Die Feuer des Phönix 16

Die Dunkelheit der Nacht

Langsam stieg Samira die Treppe hinauf. Eigentlich war es ein Wunder, dass sie sich in dem Gewirr der Gänge zurechtgefunden hatte. Durch die sich bewegenden Fackeln, die an beiden Seiten der Wände befestigt waren, wurden die elbischen Schnitzereien in ein warmes Licht getaucht. Man meinte fast, die Figuren seien zum Leben erwacht. Sanft ließ Samira ihre Finger über die Schnitzerein streichen. Elben waren in der Tat sehr geschickt. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Morgen würde sie zu ihm gehen. Morgen. Sie schickte sich an, die weiteren Stufen zu erklimmen. Oben angekommen, schaute sie fast vorsichtig in den leergefegten Gang. Unwillig schüttelte sie über sich selbst den Kopf, was hatte sie denn erwartet, es war bald Mitternacht.

Sie lenkte ihre Schritte den Gang hinunter und stand nun endlich vor der Tür ihres Zimmers. Sachte ließ sie ihre Hand auf die Klinke sinken und drückte diese herunter. Tiefste Dunkelheit drang aus dem Zimmer heraus und hüllte sie in einen tiefschwarzen Schleier. Ganz allmählich ließ sie die Tür ins Schloss fallen. Sie stieß einen kurzen Seufzer aus. Das konnte lustig werden. Samira versuchte sich an die Möbelaufstellung zu erinnern. Das Bett müsste ungefähr in dieser Richtung liegen entschied sie kurzerhand und setzte sich vorsichtig, die Hände wie eine Blinde vor sich hertastend, in Bewegung. Ein Schritt... zwei Schritte.. bong. Samira taumelte leicht zurück, rieb sich kurz das Knie und tastete dann in etwas tieferer Umgebung nach dem Objekt. Laut ließ sie die Luft zwischen ihren Lippen hindurchzischen.

„Zumindest den Bettpfosten habe ich gefunden,"dachte sie.

Ihre Hände glitten das Bett entlang, bis sie schließlich die Wand erreichte. Die erste Hürde, war genommen, aber mit der Zweiten würde es etwas schwieriger werden. Seufzend ließ sie sich auf das Bett fallen. Es hatte ziemlich lange gedauert, das Kleid anzuziehen und es war eine Elbin da gewesen, nun war sie alleine und es war dunkel. Die Wahrscheinlichkeit sich daraus in dieser Situation befreien zu können, schätzte die junge Amazone recht gering ein. Zum Schlafen war es allerdings doch etwas zu unbequem befand sie und stieß einen zweiten Seufzer aus, während sie nun doch den Versuch startete, zumindest den Verschluss zu finden. Das allein gestaltete sich jedoch schon als ungeheure Schwierigkeit. Samira war sich ganz sicher, das der Verschluss am Rücken gewesen war... da war er aber nicht mehr

„..oder ich finde ihn nicht. Warum müssen Elben nur immer alles so perfekt machen."Wütend machte sie ihrem Ärger Luft. „Als ob ein einfacher Knopf nicht reichen würde. Ist auch sehr praktisch und leicht zu finden... besonders im Dunkeln."

„OHHHHHHHHHHHHHH, siehst du etwa nichts?"

Samira schrak zusammen und blickte angestrengt in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Leider konnte sie nichts erkennen. „Wer ist da?" Ein kurzes, fast beleidigtes Räuspern war zu vernehmen.

„Man sollte meinen, dass du meine Stimme inzwischen kennst."

„Legolas?!?"

„Richtig." Samira unternahm einen zweiten versuch Legolas genaue Position im Raum auszumachen, was ihr allerdings nicht gelang. „Wo bist du?"

Plötzlich vernahm sie eine Stimme ganz nah an ihrem Ohr. „Hier!"Vor Schrecken wäre sie fast von Bett gefallen, wenn sie der Elb nicht rechtzeitig festgehalten hätte. Zu dumm, dass Elben sich nicht nur geräuschlos bewegen konnten, sondern auch noch die Fähigkeit besaßen, bei Nacht recht gut zu sehen. Diese Tatsache verschaffte ihm einen unbestreitbaren Vorteil und irgendwie gefiel ihr das überhaupt nicht. Zumal er in ihrem Zimmer war. Sachte tastete sie neben sich, bis sie Legolas Position ausgemacht hatte. Samira entschied sich, den Zipfel seines Gewandes in den Fingern zu behalten. So wusste sie immer wo er war. Das Fragezeichen auf seinem Gesicht war förmlich spürbar.

„Damit du mir nicht abhanden kommst."

„Tzs, tzs, tzs... dann müsste wohl eher ich dich festhalten, immerhin hast du heute sehr überstürzt Abschied genommen... was hast du überhaupt mit dem Mann gemacht?"

Samira machte eine wegwerfende Handbewegung. „Er hätte mich nicht derart beleidigen sollen. Jetzt steckt er bis zum Hals in der Scheiße... im wahrsten Sinne des Wortes." Ein leichtes Lächeln glitt über ihre Lippen.

Legolas schien mit dieser Antwort zwar nicht zufrieden zu sein, ließ es allerdings auf sich beruhen. Er würde es bestimmt noch erfahren. Es gab allerdings doch noch einige Dinge, die er genauer wissen wollte und nicht auf sich beruhen lassen konnte.

„Was war das eigentlich heute Nachmittag? Ich habe es noch nie erlebt, dass sich Menschen in was auch immer verwandeln können. Eigentlich können das nur sehr weise Magier und dafür bist du doch noch etwas zu jung."Diese Frau trieb ihn noch in den Wahnsinn. Er hatte bis zum Nachmittag gedacht, dass er alles über seine Gefährtin wissen würde und nun stellte sich das alles als Trugschluss heraus.

Ein kurzes Lachen neben sich schreckte ihn auf und sein Blick wendete sich wieder Samira zu. Ihre Augen funkelten förmlich und Legolas war sich sicher noch nie vergleichbare gesehen zu haben. Im Dunkeln offenbarte sich ein leichter goldener Schimmer, der auf ihrer Haut lag. Bisher hatte er ihn nie bemerkt.

„Wie alt schätzt du mich denn?"Herausfordernd sah sie ihn an, obwohl ihre Augen zugegebenermaßen eher auf den hinter ihm stehenden Schrank gerichtet zu sein schienen. Grübelnd kratzte er sich am Kopf. Eine gefährliche Frage, gerade bei einem weiblichen Wesen. Am besten zu jung schätzen, das machte immer einen guten Eindruck. „17."Ein kurzes Kichern erklang. Anscheinend hatte er sich doch etwas verschätzt. Eine kurze Stille trat ein. Plötzlich setzte Samira wieder zum Sprechen an.

„Erinnerst du dich noch, als wir gerade aufgebrochen waren hast du mich gefragt, ob ich weiß was Orks seien. Du meintest ich wäre erst so kurze Zeit auf der Welt."Legolas erinnerte sich natürlich an diese Begebenheit. Es war aber auch zu schön gewesen sie zu ärgern. „Nun, ich bin seit 31 Jahren auf der Welt. Eine sehr kurze Zeitspanne für dich, aber um ehrlich zu sein kennt nur die Herrin mein wahres Alter. Die meisten der Mädchen denken ich sei so alt wie sie. Manchmal bin ich etwas kindisch, das weiß ich. Aber ich kann mir Zeit lassen. Mit allem. Auch mit dem erwachsen werden. Wenn ich es überhaupt werden will. Kinder haben nämlich einen Vorteil. Sie haben keine Sorgen wegen der Zukunft. Sie denken nur an das Jetzt. Also um zum Schluss zu kommen, mein Alter ist eigentlich egal, denn auch in 40 Jahren werde ich noch genauso aussehen wie jetzt. Und in 70, und in 90."

Ihr „das-hättest-du-jetzt-nicht-gedacht"Blick verirrte sich zu Legolas. Er war verwirrt. Sie hatte von 90 Jahren gesprochen. 3190 ergab 121. Definitiv zuviel für einen Menschen. Nach einigen folternden Augenblicken fuhr Samira fort. Sie kostete diese Situation aus. Natürlich wäre es noch interessanter gewesen, Legolas Gesicht zu sehen.

„Also, viele Menschen haben ein besonderes Verhältnis zu bestimmten Tieren. Das ist manchmal in die Wiege gelegt, oder hat sich über die Zeit hinaus entwickelt. Bei einigen sehr wenigen Menschen ist diese Gabe noch weiter ausgeprägt. Diese Menschen fühlen sich so sehr mit der Seele des Tieres verbunden, dass sie mit dieser Seele verschmelzen. So können diese Menschen zum Beispiel die Gestalt dieses einen Tieres annehmen, oder bekommen einige seiner Fähigkeiten verliehen. In meinem Fall die des Phönix... wurde mir in die Wiege gelegt. Auf jeden Fall sind diese Vögel Fabeltiere, die leider in Vergessenheit geraten sind. Viele glauben sogar es gebe sie gar nicht." Samira seufzte leicht auf. „Sie existieren. Aber nur wenige wissen etwas über diese großartigen Geschöpfe. Weißt du wie ein Phönix stirbt. Nein? Er zerfällt zu Asche um dann aus dieser Asche aufzuerstehen. Dadurch sind sie unsterblich. Alter kann ihnen nichts anhaben. Das ist auch die Fähigkeit, die die Seele des Phönix mir verliehen hat. Ich werde nicht altern... Ist es nicht nett, dass ich dafür nicht alle 2 Jahre verpuffen muss? Wäre doch etwas unpraktisch. Stell dir vor, du duscht gerade und bemerkst dann, dass du zu Staub zerfällst. Das wäre vielleicht eine Schweinerei."

Allein dieser Gedanke brachte Samira zum Lachen. Neben ihr war es still geworden. Sachte zupfte Samira an Legolas Gewand. Er bewegte sich und sprach Worte aus, die Samira durch Mark und Bein gingen, da seine Stimme einen belegten Klang hatte, den sie eigentlich nicht kannte. „Dann wirst du mich also nicht verlassen?"Teils erschrocken, teils erstaunt schaute sie auf. „Meine Zeit ist so unbegrenzt, wie die der Elben, wenn du das meinst..."Plötzlich war sich Samira nicht mehr sicher, ob Legolas das gemeint hatte und ein unbestimmtes Kribbeln begann in ihrer Magengegend zu brodeln.

Plötzlich fühlte sie sich in der Dunkelheit gar nicht mehr wohl. „Kannst du bitte Licht machen?"Ein leises Pfeifen ertönte und der Lufthauch strich über ihr Gesicht. „Ich kann schon, aber ich will nicht. Immerhin sehe ich genug, und das reicht doch, findest du nicht."Legolas fand Gefallen an Samiras Blindheit. Es war wie verstecken und suchen. Nur mit etwas ungerecht verteilten Karten. Er war so schnell aufgestanden, dass Samira nicht die Geistesgegenwart gehabt hatte ihn festzuhalten. „Hey, wo gehst du hin?"Legolas lächelte leicht. Er würde heute Nacht bestimmt nicht mehr gehen. Er drehte den Schlüssel im Türschloss leise um. Aber nicht leise genug. „Warum hast du abgeschlossen?"

Legolas zuckte nur kurz mit der Schulter. „Damit keiner etwas klaut..."Er ließ den Schlüssel in seine Tasche gleiten und konnte gerade noch ein paar Schritte zur Seite gehen, um nicht von Samira getroffen zu werden, die mit wedelnden Armen versuchte die Tür ohne weitere Beule zu erreichen. Kein Schlüssel mehr da. „Was soll das?"verlangte sie zu wissen, aber ihre Wut war nur vorgespielt, das merkte er deutlich. „Weg."„Mach endlich Licht!!!"

„Mach doch selbst welches, das hast du doch schon einmal gemacht." Samira seufzte gequält auf. Erwischt, dachte sie. „Das kann ich nicht. Es raubt unglaubliche Kraft sich in einen Phönix zu verwandeln und ich war sehr aktiv. Deshalb kann man sagen, ich habe mein Tagespensum an Energie schon verbraucht."

„So ein Pech."Das Bedauern triefte nur so vor Ironie. Samira war sich sicher, hätte sie etwas gesehen, hätte sie dem Elb jetzt sofort den Hals umgedreht.

„Mach endlich Licht!"

Legolas lachte kurz auf. „Wozu, damit du es schaffst dein Kleid aufzumachen. Welches dir, nebenbei erwähnt, sehr gut steht."Er sah mit Befriedigung, wie Samira anfing zu kochen. Für den Schreck, den sie ihm eingejagt hatte, war das eine gerechte Strafe, befand er.

„Nein, denn das scheint mir wirklich unmöglich. Aber es würde mich doch interessieren wo du dich gerade aufhältst, damit ich dir in den Hintern treten kann!"

Ein kurzes Lachen war zu hören. Legolas hatte nicht im Geringsten vor, seinen Vorteil aufzugeben. Eigentlich passte es ihm sogar recht gut ins Konzept, dass Samira so hilflos war. Ganz leise trat er von hinten an sie heran. Sein Blick glitt über die Verschnürung des Kleides. Sie war in der Tat kompliziert, aber nicht zu kompliziert für ihn. Er trat noch einen Schritt näher an sie heran und ließ sanft seinen warmen Atem über ihre Schulter streichen. Wie von der Tarantel gestochen fuhr die junge Amazone herum und hätte ihm beinahe eine Ohrfeige verpasst, wenn er sich nicht rechtzeitig geduckt hätte.

„Was sollte das?"Fragte sie atemlos und versuchte wieder Legolas mit ihren Händen zu finden. Dieser wich der Suchenden geschickt aus. „Ich wollte dir nur bei deinem Kleid helfen. Wenn du willst mach ich es für dich auf." Samira hielt in ihrer Bewegung schockiert inne. Es war nicht der Vorschlag, der sie entsetzte hatte, sondern die Tatsache, dass sie diesen Vorschlag gar nicht so abwegig fand.

„Nein!!!!!"Fast enttäuscht hörte sie Legolas aufseufzen.

„Nein, „ äffte er sie nach „ich bin ein großes Mädchen und kann das alles alleine machen." Gegen ihren Willen musste Samira lachen. Er hatte Recht, sie benahm sich kindisch. Wenn sie nicht vorhatte in dieser Nacht im Stehen zu schlafen, musste er ihr beim Öffnen der Bänder helfen.

„Also", endete sie „meinetwegen."

Sie bemerkte, wie Legolas langsam an sie herantrat und sich an den Bändern zu schaffen machte. Unendlich langsam öffnete er die Knoten und stand dabei sehr nah hinter ihr, so dass sie seinen Atem wieder auf der Haut spüren konnte. Wieder machte sich dieses merkwürdige Gefühl in ihrem Bauch breit. Plötzlich bemerkte sie, wie Legolas Hand nach oben zu ihren Schultern glitt. Sanft streichelte er die zarte Haut. Wie in Trance versuchte Samira sich aus dieser ungewohnten Situation zu befreien. Unsicher fing sie an.

„Ich weiß was Melamin heißt."Kurz hielt Legolas in seiner Bewegung inne, fuhr dann aber sofort fort. „Liebste."Antwortete er leise. Erstaunt drehte Samira sich um, sie hatte nicht erwartet, von Legolas dieses Wort zu hören. „Und ich bin froh, dass die Zeit dich mir nicht wegnehmen kann."Samira sog die Luft ein. Langsam tastete sie nach dem Elben. Ihre Finger griffen in die leere Luft, er war weg. „Legolas?"

Plötzlich flackerte ein Lichtschimmer auf und in wenigen Augenblicken loderten die Fackeln im Zimmer behaglich auf und tauchten es in einen warmen Schein. Der Angesprochenen stand einige Schritte von ihr entfernt und lächelte sie an. „Ich hätte es nicht ertragen dich zu verlieren, dass ist mir in den letzten Tagen und Wochen klar geworden."Wieder trat er an sie heran und begann von neuem seine angefangene Arbeit. Samira ließ es geschehen. Legolas Blick hatte sie doch etwas mitgenommen. Es war keine Ironie mehr darin zu lesen, nur pures Glück und etwas Undefinierbares. Ohne es zu bemerken lehnte sie sich etwas weiter nach hinten und stieß plötzlich an seine Schultern. Sein Gesicht lag nun nah bei ihrem und ein eine ihr unbekannte Hitze überflutete plötzlich ihren Körper. Unendlich langsam drehte sie sich um. Sie standen so nah beieinander, dass sich ihre Körper berührten. Samiras Blick lief Legolas ebenmäßiges Gesicht herab und blieb schließlich an seinen Lippen hängen. Schöne geschwungene Lippen, die sich ganz langsam den ihren näherten. Die Berührung traf in sie wie ein Blitz und....

...die Blätter im Garten umschlangen sanft den Körper des Stammes. Der Wind ließ sie die Rinde leicht berühren und langsam fielen einige Blätter von den Fingern des Windes gezupft zu Boden und bildeten dort einen seidigen Haufen zu Füssen des schlanken Baumes.

Der Mond warf sein samtiges Licht auf das Moosbett, welches einem Entenpärchen als Nachtlager diente. Der Wind bewegte sachte die Halme und langsam sanken einige Blätter auf ihr weiches Lager. Durch das sanfte Licht des Mondes enthüllte der See zu Füssen der Bäume seine wahre Schönheit. Tief und dunkel lag er da und offenbarte doch eine wohlbekannte Wärme. Plötzlich löste sich an einem Abhang ein kleiner Stein und rollte auf die jungfräuliche und glatte Oberfläche des Sees zu und durchbrach diese mit einem lauten Platschen, welches die Stille der Nacht durchschnitt.

Immer tiefer sank er durch das seidige Wasser. Langsam näherte er sich dem Boden und verursachte dort durch sein Aufkommen eine kleine Erschütterung, die einer Explosion gleich, kleine Sandpartikel aufwirbelte. Durch das Licht des Mondes schimmerten diese Partikel leicht auf, umfingen dann aber den Stein in einer sanften und warmen Umarmung.

Hallo ihr Lieben, hier ist also das nächste Kapitel, es folgen jetzt noch zwei. Da ich ein Fan von Andeutungen bin, habe ich dieses Kapitel etwas anders beendet. Es bleibt also jedem selbst überlassen, was er/sie davon hält oder was er/sie in diese Situation hinein interpretiert. Wie gesagt, bitte Feedback. Glanwen