Und ansonsten wünsch ich – wie immer – viel Spaß beim Lesen!
Kapitel 9
Währenddessen tigerte Christin aufgewühlt durch ihre Kajüte. Sie war wütend! Wütend auf sich, wütend auf ihre Schwestern und natürlich auf diesen unverschämten Captain Hook! Wäre Samantha nicht auf diese absurde Idee gekommen, mit Hilfe ihres Parfüms in dieses gottverdammte Nimmerland zu reisen, wäre das alles gar nicht passiert! Und dieser Captain... Christin schnaubte wütend und trat vor einen altersschwachen Spiegel, der seine besten Tage auch längst hinter sich gelassen hatte und mit einem dünnen Schmierfilm überzogen war. Ihr Spiegelbild blickte ihr verdrossen entgegen. Christin stampfte zornig mit dem Fuß auf und raufte sich ihre noch übriggebliebenen Haare.
„Oooh... ich hasse diesen Kerl!!! Ich sehe aus wie eine Krähe mit diesem kurzen Schopf! Ohh... wenn ich so könnte, wie ich wollte..."
Sie sah sich um, packte eine herumstehende Teekanne und schmiss sie gegen die Wand. Dann atmete sie tief durch.
„Ohh... ich wünschte, dass dieser Captain Hook bei einem Sturm, wie ihn die Weltgeschichte noch nie gesehen hat, über Bord geht und ich ihn nie wiedersehen muss!"
Wenig später klopfte Smee an Hooks Tür.
„Captain? Capt'n, darf ich reinkommen?"
Er wartete auf die Antwort und trat dann ein. Hook sah ihm finster entgegen.
„Was ist?"
Smee nahm seine Mütze ab und drehte sie verlegen zwischen den Fingern.
„Capt'n, ich glaube, es ist besser, Sie würden mal mit rauskommen und sich das ansehen."
„Was?"
Hook zog die Augenbrauen zusammen. Smee wiegte den Kopf.
„Sieht so aus, als wenn sich ein gewaltiger Sturm zusammenzieht, Capt'n!"
Jetzt beugte sich Hook leicht vor.
„Soll das ein Witz sein? Hier in Nimmerland hatten wir noch nie einen Sturm!"
„Deswegen... vielleicht sehen Sie es sich selbst mal an!"
Mit den Worten verließ Smee die Kajüte. Seufzend erhob sich Hook. Er schnappte sich ein Hemd, zog es über und schlüpfte in seine Stiefel, dann folgte er dem Mann nach draußen. Der lehnte an der Reling und deutete nach Süden.
„Sehen Sie, Capt'n, die Wolke da drüben?"
Hook folgte seinem ausgestreckten Zeigefinger und starrte in die angegebene Richtung. Am Horizont schwebte eine einzelne, etwas dickere weiße Pluderwolke, die in seinen Augen definitiv als „harmlos" einzustufen war. Hook seufzte auf.
„Smee... die wird uns keine Probleme bereiten!"
Er wandte sich wieder ab. Smees Blick ging zwischen der Wolke und dem Captain hin und her, dann rief er:
„Aber Captain, Sir... meine Mutter pflegte immer zu sagen „Zieh'n die Wolken auf im Süden, lässt ein Sturm uns nicht in Frieden!"
Wie angewurzelt blieb Hook stehen. Ganz langsam drehte er sich um. Auf seinem Gesicht zeigte sich ein ungläubiger Ausdruck.
„Was???"
Smee nickte und wiederholte:
„Zieh'n die Wolken auf im Süden, lässt ein Sturm uns nicht in Frieden!"
Hook atmete tief durch. Einmal, dann noch ein zweites Mal. Dann zwang er sich zu einem Lächeln.
„Smee, das ist wirklich das Blödeste, was ich je gehört habe!"
„SMEE!!!!!"
Es war keine fünf Minuten später, als Hooks Schrei versuchte, das Tosen der Wellen zu übertönen, die sich meterhoch aufbäumten und über die Reling der „Jolly Roger" schlugen.
„Refft die Segel! Schmeißt den Schleppanker über Bord! LOS – LOS!!! Treib die Männer an, sonst knickt uns der Hauptmast um und wir kentern!"
Trotz des Sturmes war in diesem Moment ein mahlendes Geräusch aus dem Innern des Schiffes zu hören. Hook verzog ärgerlich das Gesicht und wurde im nächsten Moment von einem Brecher zu Boden geschleudert. Wütend rappelte er sich wieder auf und bekam gerade noch mit, wie ein Pirat schreiend über Bord gespült wurde.
„Verdammt noch mal!"
Er hangelte sich zur Reling hinüber und klammerte sich daran fest.
„SMEEEEEEEEEEE!"
„Ja, Capt'n?" brüllte der zurück.
„Los, unter Deck, sieh nach, ob alles in Ordnung ist!" befahl Hook, während er vergeblich versuchte, sich seine nassen langen Haare aus dem Gesicht zu wischen. Smee nickte, zögerte einen Moment und ließ die Reling los, als eine erneute Welle über Bord fegte und ihn gleichermaßen dorthin segeln ließ, wo er hin wollte. Mit offenem Mund starrte Hook ihm hinterher, dann stürmte er so gut es ging auf ein Seil zu, mit dem er das Steuerruder befestigen wollte. Ein Pirat kam auf ihn zugetaumelt.
„Capt'n, ich habe die Mädchen rausgelassen, weil ich dachte..."
„Du hast was?"
Hook kam nicht dazu, weiter darüber nachzudenken, weil jetzt auch die drei Schwestern schreiend an Bord auftauchten. Nein, genauer gesagt, waren es nur Grace und Christin, die am Schreien waren. Samanthas Augen blitzten, als sie sich durch den tosenden Sturm auf ihn zu bewegte und dicht vor ihm stehen blieb. Sie schrie:
„Wollten Sie uns in den Kajüten ertrinken lassen oder was?"
„Ach..."
Hook schob sie einfach aus dem Weg und rannte mit seinem Seil auf das Steuerrad zu. Als er die paar Stufen dorthin hochgeeilt war und das Seil gerade befestigen wollte, bemerkte er, dass Samantha ihm gefolgt war. Er fuhr sie an:
„Was willst du denn hier? Scher dich runter zu den Anderen, hier oben ist es viel zu..."
Zum letzten Wort kam er nicht mehr. Eine besonders hohe Welle donnerte gerade gegen die volle Breitseite des Schiffes, Hook verlor das Gleichgewicht, strauchelte und stürzte im nächsten Moment über Bord. Samantha schrie gellend auf und hechtete auf die Reling zu. Mit zitternden Fingern ergriff sie das am Steuerrad festgezurrte Seil und warf es über Bord. Mit einem Sirren entrollte es sich und Samantha erkannte, wie Hook gerade auftauchte und nach Luft schnappte, bevor wieder eine Welle über ihm zusammenschlug. Sie brüllte ihm zu:
„Das Seil! Nehmen Sie das Seil, na los!"
Mit schreckgeweiteten Augen beobachtete sie, wie Hook versuchte, das Seilende zu erwischen. Und schließlich gelang es ihm auch. Hastig schaute sich Samantha um. Ihre Schwestern standen auf Deck, hatten sich an den Mast geklammert und starrten ängstlich auf das donnernde Wasser um sie herum. Samantha schüttelte sich die Haare aus dem Gesicht und schrie ihnen zu:
„Los, kommt her... ihr müsst mir helfen!"
Während Christin hermetisch den Kopf schüttelte und sich nur fester an den Mast klammerte, rief Grace zurück:
„Was ist denn? Komm besser her... nicht, dass du über Bord gehst!"
„Schwing deinen Arsch hier rüber und hilf mir!" brüllte Samantha fast hysterisch. Ihr lief Wasser über das Gesicht und sie ahnte nicht, dass sich darunter auch Tränen gemischt hatten. Erschrocken gehorchte Grace. Sie rutschte auf dem nassen Deck noch aus und schlug sich das Knie auf, aber dann stand sie schwankend neben Samantha.
„Was?"
„Hier! Hilf mir!"
Samantha drückte ihr das Seil in die Hand und packte auch mit zu.
„Zieh, Grace, zieh!"
Dann stemmte sie sich mit den Füßen gegen die Reling und automatisch gehorchte Grace. Gleich darauf tauchte Hooks Gesicht auf. Er keuchte erleichtert auf und zog sich dann über die Reling. Seine Knie gaben unter ihm nach und sekundenlang schloss er die Augen. Doch dann rappelte er sich schon wieder hoch.
„Wir müssen den Anker kappen und raus aus der Bucht..."
Er taumelte vorwärts, brach dann aber erneut zusammen, hustete und fing dann an, literweise das geschluckte Wasser auszuspucken. Angewidert wandte sich Grace ab und an Samantha, um sie mit ungläubigem Gesicht zu fragen:
„Hab ich eben etwa diesem widerlichen Kerl das Leben gerettet? Ich glaub das nicht! Samantha..."
Die winkte bloß ungeduldig ab und stürzte nun ihrerseits auf die Leine zu, die den Schleppanker hielt. Unterwegs dorthin riss sie einfach einem Piraten das Messer aus dem Gürtel, was dem bei dem ganzen Getümmel und dem immer noch andauernden Sturm gar nicht auffiel. Dann trennte sie das fast unterarmdicke Tau durch, was ein paar Minuten in Anspruch nahm und eilte zurück zu dem immer noch am Boden knienden Hook.
„Capt'n, das Schiff ist los... wir treiben auf See raus!"
Mit einem Keuchen hob Hook den Kopf.
„Was? Wer..."
Bevor er weitersprechen konnte, tauchte auch Smee auf und schrie:
„Capt'n, die Kleine hat das Ankerseil gekappt und..."
Hook winkte schwach ab und nickte nur. Dann richtete er sich schwankend auf und sah nun selbst, dass sein Schiff vom Sturm schon ein Stück weit auf See getrieben worden war. Grace schluchzte auf.
„Wir werden alle sterben! Wir... wir werden alle ertrinken! Oh Gott, ich wünschte, dieser Sturm würde endlich aufhören!"
Sie hatte kaum ausgesprochen, als schlagartig die Sonne durch die dunklen Wolken brach und der Sturm augenblicklich nachließ. Selbst Grace war so überrascht, dass sie zu weinen aufhörte. Sie schluckte nervös, als sie bemerkte, wie Hook, Smee und Samantha sie aus großen Augen anstarrten. Dann zogen sich Hooks Augenbrauen zusammen. Er atmete tief durch und machte einen Schritt auf sie zu.
„Was war das grad?"
„Ähm..."
Grace fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, schluckte und räusperte sich nervös, während Hooks Atem sich beschleunigte. Seine Hände ballten sich zu Fäusten und er knirschte:
„Was hast du da gerade gesagt?"
„Ich... ich sagte... ich sagte ich wünschte... dass... dass der Sturm... ähm... aufhören solle!"
Bei Hooks Gesichtsausdruck wich Grace ängstlich zurück und wäre fast noch die kleine Treppe zum Deck heruntergestürzt, wenn sie sich nicht rechtzeitig gefangen hätte. In Hooks Innerem tobte es. Mit einem Mal kam ihm auch ein Gedanke. Wenn dieser Sturm durch einen simplen Wunsch so schnell aufgehört hatte... Womöglich war er auch durch einen ähnlichen Wunsch genauso entstanden! Jetzt begann er zu zittern vor Wut und er wirbelte zu Samantha herum.
„Du! Du hast damit angefangen! Du hast dir gewünscht, ich hätte meine Hand wieder! Hast du dir auch..."
Mitten im Satz brach er ab, als er Samanthas Gesichtsausdruck bemerkte. Er wischte sich kurz über die Stirn, als wolle er einen unliebsamen Gedanken loswerden.
„Nein, natürlich nicht! Du hast damit gar nichts zu tun..."
Hook ging auf sie zu und zog sie mit einer raschen Bewegung an sich. Regungslos stand Samantha da. Sie wagte kaum zu atmen. Doch schon ließ Hook sie wieder los. Er lächelte etwas, als er zu ihr herabblickte.
„Tapferes Mädchen... kappst den Schleppanker und rettest mir noch nebenbei das Leben!"
Er stutzte selbst kurz bei seinen Worten. Samantha schnappte kurz nach Luft. Hook kniff ein Auge leicht zusammen.
„Ich dachte schon, als ich im Wasser lag, dass du mir den Schleppanker hinterher wirfst und ebenso gut zielst wie mit Hühnerknochen!"
Als Samantha nun errötete, zog ein Grinsen über sein Gesicht und er streckte eine Hand aus, um ihr kurz über die Wange zu streichen, dann fügte er noch ein nur für Samantha hörbares „Danke" hinzu, was auch sie nun lächeln ließ.
„Ich hätte es gekonnt! Ich meine... das Werfen! Aber der Anker selbst war mir zu schwer!"
Sie machte wieder ein ernstes Gesicht. Hook senkte kurz den Kopf und sie bemerkte, dass er sein Lachen so verbergen wollte, denn als er den Kopf wieder hob, sah er genauso ernst aus wie sie.
„Natürlich!"
Als er jetzt kurz das Auge zusammenkniff, war sich Samantha sicher, dass er ihr diesmal wirklich zuzwinkerte. Aber sie biss sich auf die Unterlippe und nickte nur wortlos. Hook wandte sich mit einem tiefen Atemzug wieder ab. Ihm war wieder eingefallen, wodurch dieser Sturm womöglich entstanden sein konnte. Und – vor allen Dingen – wem er das wahrscheinlich zu verdanken hatte! Er wandte sich langsam um und sah zu Christin hinüber, die sich immer noch an den Hauptmast geklammert hatte. Dann streckte er langsam den Arm aus und deutete auf sie.
„DU!"
Christin schrak zusammen. Sie schluckte hastig, als Hook nun mit schnellen Schritten auf sie zukam und vor ihr stehen blieb. Seine Augen blitzten, als er seine Hand ausstreckte, ihren Oberarm packte und sie zu sich heranriss.
„Hast du etwas mit diesem Sturm zu tun?"
„Ich?"
Unnatürlich laut lachte Christin auf.
„Wie sollte denn gerade ich einen Sturm au... auuuuu!"
Hook hatte ihren Arm gepackt und ihn ihr auf den Rücken gedreht. Jetzt zwang er sie, sich ihren Schwestern zuzuwenden. Auch die anderen Piraten kamen näher heran und umringten sie nun. Hook starrte Christin zornig an.
„Hast du es dir gewünscht oder nicht? REDE!" donnerte er los, als sie nicht sofort antwortete. Christin zuckte zusammen. Jetzt begann sie zu zittern und schaute ihre ältere Schwester an.
„Grace, er hat mich... er wollte mich vergewaltigen und dann... sieh es dir an, er hat mir... er hat mir einfach die Haare abgeschnitten!"
Grace schnappte zwar auch nach Luft, als ihr jetzt erst die misslungene Frisur ihrer Schwester auffiel, aber bei dem Ausdruck in Hooks Augen schwieg sie. Dessen Finger gruben sich tiefer in Christins Oberarm, so dass sie einen erneuten Schmerzlaut nicht unterdrücken konnte.
„Ich sagte ‚Rede'!"
„Sie tun mir weh!" heulte Christin auf, stoppte aber, als auch Grace nun forderte:
„Sag schon... stimmt es etwa?"
Christins Gesicht verzerrte sich kurz, dann brach es aus ihr heraus:
„Ja! Ja, es stimmt! Grace, dieser Mann wollte mich... er hatte seine Hände und seine Zunge zwischen..."
Ihr fielen die gierigen Blicke der anderen Piraten auf und schlagartig presste sie die Lippen wieder zusammen. Smee schüttelte ungläubig den Kopf.
„Und nur deshalb hast du das Leben von uns allen aufs Spiel gesetzt? Oh Mann..."
„Sie hatten ja auch noch nie seine... diverse Körperteile von diesem... diesem..."
Christin fiel kein passendes Wort ein, daher fuhr sie hastig fort:
„An diversen Körperteilen von sich selbst! Es... es war eklig und primitiv und..."
„So primitiv, dass du mit einem Stöhnen meine Hand fester an dich gepresst hast?" höhnte Hook. Christin wurde dunkelrot, während die Piraten schallend begannen zu lachen. Hook lachte nun ebenfalls kurz auf. Dann ließ er Christin abrupt los und befahl:
„Bindet sie an den Mast. Sobald wir wieder in der Lagune liegen, bekommt sie 20 Schläge mit der Peitsche!"
Sofort gehorchten zwei Piraten, während Christin Grace anschrie, sie möge ihr doch helfen. Die rang nach Luft. Das alles wurde langsam wirklich zu viel für sie. Sie schloss die Augen und murmelte kaum hörbar:
„Oh Himmel, ich wünschte, wir wären alle Drei wieder zu Hause!"
Sie hielt kurz den Atem an und öffnete die Augen wieder.
Tbc...
