Liebe Leonel, vielen Dank für dein Review! Ich beeile mich mit der Fortsetzung der Geschichte.

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Drittes Kapitel: das brennende Dorf

Sie ritten auf der großen Weststraße durch Anorien weiter und bald hatten sie den Druadanwald völlig hinter sich gelassen. Vor ihnen erhoben sich die Leuchtfeuerberge von Nardol und Erelas.

„Was haben diese Leuchtfeuerberge für eine Bedeutung?", wollte Elydrith wissen.

„Seit altersher besteht ein Bündnis zwischen Rohan und Gondor", erklärte Boromir geduldig. „Falls eines der beiden Menschenreiche einmal in höchste Gefahr geraten sollte, so kann das andere Reich mit Hilfe der Leuchtfeuer um Hilfe angerufen werden".

„Was, diese Leuchtfeuerberge reichen bis Edoras?", rief Elydrith erstaunt aus.

„Ja, natürlich", seufzte Boromir etwas genervt.

Die Fragerei des Mädchens ging ihm irgendwie mit der Zeit etwas auf den Geist. Plötzlich hielt Elydrith ihren Schimmel an.

„Was ist denn jetzt schon wieder?", fragte Boromir mürrisch.

„Mir tut alles weh", jammerte Elydrith. „Ich spüre meinen Hintern kaum noch. Laß uns bitte eine Rast machen".

„Von mir aus", knurrte Boromir unwillig.

Wenn das so weitergeht, kommen wir wirklich erst im Herbst in Edoras an, dachte er kopfschüttelnd. Elydrith stieg ganz steif vom Pferd herab und rieb sich ihre schmerzenden Körperteile, während sie durch das Gebüsch in Richtung eines nahen Baches lief.

„Was hast du denn vor?", rief Boromir ihr nach.

„Ich nehme ein Bad, um die Schmerzen ein wenig zu lindern", gab Elydrith gelassen zurück.

„Ich hatte eigentlich nicht vor, so lange zu rasten", erwiderte Boromir ungehalten. „Ich wollte es heute noch bis zum Min-Rimmon schaffen".

Leise vor sich hinfluchend ließ er sich in der Wiese nieder. Die beiden Pferde grasten seelenruhig. Das Zirpen der Grillen wirkte so einschläfernd auf Boromir, dass er tatsächlich irgendwann einnickte.

„Hee, was ist denn? Ich dachte, wir wollten weiter?"

Boromir schreckte hoch. Elydrith stand angezogen und mit feuchten Haaren vor ihm.

„Verdammt, wie lange habe ich geschlafen?", fragte er erschrocken.

Er gewahrte, dass die Sonne schon weit im Westen stand. Er fluchte vor sich hin.

„Warum hast du mich nicht aufgeweckt, dummes Kind?", beschwerte er sich bei Elydrith.

„Du hast so müde gewirkt, da wollte ich dich noch ein bisschen schlafen lassen".

Boromir ging kopfschüttelnd und Verwünschungen vor sich hinmurmelnd zu seinem Pferd.

„Laß dir das gesagt sein: wir reiten auf jeden Fall heute noch bis Minharg am Min-Rimmon, und wenn es Mitternacht wird", sagte er mit einem ungewöhnlich scharfen Unterton in der Stimme zu Elydrith.

Das Mädchen ritt eingeschüchtert hinter ihm und wagte nichts mehr zu sagen.

Allmählich wurde es dunkel. Zur ihrer linken erhob sich der Leuchtfeuerberg Min-Rimmon über Anórien und glitzerte majestätisch im Mondlicht.

Boromir merkte zuerst, dass der Nachthimmel von einem ungewöhnlich großem Feuer erhellt wurde.

„Was ist das?", fragte Elydrith erschrocken.

„Feuer", erwiderte Boromir tonlos. „Minharg brennt!"

Sie ritten weiter, bis sie im Tal unter sich das brennende Dorf gewahrten. Ein Großteil der Häuser brannte lichterloh. Verzweifelt versuchten die Einwohner, die Brände zu löschen.

„Wir müssen helfen!", rief Elydrith Boromir zu und trieb ihr Pferd voran, ins Dorf hinein.

„Warte!", schrie Boromir wütend.

Er hatte keine Lust, irgendwelchen Bauern beim Löschen von Bränden zu helfen. Er war ein Edelmann und er war es gewohnt, dass andere für ihn die Schmutzarbeit machten.

Elydrith drehte sich erstaunt um:

„Du kommst doch mit, oder? Diese Menschen können jede helfende Hand gut gebrauchen".

Boromir folgte ihr schließlich widerstrebend. Irgendwie erinnerte ihn Elydrith an seinen Bruder. Faramir hätte den Leuten hier im Dorf auch ohne zu zögern geholfen.

Sie banden ihre Pferde an einem Zaun an und liefen zu den Bauern. Jemand drückte Boromir einen Wassereimer in die Hand.

„Nun mach' schon!", herrschte der der Mann den Sohn des Truchsessen an.

Boromir öffnete empört den Mund, sagte aber dann doch nichts. Grummelnd ging er zum Brunnen und füllte den Eimer. Elydrith unterdrückte ein Kichern und schnappte sich selbst einen Eimer.

Es dauerte bis zum Morgengrauen, bis alle Brände gelöscht waren. Die Gesichter der beiden Helfer waren rußverschmiert – ebenso wie die Gesichter der Bauern. Erschöpft ließen sich alle am Brunnen nieder. Frauen aus dem Dorf teilten Essen und Getränke aus.

„Wir danken Euch für Euere Hilfe, Fremder", sagte ein hochgewachsener, älterer Mann zu Boromir.

„Wer hat diese Brände gelegt?", fragte Boromir. „Das war doch Brandstiftung, oder?"

Der Dorfvorsteher seufzte und rang die Hände.

„Es sind diese verfluchten Räuber aus dem Firienwald", erzählte der Dorfvorsteher, der Margond hieß. „Sie haben schon unser letztes Geld aus uns herausgepresst. Jedes Monat kommen sie und fordern Geld. Diesmal konnten wir nicht zahlen, weil wir einfach nichts mehr haben. Da legten sie unsere Häuser in Brand. Als wir uns wehren wollten, erschossen sie tapfere Männer aus dem Dorf mit Pfeilen".

„Das tut mir leid", erwiderte Boromir mitfühlend und biß in eine Scheibe Brot.

Elydrith stieß ihn an.

„Wir müssen was tun: es kann nicht angehen, dass diese Räuber ungestraft davonkommen", raunte sie ihm zu.

Boromir verschluckte sich fast an seinem Essen.

„Dummes Ding!", zischte er ihr wütend zu. „Und wie soll das deiner Meinung nach aussehen?"

„Du bist doch ein großer Krieger", meinte Elydrith grinsend. „Dir wird schon was einfallen".

Einige Leute aus dem Dorf spitzten die Ohren. Sie hatten Boromir schon an der Kleidung angesehen, dass er kein einfacher Reisender war.

„Ihr würdet uns tatsächlich helfen?", fragte Margond, der Dorfvorsteher, hoffnungsvoll.

Boromir verfluchte Elydrith im stillen. Doch er machte erst mal gute Miene zum bösen Spiel.

„Wieviele Räuber sind es ungefähr?", wollte er von Margond wissen.

„Es sind etwa 50 Männer, die alle Waffen mit sich führen", erzählte der ältere Mann ängstlich.

„Habt Ihr Waffen im Dorf hier – und Pferde?", fragte Boromir eifrig.

Margond ließ alle Waffen zum Dorfplatz bringen und auch die Pferde. Boromir zählte etwa 10 Bögen und ein paar alte Schwerter. Auch Elydrith wusste, dass das viel zu wenig war, um gegen 50 Räuber antreten zu können. Sie sah zweifelnd auf die sogenannten „Pferde": es waren ein paar alte Schindmähren und klobige Ackergäule. Das Dorf war hoffnungslos verarmt.

Trotzdem sahen ihn die Menschen erwartungsvoll an. Boromir sah die Frauen und die Kinder, die schier in Lumpen herumliefen und er bekam eine ungeheuere Wut auf diese Räuber.

„Also gut, dann ran an die Arbeit!", sagte er und stand auf.

Er zeigte den Männern, wie man die alten Schwerter an einem Schleifstein schärfen konnte. Dann ging er mit einigen jungen Männern in den Wald und wies sie an, biegsame, schöne Äste für neue Bögen zu schneiden. Die Kinder schnitzten Pfeile. Die Spitzen dafür fertigte Boromir beim Dorfschmied an. Am Abend gab es im Dorf 20 neue Bögen und einige hundert Pfeile. Auch Elydrith hatte eifrig geholfen. Jetzt galt es, den Männern das Bogenschießen beizubringen.

Boromir wünschte sich, dass Faramir hier wäre. Sein Bruder hatte immer eine Engelsgeduld mit jungen Soldaten, die das Bogenschießen lernten. Die Bauern stellten sich sehr unbeholfen beim Bogenschießen an und Boromir wollte nicht ewig in Minharg verweilen. Elronds Rat in Bruchtal würde nicht auf ihn warten.

Nach zwei Tagen gab es einige Männer, die tatsächlich ein wenig Talent zum Schießen zeigten. Mehr war auf die Schnelle einfach nicht drin. Zwanzig Männer aus dem Dorf sollten mitreiten zum Firienwald. Elydrith wollte unbedingt mit. Eigentlich war Boromir nicht damit einverstanden, dass das junge Mädchen bei diesem gefährlichem Unterfangen mitkam, aber gegen Elydriths Starrkopf kam selbst der Gondorianer nicht an. Aber er musste sich im stillen eingestehen, dass sie besser Bogen schießen und reiten konnte, als die meisten Männer aus dem Dorf, die er bei sich hatte.

Sie kamen am Leuchtfeuerberg Calenhad vorbei und in der Ferne konnten sie schon den Meringstrom sehen, der die natürliche Grenze zwischen Gondor und Rohan bildete. Vor ihnen lag nun der dichte Firienwald, der aus lauter Eichen bestand. Dort drinnen hausten also die Räuber.

Boromir ließ Elydrith und die Männer zurück und ging alleine in den Wald hinein, um die Lage auszukundschaften. Die Räuber lungerten um eine Höhle, die im Wald lag, herum. Sie fühlten sich anscheinend recht sicher, da sie nirgendwo Wachen postiert hatten. Boromir pirschte sich ganze nahe an die Höhle heran. Er hörte, wie sich Männer darin unterhielten. Offenbar planten sie einen weiteren Angriff auf Minharg. Boromir fühlte eine riesige Wut im Bauch aufsteigen: diese armen Leute nagten doch jetzt schon am Hungertuch – was wollten diese feigen Kerle denn immer noch von ihnen? Plötzlich hörte er wie drinnen von Sklavenhändler und ähnlichen Dingen geredet wurde. Aha, aus dieser Richtung wehte der Wind. Sie wollten wahrscheinlich Kinder aus dem Dorf einfangen und dann auf einem Sklavenmarkt verkaufen. In Gondor war Sklavenhandel sträflich verboten. Wahrscheinlich gab es irgendwo einen illegalen Markt. Boromir wusste genug und lief so schnell er konnte zu seinen Begleitern zurück.