Kapitel 7: Zwiesprache
"Ich begrüße euch, wie den neuen Morgen, euch, den neuen Morgen in meinem Leben!"
Auf Glorfindels Gesicht trat ein überirdischer Glanz und er wandte seine Augen in den Himmel, der aufgehenden Sonne zu.
"Kommt in mein Leben und segnet mich!"
Der blonde Elb legte beide Hände auf sein Herz und schloss die Augen. In ihm stürmten Gedanken und Gefühle wie wilde Wellen. Und über allem lagen zwei Stimmen, die in ihm sangen, lachten, mit ihm und miteinander Zwiesprache hielten.
Plötzliche Angst überkam Glorfindel, in all dem Strahlen, das ihn ausfüllte und das die aufgehende Sonne auf ihn warf.
'Was haben wir getan...' dachte er, und die Stimmen wurden lauter und heller. Sie beruhigten ihn, murmelten Worte, die er nur mit dem Herzen verstehen konnte, streichelten seine Seele.
"Gebt mir Kraft!" rief er und sank zusammen, machte sich klein, versuchte vor sich selbst zu fliehen, doch sein Mut forderte nun sein ganzes Sein. Er hatte sich dafür entschieden und nun musste er es durchstehen. In ihm kämpften diese selige, alles überstahlende Freude mit aufkeimendem Zweifel und Furcht.
Eomer lächelte bei dem Anblick.
Er hatte sich, kurz nach dem sein Geliebter das Bett verlassen hatte, einsam gefühlt. Seine leeren Arme trieben ihn dem Elben hinterher auf die Plattform und aus geraumer Ferne heraus beobachtete er Glorfindel.
'Wie sein Haar leuchtet', dachte der König von Rohan und blieb in der Tür stehen, wollte ihn nicht stören, seinen Gefährten.
'Es ist kalt heute Morgen', Eomer widerstand dem Impuls, Glorfindel zurück ins warme Bett zu holen, denn er hörte die Worte, die der Elb sprach.
Welch Anblick der blonde Elb bot. Die wehenden goldenen Haare. Die dünne Decke, die seinen Körper mehr enthüllte als verbarg. Die leise melodiöse Stimme. Und auf Knieen. Eomers Herz tat einen Sprung, als ihm bewusst wurde, dass dies sein Liebster war. Die Erfüllung all seiner Sehnsüchte.
Dann sank Glorfindel zusammen und Eomer wollte hinzuspringen, doch irgendetwas hielt ihn davon ab.
'Noch nie habe ich ihn mit den Valar sprechen gehört... aber - warum bittet er sie um Kraft?' überlegte Eomer, während er zusah, wie Glorfindel sich auf den Boden kauerte.
Eomer wandte sich um und ging zurück in das Schlafgemach, holte eine dickere Decke und als er wiederkam, lag Glorfindel auf dem Boden, ohne Bewusstsein.
Für eine Sekunde hatte Eomer das Gefühl, sein Herz bliebe stehen.
Egal, was er sich je gedacht hatte, es war nie Glorfindel gewesen, der schwach oder krank sein würde.
Er war der Balrogschlächter, hatte so viel mehr gesehen in seinen Tausenden von Jahren, als Eomer sich auch nur vorzustellen vermochte.
Die plötzliche Einsicht in die Möglichkeit, dass er vielleicht auch nicht völlig unsterblich wäre, ließ Eomers Seele einfrieren Er hatte in sich immer den Umstand gepriesen, nie seinen Gefährten verlieren zu können.
Doch nun streckte eine winzige eisige Wurzel der Angst sich nach Eomers Herz aus.
Er eilte zu Glorfindel, wickelte die schlanke Gestalt in die Decke und trug ihn eilig ins Schlafzimmer, nebenbei nach den Dienern rufend.
