Vicky: Im nächsten Kapitel wird es sich hauptsächlich um Niniel drehen, die damit fertig werden muß, dass Faramir weg ist. Faramir wird sich in einem der nächsten Kapitel noch Gedanken wegen Aragorn machen.

6. Niniels Plan

Vom Fenster ihres Schlafgemaches aus beobachtete Niniel mit tränenverhangenen Augen, wie Faramir und Gandalf abreisten. Sie ahnte, dass der Zauberer ihn dazu gedrängt haben musste.

Legolas trat sodann in ihr Gemach.

„Das war sehr vernünftig von Faramir, Bruchtal zu verlassen", meinte er wohlwollend. „Nun steht deiner Hochzeit mit Elrohir nichts mehr im Wege".

„So, glaubst du das?", fuhr Niniel ihren Vetter gereizt an. „Ich werde ja nicht gefragt. Schon damals, als ihr alle die Verlobung beschlossen habt, bin ich nicht gefragt worden. Ich habe Elrohir nur einziges Mal in all den Jahren gesehen. Warum soll ich jemanden heiraten, für den ich nichts empfinde? Wahrscheinlich geht es ihm genauso. Er ist ja nicht einmal hier in Imladris".

„Du wirst jetzt ungerecht, Base", erwiderte Legolas empört. „Du hast dich nie gegen diese Verbindung gesträubt. Doch seit Faramir dir schöne Augen macht, bist du wie verwandelt. Zum Glück ist er jetzt weg und du wirst ihn nie wieder sehen".

„Dass du so garstig sein kannst!", stieß Niniel unter Tränen hervor. „Warum hasst du Faramir so?"

Legolas' Miene wurde plötzlich sehr traurig und er ergriff die Hände seiner Base.

„Nein, ich hasse ihn nicht", sagte er deutlich sanfter. „Ich achte ihn sogar dafür, dass er trotz seiner Liebe zu dir, Bruchtal verlassen hat. Er hat scheinbar begriffen, dass er die Verbindung zwischen dir und Elrohir nicht zerstören darf. Du weißt selbst, wie wichtig euere Hochzeit für Düsterwald und Imladris ist. Das alte Bündnis wird wieder neu geschmiedet. Faramir hat ein Opfer gebracht – jetzt musst du ein Opfer bringen".

Niniel wischte sich die Tränen weg und sah Legolas bedrückt an.

„Gut, dann will ich mich fügen, Vetter".

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Gandalf trieb Faramir unermüdlich zur Eile an. Er hoffte, dass Niniel nicht auf die dumme Idee kam, Faramir zu folgen. Die meisten Elben, die der alte Zauberer kannten, waren weise Geschöpfe, die sich ohne Widerspruch in ihr vorbestimmtes Schicksal fügten. Doch so eine Liebelei hatte meistens ungeahnte Auswirkungen.

Erst als sie das Nebelgebirge schon fast erreicht hatten, legten sie eine längere Rast ein.

„Was wird mich in Gondor erwarten, Mithrandir?", wollte Faramir wissen, während er sich ein Stück Fleisch über dem Lagerfeuer briet.

„Nun, ich will kein Blatt vor dem Mund nehmen", begann Gandalf und seine Miene verdüsterte sich. „Denethor wird dich nicht mit offenen Armen empfangen. Zu lange warst du weg aus Minas Tirith. Du darfst keine warmherzige Vaterliebe von ihm erwarten. Er ist einzig und allein in Boromir, deinem älteren Bruder, vernarrt. Du wirst dir Denethors Liebe hart verdienen müssen".

Faramir starrte nachdenklich ins Feuer. Er begann bereits jetzt Bruchtal zu vermissen. Die Elben hatten ihn stets liebevoll behandelt. Vielleicht hatte er den größten Fehler seines Lebens begangen, sich in Niniel zu verlieben. Aber er konnte nun mal seine Gefühle für sie nicht verdrängen. Seine Augen begannen sich mit Tränen zu füllen.

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Elrond suchte Niniel am Mittag in ihrem Gemach auf.

„Heute abend wird Elrohir aus Lothlorien zurückkehren. Er wird sehr bestürzt darüber sein, dass du ihn nun nicht mehr heiraten willst, Niniel", sagte er vorwurfsvoll.

„Ich war töricht, Herr Elrond", sagte Niniel demütig. „Vergeßt die Worte, die ich zu Euch gestern gesagt habe. Ich werde mich in mein Schicksal fügen und Eueren Sohn heiraten".

Elrond sah sie erstaunt an, sagte aber nichts weiter. Aber er war äußerst froh darüber, dass die Elbin aus dem Düsterwald ihren Entschluß geändert hatte. Je länger er über die Sache nachdachte, desto mehr kam ihm der Verdacht, dass Faramirs Abreise wohl mit dem plötzlichen Sinneswandel von Niniel zu tun hatte.

Vielleicht war tatsächlich eine Liebelei zwischen dem Menschen und Niniel gewesen, aber zum Glück waren jetzt ja beide zur Vernunft gekommen.

Plötzlich war Elrond froh über Faramirs Weggang aus Bruchtal. Ja, er zürnte dem jungen Gondorianer sogar ein wenig, weil er Niniel so den Kopf verdreht hatte. Jedoch rechnete er ihm hoch an, dass er den Entschluß gefasst hatte, Bruchtal zu verlassen.

Am gleichen Abend trafen Elronds Söhne, die Zwillinge Elrohir und Elladan, ein. Arwen lief ihren Brüdern jubelnd entgegen und begrüßte sie überschwänglich.

Niniel beobachtete die Ankunft ihres Verlobten mit Wehmut. Elrohir sah völlig anders aus als Faramir. Er hatte wie seine Geschwister schwarze Haare und ein feines, makelloses Elbengesicht.

Legolas betrat aufgeregt ihr Zimmer.

„Base, dein Verlobter ist soeben eingetroffen! Du solltest dich zurechtmachen und ihn dann begrüßen. Heute abend wird es ein großes Fest geben".

Niniel wurde das Herz schwer und sie begann ihr langes weißblondes Haar zu kämmen. Faramir war jetzt schon weit weg von Bruchtal und bald würde er im fernen Gondor ankommen. Sie seufzte tief , aber dann hatte sie plötzlich einen Einfall.

Niniel lächelte: ja, sie würde Faramir bald wieder sehen.

Legolas geleitete sie in die große Halle in Elronds Haus, wo das Fest stattfinden sollte. Lieblicher Gesang ertönte und Elbenmädchen tanzten dazu.

Niniel musste sich an der großen Tafel neben ihren zukünftigen Bräutigam setzen. Sie machte gute Miene zum bösen Spiel und setzte ein süßes Lächeln auf. Sie warf Elrohir einen kurzen Seitenblick zu. Ihm war nicht anzusehen, wie er zu der ganzen Sache stand, die vor vielen Jahrzehnten eingefädelt worden war.

Elrond erhob sich schließlich und verkündete schließlich, dass sein Sohn Elrohir Niniel vom Düsterwald ehelichen werde. Das junge Paar wurde mit Glückwünschen überhäuft. Niniel hielt es nicht länger aus und verließ plötzlich die Halle. Legolas' Antlitz verfinsterte sich: was war denn nun schon wieder in seine Base gefahren? Dachte sie schon wieder an diesen Gondorianer? Elrohir erhob sich und lief seiner Verlobten hinterher. Legolas hoffte, dass Elrohir sie zur Vernunft bringen würde.

Niniel saß draußen im Garten und wartete darauf, dass Elrohir auftauchte.

„Was ist denn, meine Schöne?", fragte der Eldar erschrocken. „Gefällt dir unsere Verlobungsfeier nicht?"

„Doch, doch, mein Verlobter", erwiderte Niniel höflich. „Aber ich dachte, unsere Eheschließung wird einmal etwas ganz besonderes. Ich habe schon viele ähnliche Feiern erlebt".

„Wie soll denn unsere Hochzeit gefeiert werden?", fragte Elrohir erstaunt. „Hast du vielleicht einen besonderen Wunsch?"

„Allerdings", sagte Niniel liebenswürdig. „Ich möchte so gerne in der Weißen Stadt der Menschen heiraten – in Minas Tirith".

Elrohir zog erstaunt die Augenbrauen hoch – dabei sah er seinem Vater unglaublich ähnlich.

„Nun, ich werde versuchen, deinen Wunsch zu erfüllen", sagte er schließlich verwirrt.