Kapitel 41

Drei Jahre später....

Die Sonne senkte sich schon langsam den Horizont entgegen, als sie die Grauen Anfurten erreichten. Es war warm an diesem frühen Abend, doch niemand verspürte Wärme in seinem Herz, als sie die grauen Steingebäude erblickten, die den Weg zum Anlegesteg wiesen.

Vögel zwitscherten vereinzelt und am Ufer stiegen weiße Möwen in die Lüfte, um der Sonne entgegen zu fliegen.

Doch Élwen sah nur das Schiff. Ein elegantes Elbenboot, dass ihren Vater, Galadriel und Gandalf in die Unsterblichen Lande bringen würde. Éomers Arm ruhte auf ihrer Schulter, sie hatte ihm gesagt, dass er nicht mitkommen brauche, aber er wusste, dass sie seinen stillen Trost brauchte, auch wenn sie es nicht laut aussprach.

Das Schiff schaukelte sanft auf den Wellen und ein Ruf wurde in ihr laut, ein Ruf, der über das weite Meer nach ihr verlangte. Doch sie schüttelte nur den Kopf und vertrieb so den letzten Rest ihres elbischen Erbes.

Sie hatte es längst aufgegeben, die Tränen zu bekämpfen und so liefen sie ihr in Strömen über die Wangen, als sie vor Elrond stand. Von Galadriel, Frodo und Bilbo hatte sie sich verabschiedet, nur Elrond und Gandalf hatte sie aufgeschoben. Doch jetzt war der unaufhaltsame Moment gekommen, an dem sie ihnen Lebwohl sagen müsste. Gemischte Gefühle kämpften in ihrer Brust. Wie konnte sie ihren geliebten Vater ziehen lassen, der Mann, der sie aufzog und ihr dreitausend Jahre zur Seite stand. Und doch würde er seinen Frieden in Valinor finden, weit entfernt von allen bösen Erinnerungen und Enttäuschungen dieser Welt.

Der ehrwürdige Elb nahm ihr Gesicht in seine Hände und hob es an.

„Meine über alles geliebte Tochter.... Nie in meinem Leben habe ich bereut, dich aufgezogen zu haben. Siehe, was für eine wundervolle Frau du geworden bist. Wenn ich dich ansah, war es immer, als lache deine Mutter mich an und ich erinnerte mich an die schöne Zeit, die ich mit ihr verbringen durfte. Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben und ich werde es auch nie, es wird kein Tag vergehen, an dem ich mich nicht meiner wunderbaren Kinder erinnern werde. Vergiss deinen Vater nicht, Élwen...", schluchzend stürzte sie ihm in die Arme. Sie spürte den Druck seiner feinen Hände und der vertraute märchenhafte Geruch Elronds stieg ihr in die Nase. Der selbe Duft, der ihr die Momente in Erinnerung riefen, in denen er auf ihrem Bett gesessen hatte und ihr die unendlichen Mysterien des Lebens erklärt hatte.

„Ich liebe dich, adar, ich werde dich nie vergessen..."Er gab ihr noch eine Weile, dann löste er sich sanft von ihr und sie sah ihm nach, wie er das Boot betrat.

Gandalf berührte sie an der Schulter.

„Gandalf...", brachte sie nur noch hervor, bevor sie auch in seiner Umarmung Halt suchte.

„Mein Kind...", auch er umklammerte ihr Gesicht und stellte sich Stirn an Stirn zu ihr.

„Gandalf... sehen wir uns irgendwann wieder?"

„Nein, mein Kind....Weine nicht um die Vergangenheit. Die Zukunft erwartet dich in deinem Heim. Menschen gehen und Menschen werden kommen, du kannst sie nicht daran hindern. Alte Erinnerungen verblassen und machen neuen Platz. Zeit besteht nur aus Augenblicken und unser gemeinsamer ist nun vorüber..."Sie blickte ihn nur schluchzend an, unfähig etwas zu sagen.

„Du hast den Weg gewählt, der dich am glücklichsten macht. Und auch wenn unsere sich jetzt trennen, wirst du es nie bereuen. Du tatest das, was ich jetzt auch tun werde, du bist deinem Herzen gefolgt..."

„Ich danke dir, mein alter Freund. Ich danke dir für alles..."

„Nein, Élwen, ich habe dir zu danken...", flüsterte er ihr zu und küsste ihre Stirn. Sie sank zum letzten mal in seine Arme und er ließ sie an dem schönsten Bild teilhaben, dass er in seinem Dasein gesehen hatte. Sie schwebte durch Raum und Zeit, durch ein Meer aus Sternen, die sie anstrahlten. Völlig leicht bewegte sie sich und flog auf ein Licht zu, Farben spielten um sie herum und als sie das Licht erreichte, war alles hell und warm. Frieden senkte sich in ihr Herz.

Sie löste sich von ihm mit eigener Stärke.

„Ja... danke Gandalf..."

Sie tat ein paar Schritte auf die anderen Hobbits zu, die hemmungslos weinten, und legte einen Arm auf Merrys Schulter. Zu ihrer anderen Seite spürte sie Éomer und lehnte sich schluchzend an ihn.

Das Schiff lichtete Anker und schien fast schwebend abzulegen. Die Segel blähten sich in der Brise auf. An Bord standen ihre Familie und Freunde, die nach Valinor fuhren und nie wieder zurückkommen würden. Sie verließen ihr Leben und begannen ein neues, doch wie dies aussehen würde, das würden sie nie erfahren. Mit seligen Gesichtern winkten sie ihnen ein letztes Mal zu und so sahen die Zurückgebliebenen dem Schiff nach, dass von weißen Möwen begleitet der untergehenden Sonne entgegen segelte...

Die Hufe von Faire setzten dumpf auf dem Steppengras auf. Élwen beobachtete die Spuren, die das Pferd in den nieder gedrückten Halmen hinterließ. Schon am nächsten Morgen würden diese Hufspuren verschwunden sein, durch Regen oder durch den rauen Wind der Steppe, der ihr durchs Haar wehte und sie an der Nase kitzelte. Leise begrüßte sie das Land zurück, als sie langsam in die Stadt ritten. Es war Abend und die Sonne stand tief. Ihre Strahlen hüllten Rohan ein und erwärmten die Herzen seines Volkes, das Holz ihrer Häuser und Élwens Gedanken.

Einen letzten Segen schickte sie zu ihren Freunden über das Meer, dann lächelte sie die Menschen an, an denen sie so sehr hing. Éomer ritt neben ihr. Der Mann, den sie mehr als ihr Leben liebte und für den sie einen Teil von sich geopfert hatte. Der Mann, der mit ihr eine Seele teilte und ihr das Glück schenkte, dass sie jetzt umgab.

Die Tür von Meduseld flog auf und ein kleines Kind sprang lauthals die Stufen hinunter, ihnen entgegen. Ein Kind mit blonden Locken und braun-grünen Augen.

„Endlich sind wir da...", sagte Éomer neben ihr und drückte ihre Hand.

„Ja...", flüsterte sie, „ endlich daheim."