacht und
ein Grund war natürlich ebenfalls die Sorge um Pippin, der
andere jedoch war sein Bein und seine Schulter. Er war gestern eine
Treppe hinuntergegangen und dabei ganz plötzlich
zusammengesackt, als ihm ein heftiger Stich durchs Bein fuhr. Dabei
hatte er sich am Treppengeländer festgehalten und musste sich
wohl irgendwie die Schulter gezerrt haben, so wie er vermutete. Die
halbe Nacht hatte er wach gelegen und dieses kontinuierlichen Stechen
in seinem Oberschenkel verflucht, von dem er nicht einmal wusste,
woher es eigentlich kam. Und nun war er am frühen Morgen
aufgewacht, zum Balkon gehinkt und starrte hinab. Er hätte so
gerne noch geschlafen, doch er wusste, dass er keinen Schlaf mehr
finden würde.
Er vernahm leise Schritte und erblickte
Legolas, der eilig über den Platz gelaufen kam, in der Hand
hatte er eine Tasche. Der Elb erblickte ihn und teilte ihm mit, dass
er und Gimli erfolgreich bei ihrer Suche gewesen waren. Aragorn
lächelte ihn an und Legolas erklärte, dass er sofort in die
Häuser der Heilung gehen würde. Aragorn bemerkte, dass er
auch bald nachkäme und der Elb huschte weiter.
Kurz darauf
kam Gimli hinter drein getrottet. Er fluchte leise vor sich hin, so
viel konnte Aragorn schon hören und schmunzelnd sah er auf die
kleine Gestalt, die mürrisch dahertrottete. Ein langer Ast der
Kiefer hatte sich in seinem Helm verklemmt und sah aus wie eine
große, grüne Feder. Er war schmutzig und allerlei Blätter
und kleine Äste hingen in seiner Kleidung.
Auch der Zwerg
erblickte Aragorn auf dem Balkon und erkannte sofort seinen
verwunderten Blick.
"Frag erst gar nicht", murrte er und
setzte seinen Gang fort, ohne weiter auf Aragorn zu achten.
Aragorn
machte sich daran aus dem Zimmer zu gehen, so schnell er es vermochte
den Flur entlang zu laufen und durch eine Tür auf den Platz zu
gelangen, wo er Gimli abfing.
"Was ist los", fragte er
den Zwerg, der einen sehr beleidigten Blick aufsetzte.
"Na
was schon. Ich musste auf diese blöde Schlange warten. Unter
einer Kiefer im Dreck versteht sich, während das Spitzohr auf
Kräutersuche war. Bis dieses Vieh kam, verging viel Zeit. Und zu
allem Überfluss hätte mich dieser riesige Wurm auch noch
fast gebissen", donnerte Gimli und begann sich die Blätter
von der Kleidung abzuzupfen.
"Ich verstehe, aber es war doch
für einen guten Zweck", beschwichtigte ihn Aragorn.
"Ja,
das stimmt. Eins steht jedenfalls fest, das nächste mal gehe ich
auf Kräutersuche, und Legolas liegt unter der Kiefer!"
Aragorn
schmunzelte vor sich hin. "Sei nicht immer so brummig, du hast
doch deine Sache gut gemacht."
"Ich bin nicht brummig,
ich bin müde. Und Hunger hab ich. Ach ja und baden würde
ich gerne, mich juckt es überall von dem Dreck."
"Gimli,
du bist ein Zwerg, du wühlst normalerweise öfters in der
Erde. Es dürfte dich wenig stören unter der Kiefer zu
liegen. Oder hast du dir von Legolas schon zu sehr die elbischen
Verhaltensweisen abgeguckt", fragte er und lächelte.
"Nein,
ich bin ein Zwerg und ich habe keine elbischen Verhaltensweisen.
Außerdem ist es etwas anderes ob man in einer schönen
Erdhöhle nach Reichtümern schürft, oder in einem
dunklen Wald unter einem blöden Baum liegt", gab der Zwerg
trotzig zurück.
Aragorn lachte und entfernte den Ast aus
Gimlis Helm. "Hier, das steht dir nicht. Geh rein, da kannst du
essen, baden und schlafen. Ich danke dir schon mal für deine
Bemühungen", sagte Aragorn und klopfte ihm auf die
Schulter.
"Ja, ja", brummte der Zwerg nur und setzte
sich sogleich in Bewegung.
Aragorn folgte ihm, um sich umzuziehen
und dann Legolas in die Häuser der Heilung zu folgen.
Der
Elb huschte weiter und traf Lhunroth und zwei seiner Männer, die
schon früh auf den Beinen waren und auf dem Weg zu den Ställen
waren. Als Legolas Lhunroth erblickte traf ihn ein schmerzlicher
Stich in die Seite und er hatte das merkwürdige Gefühl
diesen Mann zu kennen. Er blieb kurz stehen und stutzte, griff sich
wieder an die Seite und keuchte leise auf. Lhunroth sah den Elben,
ihn überkam das schlechte Gewissen und er setzte seinen Weg
fort, ohne Legolas groß zu beachten. Er nickte ihm nur flüchtig
zum Gruß zu und der Elb erwiderte es. Dann lief Legolas weiter,
doch irgendwie hatte er ein merkwürdiges Gefühl. Er
überlegte angestrengt. Hatte er diesen Mann schon einmal
gesehen?
Legolas betrat die Häuser der Heilung und suchte
als erstes jemandem, der ihm weiterhelfen konnte. Er traf auf die
zierliche Heilerin, die ihn neugierig musterte.
"Ihr müsst
der Elb sein, der sich mit Gift auskennt, oder", fragte sie ihn
und Legolas nickte.
"Die kleinen Herren haben mir bereits von
euch erzählt, aber ich muss euch etwas sagen."
Legolas
sah sie leicht erschreckt an, ihr Ton klang keinesfalls
zuversichtlich.
"Wir haben getan was wir konnten, aber die
Wirkung des Giftes wird immer stärker. Wir haben ihm ein Mittel
gegeben, dass das Schlimmste etwas herauszögert, aber die
Auswirkungen werden immer schlimmer", sagte die Heilerin
bedrückt.
"Was für Auswirkungen", fragte
Legolas.
"Seit heute Nacht krampft er beinahe regelmäßig.
Sein Herzschlag ist völlig unregelmäßig und er klagt
über starke Schmerzen."
Legolas nickte bedrückt.
"Ich muss mich beeilen."
Er fragte die Heilerin nach ein
paar Zutaten, die er brauchte und sie sagte ihm, dass sie sie
zusammensuchen würde. Es würde nur wenige Minuten dauern
und Legolas beschloss die Zeit zu nutzen und nach Pippin zu
schauen.
"Er ist im Moment alleine, der andere kleine Herr
besorgt schon wieder etwas zu essen für ihn, das er doch nicht
essen kann. Es ist ein Jammer", erzählte ihm die Frau.
Die
Heilerin wies Legolas den Weg, bevor sie verschwand, um die
restlichen Zutaten zu suchen.
Der Elb betrat das Zimmer und
staunte, wie Sam und Frodo vor ihm, wie viel Mühe Merry sich gab
bei der Pflege seines kranken Freundes.
Der Elb ging hinüber
zu dem kranken Hobbit, der kreidebleich in seinem Bett lag und mehr
als elend aussah. Pippin hatte die Augen halb geöffnet und sah
Legolas angestrengt an. "Hallo Legolas. Ich hätte nicht
gedacht, dass wir uns auf so eine Art und Weise wiedersehen würden",
sagte der Hobbit schwach.
"Ich auch nicht, aber du musst mir
vertauen, ich habe bald alle Zutaten, die ich brauche um dir zu
helfen", sagte Legolas beruhigend und setzte sich neben den
Hobbit aufs Bett.
"Du meinst das ernst? Wie willst du das
anstellen?" Pippin sah ihn wehmütig an.
"Ich werde
ein Gegengift herstellen. Es wird nicht mehr lange dauern."
Pippin
lächelte schwach. Dann verzog er schmerzlich das
Gesicht.
"Meinst du, du schaffst das?"
"Ich gebe
mir alle Mühe. Die Chancen stehen nicht schlecht. Ich brauche
nur ein bisschen Zeit."
Der Hobbit nickte und verzog wieder
das Gesicht. Dann begann er plötzlich am ganzen Leib zu zittern,
so als hätte er Fieber, oder als ob ihm kalt wäre. Legolas
wusste, dass es ein Krampf war und legte dem zitternden Hobbit die
Hand auf die Stirn. Legolas spürte, wie das Zittern auf seinen
Arm überging. Er flüsterte ganz leise elbische Worte und
schloss die Augen.
Die elbische Kraft, die von ihm ausging, ließen
den Hobbit wieder zur Ruhe kommen und erschöpft in die Kissen
zurücksinken. Pippin spürte, wie Legolas´ Berührung
den Krampf löste und sogar den Schmerz, der in ihm tobte,
linderte. Der Elb legte ihm zwei Finger auf den Hals und bemerkte den
ziemlich unregelmäßigen Puls. Eile war in der Tat geboten,
lange würde Pippin nicht mehr durchhalten, und die elbischen
Heilkräfte allein würden daran auch nichts ändern. Sie
halfen nur in diesem Moment, aber wirkten nicht gegen das Gift. Der
Elb ließ den schwer atmenden Hobbit alleine und eilte aus dem
Zimmer. Merry kam ihm auf dem Weg entgegen, doch wechselten sie nur
wenig Worte. Legolas zog sich in ein Zimmer zurück und begann
die einzelnen Zutaten sorgsam zusammenzumischen. Die Heilerin hatte
ihm die letzten Kräuter gebracht, die noch gefehlt hatten und so
konnte er endlich anfangen. Es dauerte eine ganze Weile, bis der Elb
alles klein gerieben hatte und alles so vermischt hatte, wie es sein
sollte. Dann holte er ganz vorsichtig die Schlange aus der Tasche,
die er die ganze Zeit bei sich gehabt hatte. Er nahm einen kleinen
Becher und hielt seine Hand mit dem Schlangenkopf davor. Das Tier
biss sofort in den Rand des Bechers und das Gift lief hinein. Es
waren nur wenige Tropfen, doch sie würden genügen, dessen
war Legolas sich bewusst. Er träufelte sie über die
zusammengemischten Kräuter und begann dann, ein Kraut, von dem
er wusste, dass es ein bewährtes Mittel bei den Elben war, in
ein wenig Wasser zu kochen und einen Extrakt herzustellen. Das Kraut
hatte einen unangenehmen Geruch, doch der Elb war von der Wirkung
überzeugt. Er mischte auch den Extrakt unter die Kräuter
und das Gift und es entstand eine bräunliche Flüssigkeit,
die er stehen und ziehen ließ. Mehrere Stunden würde es
brauchen, bis die Wirkung voll entfaltet war und er wusste, dass hier
das eigentliche Problem lag. Legolas hoffte inständig, dass ihm
diese Stunden noch bleiben würden.
Aragorn erschien in den
Häusern der Heilung und wurde ebenfalls von dem sich
verschlechternden Zustand von Pippin unterrichtet. Frodo und Sam
kamen und besuchten Pippin wieder und bald erschien auch Gandalf und
sprach dem Hobbit Mut zu. Der Zauberer schaffte es in der Tat, den
Hobbit ein klein wenig zu ermutigen, wofür ihm alle sehr dankbar
waren.
Am späten Mittag ließ sich sogar Gimli kurz
blicken, Gandalf hatte die Häuser der Heilung wieder verlassen,
nur Aragorn war noch da und unterhielt sich mit Frodo und
Sam.
Legolas schwenkte den Becher mit der Flüssigkeit umher
und betrachtete sie sich eingehend. Er filterte alle groben Teilchen
heraus und erhielt danach eine klare Flüssigkeit. Er befand das
Ergebnis für gut und machte sich auf den Weg zu dem Hobbit.
Aragorn, der gerade aus einem Gang des Flurs gehinkt kam, schloss
sich ihm an und so gingen sie gemeinsam in Pippins Krankenzimmer.
Der
Hobbit dämmerte vor sich hin und nahm den Elb gar nicht richtig
wahr. Merry, Frodo und Sam jedoch erblickten ihn sofort und warfen
ihm erwartungsvolle Blicke zu. Legolas eilte an einen kleinen Schrank
und holte eine kleine Schale heraus, in die er etwas von dem
Gegenmittel abfüllte. Dann setzte er sich zu Pippin ans Bett und
richtete den liegenden Hobbit auf. Er setzte ihm die Schale an den
Mund und versuchte ihm etwas von der Flüssigkeit einzuflößen,
doch dem Hobbit lief alles wieder aus dem Mund heraus und er würgte,
bei dem bitteren Geschmack. Aragorn musterte die Situation mit
mitleidigen Augen und Frodo, Merry und Sam sahen sich gegenseitig
nervös an. Merry forderte seinen Freund auf die Flüssigkeit
zu trinken, doch auch Legolas´ zweiter Versuch schlug fehl. Der
Hobbit hustete nur und würgte erneut.
"Ich kann das
nicht schlucken. Und außerdem ist es so bitter", flüsterte
Pippin und sank in Legolas Armen kraftlos zusammen.
Der Elb stand
auf und lief ein paar mal auf und ab.
"Was wirst du jetzt
tun", fragte Frodo und verfolgte nervös jede Bewegung des
Elben.
Legolas sagte nichts, stattdessen stemmte er die Hände
in die Hüften und seufzte. Erst nach einem kurzen Augenblick
ergriff Legolas wieder das Wort. "Barad" (verdammt),
murmelte er und sah Aragorn an. "Im hoew tulu, Aragorn"
(ich brauche Hilfe, Aragorn), sagte er ihm und Aragorn nickte.
"Gar
hon tanc", (halte ihn fest) murmelte Legolas und eilte wieder zu
dem Schrank. Er zog sein Messer und holte dann eine Flasche mit
Alkohol aus dem Schrank. Der Elb goss die Flüssigkeit über
die Klinge und holte danach noch ein kleines Tuch. Er nahm es und
ging wieder zu Pippin, der ihn fragend ansah und sich versuchte
aufzurichten. Aragorn hatte sich neben ihn gestellt und blickte nicht
minder fragend drein. "Boro nin" (vertrau mir) flüsterte
Legolas und tauchte das Tuch in den Becher mit dem Gegenmittel, bis
es sich vollgesogen hatte. Frodo, Sam und Merry wurden immer
nervöser, doch sie wollten nichts fragen. Sie standen nur da und
verfolgten Legolas mit jedem Blick.
Der Elb nahm Pippins Hand mit
dem Biss und wickelte den Verband ab. Pippin zuckte zusammen und
spürte den festen Griff, den Legolas auf einmal um sein
Handgelenk ausübte. Der Elb griff nach seinem Messer und Pippin
versuchte instinktiv seine Hand wegzuziehen, doch Legolas hielt sie
so fest, dass er es nicht schaffte. Panik ergriff den Hobbit, doch
als er versuchte seine andere Hand zur Hilfe zu nehmen, hatte Aragorn
diese schon gepackt und hinderte ihn an seinem Vorhaben. Pippin rief
in seiner Verzweiflung nach Merry, aber er war viel zu schwach, um
sich weiter zu wehren, seine Muskeln gehorchten ihm ohnehin nicht
mehr und so fing er nur an zu schluchzen, als er bemerkte, dass sein
Freund nicht kam und wie hoffnungslos seine Situation war. Aragorn
jagten mit einem Mal kalte Schauer über den Rücken und sein
Bein schmerzte heftig, als er den Hobbit so hilflos vor sich sah. Er
brachte es fast nicht übers Herz ihn weiter festzuhalten und
versuchte sich seine zitternden Knie nicht anmerken zu lassen. Warum
nur hatte er das Gefühl, solch eine Situation zu kennen?
Merry
blickte verzweifelt drein und wollte schon fast zu Pippin hin, als er
ihn rief, doch Frodo hinderte ihn daran und sagte ganz leise:
"Legolas weiß schon, was er tut."
Pippin wimmerte,
er bat darum losgelassen zu werden und Aragorn wurde heiß und
kalt zugleich, doch konnte er sich nicht erklären warum. Der
Hobbit versuchte seine Hand zu einer Faust zu machen, doch Legolas
hinderte ihn daran und setzte sein Messer an Pippins Hand an. Der
Hobbit begann zu zittern und sein herzzerreißendes Schluchzen
wurde immer lauter, als er die Klinge auf seiner Haut spürte.
Legolas zog ihm die scharfe Klinge des Messers schnell einmal über
die innere Handfläche, so dass ein tiefer Schnitt entstand.
Pippin stieß ein Schmerzensschrei aus und ihm wurde
schwindelig. Die Anstrengung war viel zu groß für ihn und
er sah Aragorn mit ängstlichen Augen an, der seinem Blick
schnell auswich. Sofort strömte das Blut aus dem tiefen Schnitt
und lief Pippin den Arm herunter. Legolas nahm das Tuch, das mit dem
Gegenmittel vollgesogen war und drückte es dem Hobbit fest auf
den Schnitt. Pippin stieß wieder einen Schrei aus und sein
Schluchzen wurde immer heftiger. Der Schnitt brannte so schrecklich
und das Gegenmittel verstärkte das Brennen noch, als es in die
Wunde lief und ins Blut ging. Der Hobbit versuchte wieder die Hand
wegzuziehen, doch Legolas drückte das Tuch nur noch fester auf
den Schnitt und sorgte dafür, dass Pippin zwar schon fast schrie
vor Schmerz, doch gleichzeitig drang immer mehr von dem Gegenmittel
in sein Blut. Der Elb wrang das Tuch regelrecht in der Wunde aus und
es färbte sich langsam rot, weil es Pippins Blut aufsaugte.
Legolas versuchte die vorwurfsvollen und traurigen Augen des Hobbits
zu ignorieren, doch er musste sich eingestehen, dass es ihm schon
nahe ging, wie Pippin ihn mit seinen feuchten Augen ansah.
Es
dauerte nur wenige Minuten, bis Legolas die Hand des Hobbits wieder
frei gab. Es wäre schon seit einer ganzen Zeit nicht mehr nötig
gewesen ihn festzuhalten, denn der Hobbit hatte die Augen schon
kraftlos geschlossen jammerte nur noch hin und wieder vor sich
hin.
Der Schnitt klaffte weit auseinander und blutete noch immer.
Legolas besorgte eine saubere Binde und verband dem Hobbit sorgfältig
die Hand. Auch Aragorn löste seinen Griff wieder und hatte das
dringende Bedürfnis an die frische Luft zu gehen. Pippin
zitterte und war so schwach, dass er, kaum war Legolas fertig mit
Verbinden, erschöpft einschlief.
Merry war schlecht und Sam
starrte wie versteinert auf Pippin. Erst langsam ließ er seinen
Blick zu Aragorn wandern. Er wusste sehr wohl, warum Aragorn so
nervös war.
Frodo und Sam folgten Legolas und Aragorn hinaus
und Merry setzte sich wieder neben Pippin ans Bett.
"Wird er
es schaffen", fragte Sam und beobachtete, wie Legolas sein
Messer abwischte.
"Will ich doch hoffen, er hatte jedenfalls
noch eine ganz schöne Kraft sich zu wehren, das ist gar kein
schlechtes Zeichen. Und wenn wir Glück haben, dann ist auch
genug von dem Gegenmittel in sein Blut gegangen", antwortete der
Elb. Sam war etwas erleichtert und genauso erging es auch
Frodo.
Legolas hielt sich in den nächsten Stunden ständig
in Pippins Nähe auf. Der Hobbit schlief die ganze Zeit, und
Legolas fühlte von Zeit zu Zeit seinen Puls und stellte fest,
dass der Herzschlag des Hobbits langsam wieder regelmäßiger
wurde. Auch sein Atem wurde wieder ruhiger und seine Haut bekam
wieder eine gesündere Farbe. Er krampfte nicht mehr und das Gift
schien langsam seine Wirkung zu verlieren. Legolas war erleichtert,
die Methode mit dem Schnitt hatte er eigentlich nicht anwenden
wollen, sie wurde auch bei seinem Volk nur selten verwendet.
Die
Heilerin kam auf ihn zu und fragte ihn wie er das vollbracht hatte
und wollte sehr gerne über das Rezept des Gegenmittels
aufgeklärt werden, was Legolas auch teilweise bereitwillig tat,
doch er wusste, dass auch seine elbische Kraft viel zum Erfolg von
Pippins Heilung beigetragen hatte.
Der Elb schaute ein letztes Mal
am Abend nach Pippin. Der Hobbit war die ganze Zeit nicht einmal
aufgewacht und lag immer noch tief schlafend in seinem Bett. Merry
war ebenfalls eingeschlafen. Er saß auf dem Stuhl neben Pippins
Bett und lag mit dem Kopf halb auf Pippins Kissen. So verließ
Legolas mit einem Lächeln das Zimmer und ging hinüber zu
Aragorns Palast.
Der Elb fand den Rest seiner Gefährten
in einem gemütlichen Kaminzimmer vor. Die Stimmung war
wesentlich entspannter. Alle unterhielten sich über irgendwelche
eher belanglosen Dinge und Legolas fiel auf, dass häufig gelacht
wurde. Gimlis Lachen hatte er schon auf dem Flur gehört und nun
erkannte er auch Gandalfs tiefes Lachen. Als der Elb ebenfalls in das
Kaminzimmer eintrat, fielen sofort alle Blicke auf ihn. Er erklärte
kurz, dass alles in Ordnung sei und dass er jetzt nicht mehr
gebraucht wurde. Den Rest musste Pippins Körper alleine
schaffen.
Aragorn lud Legolas mit einer Handbewegung ein sich zu
ihnen zu setzten und der Elb tat dies auch. Er beantwortete geduldig
die Fragen, die ihm alle zu Pippins Schlangenbiss stellten und war
froh, als das Thema dann langsam wechselte und er nicht mehr reden
musste, sondern zuhören konnte.
Aragorn erzählte von
Lhunroth. Er hatte ihm eine Arbeit als Wache im Palast gegeben und
Lhunroth tat diese Arbeit mit großem Eifer. Er hatte stets
einen erfahrenden Wachmann an seiner Seite, der ihm alles nötige
erklärte, doch das war schon fast gar nicht nötig. Wenn
Aragorn Lhunroth irgendwo traf, bedankte sich der Mann stets bei ihm
und unterhielt sich freundlich mit ihm. Er hatte seine Scheu etwas
verloren, doch zeigte er immer noch Ehrfurcht vor Aragorn. Er schien
ein klein wenig stolz zu sein, dass der König sich öfters
mit ihm unterhielt und war sehr froh im Palast arbeiten zu können.
Er verrichtete seine Arbeit gewissenhaft und gut und Aragorn war sehr
zufrieden ihn in seinem Palast zu haben. Sam schüttelte wieder
einmal ungläubig den Kopf. Lhunroth hatte die Aufgabe solche
Männer vom Palast fern zu halten, zu denen er auch einst
gehörte.
Während Aragorn so sprach, stieg Legolas mit
einemmal dieser süßliche Geruch erneut in die Nase und ihm
war es kaum möglich die Augen offen zu halten. Er merkte gar
nicht, wie er in seinem Sessel langsam zurücksank und
einschlief. Gimli saß auf einem Sofa und fiel plötzlich
zur Seite und schlief tief und fest, als die anderen alle völlig
fassungslos auf die Beiden starrten. Aragorn glaubte seinen Augen
nicht zu trauen, als er den schlafenden Elben und daneben den Zwerg
erblickte.
Im Flüsterton beschlossen die anderen den Raum zu
verlassen und den Beiden ihre Ruhe zu gönnen. Es war ohnehin
spät und die anderen beschlossen auch zu Bett zu gehen.
Legolas
erwachte zur Mittagszeit und stellte beschämt fest, dass er noch
nie so lange und tief geschlafen hatte. Er fand sich alleine im
Kaminzimmer vor und schüttelte ungläubig den Kopf. Er rieb
sich die Augen und blickte müde drein. Wenn er ehrlich war,
hätte er noch weiter schlafen können. Er erhob sich langsam
und ging auf den Flur. Als er nach draußen ging und bemerkte,
wie spät es schon sein musste begann er zu stutzen. Irgendwas
stimmte nicht. Sollte Gimli vielleicht doch recht haben und er war
irgendwie krank? Legolas schüttelte in Gedanken den Kopf. Das
konnte eigentlich nicht sein.
Er beschloss nach Pippin zu sehen,
eigentlich hatte er vorgehabt das schon heute morgen zu tun. So ging
er wieder zu den Häusern der Heilung.
Als er vor Pippins Tür
stand, hörte er schon Stimmengemurmel und er wusste, dass es dem
Hobbit wohl besser gehen musste, denn er hörte deutlich seine
Stimme heraus, die fast schon fröhlich klang. Der Elb öffnete
die Tür und fand Merry und Pippin auf dem Bett vor. Sie saßen
sich gegenüber und ihrer Mitte befand sich ein Teller mit Obst
und Kuchen, den beide Hobbits langsam aber stetig leerten. Legolas
lächelte und Pippin verschluckte sich fast, als er den Elb
sah.
"Oh, Legolas... Ich ähm... Ich weiß gar nicht
wwwas ich sagen soll", stammelte er und guckte den Elb unsicher
an.
"Sag mir nur, ob es dir gut geht", antwortete
Legolas freundlich.
Pippin nickte. "Ja. Ich bin dir so
dankbar."
Der Elb ging auf ihn zu und Merry guckte ihn
erleichtert an.
"Wie lange hast du geschlafen", fragte
Legolas Pippin.
"Bis heute Morgen. Ich bin zwar immer noch
etwas müde und schwach, aber das ist nichts im vergleich zu
davor. Außer meiner Hand tut mir auch nichts mehr weh, ich bin
so froh."
"Zeigst du mir mal deine Hand", fragte
Legolas und beobachtete, wie Pippin kurz zögerte. "Keine
Angst ich mach nichts mehr", sagte Legolas, als er den Grund für
Pippins Zögern erkannte.
"Es tut mir leid, es ist dumm
von mir. Immerhin hast du mir damit das Leben gerettet", sagte
der Hobbit schuldbewusst und streckte dem Elb seine Hand mit dem
Verband hin. Legolas wickelte den Verband ab und betrachtete den
tiefen Schnitt auf der Handfläche. Er war an den Seiten gerötet,
blutete aber nicht mehr. Der Elb drückte in der Nähe des
Schnittes und Pippin zuckte einmal heftig zusammen. Etwas Wundwasser
trat aus und lief über die Handfläche des Hobbits.
"Er
hat sich leicht entzündet, wir sollten darauf achten, dass das
nicht schlimmer wird", stellte Legolas fest. "Ich schlage
vor ich säubere den Schnitt noch mal", sagte der Elb und
guckte Pippin an, der nur nickte. Legolas holte ein sauberes Tuch und
die Flasche Alkohol und ging dann wieder zu dem Hobbit hinüber.
Trotzdem er vorsichtig war, schloss Pippin die Augen und hatte Mühe,
die Hand nicht wegzuziehen, als Legolas den Schnitt säuberte.
Der Elb verband ihm die Hand danach neu und Pippin legte seine
brennende Hand auf seinen Schoß.
"Wie kann ich dir
danken", fragte Pippin nach einem kurzen Augenblick des
Schweigens.
Der Elb lächelte. "Du könntest mir das
Stück Kuchen da geben, ich habe noch gar nichts gegessen."
Die
Hobbits lachten und rutschten auf dem Bett zusammen, so dass Legolas
auch Platz hatte. Dann stellten sie den Teller in die Mitte und
fuhren fort mit essen.
