Schwierige Gäste
„So Kinder, nu seid mal ein bisschen still. Ich will euch eure Unterrichts-Geschöpfe für das nächste Jahr vorstellen. Die ha´m wir nämlich von denen aus den AUS geliehen bekommen", dröhnte Hagrids Stimme über die Köpfe der Schüler hinweg.
Die Slytherins schauten schon wieder, als wollten sie sagen: „Was das wohl wieder sein wird?"„Außerdem heißt das USA!", ertönt eine Stimme aus dem Hintergrund.
„Na, wie auch immer. Nun seid mal ein bisschen leise, ich glaub, die sind das nicht so gewöhnt.", brummelte der leicht verunsicherte Wildhüter noch und öffnete dann die Tür zu seiner Hütte.
„Das kann ich mir bei den Herrchen nicht so ganz vorstellen.", wisperte Hermine ihren Freunden noch zu und stellte sich dann aber auch auf die Zehenspitzen um die Neuankömmlinge zu beäugen.
Und sie staunte nicht schlecht.
„Das hier", fing Hagrid an zu erzählen, „Ist ein so genannter Lenny." Er wies auf einen flamingoartigen Vogel, der jedoch ein dichtes Federbüschel auf seinem Kopf trug und außerdem himmelblau war. „Die sind ziemlich schlau und helfen beim Zaubern mit und so. Können auch gut Kreuzworträtsel und Mathematik."
Hagrid las alle diese Informationen von einem Pergament ab, was Draco Malfoy sofort wieder dazu brachte zu fragen, wo denn wohl Riesen lesen lernen könnten.
Doch die anderen interessierte das ausnahmsweise mal überhaupt nicht, denn inzwischen war das nächste Tier aus der Hütte geschwebt.
„Ein Kauiwan", las Hagrid weiter. Neben seinem Kopf schwebte ein Fisch, ungefähr so groß wie ein Fußball. Seine großen, schleierartigen Flossen umspielten sanft den regenbogenfarbenden Körper. „Ziemlich teuer und schwer zu halten. Frisst nur Gemüse."
„Oh", entfuhr es Pavarti, „so einen will ich auch."
Als nächstes hüpfte ein Tier auf zwei großen Hinterpfoten durch die Tür. Es hatte darin einige Ähnlichkeit mit einem Kängeruh. Große runde Augen bestaunten neugierig die ganzen Zuschauer und es schlug aufgeregt mit seinem langen Schwanz, an dessen Ende sich eine kleine Quaste befand. Auf dem Rücken hatte es drei große Hornzacken, die aus dichtem, weißem Fell hervorragten.
„Das ist ein Zurbsel.", meinte Hagrid erklärend. „Zurbsel sind friedliche, sehr neugierige Geschöpfe, die Glück bringen sollen."
Nachdem sich die erste Unruhe wieder gelegt hatte fuhr er fort:
„Und als letztes haben wir hier ein Griffhorn. Griffhörner sind äußerst launisch und man muss aufpassen, dass sie einem nicht in die Finger hapsen."
Das Griffhorn knurrte bestätigend, bevor es langsam aus der Tür kam. Es war ungefähr vierzig Zentimeter groß, hatte auf dem Kopf zwei schneckenförmige Auswüchse, eine murmeltierartige Schnauze, kurze, mit kleinen Krallen bewehrte Pfoten und ein buschiges Fell auf dem Rücken. Außerdem war es knallpink.
„Das glaub ich jetzt ja nicht.", stöhnte Hermine. „Die sind ja genauso schreiend gefärbt, wie ihre Besitzer. Farbzauber müssen in den Staaten sehr angesagt sein. Kein Wunder, dass sie die hier lassen wollten, damit fällt man ja mehr auf, als mit einer Leuchtkröte "
Bei diesen Worten warf sie Neville einen vielsagenden Blick zu, der im letzten Jahr in Verwandlungen seine Kröte unabsichtlich dazu gebracht hatte von innen zu leuchten. Leider hatte er es nicht mehr abstellen können und der arme Trevor musste in einer Kiste schlafen, bis ein passender Gegenzauber gefunden worden war.
„Na wenigstens hatte er eine formschöne Leselampe am Bett.", prustete nun auch Ron und zog seine skeptische Freundin dann in Richtung des Lenny, der ihm am ungefährlichsten erschien.
Harry entschied sich zu dem Tier mit den wenigstens Zuschauern zu gehen, dem Griffhorn. Zu seinem Leidwesen musste er feststellen, dass sich auch Malfoy, seine Kumpane, Pansy Parkinson und Raja Banes gerade dieses Tier ausgesucht hatten. Aber immer noch besser als sich mit lauter kichernden Mädchen um den Kauiwan zu prügeln.
„Das Tier ist doch total daneben.", stellte Malfoy grade fest. „Das ist rosa, das kann gar nicht gefährlich sein."
„Aber sein Fell würde bestimmt ein paar hübsche Handschuhe ergeben.", warf Pansy ein. „Man könnte sie ja umfärben."
„Lasst es gefälligst in Ruhe.", machte Raja sie an und haute Goyle auf die Finger, der sich grade nach dem Tier bückte. „Ihr habt doch gehört, dass es beißt. Aber eigentlich kann mir das ja egal sein. Vielleicht ist es ja giftig."Sie verzog ihr Gesicht zu einer ärgerlichen Grimasse, die aussah, als hätte sie statt „vielleicht"eher „hoffentlich"gemeint.
„Ach Draci, lass Potter und die dumme Banes sich doch mit dem Viech abärgern. Ich will lieber zu dem Fisch."Entschlossen zog Pansy den blonden Slytherin in die gewünschte Richtung und Crabbe und Goyle folgten ihnen gleichgültig wie immer. „Und nenn mich nicht immer Draci...", hörte man ihr Opfer noch grollen.
Das Griffhorn, das die ganze Zeit geknurrt hatte, schnaufte nun und fing an sich das Fell zu lecken. Eigentlich sah es wirklich nicht besonders böse aus.
„Vielleicht wäre es auch lieber nicht ganz so auffällig gefärbt.", drang Rajas Stimme in Harrys Betrachtungen ein. „Aber es kann sich das wahrscheinlich gar nicht aussuchen, anders zu sein als die anderen."
Sie kniete sich neben ihm auf den Boden und streckte ihre Hand in Richtung des pinken Gastes aus. Das Griffhorn hörte auf sich zu putzen und schnüffelte neugierig an ihrem Finger.
„Aber ich glaube auch nicht, dass die Amis dieselben Erwartungen an ein Haustier haben wie hier. Das muss bei denen nicht nützlich sein, sondern wird in einen Glaskasten gesperrt um hübsch auszusehen und damit anzugeben. Ob das Tier lieber normal leben würde bei seinen Artgenossen ganz ohne besonderes Fell und Privilegien interessiert die nicht."
Bitterkeit schwang in ihrer Stimme mit, während sich das Griffhorn langsam näher wagte und anfing vorsichtig an ihren Fingern zu knabbern.
„Ach du armes, hast du Hunger?", lockte Raja das Tier.
Sie griff in ihre Tasche und förderte aus einem kleinen Beutel ein Fleischstückchen zutage. Gierig nahm das Griffhorn das Fleisch und begann zu fressen.
„Das hab ich sonst immer für Emily mit.", erklärte sie auf einen fragenden Blick von Harry hin.
„Dein Frettchen, nicht wahr?" Fasziniert betrachtete Harry, wie sich das Griffhorn auf die Hinterbeine stellte um nach dem Beutel mit dem Fleisch zu angeln.
„Ja. Der Beutel ist echt praktisch. Aus Trollhaut, da drin wird einfach nichts schlecht. Zu viele Konservierungsstoffe, nehme ich an.", lachte sie.
„Was sagt denn eigentlich Malfoy zu Emily?", fragte Harry vorsichtig und hielt nun auch seine Hand hin, damit das Tier seinen Geruch kennen lernen konnte.
„Er kann sie nicht leiden. Am liebsten würde er seiner Pansy- Mansy auch einen Pelzkragen daraus machen, aber ich kann es ihm nicht verübeln."
Erstaunt blickte Harry das Mädchen an, das seelenruhig weiter das Griffhorn streichelte, welches inzwischen auf der Suche nach noch mehr Fleisch begonnen hatte, auf ihrem Schoß herumzuklettern.
„Ach du weißt von der Sache mit MadEye Moody?", staunte der Gryffindor nun. "Ich denke Draco hätte jedem Prügelstrafe angedroht, der noch mal über die Sache redet. Ein Drittklässler aus Slytherin war letztes Jahr zwei Tage auf der Krankenstation."
Er sah, wie sie leicht erschrak und dann aber lässig abwinkte: „Naja, der große Malfoy kann seine Ohren schließlich nicht immer überall haben. Es hat mir jemand erzählt. War bestimmt keine angenehme Sache."
Doch noch bevor Harry weiter auf das Thema eingehen konnte, rief Hagrid die Schüler wieder zusammen.
„Professor Dumbledore hat mich gebeten, euch in Projekt-Gruppen einzuteilen, damit jeder das fremde Tier beobachten und studieren kann. Am Ende des Jahres, wird dann jede Gruppe den anderen ihr Tier vorstellen..."
Gemurmel unter den Schülern brach aus, alle fangen an zu diskutieren, welches Tier sie nun am liebsten hätten.
„Und noch etwas, Kinder.", unterbrach Hagrid den aufkommenden Lärm. „Ich werde die Gruppen per Los einteilen. Nächste Woche sag ich euch dann bescheid mit wem ihr zusammen seid."
Entsetztes Stöhnen war die Folge auf diese Ankündigung.
„Wie ich mein Glück kenne, hab ich bestimmt Crabbe, Goyle und Millicent Bulstrode.", begann Neville zu jammern. „Und dann bekomm ich noch das gruselige Fürchte-Vieh und es frisst Trevor. Ganz bestimmt."
Ron, Hermine und Harry fingen gleichzeitig laut an zu lachen und nahmen den verzweifelten Jungen auf dem Weg zurück in ihre Mitte. „Du brauchst keine Angst haben.", versuchte Harry ihn aufzumuntern. „Das Griffhorn ist auch nicht gefährlicher als Krummbein."
„Aber wenigstens„, versetzte Hermine ihm ärgerlich, „ hat Krummbein nicht so eine schrecklich Farbe."Doch dann wendete sie ihre Aufmerksamkeit lieber Ron zu, der aus lauter Verliebtheit angefangen hatte, mit ihren buschigen Haaren zu spielen und jetzt seinen Finger nicht mehr aus dem Knoten kriegte.
Als Harry sich noch mal umsah, steht Raja noch alleine mit Hagrid an dessen Hütte und schien etwas zu besprechen.
„Wartet nicht auf mich", rief er daraufhin seinen Freunden zu. „Ich komm gleich nach."
„Also abgemacht!", sagte Raja grade als er zurück zur Hütte gelaufen kommt. „Ich bring sie dann morgen vorbei."
Als Harry sie fragend ansah verdüsterte sich ihr Gesicht aber auf einmal wieder. „Was willst du denn schon wieder? Hier gibt es nichts für dich zu sehen."
Und mit wehenden Haaren stürmte sie an Harry vorbei dem Schloss zu.
„Was wollte sie denn Hagrid?", wendete der sich daraufhin an seinen großen Freund.
Der zuckte aber mit den Schultern und meinte: „Ich soll´s nicht so breittreten, hat sie gesagt. Und wenn das Mädchen das nicht will, bin ich nicht da um ihr zu sagen, dass sie´s anders machen soll."
Mit diesen Worten lies er den perplexen Harry stehen und brummte im Weggehen noch: „Aber Schneid hat sie, dass muss man ihr lassen."
