Ich will nur schnell loswerden, dass dieses Kapitel mir wahrlich Kopfzerbrechen gemacht hat und ich es mindestens tausendmal umgeschrieben habe, bis es mir so gefiel, also wär ich über eine Rückmeldung dazu sehr erfreut...

Kapitel 17

Die Nachtluft war ein kühler Segen, der ihre Tränen schnell trocknen ließ. Doch das Gefühl der Leere blieb. Ihr Vater hatte sie so sehr enttäuscht, sie hätte es nie für möglich gehalten, dass sein Unmut Menschen gegenüber von einem Fehler herrührt, den er selber begangen hatte. Sie ballte die Faust und schlug gegen einen Balken. Schmerz durchzuckte ihre Hand und sie konnte ein Fluchen gerade noch unterdrücken. Sie griff sich an die Schläfen in dem Versuch, das Bild ihrer Mutter aus ihrem Kopf zu kriegen, wie sie tot im Regen liegt.

Die langen, blonden Locken... es lag ihr so klar vor Augen, dass es noch nicht einmal verschwand, wenn sie sie schloss. Ihre Mutter war aus Rohan gekommen, das Blut der Rohirrim floss in Élwen, sie hätte es nicht für möglich gehalten, wenn es nicht aus dem Mund ihres alten Freundes gekommen wäre. Doch verstand sie jetzt auch, was ihr vorher unklar erschienen war, warum sie gerade diesem Land so zugetan war...

„Der Himmel ist heute Nacht noch klarer, als beim letzten Male, als wir hier saßen..." Schnell wischte sich Élwen die Tränen aus dem Gesicht, doch Éomer hatte ihre Verfassung bereits gemerkt. Er setzte sich neben sie auf die Stufen.

„Ihr habt geweint, was ist passiert, dass euch an diesen Abend traurig stimmt?"

„Nichts, es ist nur..."Salzige Tropfen perlten erneut ihren Wangen hinunter. Éomer nahm ihre Hand und drückte sie.

„Erzählt mir, was euch bedrückt..."

Sie erzählte ihm von ihrer Mutter, ihrem Vater und dem Zorn, den sie auf ihn verspürte, ihre Hand nicht loslassend, hörte er ihr geduldig zu. Ihr kam es wie eine Ewigkeit vor, wie sie dort saßen und sie erzählte. Erst als sie fertig war und sich die Wangen abwischte, antwortete er.

„Ich kann eure Wut verstehen, doch was geschehen ist, ist geschehen, ich denke nicht, dass eure Mutter eurem Vater egal war. Er ist ein Elb und hätte sich nie auf sie eingelassen, wenn er nicht auch etwas empfunden hätte. Gebt ihm nicht die Schuld an ihrem Tod, ihr Herz wurde ihr zum Verhängnis.."

„Die ganzen Jahre lang wusste ich als einziges von meiner Mutter, dass sie ein Mensch war und jetzt erfahre ich so vieles, worüber ich lieber im Unwissen geblieben wäre."

„Und doch fühlt ihr euch dadurch eurer Mutter näher, nicht wahr? Ich kann mich noch erinnern, wie ich mich fühlte, als meine Eltern verstorben waren. Als erstes verspürte ich eine unheimliche Wut auf diejenigen, die mir diese Botschaft brachten. Ich rastete aus und tobte in meinem Gemach, bis ich zu erschöpft war und weinend auf meinem Bett zusammensackte. Diese beiden Zustände wechselten sich dann tagelang ab. Heute denke ich, ich könnte mich besser an sie erinnern, wenn ich mich eher besonnen hätte."

„Wisst ihr noch viel von ihnen?"

„Manchmal zwinge ich mich, an sie zu denken, doch ich sehe sie nicht, ich schaue tief in mich hinein, aber da ist nichts mehr, kein Bild von ihnen, keine Stimme..." Er senkte den Kopf, Éolwen legte intuitiv ihre Hand auf seine Wange und drehte seinen Kopf zu ihr. Die Traurigkeit in seinen Augen sprach von seinem inneren Leiden, aber er ließ es nicht raus.

„Aber ihr wisst, dass ihr sie geliebt habt ,und dass sie euch liebten, und das ist mehr wert als Erinnerungen an ihr Gesicht..."

Er nickte nur und nach einer Weile ließ sie ihre Hand wieder sinken.Sie wendeten sie ihre Blicke wieder den Sternen über ihnen zu. Élwen erinnerte sich an ihr Gespräch mit Éowyn an diesem Abend.

„Warum sind Menschen so verletzlich? Ihre Seelen sind verwundbarer als die der Elben, wenn sie auch nicht an gebrochenem Herzen sterben können..."

„Dafür liegt es in der Natur der Elben, Traurigkeit mit sich zu tragen...Ich sehe euch so gerne lachen, doch der Schatten der Betrübnis verlässt euch nie vollständig..."

„Ich denke, das bringt Unsterblichkeit mit sich.... Man wird nach einer Weile ihrer müde. Jeder Mensch strebt nach etwas in seinem Leben, doch wann erreicht man sein Ziel, wenn man unsterblich ist?"

„Es ist keine Frage der Zeit, sondern der Werte, die man vertritt. Manche wie ihr suchen oft ein Leben lang nach dem Sinn ihres Seins und andere zeigen sich zufrieden, sich baldig zu vermählen und eine Familie zu gründen. Diesen Weg hattet ihr abgeschlagen, als ihr Haldir zur Frau gegeben werden solltet..."

„Ich lehnte diesen Weg nicht ab, sondern die Weise auf die ich ihn betreten sollte. Aber woher wisst ihr, dass Haldir derjenige war, welchem ich versprochen war?"

„Die Spannungen zwischen euch in Helms Klamm waren nicht zu übersehen. Ich gebe zu, das ich mich fragte, in welcher Beziehung ihr zueinander steht, doch als ihr sagtet, ihr hättet ihn verletzt, konnte ich es mir denken. Erlaubt mir eine Frage, habt ihr ihn geliebt?"

Sie seufzte.

„Nein, das tat ich nicht. Als Freund galt ihm meine Zuneigung, aber nicht mehr. Ihm das zu gestehen, fiel mir schwer, da ich um seine Reaktion wusste. Doch hätte ich mit seinen Gefühlen spielen sollen?..."

„Ihr hattet keine andere Wahl, ich hätte an eurer Stelle genauso gehandelt."

Sie schaute ihn neugierig an.

„Wart ihr schon einmal in meiner Situation?"

„Ihr werdet es kaum für möglich halten, aber auch ich interessierte mich einst für andere Sachen als für Pferde.", erwiderte er mit einem Lächeln. Élwen lächelte zurück, lauschte aber gespannt seiner Antwort.

„In meiner frühen Jugend gefiel mir ein Mädchen, ich denke, ich war sogar in sie verliebt, sie hieß Goda. Sie war sehr hübsch, aber auch klug. Wir waren ein Paar, wenn man das in unserem damaligen Alter so sagen konnte. Eines Tages hatte sie einen Reitunfall, bei dem sie ums Leben kam..."

„ Das tut mir leid....Aber ihre Gefühle hattet ihr nicht verletzt..."

„Ich fühlte mich, als ob ich es getan hätte, machte mir Vorwürfe, sie nicht beschützt zu haben, ihr Vater mied mich von da an auch und kurze Zeit später verließen er und seine Frau Edoras...Heute weiß ich, dass ich nichts für ihren Tod konnte, aber ich denke immer noch manchmal an sie..."

„Genauso wie ich an Haldir denken muss, er fehlt mir, auch wenn sein Verhalten mir gegenüber nicht gerechtfertigt war..."

Élwen verschränkte die Arme vor ihrem Körper.

„Der Vorfall mit ihm, in Helms Klamm, ihr hattet eine Vision...", hörte sie Éomer flüstern.

Abrupt blieb Élwen sprachlos stehen, Éomer ging noch einen Schritt weiter und drehte sich dann zu ihr um.

„Ihr fragt euch, warum ich davon weiß? Ich vernahm dasselbe, den Staub, den Tod..., ich wollte euch es schon länger sagen, doch fand ich nicht die richtigen Worte, selber geschockt, über das, was ich vernahm. Ich verdrängte in diesem Moment die Bilder, um euch zurückzuholen,....als ich euch an den Schultern gerüttelt hatte,... ihr solltet euch das nicht länger ansehen müssen..."

Élwen tat einen Schritt auf ihn zu, sie wollte wissen, welche Gefühle sich in seinen Augen wiederspiegelten.Doch er ließ sie nicht in sich blicken.

„Warum habt ihr es auch gesehen, mein Vater hatte es zu verantworten, er wollte mir eine Nachricht schicken, doch ihr hattet nichts damit zu tun...", doch während sie sprach erinnerte sie sich an den weißen Schweif...Was hatte sie gesehen?

„Ich weiß es nicht, nur...", er stockte, als ob er sich nicht sicher war das folgende sagen zu können. „ Alles, was ihr erblicktet, sah ich ebenfalls, auch den Schweif meines Helmes..."

Es fiel ihr wie Schuppen von den Augen, natürlich, wie hatte sie vergessen können, was sie gesehen hatte, er war es gewesen...und sie hatte zu ihm laufen wollen, ihn retten wollen... Sie schlug sich die Hand vor den Mund und wendete sich von ihm ab.

„Élwen, ihr wisst, wie ich dem Tod gegenüber stehe, sorgt euch nicht um mich,... wenn das Schicksal dies für mich vorher bestimmt, bin ich mir sicher, dass es nicht umsonst sein wird..."

„Nein!"

Ehrgeizig ging sie auf ihn zu und sah ihm tief in die Augen.

„Was mein Vater mir da geschickt hatte, war eine Vision der Zukunft, nicht die Zukunft selbst, ihr bestimmt euer Schicksal, niemand sonst, ich würde es ihm sogar zutrauen, dass er dies absichtlich getan hatte um mich wieder nach Hause zu zwingen..."

„Élwen..."Éomer legte vorsichtig eine Hand auf ihre Wange. Sie schaute in das Dunkel seiner Augen und Élwen wünschte sich zum ersten Mal in ihrem Leben die Zeit anhalten zu können. Ihr Körper füllte sich mit einer wohligen Wärme, die ihren Ursprung in ihrer Brust hatte, wo ihr Herz unruhig klopfte. Doch dann zwang sie sich, seinen Blick zu vermeiden.

„Ich werde nicht zulassen, dass diese Zukunft eintritt... Ihr mögt euch mit dem Schicksal abfinden, dass euch vorherbestimmt ist, ich tue es nicht..."

„Seid ihr wirklich so naiv? Es geht nicht um mein Schicksal allein, sondern um das von jedem hier. Verschließt euch nicht gegen die Realität, glaubt ihr wirklich, zwei Hobbits könnten gegen den Herrscher des Bösen bestehen?"

„Noch werde ich mich nicht diesen Gedanken hingeben, ihr selbst sagtet mir, dass Hoffnung besteht, solange diejenigen uns beschützen, welche wir lieben..."

„Liebe schenkt Hoffnung, aber es rettet kein Leben, Élwen..."

Lange herrschte Stille zwischen ihnen, schließlich war es Élwen, die sie brach.

„Es macht mich traurig, diese Worte von euch zu hören, Éomer, ich meinerseits wäre längst tot, wenn nicht Haldir sich aus Liebe geopfert hätte und auch ihr habt mich schon vor dem Tode bewahrt und vor einigen Minuten hatte ich noch das Gefühl...", sie brach ab, die Stimme versagte ihr.

Er stand neben ihr und schaute zu Boden.

„Und euer Gefühl hat euch nicht betrogen, Élwen... Doch kann ich nicht versprechen, euch vor allem Übel beschützen zu können, wenn meine Zeit gekommen ist, so sehr sich mein Herz auch wehren mag..."

Sein Gesicht befand sich nun nahe an dem ihren.. Er ließ seine Finger über ihre Wange gleiten. Seine Augen sprachen von einer Zärtlichkeit, die sie noch nie bei ihm gesehen hatte. Er beugte sich langsam herunter.

„Nein, ich kann nicht..."Mit einem Ruck entzog sich Élwen ihm. Ihr Herz raste wie verrückt, doch gleichzeitig pochte ihr Kopf, als ob ihre Vernunft ihn zerschmettern wollte. Ihr Atem ging schnell und sie spürte eine unheimliche Sehnsucht, ihre Arme um ihn zu schlingen und ihren Kopf an seiner Schulter zu vergraben, doch etwas hielt sie zurück, es nicht über sich bringend, es in Worte zu fassen, blieb sie wie angewurzelt stehen.

„Ich verstehe,..."Obwohl sie ihn in der Dunkelheit nicht klar erkennen konnte, vernahm sie den enttäuschten Ton.

„Nein, Éomer, ihr könnt es nicht verstehen, es ist nur..."

Ein Schmerz durchfuhr ihren ganzen Körper, als ob jemand sie mit einer Klinge durchbohren würde.... Stimmen sprachen um sie herum, doch sie konnte nur eine heraushören,... eine dunkle, schreckliche Männerstimme, die aus dem tiefsten Abgrund zu kommen schien. Sie schloss ihre Augen und sank zu Boden. Éomer fing sie auf, doch das, was sie sah, verschwand nicht. Feuer, ....ein rotes Inferno, Menschen unter sich verschlingend, dazwischen ein einziges Auge, so heiß, dass sie die Hitze spürte, die sie zu verbrennen schien, ihr Körper wand sich unter der schrecklichen Szene. Mit einem Zucken hörte es plötzlich auf. Sie öffnete die Augen und wusste sofort, was geschehen war. Sie schob eiligst Éomers Arme beiseite und rannte, so schnell sie konnte zu den Gemächern ihrer Freunde.