'''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''
Mitternachtsspaziergang Teil 2
'''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''
Disclaimer: die Personen und Orte dieser Geschichte stammen aus Harry Potter und gehören somit Frau J.K.Rowling. Ich mache hiermit keinen Profit.
Enjoy!
- - - - - - - - -
A b s t u r z
- - - - - - - - -
Entsetzt wirbelte Harry herum, seine Augen suchten hektisch nach einer Möglichkeit zur Flucht, huschten über die Steinbänke, die gemauerte Brüstung und zurück zur Treppe.
Die Schritte kamen näher!
Immer noch erschrocken taumelte Harry nach hinten, weg von der Treppe, er erwartete, jeden Moment gegen die Brüstung zu stoßen – doch da war keine Brüstung!
Einer der riesigen, uralten Steine war letzte Nacht von seinem bröcklig gewordenen Mörtel losgebrochen und viele Meter tiefer auf eine der Außenmauern aufgeschlagen. Niemand war dabei zu Schaden gekommen, sie hatten beim Frühstück noch darüber gesprochen, Ron hatte auf den Ausfall der nächsten Astronomiestunde gehofft-
Der Stein war nicht mehr da. Die Brüstung hatte ein Loch und Harry war auf der Suche nach einem geeigneten Versteck direkt in die Lücke getaumelt.
All das raste ihm in sekundenschnelle durch den Kopf, während er verzweifelt nach Halt suchend mit den Armen ruderte. Dann spürte er, wie sein Körper fast in Zeitlupe nach hinten zu sinken schien.
Mit der Kraft der Verzweiflung warf Harry seinen Oberkörper nach vorn, seine Füße lösten sich entgültig vom Brüstungsrand, er streckte die Arme weit nach vorn, die Hände verzweifelt nach Halt suchend –
Knapp einen Meter unterhalb der kaputten Brüstung erreichten seine Fingerspitzen einen Mauervorsprung und krallten sich daran fest. Schmerz schoss durch Harrys Körper, als er der Länge nach gegen den Turm schlug und seine Finger sein ganzes Gewicht halten mussten. Und so hing er, weit über dem Boden, an einem vorstehendem Sandstein.
Keuchend sah er sich um, wie aus weiter Ferne hörte er immer noch die Schritte, die sich dem Ausguck näherten. Sein Absturz hatte nur wenige Sekunden gedauert, und doch war es ihm unendlich lang erschienen.
Am liebsten hätte er über seine eigene Dummheit gelacht. Aus einer Unachtsamkeit heraus hätte er beinah seinen Entschluss, zu überleben, zunichte gemacht und Voldemort die Karten in die Hand gedrückt. Und auch das konnte immer noch passieren.
Vorsichtig tastete er mit den Füßen nach Halt, während seine Finger bei jeder Bewegung empört schmerzten. Dann stieß er mit dem rechten Fuß gegen einen weiteren Mauervorsprung, der sich allerdings ein gutes Stück weit entfernt befand und den Harry unmöglich mit beiden Füßen erreichen konnte, wenn er nicht den Halt verlieren wollte.
Die Schritte kamen näher. Unbarmherzig.
Harry sah verzweifelt hoch und stellte fest, dass der Mauervorsprung, der ihn vor dem Absturz bewahrt hatte, eine kurze Strecke in beide Richtungen weiter verlief. Hoffentlich würde es reichen!
Zitternd tastete er erneut mit dem Fuß nach Halt, belastete vorsichtig das linke Bein und schob quälend langsam seine linke Hand ein Stück weiter. Seine Hände schwitzten und wurden rutschig.
Die Schritte kamen näher.
Es waren mehrere Personen, dass konnte Harry deutlich hören. Vielleicht sollte er nach Hilfe rufen? Ein Lehrer hätte ihm sofort geholfen, ebenso wie die meisten Schüler. Doch was war, wenn er einen Slytherin herbeirief? Harry würde auf sein Leben keine Sickel mehr verwetten wollen.
Immer weiter tasteten sich seine Hände und Füße, Stück für Stück, Millimeter um Millimeter. Einmal wäre er um ein Haar abgerutscht. aber schließlich stand er auf dem gut zehn Zentimeter breiten Vorsprung, während seine Hände sich an die letzte Ecke der vorstehenden Steinkante klammerten.
Schräg über ihm befand sich ein verwitterter Wasserspeier, doch Harry wagte nicht, mit der Hand nach dessen Drachenflügeln zu greifen, aus Angst, sie könnten abbrechen oder er würde bei dem Versuch den Halt verlieren und in die Tiefe stürzen.
Die Tür zur Außenplattform schlug auf. Leichtfüßige Schritte näherten sich zielstrebig der Brüstung über Harry, der glaubte, man müsse sein Herz bis nach Hogsmeade klopfen hören. Den leichten Schritten folgte dumpfes, plumpes Stampfen.
„Ihr seid nutzlos in letzter Zeit! Nicht mal das richtige Buch aus der Bibliothek konntet ihr holen!" Harrys Herz machte vor Schreck einen Satz: diese Stimme gehörte seinem Erzfeind Draco Malfoy!
Und ausgerechnet in dessen Anwesenheit schwebte er in Lebensgefahr! Harry war klar, würde Malfoy ihn entdecken, wie er da an der Mauer über dem Abgrund klebte, wäre sein Leben keinen Pfifferling mehr wert!
Warum war er nicht einfach in seinem schönen, warmen Bett geblieben? Den anderen Schülern passierten bestimmt nicht ständig solche Sachen!
„Crabbe hat das falsche Buch gegriffen." hörte er Goyles dumpfe Stimme murmeln.
„Es ist mir egal, wer von euch es diesmal wieder verbockt hat, okay?", schnauzte Malfoy. „Mein Vater will dieses Buch, Hogwarts hat das einzige Exemplar, an das man noch unkompliziert herankommt."
„Aber es liegt in der Verbotenen Abteilung.", wandte Crabbe ein, der klang, als hätte er einen Kaugummi zwischen den Zähnen. Harry hätte nicht gedacht, dass Malfoys idiotische Bodyguards es wagen würden, ihm zu widersprechen.
Malfoy schien es ebenfalls nicht erwartet zu haben, denn ein paar Sekunden herrschte Ruhe. Dann hörte er Malfoy mit drohender Stimme zischen:
„Ich weiß allein, wo es liegt, klar?! Schließlich hab ich das herausgefunden! Und ich hab die blöde Pince abgelenkt, ihr hattet freie Bahn. Ihr wart nur einfach zu blöd, den Umschlag richtig zu lesen! Mein Vater wollte „Leidensflüche der hohen Mächte" haben, was glaubt ihr, was passiert, wenn wir ihm stattdessen ein Buch namens „Liebesflüche der hohlen Nächte" bringen?"
In einer anderen Situation hätte Harry bestimmt gelacht, doch jetzt hoffte er nur darauf, dass Malfoy bald zu Ende geschimpft haben würde, und dass die drei dann verschwinden würden, damit er versuchen konnte, wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen.
„Und wenn ihr euch als Todesser solche Fehler leistet, könnt ihr euch zur nächsten Versammlung gleich den Grabstein liefern lassen! Falls sie so was wie euch überhaupt aufnehmen!", zeterte der Slytherin weiter. „Manchmal frage ich mich, wie ihr es bis in die zweite Klasse geschafft habt!"
Harry wünschte sich, dass Malfoy darauf bald eine Antwort fand und endlich von dort oben verschwinden würde. Er konnte hören, wie Malfoy erneut ansetzte, um eine Strafpredigt zu halten, als –WAMM- die Tür zur Plattform erneut aufflog.
Ohne, dass er Schritte gehört hätte!
„Guten Abend, die Herrschaften!" Snape! Eine Weile herrschte Stille, während Harry mit klopfendem Herzen versuchte, sein linkes Bein nicht allzu stark zu belasten. Es war eingeschlafen und kribbelte fürchterlich.
Malfoy hatte sich als Erster wieder gefangen. „Guten Abend, Professor, konnten Sie auch nicht schlafen?"
„Die Lehrer führen nach Einbruch der Dunkelheit Kontrollgänge durch, wie Sie sehr wohl wissen dürften, Mr. Malfoy! Ich fürchte daher, dass ich meine Anwesenheit auf diesem Turm besser erklären können werde, als Sie die Ihre, sollte ein Dritter danach fragen.
Im übrigen bin ich überzeugt, dass Sie genug Selbstständigkeit besitzen, den Turm auch allein zu finden, sollten Sie wieder einmal nicht einschlafen können. Ihre Begleiter werden deshalb sicher in Zukunft die Möglichkeit zum Ausschlafen bekommen."
In Snapes Stimme klang ein warnender Unterton mit, der Harry klar machte, dass selbst Draco Malfoy von ihrem Zaubertranklehrer nicht bloß angelächelt wurde.
„Habe ich mich klar genug ausgedrückt?" Malfoy schwieg, doch Crabbe tat den törichten Fehler, ein grunzendes „Hä?" von sich zu geben.
Wieder war es still und Harry glaubte fast, durch die Mauer Snape erkennen zu können, wie er Crabbe mit seinen Blicken aufspießte. Wäre er doch bloß im Bett geblieben! Seine Beine schmerzten inzwischen, von seinen Armen ganz zu schweigen, und ihm war furchtbar kalt.
„Verschwinden Sie!" zischte Snape kaum hörbar. „Ins Bett mit Ihnen, und sein Sie gewiss, dass der nächste nächtliche Ausflug Ihrerseits Konsequenzen haben wird!"
Daraufhin folgte schon fast panisches Gestolper, einer der drei Slytherins stieß die Tür so hart auf, das sie laut gegen die Wand knallte, dann hörte Harry nur noch sich schnell entfernende Schritte. Dann nichts mehr.
In der Stille, die den Schritten folgte, fürchtete er, sich durch seinen eigenen, stoßweise kommenden Atem zu verraten. Snape war noch auf der Plattform, dessen war er sich sicher. Nicht auszumalen, was dieser bei seiner Laune mit ihm tun würde, sollte er ihn hier entdecken!
Dann, unendlich leiser, hörte Harry Schritte. Wenn er nicht gewusst hätte, dass dieses Geräusch seine Ohren irgendwann erreichen würde, wenn er nicht darauf gewartet hätte ... dann, da war er sich sicher, hätte er sie überhört. Leise, wie Federn, die zu Boden segelten, und sie vergrößerten den Abstand von ihrem Besitzer zu Harry.
Näherten sich der Tür.
Blieben stehen.
Der Junge konnte das Blut in seinen Ohren rauschen hören, so laut, dass er beinahe nicht bemerkte, wie Snape sich ihm wieder näherte – und dann wäre er vor Schreck fast abgestürzt. Der Meister der Zaubertränke hatte sich direkt über dem Wasserspeier über die Brüstung gelehnt und betrachtete mit ausdrucksloser Mine den Sternenhimmel.
Wenn er nach unten sah, würde er Harry sofort sehen, wie er da zwischen Himmel und Erde auf einem schmalen Steinsims versuchte, den Halt nicht zu verlieren.
Was gar nicht so einfach war. Seine Hände waren schwitziger denn je, begannen zu rutschen und Harry krallte die Finger stärker in den Stein. Sollte er Snape um Hilfe bitten?
Sofort schoss Hass in ihm auf. Snape war mitschuldig an Sirius Tod, er hatte ihn getriezt und ihn zu Dummheiten angestachelt, und es hatte ihn nicht berührt, als Sirius diese Dummheit begangen hatte und jegliche Sicherheit verließ, um sein Patenkind zu retten. Er trauerte nicht um Harrys Paten, wahrscheinlich war er über dessen Tod sogar erleichtert!
Nie würde Harry so jemanden um Hilfe bitten! Nie! Lieber stürzte er in die Tiefe, als den Erzfeind des Mannes, der ihm Vater und Bruder zugleich gewesen war, um Hilfe anzuflehen!
Snape seufzte leise, die Augen weiterhin auf das Firmament gerichtet. Mit der Hand fuhr er sich frustriert durch das Haar, und plötzlich war nichts mehr zu sehen von dem verbitterten Mann, der so hart gegen seine Schüler sein konnte.
Die Person, die über Harry zu den Sternen starrte, als ob sie sich von dort eine Antwort erhoffte, war anders. Traurig, einsam, vielleicht immer noch verbittert, aber nicht grausam. War das wirklich Snape?
Harry grübelte noch darüber nach, als die besagte Person zu sprechen anhub. Der Junge erstarrte. Leise, nicht viel lauter als seine Schritte, und zum ersten Mal ohne Hass gegen ihn erklang die Stimme seines Lehrers.
„Gebe Gott, Potter, dass dich dein verdammter Stolz nicht irgendwann ins Grab bringt."
Der Angesprochene schluckte und sah auf. Snape betrachtete ihn mit einem seltsamen Blick, den Harry nicht zuordnen konnte. Es war nicht dieser Ausdruck des Mitleids, den er in den letzten Wochen zu fürchten gelernt hatte, es war auch nicht die Abscheu, die normalerweise in diesen Augen lag. Es war etwas neues.
„Oder dass er dich so zu Grunde richtet wie mich der Meinige."
Ein seltsames Gefühl der Unsicherheit machte sich in Harrys Magen breit. Was zum Teufel konnte Snape damit gemeint haben?
Der Professor seufzte erneut, dann schwang er sich mit einem Satz über die Brüstung auf den Wasserspeier, packte Harrys Handgelenke und zog ihn zu sich hoch. Entgegen Harrys Befürchtungen hielt die alte Statue sie beide, ohne auch nur zu ächzen.
Wortlos stellte Snape ihn auf die Beine. Eine Sekunde lang starrte er den Jungen vor sich an, dann sprang er vom Wasserspeier zurück auf den Turm und lief mit zügigen Schritten zur Tür. Doch bevor er durch sie verschwand, wandte er sich noch einmal um.
„Professor Dumbledore wünscht, mit ihnen zu sprechen, Potter. Er erwartet sie in seinem Büro. Das Passwort lautet: „Zusammenhalten wie Kaugummi". Trödeln sie nicht."
Und mit diesen Worten huschte er in den schmalen Treppenabstieg und entzog sich so Harrys Blickfeld.
Als er wenig später auf seinem Weg zu Dumbledores Büro noch einmal am Portrait des beleibten Zauberers mit dem Spiegel vorbeikam, machte er Halt. Der Insasse des Portraits schien zu schlafen, doch Harry war sich ziemlich sicher, dass er durch die dichten Wimpern hindurch beobachtet wurde.
Er warf seinem Spiegelbild einen nachdenklichen Blick zu. Grüne Augen schauten verwirrt zurück. Snape hatte ihm schon zum zweiten Mal das Leben gerettet. Und schon zum zweiten Mal hatte er sich nicht dafür bedankt.
‚Na und?' dachte er trotzig, ‚ich hab' ihn nicht darum gebeten, mich zu retten. Er tut das ja bloß, weil mein Vater ihn damals gerettet hat! Ich bin ihm doch scheißegal.'
Mit weit ausgreifenden Schritten stürmte er weiter in Richtung Schulleiterbüro, obwohl er kaum wahrnahm, wohin ihn seine Beine trugen. Sein Kopf und sein Herz waren zu sehr mit der Wut angefüllt, die ihn jedes Mal bei dem Gedanken an seinen Zaubertrankprofessor überkam.
‚Er hätte Sirius retten können!' hämmerte es in seinem Kopf, ‚Er hätte auf den Oklumentik -Unterricht bestehen sollen, im Gegensatz zu mir wusste er doch, wie wichtig es gewesen wäre, meinen Geist zu verschließen!' Jetzt rannte er fast.
‚Ich hasse ihn! Ich hasse ihn! Er hat Sirius zu Dummheiten provozieren wollen, er wollte, dass Sirius stirbt, er wollte es! ER WOLLTE ES!' schrie es in seinem Kopf, und auf einmal verspürte er den verzweifelten Drang, mit beiden Fäusten gegen die nächstbeste Wand zu schlagen.
Erst auf dem Treppenabsatz zu Dumbledores Büro schoss ihm siedend heiß ein Gedanke durch den Kopf, der ihm die Schamröte ins Gesicht trieb: Seit er gesehen hatte, wie arrogant sein Vater als Teenager gewesen war, wusste er nicht mehr, ob er noch so sein wollte wie er.
Aber er war nicht wie sein Vater. Sein Vater hatte Snape das Leben gerettet, und Snape hatte ihn dafür gehasst. Nein, er benahm sich nicht wie sein Vater! Er benahm sich wie Snape!
‚Aber ich habe Grund dazu, ihn zu hassen! Und er hasst mich auch!' schrie eine Stimme in seinem Kopf
Und Snape? Hatte Snape keinen Grund gehabt, James zu hassen? Und hatte James Potter ihn etwa nicht gehasst?
-----------------------
Authors Note:
Dank und Kekse gibt's für:
Talina: Danke für das Review! Du hast Recht. 'g' Auch wenn vor Snape noch jemand anders auftaucht . . .
Cessilie: 'knuddel' Danke, dass du auf den zweiten Teil reviewt hast! 'snif' Da war ich am unsichersten, ob man es lesen kann und ob der Grundton auch getroffen ist. So deprimieren wollt ich dich aber nicht. Keine Angst, es wird wieder besser!
Mina: Keine Sorge, an der Geschichte hänge ich zu sehr, als dass ich sie in den Wind schießen könnte! Danke für deine Reviews!
LG
ChibiAngel16
