Stareyes: Mal sehen, ob Boro nicht doch vielleicht etwas für Elydrith empfindet..;-)

Leonel: Im nächsten Kapitel kommt es zum Zusammentreffen zwischen Boromir und Grima.

Kapitel 5: Grima Schlangenzunge

Langsam erhob sich vor den Reitern die goldene Halle Meduseld. Elydrith fielen fast die Augen aus dem Kopf beim Anblick dieses wunderschönen Gebäudes. Natürlich war die Stadt Edoras kein Vergleich mit Minas Tirith: durch die Holzgebäude hatte sie einen ziemlich dörflichen Charakter, ganz anders als die erhabene Stadt aus Stein in Gondor. Aber die goldene Halle sah einfach atemberaubend aus. Sie war mit Figuren und Reliefs aus echtem Gold verziert.

„Wartet hier!", sagte Hama zu Boromir und Elydrith, als sie die steinernen Stufen hinauflaufen wollten.

„Ich musste noch nie hier warten", erklärte der Gondorianer ungeduldig. „König Theoden kennt mich."

Hama drehte sich noch einmal um und lächelte wehmütig.

„Der König ist ernstlich erkrankt. Ich fürchte, er weiß nicht mehr, wer Ihr seid".

Boromir erschrak, als er das hörte. Es stand wahrlich nicht gut um Rohan, wenn sein Herrscher seiner Sinne nicht mehr mächtig war.

Elydrith ging zu ihrem Hengst Ondoher, der ungeduldig mit den Hufen scharrte.

„Du wartest wohl auch nicht gerne, was?", flüsterte das Mädchen dem Pferd zu und streichelte seinen schönen Hals.

Ein junger Mann mit hellbraunem, langen Haar trat zu ihr hin.

„Ein schönes Tier hast du da, junger Waldläufer aus Gondor", meinte der Rohirrim und begutachtete Ondoher neugierig.

„Theodred!", rief Boromir plötzlich freudig und lief auf den jungen Mann zu. „Mann, als ich dich das letzte Mal sah, warst du fast noch ein Kind".

Er umarmte den Rohan-Prinzen.

„Ich freue mich auch, dich wiederzusehen, Boromir aus Gondor", sagte Theodred lächelnd. „Es mag fast sieben Jahre her sein, als wir uns das letzte Mal sahen. Du hattest doch versprochen, deinen Bruder Faramir beim nächsten Besuch mitzubringen. Warum ist er nicht dabei?"

„In Gondor herrscht Krieg", erzählte Boromir bedrückt. „Faramir und ich können nicht gleichzeitig das Land verlassen. Ich habe von meinem Vater einen wichtigen Auftrag bekommen: ich muß nach Bruchtal reisen zu Elronds Rat".

„Dann bist du also nur auf der Durchreise", seufzte Theodred. „Ich hoffe, du nimmst dir wenigstens ein paar Tage Zeit, in Edoras zu verweilen".

„Jetzt sag mir, was mit deinem Vater los ist", drängte Boromir. „Man hat mir von einem Berater namenes Grima erzählt, auf den dein Vater nur noch zu hören scheint".

„Grima!" Theodred spuckte aus, als er diesen Namen gesagt hatte.

„Seit dieser schwarze Unhold in Edoras weilt, ist Vater ein anderer geworden".

Hama kam jetzt wieder aus der goldenen Halle heraus und nickte Boromir und dem Prinzen zu.

„Ihr könnt nun eintreten, Boromir von Gondor: der König will Euch sehen".

Theodred hielt Boromir noch kurz zurück.

„Erschrick nicht, wenn du meinen Vater siehst. Er ist nur noch ein Schatten seiner selbst".

Boromir winkte Elydrith gefasst zu sich heran.

„Komm mit!"

Er merkte, dass Theodred keine Anstalten machte, ihm in die Halle Meduseld zu folgen.

„Du gehst nicht mit?"

Theodred schüttelte müde lächelnd den Kopf.

„Mein Vater will mich so gut wie nicht mehr sehen".

Elydrith folgte Boromir ängstlich in die Halle. In der großen Halle war es ziemlich finster. Sie musste erst ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnen. Boromir war trotz Theodred's Warnung schockiert, als er König Theoden sah. Aus dem stolzen Rohirrim-König war ein alter, sabbernder Greis geworden, der wie eine vertrocknete Mumie auf seinem Thron saß. Seine Augen wirkten leblos und blickten ins Leere. Neben ihm saß ein bleicher, hässlicher Mann, ganz in Schwarz gekleidet. Das musste dieser Grima sein!

„Seid Ihr Boromir von Gondor?", fragte der Schwarzgekleidete mit einer schnarrenden Stimme.

Boromir verneigte sich erst einmal vor dem König. Doch Theoden wandte sich mit einem hilflos fragenden Blick an seinen Berater. Grima stand auf und ging böse grinsend auf Boromir und Elydrith zu.

„Ein reizendes Mädchen habt Ihr da bei Euch, Boromir von Gondor", sagte Grima und riß

Elydrith die Kapuze vom Kopf.

Ein Raunen ging durch die Halle und das Mädchen wurde knallrot. Doch Boromir bewahrte die Fassung, obwohl ihm Theodens Anblick und Grimas Dreistigkeit ziemlich nahe gingen.

„Warum reist Ihr mit einem halbwüchsigem Mädchen durch die Gegend, Gondorianer?", fragte Grima mit gespielter Liebenswürdigkeit.

„Seid Ihr hier der König?", platzte Boromir jetzt wütend heraus und er sah sich suchend nach Theodred um.

Gerade als ihm Grima eine passende Antwort geben wollte,betrat eine wunderschöne junge Frau mit langem, hellblonden Haar die Halle. Boromir fielen fast die Augen aus dem Kopf: war das etwa Éowyn, die Königsnichte? Als er sie zum letzten Mal gesehen hatte, war sie ein unscheinbares Kind gewesen. Und jetzt war sie zu einer unvergleichlichen Schönheit erblüht.

Grima schluckte seinen Ärger hinunter und grinste Éowyn mit leuchtenden Augen an.

„Sehet die Weiße Blume von Rohan, das Schönste in unserem Reich, Boromir", sagte er stolz.

Boromir verneigte sich vor Éowyn.

„Ich grüße Euch, Herrin".

„Herr Boromir, ich habe Euch lange nicht gesehen", sagte Éowyn lächelnd. „Ich grüße Euch auch".

Sie reichte ihm ihre Hand. Elydrith fühlte, dass sie eifersüchtig wurde. Boromir war vollkommen verzückt wegen dieser Frau.

Elydrith ahnte nicht, dass Grima genauso eifersüchtig wie sie auf die beiden war. Der schwarzgekleidete Berater betrachtete Éowyn als sein Eigentum und beobachtete die Konversation zwischen Boromir und der Königsnichte argwöhnisch.

Endlich betrat Theodred in Begleitung von Éomer, dem Marschall, die goldene Halle.

„Ich denke, wir sollten unsere Gäste bewirten", sagte der Prinz an Grima gewandt. „Es wäre nicht im Sinne meines Vaters, Boromir von Gondor wie einen Fremden zu behandeln".

Der greise König hob kurz den Kopf, als hätte er Theodred verstanden und er drehte sich hilfesuchend zu Grima hinüber.

Dem Schwarzgekleideten blieb nichts anderes übrig, als sich dem Wunsch des Prinzen zu beugen. Allmählich wurde ihm Theodred wirklich lästig. Ständig durchkreuzte der scharfsinnige junge Mann seine Pläne. Er musste sich unbedingt eine List ausdenken, um den Prinzen zu beseitigen. Auch Éomer störte ihn: er musste auch aus dem Weg geschafft werden. Dann hatte Grima freie Bahn bei Éowyn. Theoden würde ihm ohne weiteres seine Nichte zur Frau geben. Grima lächelte böse vor sich hin.

Boromir und Elydrith bekamen Schlafgemächer zugewiesen. Das Mädchen bekam Frauengewänder von einer Dienerin. Elydrith legte das Kleid an, das ihr ausgezeichnet passte und flocht ihr langes, dunkles Haar. Boromir sah sie ganz verdattert an, als er sie zum Nachtmahl abholte.

„Du siehst wunderschön aus, Elydrith", flüsterte er.

Elydrith errötete und wusste vor Verlegenheit gar nichts darauf zu sagen. Anscheinend war sie doch ernsthafte Konkurrenz für Éowyn.

Beim Mahl in der goldenen Halle saß Elydrith neben Theodred. Sie merkte, dass sie der Prinz immer wieder betrachtete. Gefiel sie etwa dem jungen Mann? Elydrith war es überhaupt nicht gewohnt, dass sie von jungen Männern hoffiert wurde. In Pelargir war sie ein schmutziges Straßenkind gewesen, das kein Mensch beachtet hatte.

„Boromir, warum habt Ihr denn Eueren Bruder nicht mitgebracht?", fragte Éowyn bedauernd. „Ich wollte Faramir doch mal kennenlernen. Mein Bruder sagte einst aus Spaß, ich würde gut zu Euerem Bruder passen. Deswegen bin ich so neugierig, wie Faramir ist".

Boromir musste leise lachen.

„Fürwahr, mein Bruder wäre der richtige Gemahl für Euch, Herrin. Aber momentan befindet er sich auf einem Kriegszug in Ithilien. Ich hoffe, dieser unselige Krieg findet bald einmal ein Ende, so dass Faramir Zeit findet, Euch in Rohan den Hof zu machen".

„Ich halte es diese Verbindung für keine gute Idee", warf Grima bissig ein. „Frau Éowyn hat einen Herrscher als Ehemann verdient. Euer Bruder wird nie einer sein".

„Vielleicht sollte ich Boromir ehelichen", rief Éowyn erbost. „Er wird jedenfalls der künftige Truchseß von Gondor sein".

„Ihr solltet in Rohan bleiben, meine Teuerste", erwiderte Grima lächelnd. „Hier gibt es auch hochgestellte Persönlichkeiten".

„Ihr meint wohl Euch!", sagte Éowyn empört und verließ die Tafel.

„Dieser Grima ist ein Ekel", raunte Boromir Éomer zu.

„Wir können nichts gegen ihn machen", sagte der junge Marschall seufzend. „Er steht unter dem persönlichen Schutz meines Onkels. Aber wehe, er kommt Éowyn zu nahe, dann bekommt er mein Schwert zu spüren".

Nach dem Essen ging Boromir vor der goldenen Halle spazieren. Elydrith gesellte sich zu ihm. Der Mond stand am Himmel und warf ein fahles Licht auf den großen Hof. Sie merkte, dass Boromir sehr besorgt wirkte.

„Was gibt es denn?", fragte sie vorsichtig.

„Rohan ist schwach geworden", erwiderte Boromir bedrückt. „Unsere einstigen Verbündeten sind durch Theodens Krankheit ein schutzloses Volk geworden. Theodred ist noch zu jung und unerfahren, um den Thron zu besteigen. Grima wird Rohan ins Verderben führen – das sagt mir mein Herz und mein Verstand".

„Es tut mir leid", murmelte Elydrith.

Boromir musste lächeln, weil ihre Anteilnahme sein Herz berührte. Vorsichtig fasste er mit seinen Fingern unter ihr Kinn und hob es hoch.

„Du siehst heute abend wie eine hohe Dame aus, Elydrith".

Das Mädchen strahlte ihn glücklich an. Boromir konnte nicht anders und es geschah das Unvermeidliche: er küsste sie.