Kapitel 13
Teil 1
„Die Bogenschützen nehmen auf dem langen Wall Stellung, lasst alle Rohirrim in die innere Festungsanlage. Meine Freunde...?"
„ Théoden, wir gehen selbstverständlich mit auf den Wall, ich werde doch nicht zulassen, dass diese Spitzohren mehr Spaß haben als ich!" Gimli spielte bereits nervös mit seiner Axt, er konnte es kaum abwarten, auf die Orks zu treffen. König Théoden gab laut letzte Anweisungen und es herrschte noch eifriges Aufrüsten, während Aragorn, Haldir und Legolas schon mit den Bogenschützen auf dem Wall eine stillstehende Einheit bildeten. Élwen und Gimli wollten auch bei ihren Freunden Stellung beziehen.
Théoden nickte ihnen bestimmt zu.
„Wie ihr wünscht, Éomer, ihr..."
„Mein König,"unterbrach ihn Éomer, „ich könnte es nicht ertragen, wenn der erste Unhold nicht von mir selbst erschlagen würde..."
Théoden sah ihn mit lächelnden Lippen an. „So soll es denn sein. Schmettre ihnen dein Schwert in den Körper, bevor sie auch nur einen Rohirrim anrühren können!"Seine Stimme war erfüllt von stolzer Leidenschaft. Éomer nickte untergeben und folgte Élwen und Gimli.
Sie standen nebeneinander in der Dunkelheit, als sie die herannahenden Lichter und das Gebrülle hörten. Es dauerte nicht lange, als ihnen das Ausmaß der Bedrohung klar wurde. Élwen sog hörbar die Luft ein.
„Es sind so viele..."Sie stand am Rande des Walls und hatte die Hände unruhig auf die kühle Mauer gelegt. So sehr sie es versuchte, ihre Angst konnte sie nicht länger verbergen. Ihre Augen verrieten sie und ihre Finger krampften sich ineinander, als ob sie das harte Gestein dadurch erweichen könnte. Ihre Fähigkeiten im Kampf waren hervorragend, doch gegen eine solche Streitmacht...
Plötzlich spürte sie einen leichten Druck auf ihrer Hand. „Habt Mut, Élwen, verdrängt eure Ängste, für jene, die es nicht können..." Éomer stand gerade aufgerichtet, seiner Stellung bewusst, majestätisch in der Statur und mit strengen Gesicht, doch seine Stimme war leise und seine Hand drückte ermutigend die Élwens.
„Habt ihr je Angst gehabt zu sterben, Éomer?"
Er dachte eine Weile nach und antwortete dann. „Etliche Male denke ich, doch habe ich die Angst nie an mich herankommen lassen. Wenn sie in mir heranwuchs, bildeten sich Bilder in meinem Kopf, Bilder von den Menschen, die ich liebe und um deren Verlust ich mich mehr fürchte, als um meinen eigenen. Meine Schwester, mein Onkel, manchmal auch verschwommene Erinnerungen an meine Eltern...ich töte für mein Land, nicht um mich vor dem Tod zu schützen."
Élwen seufzte leicht. „Wisst ihr, dass ich bereits 3000 Jahre alt bin? Nach so einem langen Leben meint man, dem Tode leichtfüßiger gegenüber zu stehen, doch ich bin noch nicht bereit dazu, ihm die Hand zu reichen. Und doch... Ich bewundere euch um eure Verbundenheit und Loyalität zu eurem Volk, Éomer. Solch ein Gefühl, eine Ergebenheit aus Liebe, habe ich bisher noch nie erfahren, jedoch seit ich in Rohan bin, euch und eure Familie kenne...Wären dies meine letzten Stunden, ich würde mein Leben hergeben, nur um das Überleben dieser Menschen zu sichern, der unschuldigen Frauen und Kinder in den Höhlen..."
„Hoffnung, Élwen, verzagt nicht, wenn ihr mit dem Herzen kämpft, werden die Seelen derer euch beschützen, für welche ihr euer Leben aufs Spiel setzt. Ihr begegnet dem Tod nicht alleine..." Sie schwiegen, während die tosenden Mengen heranzogen, doch Éomers Hand lag immer noch fest auf Élwens.
Poch.
Poch.
Mit jedem Schritt, den Sarumans Armee machte, spürte Élwen ihr Herz im Einklang dazu klopfen. Das pochende Gefühl spürend, dass ihre Brust fast zum zerbersten brachte, rief sich Élwen Éomers Worte ins Gedächtnis. Sie dachte an Éowyn und alle Frauen und Kinder Rohans unter ihren Füßen. Wenn sie die Orks nicht aufhielten, würden sie direkt nach unten stürmen und...
Nein! Das könnte sie nicht zulassen, die Angst war wie vertrieben und hatte dem Feuer Platz gemacht, dass sie nun antrieb, diesen Wesen zu zeigen, was es heißt, sich einer Elbin in den Weg zu stellen. Nicht umsonst kam sie aus diesem Geblüt, hatte sie vergessen, welche Ausbildung sie genossen hatte, welche übermenschlichen Fähigkeiten ihr dazu verhalfen, schneller als ein Mensch und brutaler als ein Ork zu töten?
Es fing an zu regnen und nach ein paar Minuten hingen ihr die braunen Locken schwer ins Gesicht, doch ängstlich war sie nicht, die breite, große Gestalt Éomers neben ihr gab ihr zusätzlich Ruhe. Ihre Hand legte sich nun auf ihr Schwert und sie blickten sich kurz an, bevor auch schon Aragorn das Zeichen zum Angriff gab und die ersten Pfeile losgingen. Nicht viel später richteten sich die Leitern aus der grölenden Masse unterhalb von ihnen auf .
Élwen zog ihr wendiges Krummschwert aus der Scheide und ließ es im Regen aufblitzen, Donner erhellte den Himmel und sie wusste, dass in diesem Moment die Macht der Illuvatar mit ihr war, als der erste große Ork vor ihr erschien und sie die Klinge sauber durch ihn hindurch gleiten ließ. Sie hüpfte galant zur Seite um ihm fallen zu lassen und duckte sich vor der Klaue eines weiteren. Sie merkte nicht ihren Schrei, als sie diesem den Kopf abhackte und Schmutz sie bespritzte. Wendig wie eine Katze erschlug sie einen nach dem anderen, die Nässe und der Schlamm setzten sich in ihrer Kleidung fest. Die Schlacht war vollends entbrannt, auf dem Wall kämpften alle, im Getümmel konnte man nur schwer Freund von Feind unterscheiden, doch Élwens elbische Sinne verliehen ihr überschnelle Reaktionen.
Ihre Haare flatterten um ihren Kopf und sie vernahm ein eigenartiges Gezähle von Gimli und Legolas, wann immer sie sich in deren Nähe befand. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht und bald kam es ihr nicht mehr wie ein Überlebenskampf vor, sondern eher wie ein Spiel, so merkwürdig das auch klingen mochte. Wenn diese beiden männlichen Gefährten von ihr ihren Spaß daran hatten, warum dann sie nicht auch? So langsam verstand sie, warum Männer so viel Gefallen daran fanden, in Schlachten zu ziehen, obwohl es eigentlich nur traurige Angelegenheiten waren, sie konnte sich austoben, wann hatte sie als Elbin das letzte mal die Gelegenheit dazu gehabt, so vollends im Rausch aufzugehen?
Ihre Gedanken machten sich selbstständig und verwirrten sie, sie fragte sich, wie lange sie das wohl aushalten würde. Einen Moment lang hatte sie tatsächlich den Ernst der Lage aus den Augen verloren und sich niederen Gelüsten hingegeben. Ihr Zeitgefühl war vergangen, kämpften sie nun erst seit wenigen Minuten oder schon stundenlang?
„Legolas, bring ihn zu Fall!!" Sie vernahm das wilde Geschrei Aragorns, doch nur eine Sekunde später erbebte sie vor einem Dröhnen und fühlte, wie sie in die Luft geschleudert wurde. Sie schlug hinter dem Wall am Boden auf und ein gequälter Aufschrei entrang sich ihrer Kehle. Unfähig aufzustehen, hustete sie den Dreck aus, den sie geschluckt hatte, ihre Stirn pochte, etwas hatte sie dort hart getroffen. Sie nahm grade noch wahr, wie sich ein Ork auf sie zustürzte und hob einen Arm, als sich plötzlich Éomer zwischen sie und das Monster warf, nur wenige Zentimeter von ihr entfernt. Sein kämpferischer Gesichtsausdruck war wild und er brüllte kurz auf, als er sein Schwert noch weiter in das Untier rammte. Élwen rappelte sich auf, und suchte ihr Schwert, dass ihr vonhanden gekommen war. Éomer stellte sich zur Deckung mit dem Rücken zu ihr.
Sie sah ihr Schwert auf dem Boden liegen und rann auf es zu, als sich unmittelbar vor ihr ein Ork aufbaute. Reflexartig holte sie weit aus und schlug ihm mit voller Wucht ihre Faust ins Gesicht, dass er umfiel. Sie schnaubte und hob ihr Schwert auf. Jetzt bemerkte sie erst mit Schrecken, dass mitten im Wall ein riesiges Stück einfach verschwunden war, doch sie hatte keine Zeit, sich zu fragen, wie das geschehen konnte. Éomer hatte hinter ihr schwer mit den Orks zu handhaben und sie eilte ihm zu Hilfe. Rücken an Rücken konnten sie den größten Ansturm abfangen und viele daran hindern, von hinten auf die Burg zu stürmen. Von oben hörten sie Gamling zum Rückzug rufen.
„Wir müssen auf den Klammwall zurück, sonst schaffen wir es nicht mehr in die Burg!", rief ihr Éomer zu und sie nickte. Schon stürmten sie los, rannten die Treppe hinauf, an vielen orkischen aber auch elbischen Leichen vorbei. Éomer drehte sich zu ihr um und seine Augen weiteten sich.
„Élwen, pass auf!" Sie konnte sich nur noch umdrehen, als plötzlich eine vertraute elbische Gestalt gegen sie sackte.
„Haldir?"
Sie fing ihn grade noch auf, bevor er zu Boden fallen konnte. In seiner Brust klaffte eine massige Wunde. Der Ork, dessen Schlag eigentlich Élwen gegolten hatte, wurde mit einem raschen Schwinger Éomers getötet, doch Élwen hatte sich neben Haldir niedergekniet und verzweifelt ihre Hand auf sein Gesicht gelegt. Die Tränen rannen ihr über die Wangen. Der elbische Lebenshauch floss schnell aus ihm, doch er schaute sie an und sprach zu ihr.
„Ich folge einem Pfad, ich weiß nicht... er führt irgendwo hin.. in die Dunkelheit...". Er hustete einen Schwall Blut aus.
„Nein, sage nichts mehr, du darfst dich nicht anstrengen......"Ihre Stimme war nur noch eine Mischung aus Flüstern und Schluchzen.
„Élwen, ich schwinde,... weine nicht... ich will dich nicht weinen, sondern lachen sehen, wenn ich sterbe,.....finde deine Bestimmung, und wenn du dich an mich erinnerst, dann denke an..." Doch mehr konnte er nicht mehr hervorbringen, Haldir starb in ihren Armen.
„Haldir..."Sie schloss ihm die Augen und küsste ihm schluchzend die Stirn. Éomer zog sie hoch, doch sie wehrte sich.
„Élwen, komm, wir müssen hier weg, bitte!" Er hatte ihr Gesicht mit beiden Händen gepackt und zwang sie, ihn statt den toten Haldir anzusehen.
„Bitte!"
Sie nickte und ließ sich von ihm in Richtung Hornburg ziehen.
