Kapitel 23
Ihr Ohr zuckte, als sie das Geräusch vernahm. Sie blickte sich um, doch sie konnte den Ursprung des Zischens nicht ausmachen.
Meduseld war erfüllt von Tageslicht und kein Feuer brannte in der Mitte der Halle. Der König unterhielt sich mit seinen Beratern und sie stand aufmerksam neben Éomer. Théoden wollte Reiterkolonnen ausschicken, um das Land zu sichern, aber sie hatte Einspruch erhoben, um die Éotheod in Alarmbereitschaft zu halten. Aber das konnte sie Théoden nicht sagen, sonst hätte er sie über Pläne ausgefragt, denen er nicht zugestimmt hätte. Also blieb sie in Zurückhaltung stehen, um nicht seinen Respekt vor ihr zu gefährden.
Das einzige Geräusch, welches ertönte, war die Stimme Théodens und vereinzelt Gamlings. Doch da war es schon wieder gewesen, sie drehte den Kopf und schaute zu den Leuten, die hinter ihr standen, doch es ging auch nicht von ihnen aus.
Éomer wurde auf ihre Unruhe aufmerksam.
„Was ist los?"
„Ich weiß nicht, ein Geräusch dringt an meine Ohren, aber...Oh..", sie fasste sich an die Stirn, „natürlich, wie kann ich nur so unwissend sein, ja, er kommt,...es fängt an...", richtete sie sich an Éomer, blieb jedoch stehen.
Bevor er weiteres erfragen konnte, stürmte Aragorn in die Halle. Alle Köpfe drehten sich ihm zu, als er keuchend anhielt.
„Die Leuchtfeuer von Gondor, die Leuchtfeuer brennen... Gondor ruft um Hilfe..."
Es wurde still, alle warteten gespannt, wie Théoden reagieren würde.
„Bitte...", flüsterte Élwen kaum merklich, aber Éomer neben ihr war genauso nervös. Éowyn war zu ihnen gelaufen und stand neben ihnen, den Arm Éomers auf ihrer Schulter. Endlich sprach Théoden mit erhobener Stimme.
„Und Rohan wird antworten!"
Erleichtert atmete Élwen aus und schaute Éomer an, der seinem König zunickte, der ängstlich wirkenden Éowyn auf die Schulter klopfte und Richtung Tor ging. Als er an ihr vorbeikam, trafen sich ihre Blicke und sie sah, dass er überhaupt nicht froh über die Nachricht war. Auch sie erinnerte sich daran, was dies für sie nun zu bedeuten hatte. Er zögerte kurz, um etwas zu sagen, ließ es dann aber und folgte dem König um Anweisungen entgegen zu nehmen. Seine Stellung forderte nun seine volle Aufmerksamkeit, das war ihr bewusst und auch sie musste sich vorbereiten, doch stieg trotzdem in ihr ein wehmütiges Gefühl auf.
In Edoras war Aufregung ausgebrochen, überall liefen Krieger und Frauen hin und her, Pferde wurden bepackt und Waffen angelegt. Faire stand bereits ungeduldig vor dem Stall und Élwen half Gimli, hinter Legolas aufs Pferd zu steigen. Nachdem sie selbst sich auf Faire geschwungen hatte, schaute sie über die Menge, aber Éomer sah sie nicht. Plötzlich erblickte sie sein Pferd bei Gamling und ritt zu ihm.
„Gamling, wo ist der Neffe des Königs?"
„Oh, meine Herrin, schaut, dort kommt er."
„Éomer..."
„Entschuldige, dass ich jetzt keine Zeit für dich habe, aber wir werden gleich aufbrechen und ich muss noch meine Reiter zusammenrufen...", unterbrach er sie, ohne den Kopf zu ihr zu heben.
„Natürlich, verzeih mir, wir sehen uns in Dunharg..." Mit einem letzten Blick ritt sie zurück zu Aragorn und sah nicht, wie Éomer ihr hinterher sah.
Sie ritten langsam, weil sie Frauen bei sich hatten, kamen aber schnell voran. Nach Dunharg war es ein Ritt von zwei Tagen und es wurde kaum gesprochen. Die Vorahnung, was sie erwartete, lag schwer in der Luft und die Stimmung war getrübt. Nur Merry machte ab und zu einen Witz, er war glücklich, dass er mitreiten durfte.
Kurz vor Dunharg trafen sie auf Éomer und seine Leute, sie trugen ernste Mienen, nicht viele hatten sie zum Kampf rufen können, und ihr Eindruck verstärkte sich, als sie durch das Lager ritten. Es mochten zahlreiche Reiter anwesend sein, aber nicht viele im Vergleich zu den Orks Mordors. Die Éored schlossen sich dem Zug an, Éomer neben seinem Onkel reitend, als sie ihren Weg den Bergpfad hinauf fortsetzten. Oben angekommen bereiteten sie ihr Lager, schlugen Zelte auf und entpackten die Pferde.
Élwen teilte sich mit Éowyn ein Zelt, welche die gesamte Zeit seit dem Aufbruch nichts gesagt hatte.
„Éowyn?"
Die Freundin hörte nicht auf, geschäftig Sachen hin und her zu räumen und Élwen legte ihr eine Hand auf die Schulter. Wortlos nahm sie sie in die Arme und so blieben sie eine Weile stehen.
„Ich bin so zornig, alle, die ich liebe, ziehen in diesen Krieg und sterben womöglich, nur mir ist es nicht vergönnt, für sie und mein Land zu kämpfen, wie soll ich sie einfach so davon ziehen lassen?"
„Du wirst die Einzige sein, die von der Königsfamilie übrig bleibt, Éowyn, für die Bevölkerung Rohans wirst du der letzte Felsen in der Brandung sein, den sie auch brauchen..."
Sie nahm den Kopf Éowyns zwischen ihre Hände und küsste sie auf die Stirn. Wahrscheinlich würden dies ihre letzten gemeinsamen Stunden sein und sie wollte ihrer Freundin Mut für die Zukunft machen.
„Eo tulca, ráhón, ve norno ne súle..."
Éowyn löste sich aus der Umarmung und sah ihre Freundin an.
„Was bedeutet das?"
„Es bedeutet: Sei stark, Löwenherz, wie eine Eiche im Wind." Éowyn lächelte sie mit Tränen in den Augen an und schlang wieder ihre Arme um Élwen.
„ Weine nicht, meine Freundin.Wenn unsere Hülle stirbt, gehen unsere Seelen in die großen Hallen ein, ob Mandos oder jene der Rohirrim, wir werden uns wiedersehen..."
