Kapitel 13
Teil 2
Im Vorhof der Burg drängten sich etliche Rohirrim aneinander vorbei. Die Orks waren noch nicht so weit vorgedrungen, obwohl sich einige schon gefährlich nahe befanden. Über die hinteren Treppe konnten sie nur noch mit letzter Kraft abgehalten werden.
Éomer und Élwen kamen keuchend im Hof an, Élwens Kopf pochte und sie musste sich konzentrieren um nicht dem Schwächegefühl in ihren Beinen nachzugeben. Die Bogenschützen an der oberen Mauer hatten noch die Hauptarbeit, während am Haupttor andere verzweifelt versuchten, den Rammbock abzuhalten.
Éomer schnappte sich den Bogen und Köcher eines toten Schützen und sprang auf den oberen Vorsprung. Élwen tat es ihm nach, mit ihren elbischen Augen konnte sie rasch viele Orks zu Fall bringen.
Plötzlich wurden Anker auf die Mauer abgeschossen, im Effekt riss Élwen Éomer zur Seite, den ansonsten einer getroffen hätte. Lange, mit Orks besetzte Leitern wurden hoch gezogen.
„Zielt auf die Seile! Zielt auf die Seile!", schrien sie den ungeübten Schützen zu.
Élwen zog ihr Schwert und konnte grade noch eine Leiter hindern, an der Mauer anzusetzen, indem sie ein Seil durchschnitt. Legolas hatte eine weitere in die Menge zurückfallen lassen, doch es waren trotzdem zu viele von der Sorte. In der Dunkelheit konnten sie nicht mehr soviel sehen und die Bogenschützen verließen ihre Plätze, als die Horden die Festung erklommen.
Der König rief zum Rückzug in die Burg, Élwen wollte ihre Stellung nicht aufgeben, war aber schließlich doch dazu gezwungen und schlüpfte als Letzte durch das Tor, bevor es verriegelt wurde.
„Élwen, ein Glück, ich dachte schon, du hättest es nicht mehr geschafft!" Aragorn kam mit einer Bank auf sie zu.
„Nein, aber beinahe wäre es um mich geschehen gewesen. Was war mit dem Wall passiert?"
„Saruman, er hat es irgendwie geschafft, ihn mit Feuer zu zerstören, hier, pack mit an, stemmt alles gegen die Tür!"
„Nein! Hört auf! Es ist hoffnungslos." Alle schauten den König an, der mit herabhängendem Schwert erschöpft in der Halle stand.
„Die Burg wird nicht eingenommen, solange die Menschen Rohans sie verteidigen, sie sterben dafür!"
„Was können wir schon tun?"
Éomer trat zu ihm und packte ihn am Arm.
„Onkel, wenn wir jetzt aufgeben, war alles wofür wir gekämpft haben, umsonst. Sollen wir als selbstsüchtige Feiglinge in die Geschichte eingehen? Die letzten Menschen Rohans sollen sich vor dem Ende ein Beispiel an uns nehmen! Lasst uns rausreiten und ihnen mit erhobenem Schwerte begegnen!"
Königliche Würde schimmerte wieder in Théodens Blick auf.
„Für Ruhm und Ehre!"
„Nein...", in Éomers Augen spiegelte sich eine Traurigkeit wider, bei der sich Élwens Herz verkrampfte, „ Für unser Volk!"
„So denn, macht die Pferde bereit, Éomer..", Théoden legte seinem Neffen eine Hand auf die Schulter,"Du wärst wahrlich ein großer König geworden, du gibst deinen Untertanen die Hoffnung, die sie verdienen!"
Der König schritt schnell davon um sein Pferd zu holen, doch Éomer blieb mit gesenktem Kopf stehen. Élwen trat zu ihm und hob sanft sein Kinn.
„Ihr habt wahrlich eure Würde bewiesen, wenn ihr auch mehr an ihr gezweifelt hattet als andere. Verteidigt euch nicht, ich weiß, welche Ängste in eurem Herzen wohnten, Thronfolger zu sein, bedeutet mehr, als eines Tages die Krone zu tragen. Doch ihr braucht nicht den Kopf zu senken, Éomer, Éomunds Sohn, ihr wärt der Letzte, der dies tun müsste."
Er nahm ihre Hand von seinem Kinn, drückte einen Kuss darauf und verschwand dann, ohne ihr in die Augen zu sehen.
Während Élwen rasch Faire sattelte, dachte sie an Arwen und deren Liebe zu Aragorn. Ihr war bisher nie in den Sinn gekommen, dass ihre Schwester sterben würde, wenn Aragorn in dieser Schlacht umkam. Sie hatte sich für dieses Los entschieden und so sehr Élwen die menschliche Rasse bisher auch respektiert hatte, sie hatte sich nie vorstellen können, wenn überhaupt, jemand anders als einen Elben zu heiraten. Doch sie betrachtete Legolas, hätte er sich je für Menschen eingesetzt, die er nicht kannte, die vielleicht meilenweit von ihm weg lebten und für die er trotzdem sein Leben riskieren würde? Er ritt wohl mit ihnen, aber mehr aus Ehre als aus Leidenschaft.
Vielleicht war es das, was sie so an die Menschen anzog. Dass sie mit dem Herzen handelten, ihre ganze Spontanität sprach dafür, natürlich gab es immer Ausnahmen, aber hatten Elben dies mit den Jahrtausenden verlernt? War dies der Preis für ihre uralte Weisheit? Ihre Hand drückte sich tief in das Fell ihres Pferdes.
Ohne das Wissen warum, war sie sich plötzlich sicher, dass sie heute nicht sterben würden. Mit einem Blick zum Fenster, nahm sie die Sonnenstrahlen wahr, die sich ihren Weg über den kalten Stein bahnten. Wärme erfüllte ihr Herz, danke, oh ihr Valar, heute wird nicht der Tag unseres Unterganges sein..
„Élwen,..."Éomer lenkte sein Pferd neben sie. „Es war mir eine Ehre euch kennengelernt haben zu dürfen , meine Herrin...."
„Nein, Éomer, so oft habt ihr mir zu neuem Mut verholfen, doch jetzt ist es an mir, euch zu sagen, dass ihr euch irrt. Keine Abschiedsworte sollen heute über unsere Lippen kommen. Vertraut mir, die Hallen eurer Ahnen werden euch noch nicht erwarten."
„Auf Eorlingas!!"
Die Pferde stoben los, durch das Tor und den Hof hinunter, die verwirrten Orks unter sich zermalmend, im Galopp den steinigen Stieg hinunter, mitten in die schwarze Armee. Solange sie noch konnten, würden sie die Feinde niederschlagen.
Plötzlich erschall ein Horn. Sowohl die Orks als auch die Reiter drehten die Köpfe in Richtung des Abhanges, wo ein weißes Pferd auftauchte.
„Gandalf!" Élwen lachte, seine Gegenwart war es, die sie gespürt hatte, ihr alter Freund hatte es doch noch geschafft, Erkenbrand und seine Rohirrim rechtzeitig zu holen. Mit dem weißen Reiter an der Spitze preschten sie den Abhang hinunter, zur Rettung Rohans...
