Élwen stieg aus dem Bett und legte sich einen weißen Umhang um die Schultern, der auf einem Schemel neben ihr lag. Sie fühlte sich noch etwas wackelig auf den Beinen, als sie zu dem Steinbogen ging und hindurch schritt. Hinter dem Bogen befand sich ein kleiner Steinbalkon, von dessen Geländer sie aus die Stadt betrachtete. Die Sonne streichelte den weißen Marmor der Türme und wenn nicht einige von ihnen zerstört wären, würde man meinen, dass diesen Menschen nie ein Leiden widerfahren wäre. Alles schien vor Lebendigkeit zu sprühen. Nicht alles, wie sie mit einem Lächeln bemerkte, als sie den Blick senkte und eine schlafende Gestalt sah. Von ihrem Balkon führte eine geschwungene Treppe zu einem großen, weit angelegten Balkon, der sich weiter unten befand und zur Seite in eine Parkanlage führte.
Sie schritt die Stufen hinunter und näherte sich der Bank, die an dem langen, schlanken Geländer stand, welches über der Stadt ragte und einen fantastischen Blick auf Minas Tirith und den Pelennor bot. Éomer saß auf dieser Bank, den Kopf auf die Brust gelegt und schlafend. Er sah aus, als ob er nachdenken würde, wenn sein Atem nicht langsam und tief ging, wie es bei Schlafenden der Fall war.
Sich vor ihn kniend, musterte sie sein Gesicht. Er war tatsächlich noch nicht dazu gekommen, sich von der Schlacht zu erholen, dachte sie, als sie ihm mit dem Finger Staub von der Wange wischte. Nur seine gröbste Rüstung hatte er abgelegt, trug aber noch sein Kettenhemd und seinen Brustpanzer. Und nur wegen mir... Er sah so friedlich aus, das sie ihn nicht wecken wollte. Also küsste sie ihn auf sein Haar und ging zu dem Geländer hinüber. Als sie mit den Fingern über das warme Gestein fuhr, breitete sich eine wunderbare Ruhe in ihr aus. Ihr Blick wanderte von dem Schein der Sonne, der auf der Bergkette hinter Osgiliath lag, die nun nicht mehr von dunklen Wolken überschattet wurde, zu den fröhlichen Menschen in den Straßen Minas Tiriths. Ein Geräusch hinter ihr ließ sie wissen, dass Éomer erwachte und sie wartete, bis er ihre Anwesenheit bemerken würde.
„Élwen...", als sie sich umdrehte, blickte er sie ungläubig an. Dann näherte er sich ihr, bis er unmittelbar vor ihr stand und ihre Wange berührte.
„Ist das ein Traum oder..."Sie lachte.
„Ich weiß nicht, wie real sich deine Träume anfühlen, aber ich bin bestimmt keiner."
Er stutzte noch einen Moment, dann nahm er sie endlich in die Arme. Sie legte ihren Kopf an seine Brust und drückte ihn fest, um sicherzugehen, dass er nicht verschwand. Plötzlich umfasste er ihre Hüfte und sie fand sich in der Luft wieder, von ihm lachend im Kreis herum gewirbelt. Auch sie konnte nun laut lachen und ließ sich drehen, bis ihr schwindlig wurde. Sein Lachen drang in ihr Inneres und sie legte ihre Stirn an die seine, mit den Händen sein Gesicht haltend. Als sie schließlich nicht mehr konnten und nach Luft rangen, setzte Éomer sie wieder ab und umfasste sanft ihren Hals.
„Ich hatte Angst, dass du nie wieder aufwachen würdest....", flüsterte er nach einer Weile.
„Ioreth hat mir erzählt, dass du nicht von meiner Seite gewichen bist."
Sein Lächeln versiegte und sein Gesicht wurde wieder ernst. Er legte den Arm um ihre Hüfte, um sie zum Balkonrand zu geleiten, von wo aus sie erneut die weißen Wolken über Mordor betrachtete.
„Ich kann es nicht glauben, dass ich gerade in dem Moment verletzt werden musste, als Sauron besiegt wurde. Jede Schlacht focht ich mit, nur um in einem Bett aufzuwachen, ohne den endgültigen Sieg mitbekommen zu haben...", sagte sie mit einem Seufzer.
Éomer sah von der Seite ihren wehmütigen Blick zu dem ehemaligen schwarzem Land und verstärkte leicht den Druck seines Arms, um sie an sich heran zu ziehen.
„Ich könnte dir erzählen, wie ich es erlebt habe...", sie hob ihr Gesicht, um ihm in die Augen zu schauen, nickte nach ein paar Sekunden zustimmend und legte den Kopf an seine Schulter, nicht den Blick von Mordor abwendend.
Éomer holte tief Luft und begann dann zu erzählen.
„Mitten im Getümmel befand ich mich, zwei Orks vor mir, die mich angriffen. Ich fühlte mich unheimlich eingezwängt, weil ich aufgrund der Kampfdichte nicht weit ausholen konnte. Aber Merry stand direkt neben den Orks, bekam es glücklicherweise aber nicht mit, sonst hätte er ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen. So hatte ich letztlich doch ein leichtes Spiel mit ihnen und erschlug sie mit einem Hieb. Plötzlich erschütterte ein Dröhnen die Erde von einer Stärke, die ich noch nie in meinem Leben gefühlt habe. Es war mir, als ob jeden Augenblick sich die Erde zu meinen Füßen aufreißt, doch stattdessen merkte ich, wie alle, Freund wie Feind, nach Mordor schauten. Und dann sah ich es, nein, ich sah es nicht nur, ich fühlte es. Der Schicksalsberg begann Feuer zu spucken und im selben Moment stürzte der dunkle Turm ein. Mir wurde sofort bewusst, was passiert war und in meinem Herzen breitete sich eine Leichtigkeit aus, die... die ich nicht in Worte fassen kann..."
Élwen lächelte über die Aufregung in Éomers Stimme.
„Stell dir vor, du erfährst innerhalb einer Sekunde, dass alle Gefahren, die du dein ganzes Leben lang bekämpfen musstest, ein Ende haben, dass alle Menschen, die du in all den Jahren beschützt hast, endlich frei sind. Es war wie die Erlösung einer Qual, die viel zu lange in dir gewütet hatte. Ich fing an zu lachen, ich.. ich konnte nicht anders. Mir war noch nie in einer Schlacht zu lachen zumute, doch plötzlich konnte ich nicht anders, das Licht des brennenden Auges schien sich in pure Wärme zu wandeln, als es in meinen Sinnen ankam. Sogar mein Schwert ließ ich fallen..."
Endlich begann Élwen zu erfassen, was geschehen war. Dieses Gefühl, das nun mithilfe Éomers Bericht ihr Herz ausfüllte, drang in jede Faser, und mit ihm die Erleichterung, die ersehnte Erleichterung. Élwen war im Moment des Schreckens eingeschlafen und im Moment des Glücks aufgewacht. Éomer hatte es geschafft, ihr die Brücke zu schlagen, er hatte sie bei der Hand gefasst und ihr vor Augen geführt, was sie sehen musste, aber zuvor nicht zu sehen in der Lage war.
„Danke..", hauchte sie ihm ins Ohr, als sie die Augen wieder öffnete und ihr Gesicht in sein Haar vergrub. Doch er war noch nicht fertig.
„Und dann... dann fiel alles in mir zusammen...". Sie zog sich zurück und sah sein schockiertes Gesicht.
„Ich sah dich wie tot am Boden liegend, Blut war überall auf deinem Körper und es schoss aus deiner Schulter, dass ich nicht mehr glaubte, dich atmend vorzufinden..."
„schhh...", sanft legte sie ihm einen Finger auf die Lippen, um ihn am weitersprechen zu hindern. Sie merkte, wie die aufsteigende Panik in ihm sich wieder legte und er zur Ruhe kam.
„Kannst du dir vorstellen, Élwen,... dass ich noch vor ein paar Stunden wütend auf dich war... Ich war wütend, weil ich dachte, dass du sterben würdest und mich hier alleine zurücklässt. Du hast mir einmal erzählt, Elben erlägen ihrem gebrochenem Herzen, wenn ihr Gefährte stirbt und in diesem Augenblick hätte ich mir zum ersten Mal gewünscht, ein Elb zu sein. Doch was hätte ich als Mensch machen sollen, wenn die Eine, die ich so sehr liebe, mich verlässt?"
Sie strich ihm durch die Haare, die Traurigkeit in seiner Stimme und in seinem Blick ließ sie zittern und Tränen bahnten sich ihren Weg. Beschämt ließ sie den Kopf sinken, doch seine Finger legten sich an ihr Kinn und hoben es an.
„Versteh mich nicht falsch, Élwen, mir liegt nichts ferner, als dir ein schlechtes Gewissen einzureden. Es war genauso deine Schlacht wie es meine war. Aber die letzten Tage waren sehr hart für mich. Mein Onkel ist tot, eine Weile dachte ich dasselbe von meiner Schwester, viele meiner Männer haben ihr Leben gelassen...Als ich an deinem Bett saß, war dies das erste Mal, dass ich keinen Rat wusste, dass mein Schwert mir nicht weiterhelfen würde...Und das machte mir Angst, diese Hilflosigkeit... diese Unsicherheit.."Eine einzelne Träne lief ihm die Wange hinunter und sie küsste sie weg.
„Es ist vorbei, Éomer, jetzt ist es wirklich vorbei. Und dass ich lebe, habe ich dir zu verdanken. Wenn du auf etwas vertrauen kannst, dann darauf, dass ich dich nie verlassen werde. Und weißt du warum, weil es deine Liebe zu mir ist, die mich am Leben hält..."
Er betrachtete sie einige Sekunden lang, bis er anfing zu lächeln.
„Du hattest Unrecht, Élwen, du bist ein Traum. Der schönste, den ich je hatte...",flüsterte er schließlich nur noch, bevor er seine Lippen auf ihre legte und sie zärtlich küsste. Sie schloss die Augen und schlang ihre Arme um seinen Hals. Er zog sie näher an sich und so verweilten sie in einem endlosen ,innigen Kuss. Alles Leid, dass ihnen widerfahren war, war in jenem Moment von ihnen abgefallen, als sich ihre Lippen getroffen hatten und auch wenn sie gewusst hätten, wer sie alles schmunzelnd betrachtete, hätte sie nichts diesem Moment entreißen können, in dem sie Menschen und Elben hinter sich ließen und einfach ihre Liebe genossen.
Ich weiß. Kitschig Und ich weiß. Schnulzig. Aber 1. ist das doch das, worauf wir sabbernd gewartet haben, oder? Los, gebts zu! Und 2. ist das nicht schööööööön schnief
