Kapitel 18: Gefunden

Legolas hätte ihn beinahe übersehen.

An der Grenze Loriens ritt er Patrouille mit den Galadhrim und sein Blick fiel zunächst nicht auf den Elben, der unter seinem waldgrünen Mantel lag und sich nicht rührte.

Aber dann sah er die goldblonden Haare unter der Kapuze herausquellen und er hielt sein Pferd an, bedeutete den anderen Wächtern in gewisser Distanz anzuhalten und stieg herab.

Sofort erkannte Thranduils Sohn, um wen es sich handelte.

Glorfindel.

Er drehte ihn um und zuckte zurück ob der Kälte, die von Glorfindel ausstrahlte.

Es war nicht unbedingt körperlich, mehr wie eine eisige Ausstrahlung, die ihn anblies wie ein Frosthauch.

Die Erkenntnis kam mit einem gewissen Maß an Genugtuung.

Er schwand.

Mandos Finger griffen nach ihm.

Sein Widersacher schwand, er hatte recht behalten.

Doch statt darüber erfreut zu sein, wie er es nun erwartete, verspürte er Mitgefühl mit dem Noldo. Er wusste, wie es war, Eomer zu verlieren, und nur das konnte hier geschehen sein.

Er beugte sich über Glorfindel und versuchte ein Lebenszeichen zu finden.

Ja, da war etwas...

Legolas stockte der Atem, denn Glorfindels Seele konnte er nicht ausmachen, dafür aber zwei Kinderseelen, Elbenkinder, die um ihr Leben kämpften und versuchten, Glorfindel wieder zurückzuholen.

Der Noldo barg zwei Kinder in sich.

Legolas' Erstaunen wich Ehrfurcht.

Er hatte Eomer nie so geliebt.

Er wäre niemals den Seelenbund mit ihm eingegangen, der ihn so verletzbar gemacht hätte wie die bleiche Gestalt in seinen Armen jetzt.

Sein Groll gegen den Noldo hatte sich aufgelöst, denn er hätte niemals mit dieser Liebe konkurrieren können, das erkannte er nun.

Doch Glorfindel war gegangen.

Legolas schloss die seelenlosen Augen Glorfindels und spürte dabei die Hilflosigkeit und Angst der Kinderseelen in ihm.

"Ich kann euch nicht helfen...", flüsterte er und legte zärtlich eine Hand auf Glorfindels Bauch.

"Ihr seid noch zu klein..."

Legolas hob den schlaffen Körper des blonden Elben hoch, der so leicht schien und doch so eine Bürde trug, hob ihn vorsichtig auf sein Pferd und versuchte die anderen Galadhrim einzuholen.

Haldir warf nur einen kurzen Blick auf Glorfindel, dann zeigte er nach Norden.

"Sofort nach Lorien! Rasch!" rief er und preschte mit seinem Ross vor, Legolas bedeutend, ihm zu folgen.

"Er ist tot!" schrie ihm Legolas hinterher, doch Haldir ritt wie der Wind in das Herz Loriens.

*