Story: Such a Clever Masquerade
Kapitel 2: No Such Place as Home
Autor: ky-lin feat. Chantal
Datum: 10. Juli 2004
Credits: Dass die Charaktere und Settings nicht uns gehören, müssen wir hier ja nicht erwähnen, wer käme schon auf die Idee, dass wir JKR sein könnten? Alle unbekannten Settings und Zeugs gehören uns. Manches ist verzerrt und ausgeschmückt und alle Charaktere wurden von uns persönlich fehlinterpretiert. Wir spielen hier nur und verdienen kein Geld.
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Diagon Alley; Mitte August 1975
II. No such Place as Home
„Na, bist du immer so schreckhaft?", fragte der namenlose Junge der kein Mädchen war.
„Wer kriegt hier Schreikrämpfe sobald sein Hirn anfängt zu funktionieren?", fragte Sirius zurück und rieb sich die Beule an seinem Hinterkopf, auf den von all den Büchern, die ihn getroffen hatten, ein besonders Kantiges gefallen war.
„Sowas nennt man Aha-Effekt", belehrte ihn der Junge.
Inzwischen war es Abend geworden und sie gingen relativ friedlich zusammen die Winkelgasse entlang. Sie hatten Flourish & Blotts zusammen verlassen als der Laden schloss. Im Laufe des Tages hatten sie, eher unabsichtlich, den Dachboden noch mehr verwüstet als er jemals gewesen war, teilweise deshalb, weil Sirius vor Schreck mehrere riesige Bücherstapel zu Fall gebracht hatte.
„Ich hab mich auch erschrocken", warf plötzlich jenes Mädchen ein, das die Sache erst ins Rollen gebracht hatte. „Nicht, dass ich nicht schon vorher gewusst hätte, dass ihr mich hören würdet bei meinen Meditationen", ergänzte sie und starrte die beiden aus ihren riesigen Brillengläsern hypnotisierend an.
„Wie?", fragte Sirius nach. „Woher wusstest du, dass wir uns erschrecken würden? Und wenn du es wusstest, warum hast du uns nicht gewarnt?"
„Das Schicksal darf man nicht verändern", erwiderte sie, geradezu empört über so viel Unwissenheit. Dann streckte sie ihm ohne Vorwarnung die Hand hin. „Mein Name ist Sybill Trelawney, Ururenkelin der großen Seherin Cassandra Trelawney. Aber ich arbeite bei Flourish & Blotts um mir eine TÜV- geprüfte Kristallkugel mit einer 2x8xnx12x1856-Auflösung leisten zu können. Versteht ihr?"
„Nein", sagte Sirius, dem immer noch die Hand geschüttelt wurde, obwohl sie mittlerweile weitergegangen waren.
„Du arbeitest überhaupt nicht da", warf der andere Junge ein. „Du sitzt nur die ganze Zeit in der Ecke und meditierst."
„Sei froh dass ich dich nicht verpetze, wenn du den ganzen Tag da oben rumhockst und gestohlenes Essen isst."
„Und mein Name ist Sirius", sagte selbiger um das Thema zu wechseln.
„Da erzählst du mir nichts Neues, das wusste ich schon, als du geboren wurdest", meinte Sibyll, obwohl sie nicht viel älter war als Sirius selbst. Mit einer raschen Bewegung riss sie eine Hand, die sie taub geschüttelt hatte, zu sich. „Hah!", rief sie triumphierend. „Was für eine große Familie du hast!"Mit den Fingerspitzen fuhr sie, immer noch im Gehen, die Linien seiner Hand nach.
„Mir wollte sie auch immer aus der Hand lesen", erklärte der Junge mit der hübschen Nase. „Aber die war zu dreckig."
„Du hast einen Bruder!", rief Sybill und schabte mit ihren langen Fingernägeln auf Sirius' Handfläche herum. „Er liebt dich! Deine Zukunft wird von deiner Familie geprägt sein! Und deinem Bruder wird eine große Karriere bevorstehen als Premierminister der Muggel-Regierung!"
„Erstens bezweifle ich das, zweitens: Warum steht das Schicksal meines Bruders in meiner Hand?"
Unbeeindruckt fuhr Sybill fort: „Dein Leben lang wirst du verfolgt von einem schmutzigen, gammligen Dieb, der einen Fruchtbarkeitsmantel trägt! Doch es ist ein langes, unbeschwertes Leben in Freiheit, nur dein Patenkind wird eine verzogene, hässliche, von Narben gezeichnete, fette Tussi sein, die ständig bei dir wohnen will. Deine leidenschaftliche Freundin wird dich vor allem in Vollmondnächten in Verzückung versetzen, und du wirst es nicht glauben, aber: Sie hat Reißzähne!"
Sirius riss ihr seine Hand weg, aber Sibyll lächelte ihn nur mitleidig an.
„Wie das Schicksal mir eben mitteilte, muss ich an der nächsten Straßenecke abbiegen", sagte sie plötzlich und bog grußlos ab.
„Wie weit ist es jetzt noch?", fragte Sirius, dem außer dem Kopf nun auch die Hand weh tat.
„Stell dich nicht so an, sei froh, dass ich dich überhaupt mit nach hause nehme", entgegnete der andere. „Das mach ich nur, weil du verletzt und obdachlos bist."
„Er hofft nur, dass er wieder ins Haus darf, wenn er jemanden mitbringt!", kam Sibylls Stimme aus der Seitenstraße, in die sie eben verschwunden war.
Kurz bevor sie Gringotts, die Zaubererbank, erreichten, bogen sie in eine dunkle, heruntergekommene Gasse ein. Erst bei näherem Hinsehen bemerkte Sirius, dass die Gasse gar nicht so heruntergekommen, sondern der abschreckende Anblick gewollt war. Das sollte wohl die Leute fern halten, die in all den Geschäften, die sich ausschließlich mit schwarzer Magie beschäftigten, nichts zu suchen hatten.
„Und hier wohnst du?", fragte Sirius, leicht irritiert.
„Ist doch schön hier, sobald man sich an die Ratten, die Dunkelheit und die Feuchtigkeit gewöhnt hat. Mein Vater sagt immer, solange keine Toten auf der Straße liegen, gibt es keinen Grund, wegzuziehen."
Sirius musste sich eingestehen, dass es in seinem Elternhaus auch nicht viel freundlicher ausgesehen hatte. Vielleicht war es hier sogar besser, zumindest war Kreacher nicht in der Nähe. Aber er hätte gut hier her gepasst (vielleicht hätten ihn die Ratten gefressen).
Aus den dunklen Nischen wurden sie von misstrauischen Augenpaaren beobachtet. Allesamt gehörten zu Menschen, die irgendwie rußig und verbraucht wirkten, so verfallen wie die Häuser dieser Straße. Sirius konnte nicht glauben, dass die sonnige, freundliche Winkelgasse nur ein paar Meter entfernt lag.
„Ich wusste nicht, dass du in einem Slum wohnst", meinte Sirius unsicher. Er war das Düstere von Zuhause gewohnt, aber das Verfallene, der Schmutz der Gegend, war bisher so weit von ihm weg gewesen, dass er nie wirklich realisiert hatte, dass es existierte. Er hatte nie wirklich bemerkt, dass er Mitglied einer ausgesprochen wohlhabenden Familie war. Trotzdem wollte er nicht zurück. Diese Umgebung war wirklicher, realistischer und ehrlicher als die Atmosphäre seines Elternhauses. Das war das wahre Leben!
„Das ist kein Slum!", verteidigte sich der andere Junge, der keinen Namen hatte, aber aussah wie ein Mädchen. Zumindest aus der Ferne betrachtet. „Glaubst du, ich wohn in 'nem Slum? Seh ich so aus?"
„Äh... Ich kenne sonst keine Leute die in Slums wohnen."
„Du kennst auch jetzt noch niemanden! Knockturn Alley ist kein Slum! Die Leute neigen hier eben etwas öfter ein bisschen zu dunkleren Künste..."
„Na und, bei uns zuhause werden nur Dunkle Künste verwendet! Und trotzdem haben wir keine Ratten!"
„Wir haben auch kein Ratten, das sind Jarveys!"
„Noch schlimmer", murmelte Sirius. Die vierbeinigen Wesen, die sich an einer Straßenecke über eine Ratte stritten, waren tatsächlich Jarveys. Diese Tiere glichen übergroßen Frettchen, die zwar der Sprache mächtig waren, sich aber praktisch nur in Schimpfwörtern artikulierten. Eines der Jarveys schnappte sich die Ratte und sprang mit einem: „Jippie-yeah-yeah!" und einem Kopfsprung auf einen geschlossenen Gullydeckel (den Sirius gerade fürsorglich geschlossen hatte, damit niemand hineinfiel). Die anderen Jarveys kringelten sich vor Lachen.
„Du solltest dir in dieser Straße keine Freunde machen", kommentierte der fremde Junge das Geschehen. „Feinde auch nicht. Schieb also keine Gullydeckel zu. Und auf auch nicht. Fass einfach gar nichts an, solange du nicht Heimvorteil hast. In einem Guerilla-Krieg gegen Jarveys hast du keine Chance, würde Che Guevara jetzt sagen."
„Du meinst, diese Jarveys lieben mich jetzt?"
„Nein, sie vergöttern dich", meinte der Junge und betrachtete skeptisch die Gruppe von Jarveys, die um Sirius herum einen Freudentanz aufführten. „Hau'n wir lieber ab."
Sirius wurde etwas mulmig zumute, vor allem als er das bewusstlose Jarvey mit der Ratte auf dem Gullydeckel liegen sah. Ein weibliches (es trug eine rosa Schleife um die Schwanzspitze) Jarvey stand neben dem Bewusstlosen und schrie: „Du hast mich mit einer Ratte betrogen! Du anstandsloses Weichei! Du Wüstling! Denkst du nicht an die Kinder?!"
Sirius machte auf dem Absatz kehrt und rannte dem fremden Jungen hinterher. Die eben noch feiernden Jarveys stritten sich inzwischen wieder laut schimpfend um die Ratte.
„Und es gibt doch Ratten in Knockturn Alley!", keuchte Sirius, als er den anderen Jungen eingeholt hatte.
Dieser war mittlerweile vor einem kleinen Laden stehen geblieben.
Das Schaufenster war schmutzig und passte sich damit perfekt dem Rest der Straße an. In das Fensterglas waren Buntglasstückchen eingelassen, die einen Schriftzug bildeten: „La Vedriera Vieja". Darunter stand in abgeblätterten, stumpfen Goldbuchstaben: „Bijouterie". Auf ehemals schwarzem, inzwischen grauem, Samttuch lagen Unmengen von Ringen, Ketten, Fibeln und Spangen willkürlich verstreut.
Sirius atmete auf. Er hatte sich sonstwas in den hiesigen Schaufenstern vorgestellt, aber immerhin war es nur Schmuck. Gestohlener, unechter, geschmuggelter Schmuck vielleicht, aber nur Schmuck.
Vorsichtig öffnete der noch immer namenlose Junge die schmale, wurmstichige Tür und trat langsam ein, als würde er vorhaben, sich möglichst unauffällig zu benehmen um dann den Laden auszurauben.
„Du wohnst aber schon hier, oder?", fragte Sirius nochmals und folgte ihm genauso unauffällig auffällig.
Die Tür fiel hinter ihm zu und als er sich umdrehte, stand auf der Tür: „Hier kommst du nie mehr raus!" Nein, natürlich stand das nicht dort! Sirius war nur leicht verunsichert, sodass seine Phantasie mit ihm durchging.
Er rieb sich einmal kurz die Augen um zu lesen was wirklich dort stand: „Verfluchte Juwelen in allen Fassungen für jede unangenehme Gelegenheit".
Der Raum war klein und vollgestopft mit Glitzerkram, der überraschend hübsch funkelte, dafür dass er angeblich verflucht war. Auch wenn die Spiegelleisten fast blind waren, konnte man durch die staubbedeckten Vitrinen noch gut hindurchsehen. Da das Schaufenster mit einem schwarzen Vorhang verhangen war, strahlten nur alte, silberne Kutschenlampen ihr schummriges Licht aus und brachten die kräftigen Farben der Samteinlagen zum Schimmern. Irgendetwas an der Atmosphäre des Raumes kam Sirius unangenehm bekannt vor.
Abgelenkt von dieser anregenden Umgebung, bemerkte Sirius erst jetzt den auf dem Boden hockenden Jungen. Er war etwa zwölf Jahre alt, hatte rotbraune Haare und riesige, haselnussbraune Augen. Auf den Knien balancierte er eine schwarze Samtschachtel in die Silberringe mit glitzernden bunten Steinen sortiert waren.
„Seth, lass das Zeug!", sagte der erste namenlose Junge.
„Halt die Klappe, Dung", entgegnete Seth und stellte die Schachtel schwungvoll an ihren Platz zurück. „Má hat gesagt, ich soll aufpassen. Und du solltest besser verschwinden! Wenn sie sieht, dass du wieder reingekommen bist, tötet sie dich. Wer ist das?"
„Ein Freund", antwortete der Junge, der jetzt endlich einen Namen hatte. Er hieß Dung!
„Das ist doch nicht dein richtiger Name, oder?", warf Sirius entsetzt ein, aber er wurde ignoriert.
„Dein Freund?", rief Seth mit noch größer werdenden Augen.
„Ein Freund!", fuhr Dung ihn an.
„Natürlich. Hätte mich auch gewundert, wenn du mehr Freunde hättest! Warum nicht eine Freundin, wie andere Leute auch?"
Sirius begann, sich leicht übergangen zu fühlen und ärgerte sich zudem über die schamlosen und noch dazu unberechtigten Bemerkungen von Seth. „Ich hoffe, das ist dein Bruder, Dung. Sonst sehe ich mich nämlich gezwungen, ihn mit einer dieser Ketten zu erwürgen!"
„Es ist mein Bruder, aber du darfst ihn trotzdem erwürgen. Es reicht aber auch, wenn du ihm die Kette nur umhängst, sie erwürgt ihn von selbst."
„Ihr versteht euch echt blendend", bemerkte Seth grinsend.
Dung holte Luft, um etwas Unfreundliches zu erwidern, aber er kam nicht dazu.
Eine Tür am Ende des Raumes flog auf und krachte gegen die dahinter stehende, weiße Vitrine, deren Glas klirrend zu Bruch ging.
Eine kleine, schlanke Frau stand in der Tür. Sie war noch keine 40 Jahre alt und hatte hochgestecktes lockiges, rötliches Haar, das widerspenstig in alle Richtungen abstand.
„Du! Duuuu!", rief die Frau und fuchtelte wild mit dem Zauberstab unter Dungs Nase herum. „Reparier sofort diese Vitrine, schließlich bis' du schuld. Außerdem haste Hausarrest! Kanns' du nicht ein Mal gehorch'n? Kanns' du nich' ein bisschen so sein wie dein Bruder?"
„Ja, ja. Hör auf deine Mutter", meinte Seth mit einem selbstgefälligen Lächeln.
Sirius konnte sich plötzlich großartig mit Dung identifizieren. Hatte er nicht genau diesselbe Szene tausende Male ertragen müssen?
„So", sagte Dungs Mutter, kaum dass die Vitrine wieder ganz war. „Und jetz' verschwind'."
„Ich..."Dung dachte einen Augenblick nach. „Ich habe einen verletzten Freund mitgebracht. Du kannst uns nicht einfach auf die Straße stellen."
„Wie? Du has' deinen Freund verletzt?", rief sie entnervt. „Kanns' du nich' ein bisschen zärtlicher mit deinem Freund umgeh'n?"
„Das ist nicht mein Freund!", meinte Dung verzweifelt.
Sirius fühlte sich schon wieder total übergangen und warum versuchte jeder, ihn mit Dung zu verkuppeln? Er hätte doch nicht mitkommen sollen...
„Na, wie geht es dir denn?", fragte Dungs Mutter plötzlich Sirius. Ihre 180°-Stimmungsschwankung war beinahe beängstigend und ihren Dialekt hatte sie sofort abgelegt, als sie sich ihm zuwandte. „Hast du Schmerzen, mein Junge?"
Sirius, der mittlerweile bereits vergessen hatte, wo und dass er sich verletzt hatte, schüttelte den Kopf.
„Hast du Hunger?"
„Oh, ich will keine Umstände machen", antwortete er höflich.
„Entzückende Gäste wie du machen keine Umstände", meinte sie, legte einen Arm um seine Schultern und führte ihn zur Hintertür.
„Mum...?", fragte Dung vorsichtig. „Bekomme ich auch etwas zu essen?"
Ohne zu antworten schob sie Dung zur Eingangstür hinaus, welche hinter ihm krachend wieder zufiel.
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fgjgfjg: Genialer Nickname auch! Aber trotzdem Danke für das Kompliment.
