Kapitel 5

Als Élwen die Goldene Halle betrat, wehte ihr der Duft gebratenen Fleisches entgegen, der sie die Nase leicht rümpfen ließ. Aragorn, Gimli und Éomer saßen an einem Tisch bei der Kochstelle, Gimli ,nicht überhörbar, essend, Aragorn Pfeife rauchend und sich leise mit Éomer unterhaltend. Auch Legolas war der Geruch des Fleisches nicht angenehm, er stand an eine Säule gelehnt auf der anderen Seite der Halle. Wie Menschen sich manchmal nur so belasten können, dachte Élwen und betrachtete das fetttriefende Schwein, welches am Spieß über dem Feuer briet.

„Kann ich euch etwas von dem Braten anbieten? Ihr müsst nach der langen Reise hungrig sein."Éowyn kam zögernd auf sie zu.

„Danke, aber ich bevorzuge leichtere Kost."

„Wir hätten noch einen Gemüseeintopf in der Küche, ich hole euch eine Schale voll."

Als Éowyn mit der dampfenden Suppe wiederkehrte, bemerkte Élwen erst ihren leeren Magen. Dankend setzte sie sich neben Aragorn.

„Essen die Elben überhaupt kein Fleisch?"Éowyn musterte sie mit einer leichten Neugier, Élwen fragte sich, wie viele sie von ihrer Art schon gesehen hatte.

„ Nur sehr selten, wir haben sehr großen Respekt vor jeglichem Leben, heutzutage achten aber nicht mehr alle auf ihre Ernährung. Viele wollen noch mal die menschlichen Genüsse erleben, bevor sie in den Westen ziehen."

„ Gibt es in den unsterblichen Landen etwa kein Fleisch?"

„ Doch, ich denke schon, aber für nicht wenige Elben ist die letzte Reise eine Art Symbol als Reinigung von ihrem Leben in Mittelerde und Neubeginn. Und als Loslösung von menschlichen Eigenschaften, um zu einem Zustand vollkommener Weisheit zu gelangen."

„ Menschen haben nicht nur schlechte Eigenschaften, aber das scheinen Elben nur zu oft vergessen zu wollen. Für mich klingt diese ganze Geschichte nur danach, dass sie zum ersten Mal einer Herausforderung nicht gewachsen sind und lieber Mittelerde verlassen, als sich dem bösen Schatten zu stellen." Élwen wusste um den Vorwurf in Éomers Stimme.

„ So dürft ihr es nicht sehen, Éomer, die ersten Wesen, die diese Welt besiedelten, waren Elben, wir lebten hier schon Jahrhunderte, bevor der erste Mensch sie betrat, lebten von, aber auch mit ihr. Ich kann es nicht verübeln, wenn Einige sich zurückzogen, als sie sahen, wie in den letzten Jahrhunderten die heranwachsenden Menschenvölker Mittelerde zugrunde gehen ließen. Nach der großen Schlacht anfangs des Zeitalters mussten sie mit ansehen, wie so viele von ihrer Art starben, nur damit der Eine Ring aufgrund eines einzigen Menschen überleben konnte. Jetzt haben sie Angst, dass der Lauf der Geschichte sich nur wiederholt und überlassen die Menschen ihrem Schicksal."

„Sie sind sich aber auch der Macht bewusst, die sie besitzen, meine Herrin, und dass sie mit deren Hilfe Sauron besiegen könnten. Warum können sie nicht verzeihen, was geschah, diese Gnade macht für mich Weisheit aus."

„Nun, das tun sie, wenn auch nicht alle, wären sonst Legolas, Prinz des Düsterwaldes und ich, als Abgesandte Bruchtals hier? Ich teile nicht die Meinung derer, die die Menschen verachten, für mich sind sie in vielen Aspekten sogar erhabener als Elben."Warum verteidige ich mich ihm gegenüber? Habe ich das nötig? Élwen sah Éomer in die Augen, bis sie meinte, dass die Bosheit in seinen nachließ.

„Élwen, so dürft ihr nicht über euer Volk sprechen", meldete sich Éowyn zu Wort, „ verzeiht meinen Bruder, aber seit wir denken können, schwebte unser Land schon in großer Gefahr, wir haben nie Frieden erlebt."Éowyn legte ihre Hand auf Éomers Arm, dieser erwiderte diesmal ohne Zorn, aber mit einem gewissen Spott in der Stimme:

„Ihr könnt das nicht verstehen, ich würde auch lieber ein wohlbehütetes Leben in einem Tal der Eintracht verbringen, als mir mein Recht zu überleben mit dem Schwert erkämpfen zu müssen."

Élwen fühlte sich durch seine letzten Worte eigentümlich verletzt. Ohne sich dessen bewusst zu sein, richtete sie sich auf, wie sie es immer in so einer Situation tat, doch sie suchte vergeblich nach Worten, sie wusste zum ersten Male nicht, was sie erwidern sollte. Sie blickte ihn einfach nur an. Éowyn schien verlegen zu sein und wollte grade etwas Entschuldigendes sagen, als die Tür plötzlich aufschwang und Gandalf und Théoden, gefolgt von zwei Kindern herein kamen.

Nachdem Éowyn sie einigermaßen versorgt und mit Essen gestärkt hatte, erzählte sie dem Rest, was der Junge und das Mädchen ihr berichteten.

„Jetzt greifen diese Ungetümer schon unschuldige Familien an, vor was machen diese Monster noch Halt?"Mit einem Fußtritt beförderte Éomer einen Topf ans andere Ende der Halle. „Onkel, wir müssen gegen sie ziehen, oder sie werden schon sehr bald an unserer Tür klopfen."

„Euer Neffe hat Recht, Théoden,"Gandalf redete beschwichtigend auf ihn ein, er wusste, dass Théoden einen Konflikt mit sich selbst ausfocht, „ihr müsst gegen sie in den Krieg ziehen!"

„Nein!"

Théoden sprang auf und ging von seinem Thron weg.

„Mein Volk musste während meiner Krankheit schon genug leiden, ich kann es jetzt nicht noch mehr riskieren, ihnen Qualen zu bringen."

„ Aber das ist es doch, worauf es Sauron und Saruman abgesehen haben,"warf Élwen ein, „ sie wollen eurer Volk zerstören, und davor müsst ihr sie beschützen, es gibt keine Alternative als Krieg! Wollt ihr abwarten, bis sie ihre Armeen so weit erstarken, dass kein Kind, keine alte Frau Rohans ihren Schlag überleben wird?"

„Ihr seid nicht befugt, mir Befehle zu erteilen, Frau Élwen, als König entscheide ich, morgen räumen wir die Stadt und ziehen nach Helms Klamm!" Ohne ein weiteres Wort zog Théoden raschen Schrittes ab.

Vorausahnende Stille füllte die Halle.

„Helms Klamm, was glaubt er mit dieser Flucht zu erreichen, das können sie nicht durchstehen."

Éomer trat auf Élwen zu. „Mein Onkel will sie beschützen, nicht dem Tod überlassen, ich weiß, dass die Festung nicht jeder Streitmacht Stand halten kann, aber solange noch Hoffnung besteht, werden die Männer Rohans sie verteidigen."

„ Das ist es ja, was mir Sorgen bereitet, schon bei unserer Ankunft sah ich die Angst in ihren Augen, ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass noch Hoffnung besteht."Die letzten Worte sagte sie nur noch im Flüsterton.

„Dann wird das die letzte Schlacht Rohans werden, wenigstens kann man nicht behaupten, wir hätten nichts unversucht gelassen."Flüsterte er ihr zurück und zog dann an ihr vorbei.