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Entscheidung

„Es tut mir leid, Harry."

Die Stimme erreichte ihn wie durch dichten Nebel, drang nur undeutlich und verschwommen an sein Ohr. Es tat ihm leid, ja. Aber tat es Harry leid? Er wusste es nicht genau. Zwar hatte er sich ein Leben ohne sie gewünscht, von dem Tage an, an dem er ihnen auf die Schwelle gelegt wurde, doch er hatte es sich nie richtig vorstellen können.

Und jetzt waren sie tot, einfach fort aus seinem Leben.

Erneut schweifte sein Blick auf den offiziell aussehenden Brief in seiner Hand, den Dumbledore ihm vor einigen Minuten (oder waren es Stunden?) gereicht hatte, die Augen voller Sorge und Mitgefühl.

Mitleid. Schon wieder.

Aber auch Verständnis, etwas, was Harry an diesem Mann zugleich mochte und fürchtete. Dieser Mann versuchte ihn zu verstehen, und oft bildete er sich ein, es auch zu können. Und in den Momenten, in denen Harry seine Wut und seine Schuldgefühle nieder zwang, wusste er, dass Dumbledore ihn tatsächlich verstand. Meistens.

Noch einmal las er die wenigen Zeilen, die einen erneuten Wendepunkt in seinem Leben ankündigten:

Sehr geehrter Mr. Potter,

Wir bedauern zutiefst, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihre Tante (Petunia Dursley), Ihr Onkel (Vernon Dursley) und Ihr Cousin (Dudley Dursley) gestern Abend gegen neunzehn Uhr bei einem Verkehrsunfall ums Leben kamen.

Die genauen Umstände sind uns leider noch nicht bekannt, aber aufgrund einiger Zeugenaussagen gehen die Behörden davon aus, dass sich Ihr Onkel, Vernon Dursley, aus Freude über seinen neuen Wagen zu einem Wettrennen mit einem weiteren Verkehrsteilnehmer hat hinreißen lassen, und infolge der Geschwindigkeit die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor.

Wir sind uns der Schwere Ihrer Lage durchaus bewusst, doch müssen wir Sie bedauerlicher Weise darum bitten, sich zur entgültigen Identifizierung der Toten in London im Leichenschauhaus einzufinden. Schicken Sie uns bitte umgehend eine Antwort bezüglich eines Ihnen genehmen Termins zur Leichenidentifikation.

In aufrichtiger Anteilnahme

Ergebenst

Ihr Mathew Bartholo Smith,

Abteilung zur Identitätsklärung Verstorbener

Sie waren in seinem Leben seit er denken konnte. Ungebeten, unfreundlich, verhasst aber immer anwesend, immer da. Wie konnten sie tot sein?

„Identifizierung . . ." murmelte er und versuchte vergeblich, den Sinn hinter den Worten zu begreifen. Sie wussten doch, dass es sich um seine Verwandten handelte, wieso sollte er dann noch nach London?

Bei dem Wort „Leichenschauhaus" zuckte er zusammen.

,Nein' flüsterte etwas in ihm entsetzt, ich will nicht, ich will das nicht . . . ich . . . „ich-" hauchte er, doch den restlichen Satz brachte er nicht über die Lippen. ,Ich hab' genug Tote gesehen, ich will nicht noch mehr-'

„Harry?"

Seine Hände hatten zu zittern begonnen, der Brief glitt ihm aus den Fingern und segelte sanft zu Boden. ,Ich kann nicht, nein, Sirius, Cedric, ich will nicht noch mehr Tote sehen, bitte nicht!'

Eine Hand auf seiner Schulter riss ihn aus seinen Gedanken, schwarz wie ein Loch, zurück in das helle, freundliche Büro des Schulleiters. Harry blickte hoch in gütige, blaue Augen, Augen, von denen er oft das Gefühl hatte, dass sie mehr sahen, tiefer blickten als die meisten Anderen. Und doch wussten sie so wenig.

„Harry, du musst das nicht tun. Mrs. Figg kannte die Dursleys ebenfalls, ich bin sicher, sie würde sich bereit erklären, für dich nach London zu gehen. Wenn dir das lieber wäre?"

Harry nickte. Er wollte sie nicht sehen, und er wusste nicht, ob er um sie trauern sollte, denn was sollte er vermissen? Die einzige Familie, die er gekannt hatte, war durch einen Torbogen im Ministerium gefallen und nicht wieder zurückgekehrt. Was bedeutete es schon, dass seine letzten Blutsverwandten gestorben waren, sie waren ganz bestimmt nicht seine Familie gewesen.

Warum drückte dann sein Herz so? Er war nicht von ihnen geliebt worden, sie hatten ihn verachtet, verabscheut, und doch . . . er hatte die letzte, die allerletzte Verbindung zu seiner wirklichen Familie, zu seinen Eltern, verloren.

Seine Augen brannten und er lenkte seinen Blick auf den weichen, goldgelb-rotgesprenkelten Teppich, auf dem seine Füße ruhten. Aber er weinte nicht, er hatte für sie keine Tränen. Nicht für sie. Sie hatten ihn nicht geliebt, und die Antworten auf so viele Fragen hatten sie mit ins Jenseits genommen, für immer unerreichbar.

Nein, er konnte nicht um sie weinen, doch auch nicht um sich. Er konnte ihnen nicht mehr sagen, wie sehr er sie für das, was sie ihm all die Jahre angetan hatten, verabscheute, er konnte ihnen nicht mehr ins Gesicht schleudern, dass er ihnen nie verzeihen würde. Dass sie ihm seine Kindheit gestohlen hatten, sie und Voldemort.

Sie waren tot, und er musste weitergehen, an noch mehr Leichen vorbei seinen eigenen Weg fortsetzen. So war das Leben, so hatte es sich ihm gezeigt. Grausam, unaufhaltsam, unendlich.

Dumbledore schob ihn zu einem der Ohrensessel, und Harry ließ sich in die weichen Kissen drücken. Der alte Mann breitete eine Decke über ihm aus und hockte sich vor ihn auf den Teppich, die Hände gefaltet und mit traurigen Augen.

Wie viel diese Augen wohl schon hatten sehen müssen? Und wie viel hatte er selber, Harry, schon gesehen? War es das, was das Leben schlussendlich ausmachte?

„Harry, bitte hör mir zu." Selbst Dumbledores Stimme krächzte leicht, sein ganzes Gesicht drückte Sorge aus.

,Bitte' dachte Harry verzweifelt, ,Bitte sag nicht, dass Voldemort etwas damit zu tun hatte, bitte sag nicht, dass er es war! Sag nicht, es wäre wieder meine Schuld!'

„Harry, es war ein Unfall. Ich kann dir die Details nicht nennen, aber-„

„Hören Sie auf, meine Gedanken zu lesen!" fauchte Harry, und plötzlich klang seine Stimme viel kräftiger. Er hätte es wissen müssen, natürlich. Dumbledore war ein Legillimentor.

„Es tut mir leid, Harry, bitte. Erinnerst du dich an unser Gespräch im letzten Jahr, nachdem wir aus dem Ministerium zurückkehrten?"

„Wie könnte ich das vergessen?" Was für eine blöde Frage! Es verging kein Tag, an dem er nicht an diese unglücksselige Nacht dachte.

„Harry," sagte Dumbledore eindringlich, „du bist in der Muggelwelt nicht mehr sicher! Und auch in der unsrigen nicht besonders. Unfall oder nicht, der Blutschutz, mit dem ich dich umgab, ist wirkungslos.

Deine Tante ist tot, das Blut deiner Mutter fließt nicht mehr an einem Ort, den du dein Zuhause nennst. Voldemort wird das sehr zupass kommen.

Ich fürchte, Hogwarts ist die einzige halbwegs sichere Alternative. Sollte ich das Schloss zeitweise verlassen müssen, wirst du während meiner Abwesenheit bei einem deiner Lehrer unterkommen." Der Direktor zögerte kaum merklich, dann fragte er leicht unsicher: „Glaubst du, das ist für dich okay?"

Trotz der Verwirrung, die Harry empfand, wurde ihm bewusst, dass er durch diese einfache Frage nicht mehr an Dumbledores Bestimmungen gebunden war. Sein Mentor legte die Verantwortung, die Entscheidung über diesen Teil seines Lebens in seine eigenen Hände. Er würde diese Entscheidung, ganz egal wie sie auch ausfallen mochte, akzeptieren. Denn er hatte Harrys Eigenständigkeit akzeptiert.

Harry nickte. Ja, es ging für ihn okay.

Denn es war seine Entscheidung.

tbc. . .

Sorry, das es so lange gedauert hat! Ich war in den Sommerferien ziemlich busy, und jetzt hab ich fast jeden Tag bis zum späten Nachmittag Unterricht. ‚heul' Es wird also leider auch in Zukunft kein regelmäßiges Updating geben. Ich hoffe, ihr bleibt mir trotzdem treu und euch hat das neue Kapitel gefallen.

Aargh! Ich hasse das, nie nimmt mein Format an!! 'grrr'

Authors note: Danke an:

Mina: 'g' jetzt weißt du's! Die FF geht noch ne Weile weiter, keine Sorge, aber wie gesagt, ich kann leider nicht regelmäßig updaten.

Honigdrache: Hey, nicht weinen! ‚dir taschentuch gibt' das wird irgendwann (in ferner Zukunft) wieder besser! ‚seufz' Mir kommt es immer gar nicht so schlimm vor, wenn ich es schreibe, wahrscheinlich, weil ich damit gleichzeitig meine Seele erleichtere. Oder ich bin eiskalt . . . und quäle die armen charas bloß so gerne. ‚fg'

Professor M. McGonagall: ‚hust' na ja, schnell ging's nicht, aber es geht weiter! Versprochen!

Sissi: Ja, ich find Snape auch klasse! ‚snapy zu tode knuddelt' Schön, dass du weitergeschrieben hast! Ich fürchte allerdings, dass ich bei Avery noch ne Weile brauchen werde . . . Hab, was die Geschichte anbelangt, grad nen Blackout. ‚snif' Wo warst du denn im Urlaub?

Talina: ‚mampf' Danke für die Muffins! Die sind echt spitze. ‚g'

Tja, hier war leider nix von Snape zu sehen und zu hören, aber es kommt mehr, gaanz sicher! Willste nen Kaugummi, während wir warten? ‚Kaugummi rüberschiebt'

An alle heimlichen Leser (gibt's die?): Oh bitte, gebt mir ein Zeichen! Da unten ist so ein süßer, kleiner Knopf, den wollt ihr doch nicht übersehen, oder?

LG

See you later!

ChibiAngel16