Kapitel 25 Teil 2
Éomer setzte sich wortlos neben sie und betrachtete den Himmel vor seinen Augen. Ihre Tränen versiegten nicht, doch seine Gegenwart erinnerte sie an die Erleichterung, als sie über ihre Gefühle gesprochen hatte und nun wusste er davon, sie brauchte nicht mehr mit sich selber zu ringen und Auseinandersetzungen aufzuschieben, denn was in Worte gefasst werden musste, wurde gesagt.
Er rieb seine rauen Hände, legte einen Arm um ihre Schulter und drückte sie an sich. Élwen ließ es geschehen, und weinte an seiner Brust, während er ihr Gesicht hielt und sie tröstend aufs Haar küsste. Obwohl die Tränen weiterhin liefen, beruhigte sie sich. Schließlich hob sie das Gesicht.
„Es tut mir leid, mir tut alles leid, was ich sagte und dich verletzte, aber du hattest Unrecht. Dein Onkel hatte Unrecht. Gefühle schwächen das Herz nicht für den Kampf, sondern sie stärken es und ich hätte nicht auf den Pelennor ziehen können, wenn ich mir dessen nicht bewusst wäre..."
„Sch...", er legte ihr einen Finger auf die Lippen, „ich weiß.., ich weiß..., ich habe es auch meinem Onkel gesagt, denn er spürte meine Unaufmerksamkeit und erzählte mir von eurer Unterhaltung in Edoras. Es schmerzte mich, dass du auf seine Worte eingegangen warst. Du brauchst nichts weiter zu sagen, denn ich habe die Unterhaltung mit deinem Vater mitbekommen. Ich beabsichtigte nicht zu lauschen, doch ich konnte nicht anders und jetzt bin ich froh darüber, weil ich ansonsten über meine Sturheit vergessen hätte, was ich für dich empfinde..."
Sie schaute ihm in die Augen und schluckte.
„Du bist der einzige Mensch, der es vermag, mich zum Schweigen zu bringen und dafür hasse ich dich. Ich hasse dich dafür genauso, wie ich dafür liebe...", ihre Stimme versagte, die Traurigkeit in seinem Blick ließ sie aufschluchzen.
Sie berührte mit ihren Fingern die rauen Stoppeln seiner Wange, die Haut, die so ganz anders war, als die elbische ihres Vaters. Keine Überwindung war länger nötig, um ihm das zu sagen, was ihre Seele zu schreien schien.
„Ich liebe dich, Éomer, auch wenn ich es nicht wahrhaben wollte, alle meine Wege haben zu dir geführt, meine Mutter hatte mir den Pfad geebnet und Rohan mir die Richtung gewiesen. Ich liebe dich...", sie fiel zurück in seine Umarmung, schlang ihre Arme um seinen Nacken und drückte ihr Gesicht an seine Haare. Ihre Augen brannten von den salzigen Tropfen, die nicht aufhörten, sich ihren Weg zu bahnen..
„Ich würde dich so gerne küssen, doch ich wage es nicht. Es würde mir das Gefühl geben, eine glückliche Zukunft zu haben und ich werde mich selber nicht länger belügen. Wir werden nicht mehr lange leben und ich wünschte mir, schon früher zu dieser Erkenntnis gekommen zu sein, um zu erkennen, was ich verlieren werde. Doch könnte ich es nicht länger leugnen, denn dann würde ich nicht mit ganzem Herzen für diese Sache kämpfen. Die ganze Zeit habe ich mich nach meiner Bestimmung gefragt und jetzt, wo ich sie vor mir sehe, droht sie mir zu entgleiten. Du bist es, Éomer, du und Rohan, alles, nach dem ich gesucht habe, fand ich hier und jetzt verliere ich es..."
Sie spürte seine Tränen an ihrer Schulter und löste sich von ihm. Er hielt ihr Gesicht zwischen seinen Händen und drückte seine Lippen gegen ihre Stirn.
„Ich liebe dich, Élwen, doch ist dieser Krieg nicht aussichtslos. Wenn ich mein Leben hier lasse und du überlebst, so bitte ich dich, in Edoras zu bleiben, bei meiner Schwester, denn dann kommen schwere Zeiten auf sie zu..."
Sie schaute ihn fragend an, wusste er nicht, was ihre Entscheidung für sie als Halbelbin bedeutet?
„ Éomer,...Wegen dir habe ich mich für das Leben eines Menschen entschieden, und so ist mein Schicksal an dich gebunden. Wenn du stirbst, so welke ich ebenso dahin, weil mein Herz brechen würde..."
Er blickte sie lange nachdenklich an und nickte dann.
„ Deswegen bin ich nicht mit Aragorn auf die Pfade der Toten gezogen. Jener ist sein Weg nach Minas Tirith, doch meiner ist es, mit den Rohirrim zu reiten, denn hier gehöre ich hin..."
Er streichelte ihr über die Wange.
„Dann soll es so sein..." Sie nickte und sank wieder an seine Brust.
„Ist es nicht seltsam,", vernahm sie seine Stimme, „ gemeinsam wurden wir Zeugen so vieler Sonnenaufgänge und dieser ist der Schönste und zugleich Traurigste von allen..." So verharrten sie, Élwen mit dem Kopf an seiner Brust, Éomers Lippen auf ihrem Haar und ihrer Hand in der seinen, während die Sonne langsam aufging und das Land rötlich färbte, als ob sie wüsste, was ihnen bevorsteht und diesen Moment ewig andauern ließe.
