Kapitel 6: Morgenröte
Am nächsten Morgen wachte Glorfindel in Eomers Armen auf, die sich eng um ihn geschlungen hatten. Liebevoll umfasste der König von Rohan seinen Geliebten und sein Schlaf war tief und fest, auch noch in diesen Stunden, in denen die Nacht sich verabschiedete und einem neuen Tag Platz machte. Ein leises Lächeln umspielte Eomers Lippen, und im Schlaf sah er so friedlich aus, dass Glorfindels Herz einen Sprung machte und er wie schon so oft bei Eomers Anblick eine helle Flamme von Liebe und Zärtlichkeit in sich aufwallen spürte.
Aber heute widerstand er und schälte sich langsam und vorsichtig aus Eomers Armen, nahm eine der dünnen Decken, in die sie sich in diesen Sommernächten hüllten, und betrat die Plattform von Edoras, um die Morgenröte zu begrüßen, die seine blonden Haare wie Gold färbten.
Ein lauer Sommerwind umarmte ihn und die ersten Sonnenstrahlen küssten sein altersloses Gesicht.
Sein Blick streifte über Edoras, und schweifte in die Ferne, über die weiten Hügel Rohans.
Rohan.
Das Land, in dem er nun zu Hause war.
Das Land, das einen Thronfolger brauchte, nachdem Eomer....
Glorfindel zuckte zusammen bei dem Gedanken, und Tränen stiegen in ihm auf. Er hatte das gewusst, und trotzdem war er mit Eomer gegangen... doch vielleicht konnte er einen Teil seines Geliebten für die Ewigkeit retten.
Der Elb aus Gondolin holte tief Luft, schloss seine Augen und streckte seine Sinne dann aus... tief in sein Innerstes.
'Bist du hier?' fragte er mit seiner Seele, und hörte wieder tief in sich hinein.
Die Morgenröte überzog Glorfindel, und seine Wangen glühten, als er tief in sich den Hauch einer fremden Seele spürte.
'Meine Morgenröte', flüsterte er, und sank auf die Knie, ungläubig und fasziniert zugleich, erschrocken und unfassbar glücklich.
Dann stockte ihm der Atem, denn eine zweite Seele rührte sich in ihm.
