Es wird immer mehr und trotzdem ist kein Ende in sicht *die Haare rauf* Aber rein Kapitel-mäßig könnte langsam die Halbzeit in sicht sein... *g* also bitte nicht aufgeben! Tschucka, ihr schafft das *g* außerdem gibt's jetzt endlich ein bisschen was fürs Herz *schmacht*

Und wieder: Keiner der Charaktere gehört mir (außer Alex, Sakurai und Megumi) und ich will kein geld mit ihnen machen... (muss man das jedes Mal schreiben?? *verwirrt guck*)

*6*

Wieder saß Yami alleine am Fenster und starrte in die Nacht heraus. Wie immer war Yugi schnell eingeschlafen, nach dem sie sich noch ein wenig über den Tag und sein Treffen mit Duke und Alexandra gesprochen hatten. Es hatten Yamis Herz erwärmt, als er sah, wie sehr sich der Junge freute, als Yami ihm gesagt hatte, das er selten so viel Spaß gehabt hatte. Ohne sich groß überwinden zu müssen, hatte er Yugi das Versprechen gegeben, sich mindestens zwei Mal die Woche mit einem der beiden zu treffen, wo er doch, wie Yugi mit einem breiten Grinsen bemerkte, einen Zettel mit Alexandras Telefonnummer bekommen hatte.

Yami warf einen Blick zum Bett hinüber und lächelte melancholisch. Yugi konnte glücklich einschlafen, eine Tatsache, die ihm mehr bedeutete, als vieles andere. Dennoch... auch nach einem so interessanten Tag wie heute fühlte er die Leere in sein inneres zurückkehren, wie die Wasser nach der Ebbe. So konnte es doch einfach nicht weitergehen...
„So kann es nicht weitergehen."

Einen Augenblick lang wunderte Yami sich, ob er den Gedanken laut ausgesprochen hatte, doch dann bemerkte er eine große Gestalt neben dem Bett stehen.

„Shadee", Yami nickte ihm zu, als er die Gestalt in den sandfarbenen Roben erkannte.
„Mein Pharao", begrüßte der Neuankömmling ihn mit einer tiefen Verbeugung.

„Nicht mehr", hörte Yami sich leise sagen. „Nicht mehr."Dann riss er sich zusammen. „Was willst du hier?"

„Wir machen uns große Sorgen, mein Pharao. Um Euch."

Yami lachte heiser. „Danke, das scheint in der letzten Zeit zum Volkssport zu werden."

„Es ist gefährlich, wenn sich ein Wesen mit einer Macht wie der Euren, in Trauer und Wut verliert."Sagte Shadee und trat einen Schritt näher an Yami heran, der ihn halbwegs interessiert beobachtete. „Es macht ihn anfällig für das Böse, an das wir Euch auf keinen Fall verlieren dürfen."

„Besonders glücklich bin ich mit der Situation auch nicht", entgegnete Yami, doch schon nachdem er die Worte gesprochen hatte, tat ihm der bittere Sarkasmus in seiner Stimme auch schon wieder leid.

„Ihr seid gefangen in Eurer Heimatlosigkeit, Pharao. Ihr fühlt euch niemandem zugehörig und niemandem verbunden, außer dem Jungen, der Euren Geist beherbergt. Ihr erinnert euch mehr und mehr an eure Heimat aber euch ist gleichzeitig bewusst, dass Ihr sie nie mehr erreichen könnt."

Yami zuckte zusammen, als der Wächter mit solcher Präzision seinen Zustand zusammenfasste.

„Aber ich kann Euch eine Brücke zurück zeigen. Nicht in zurück in Euer vergangenes Leben, aber zu Wesen, die Euch Euer Leben lang begleitet und viel bedeutet haben, die Eure Freunde waren", Shadee's Stimme sprach jedes Wort langsam und deutlich, doch sie brauchten eine Weile bis sie den dunkeln Vorhang, der sich um Yamis Sinne gelegt hatte, passieren konnten und zu ihm durchdrangen.

„Was für einen Weg?"fragte er, misstrauisch. Er wollte sich erst gar nicht der Hoffnung hingeben, wenn sie letztendlich sich doch wieder als unbegründet erweisen würde.

„Einen Weg, den nur Ihr gehen könnt. Kehrt in Euer Innerstes zurück und sucht nach Eurem Führer durch das Labyrinth Eurer Gedanken. Er wird Euch leiten."

Bevor Yami noch eine Frage stellen konnte, hatte sich Shadee's Gestalt fast aufgelöst und nur noch seine Worte echoten gespenstisch durch den dunkeln Raum.

„Na dank", entfuhr es Yami ungehalten. Was sollte dass denn nun wieder bedeuten? Wenn Shadee ihm helfen wollte, hätte er sich doch ein wenig präziser ausdrücken konnte. Als er merkte, wie er in seine üblichen trüben Gedanken zurückdriftete, beschloss Yami, sich lieber gleich in sein Millenniums-Puzzle zurückzuziehen.

*** Yami trat unentschlossen aus seiner Kammer im Inneren des Geistes, den er und Yugi sich teilten. Seinen Führer suchen? Wo denn? Doch da er eh nichts anderes zu tun hatte, setzte er einfach einen Fuß vor den anderen und schritt die dunklen Gänge ihres Bewusstseins hinab. Er wusste nicht, wie lange er so gewandert war, als er in eine breite Galerie abbog. An ihren steinernen Wänden waren riesige Platten befestigt, die Abbildungen von Duell-Monstern trugen. Abbildungen der echten Monster, die er als Pharao kontrolliert haben sollte. Dieser Teil seiner Vergangenheit war noch nicht wieder aus der Dunkelheit des Vergessens aufgetaucht. Das war vielleicht gut so.

Er blieb vor einer Platte stehen, die den schwarzen Magier darstellte, seinen liebsten Gefährten bei Duell Monsters. Irgendetwas an seinem Gesicht erinnerte ihn an sich selbst, vielleicht war es derselbe unbestimmte Schmerz, der sich auf seinem Gesicht widerspiegelte.

Während Yami das Bildnis noch beobachtete kam mit einem Mal Bewegung in die Oberfläche der Steintafel und nachdem Yami einmal ungläubig die Augen zusammengekniffen und wieder geöffnet hatte stand der Schwarze Magier auch schon in voller Lebensgröße vor ihm.

„Du", entfuhr es Yami bevor er genau wusste was er eigentlich sagen wollte. „... du bist mein Führer?"

Der Magier gab keine Antwort. Blickte nur auf ihn herab, was nicht weiter schwierig war, da er Yami bei weitem überragte. Schließlich gab er ihm nur still ein Zeichen ihm zu folgen.

Yami und er bewegten sich lange durch die scheinbar endlosen Gänge und Korridore, Hallen, Galerien und Treppenaufgänge, bis sie nach einer halben Ewigkeit vor einer unscheinbaren Metalltür stehen blieben. Der Magier deutete ihm hindurchzugehen. Yami zögerte noch einen Augenblick, bevor er vortrat und entschlossen die schwere Tür aufdrückte...

***
Warme Luft stürmte auf ihn ein und mit ihr ein Duft der so vertraut war, das sich etwas in seinem Inneren schmerzhaft zusammenkrampfte. Das war die Wüste, abends, in der Nähe eines großen Flusses, er konnte sich so gut daran erinnern, als hätten die vergangenen 5000 Jahre nie existiert.

„Was..."ihm stockte der Atem, als er sich seiner Umgebung bewusst wurde. Die Tür, dessen griff er gerade noch in der Hand gehalten war, war komplett verschwunden und vor ihm erstreckte sich die weite Dunkelheit einer riesigen Wüste. „Wo sind wir hier?"stieß er schließlich hervor, doch der Schwarze Magier hatte sich schon von ihm abgewandt und schritt in eine Richtung in der Yami den Fluss vermutete, so dass Yami keine andere Möglichkeit hatte, als im stillschweigend zu folgen. Während er ging genoss er den Wind, der durch seine Haare und über seine Brust fuhr. Erst in diesem Augenblick wurde ihm klar, dass er nicht mehr das schwarze, ärmellose Shirt und die dunkelblauen Hosen trug. Auch das Millenniums- Puzzle um seinen Hals war verschwunden. Stattdessen war sein Oberkörper nur in einen weiten, dunkelroten Umhang gehüllt, der hinter ihm im Wind flatterte und weite, weiße Hosen. Schuhe hatte er keine mehr, dafür hingen um seine Unterarme breite goldene Bänder. Das erschien alles so richtig. Wo war er hier nur?

Nach einigen Minuten hatten sie den Flussrand erreicht und traten auf eine Gruppe hoher Palmen zu. Hinter ihnen konnte Yami den flackernden Lichtschein eines Feuers und Gestalten die sich darin bewegten erkennen.

„Yami!"bevor sich seine Augen an die ungewohnte Helligkeit des Feuers gewöhnt hatten, hörte er eine erfreute Frauenstimme und kurze Zeit später fiel ihm jemand um den Hals.

„Schwarzes Magier-Mädchen?"entfuhr es ihm verblüfft, als er die junge Frau mit den wehenden blonden Haaren erkannt hatte.

„Natürlich. Was hattest du denn gedacht?"entfuhr es ihr gutgelaunt als sie wieder einen Schritt zurücktrat.

„Er erinnert sich nicht mehr. Schon vergessen?"Die Worte kamen von einer Gestalt hinter ihr. Dem Elfenschwertkämpfer, wie Yami erkannte, als das Mädchen einen Schritt zur Seite trat. Der Krieger wandte sich Yami zu und kniete kurz nieder. „Mein Pharao."

„H...Hallo", rang Yami sich ziemlich überrumpelt ab. „könntet..."

"Ob wir dir sagen können, wo du hier bist?" half das Magier-Mädchen weiter. „natürlich. Ich habe doch gesagt, dass wir jemand anderes hätten schicken sollen, um ihn abzuholen. Der da", sie wies mit ausgestrecktem Arm auf den Schwarzen Magier der nun mit vor der Brust verschränkten Armen neben dem Elfenschwertkämpfer stand und keine Miene verzog, "kriegt ja den Mund nicht auf um wenigstens ein paar Sachen zu erklären." Als der Magier jedoch würdevoll keine Miene verzog und tat als hätte er nichts gehört, wandte sie sich wieder Yami zu. „Du bist hier in deiner eigenen Welt, deinem Zuhause."Als sie Yamis verständnislose Miene sah, setzte sie sich auf einen großen Stein und zog Yami neben sich. „Also, dies ist ein Ort, an dem sich alle deine Gefährten von damals befinden. Erinnerst du dich an den Kampf, den du damals als Pharao geführt hast?"

Yami schüttelte den Kopf. „Ich kann mich nicht erinnern, aber mir wurde davon erzählt."

„Vermutlich von Shadee oder Ishizu", nickte das Magier-Mädchen. „Während des letzten Gefechts geschah es dann, dass du das Böse zwar wieder in seine Sphäre verbannt hast, aber dafür auch deine eigene menschliche Existenz einbüßen musstest. So bist du in diesem Puzzle gelandet, bist du als Mensch wiedergeboren würdest. Es hat deinen Geist vor dem Zerfall gerettet und uns", sie deutete auf die zwei Männer die schweigend zuhörten, „deine Gefährten von damals ebenfalls."

„Gefährten?"

„Auch wir haben damals wirklich existiert, Yami. Wir sind dir in den Krieg gegen die Schatten gefolgt. Aber da wir selber nicht so stark waren wie du, können wir das Puzzle nicht verlassen, wie du es dank deinem Freund Yugi kannst. Aber wir konnten uns unter deinem Schutz hier eine eigene Welt erschaffen, in der wir uns aufhalten, wenn du uns nicht gerade in einem Duell brauchst."

Sie schwieg nun um Yami etwas Zeit zum Verdauen der ganzen Neuigkeiten zu geben. Schließlich, als dass Schweigen immer länger wurde, schlug sie vor: „Hättest du vielleicht Lust, dich etwas umzusehen. Es gibt vieles zu sehen, dass dich interessieren könnte."

„Mehr?"

Sie lachte. „Natürlich. Das hier ist nur die Sphäre unseres Sonnescheins hier, "wieder deutete sie auf den Magier. „Nicht jeder von uns will in ewiger Nacht an einem feuchten Flussufer hausen. Aber wir dachten vielleicht, dass es der beste Ort wäre, um dich zu begrüßen. Aber jetzt komm. Es gibt so viele hier, die dich unbedingt wieder sehen wollen. Wir können uns noch allzu gut an unsere Zeit auf der Erde erinnern und haben dich so über 5000 Jahre schrecklich vermisst."

*** „Tja", meinte das Magier-Mädchen schließlich, "Jetzt hast du mehr oder weniger alles gesehen, was hier bei uns wichtig wäre... es gibt natürlich noch jede Menge Leute, die dich gerne wieder sehen würden, aber die wirst du bestimmt nach und nach noch treffen, wenn du wiederkommst. Du kommst doch wieder, oder?"

Yami lächelte. „Das würde ich mir um nichts in der Welt nehmen lassen." Noch nie hatte er sich so im Einklang mit sich selbst gefühlt. Anfangs war es ihm zwar etwas merkwürdig vorgekommen, sich mit seinen „Spielkarten" zu unterhalten, doch mit der Zeit hatte er gemerkt, dass er besser mit ihnen zu Recht kam als mit den meisten Menschen die er kannte. Es schien wirklich so zu sein, dass sie sich eine gemeinsame Vergangenheit teilten, die sie miteinander verband... auch wenn er sich noch nicht komplett an diese gemeinsame Vergangenheit erinnern konnte. „Aber ich sollte vielleicht doch mal wieder bei Yugi auftauchen. Er hat sich Sorgen um mich gemacht, und die will ich nicht schlimmer machen, in dem ich Tage lang nicht auftauche."

Das Magier-Mädchen lächelte. „Bring ihn doch irgendwann einmal mit", schlug sie vor. „Dass heißt, wenn du diese Welt... DEINE Welt mit ihm teilen willst..."

„Er teilt sich mit mir seinen Körper", entgegnete Yami. „Er ist ein Teil meiner Seele. Wenn ich jemanden mitnehmen würde, dann nur ihn. Aber ich würde mich vorher gerne noch etwas alleine umsehen..."

„Nur allzu verständlich, also komm dir gar nicht erst selbstsüchtig vor." Wieder lächelte sie ihn herzlich an. „Dann heißt es wohl jetzt „Auf Wiedersehen"sagen, hm?"

„Ich denke wohl", entgegnete Yami. „Aber sag mal, wo geht es denn da drüben hin?"Er deutete auf einen schmalen Pfad der sich zwischen großen, alten Weiden verlor. Der Anblick weckte wieder etwas Melancholie in ihm, doch dieses Mal war sie nicht von seinem eigenen Schmerz ausgelöst.

„Oh, ich war selbst noch nicht dort. Sie ist sehr zurückgezogen, weißt du?" antwortete das Magier-Mädchen als es seinem Blick mit ihren großen blauen Augen folgte. „Sie ist noch neu hier. Keiner von uns hat bisher viel mit ihr gesprochen. Nur der Chaos-Magier verirrt sich ab und zu mal dort hin. Sie kommen wohl ganz gut klar, aber aus ihm kriegt man ja auch nichts über solche Sachen raus."Sie schmollte einen Augenblick bei dem Gedanken an die Verschwiegenheit, die anscheinend alle schwarzen Magier auszeichnete. „Na ja, dann versprichst du mir, bald wiederzukommen?"

Yami nickte zustimmend und verabschiedete sich, doch seine Gedanken waren schon ganz woanders. Nachdem ihn das Mädchen verlassen hatte, setzte er sich in Bewegung, um dem Pfad durch die Bäume hindurch zu folgen. Im Schatten war es mit seinem fast unbedeckten Oberkörper etwas kühler, doch er bemerkte es nicht weiter. Etwa fünf Minuten schritt er durch den kleinen Weidenwald und war schon unschlüssig, ob er noch etwas oder jemanden finden würde, als sich vor ihm eine kleine Lichtung auftat. Zum größten Teil wurde sie von einem kleinen See eingenommen, der rund herum von großen Weiden eingekreist war, deren lange Zweige teilweise im Wasser hingen und von einer sanften Briese hin und her gewiegt wurden. Dünne Nebelschwaden hingen über der Wasseroberfläche und filterten viel vom Sonnenlicht weg. Die Atmosphäre kam ihm irgendwie unwirklich, wie in einem Traum vor. Einen Augenblick lang wähnte er sich vollkommen alleine an diesem fast unwirklichen Ort, als sein Blick auf eine zusammengesunkene Gestalt neben einer der größeren Weiden zu seiner Linken fiel. Es war eine Frauengestalt, die sich nahe der Wasserlinie auf dem Boden niedergelassen hatte und ihm den Rücken zudrehte.

„Sakurai?"Er wusste nicht, woher er diese plötzliche Sicherheit nahm, dass sie und niemand anderes dort saß, doch als er ihren Namen leise aussprach, drehte sie sich herum und sah ihn an. In Yamis Inneren verkrampfte sich etwas als der Blick ihrer fast schwarzen Augen so auf ihm lag, trotzdem nahm er sich zusammen und trat etwas näher an sie heran. Ihr Kleid, das ihm auf der Spiel-Karte wie ein einfaches Leinenkleid vorgekommen war, war aus tausenden von schneeweißen Sakura-Blüten gefertigt, die scheinbar ohne Nat oder ähnliches zusammenhielten und im blassen Licht sanft schimmerten. Obwohl die Sonne nicht durch die Nebelschwaden dringen konnte, leuchteten ihre dunklen Haare und ihre helle Haut wie durch ein inneres Licht.

Sie sah fragend zu ihm hoch, so dass er sich zu weiteren Erklärungen veranlasst sah, auch wenn er am liebsten geschwiegen und sie weiter angesehen hätte. „Mein Name ist Yami."

Sie nickte und schließlich spielte ein leises Lächeln um ihren ebenen Mund. „Ich habe von dir gehört. Es ist schön, dich kennen zu lernen."

Einen Augenblick lang herrschte Stille, in der sich beide nur ansahen, bis Yami das Schweigen etwas unbeholfen unterbrach. „Darf ich mich setzen?"

Sie nickte, als wäre es das selbstverständlichste überhaupt und deutete auf eine Stelle neben ihr im Gras. „Bitte, nimm Platz. Es ist schön, Besuch zu haben."

„Danke..."Ein wenig behindert durch die ihm ungewohnte Kleidung, die jedoch zu seinem früheren Leben gehört haben musste, ließ er sich nieder. „Du bist hier viel alleine?"

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich bin noch nicht sehr lange hier. Die anderen sind sehr nett aber irgendwie fühle ich mich..."

„Ihnen nicht ganz zugehörig?"beendete Yami den Satz ohne genau zu wissen, warum. Sie sah ein wenig überrascht auf und zu ihm herüber. „Genau. Du scheinst das zu kennen?"

Er lachte bitter. „Könnte man so sagen. Ein 5000-Jahre alter Geist, der im Körper eines kleinen Jungen überlebt und von dem ständig verlangt wird, irgendeine Welt zu retten, ist wohl nirgendwo wirklich zuhause..." Er unterbrach sich, als er vollkommen überraschend, ihre dünnen, kalten Finger auf seine Lippen spüren konnte. Ein wenig erschrocken sah er zu ihr herüber, vermied es dabei jedoch, sich ruckartig zu bewegen um den Kontakt nicht zu unterbrechen.

„Sag so etwas nicht."Flüsterte sie eindringlich und beugte sich dabei ein Stück weit zu ihm herüber. „Umarme diese Chance, dass du nicht vor 5000 Jahren gestorben und für immer von dieser Welt verschwunden bist." Dann lächelte sie schüchtern und fügte hinzu: „Sonst hättest du mich zum Beispiel nie treffen können, nicht wahr?"

Bevor Yami etwas erwidern konnte, hatte sie sich auch schon wieder ein Stück zur Seite gedreht um wieder auf den See hinaus zu sehen. Er konnte einfach nicht anders, als sie anzustarren. Was war das nur für eine Frau? Wie konnte sie mit einer solchen Leichtigkeit in seine Seele blicken und den Schmerz darin in Freude verwandeln? Wie konnte er so einfach in ihrem Anblick, im Klang ihrer Stimme versinken und sich fast vollkommen darin verlieren?

Als sie seinen Blick bemerkte, wand sie sich ihm doch wieder zu, blickte etwas peinlich berührt zu Boden. „Was ist?"

Yami wusste nicht wo er anfangen sollte. So viel drängte sich in seinem Kopf zusammen und wollte unbedingt in diesem Moment ausgesprochen werden. Schließlich brachte er mit schwacher Stimme hervor: „Du... autsch..."

Beide fuhren herum, als sie eine Bewegung an Yamis rechter Hand wahrnahmen, die hinter seinem Oberkörper auf dem Boden lag und ihn abstütze. Ein riesiger Rabe pickte interessehalber an seinen Fingern herum und hob, sich der plötzlichen Aufmerksamkeit die er auf sich zog bewusst werdend, den schwarzen Kopf um sie aus schwarzen Knopfaugen anzustarren. „Krah?"

„Nix `Krah´", entgegnete Yami etwas unwirsch während er die attackierte Hand zurückzog, wodurch sich der Vogel jedoch nicht weiter stören ließ und nun um ihn herumhopste um sich an seinem Umhang zu schaffen zu machen. „Hey! Gehören die zu dir?"

Als er sich zu Sakurai umdrehte, sah er, dass sie übers ganze Gesicht lächelte. Eine Tatsache, die ihn den Schmerz in seiner Hand und dass neugierige Bündel schwarzer Federn, das sich mittlerweile auf seinem Schoß vergnügte, sofort vergessen ließ.

„Ja", antwortete sie und streichelte dem Raben sanft über den Kopf, was er sich mit einem tiefen, kehligen Laut gern gefallen ließ. „Sie begleiten mich, solange ich denken kann, sind aber leider ein bisschen neugierig und aufdringlich gegenüber Fremden, da sie so selten andere Menschen sehen als mich."

„Dann... hey,"dieses Mal hatte sich ein anderes Tier unter seinen roten Umhang verirrt und dort hoffnungslos verfangen. Er überließ es Sakurai, das wild strampelnde und hackende Tier aus den Stofffalten zu befreien, wobei sie ihm zufällig über den entblößten Rücken strich. Sie schien es nicht zu bemerken aber Yami musste einen Augenblick die Luft anhalten, bis er mit normaler Stimme fortfahren konnte. „Dann... lässt das mit der Zeit nach, oder?"

Wieder lächelte sie und setzte den zweiten Vogel zu seinem Gefährten, der mittlerweile Interesse daran gefunden hatte, mit dem Schnabel nach seinem Spiegelbild auf der Wasseroberfläche zu hacken. „Ich denke, sobald sie dich für ein paar Tage kennen, werden sie nicht mehr so aufdringlich sein..."Sie unterbrach sich und betrachtete plötzlich interessiert die Raben.

Yami lächelte, als er sie leicht erröten sah. „Was ist denn?"

„Na ja, ich... das war jetzt von mir ein bisschen aufdringlich oder? Davon auszugehen, das du wiederkommen würdest?"

Nun musste Yami wirklich lachen, unterbrach sich jedoch, als er sah, dass es sie noch weiter verunsicherte. „Entschuldige bitte. Für mich klang es nur so natürlich... ich würde gerne wiederkommen, wenn es für dich okay ist. Wenn du nichts anderes zu tun hast."

Ihr Strahlen ließ wieder Wärme in ihm aufsteigen ohne dass er etwas dagegen tun konnte oder wollte. „Das wäre wundervoll!"

„Hättest du vielleicht Lust, dir den Rest dieser... Welt anzusehen?" schlug Yami vor. „Ich bin zum ersten Mal hier und habe so gut wie gar nichts gesehen, und wenn du auch erst seit kurzem hier bist..."

Sie zögerte eine Weile. „Ich denke, wenn du dabei bist..."Sie lächelte wieder. „Ich weiß nicht, wie der Rest mich aufnehmen würde. Sie scheinen sich schon seit Ewigkeiten zu kennen und ich... ich kenne noch nicht einmal mich selbst..."

„Dann bist du bei mir doch in bester Gesellschaft", entgegnete Yami, das erst Mal ohne das ihm bei dem Gedanken an seine Heimatlosigkeit ein dumpfer Schmerz durchzuckte.

***
Yami hatte komplett das Gefühl für die Zeit verloren, doch als über den Bäumen langsam die Sonne aufging wurde ihm klar, dass er bereits mehr als 24 Stunden an diesem Ort verbracht hatte. Er unterdrückte ein Gähnen, sah dann an sich herunter und verzog das Gesicht. Auf seinem Schoß lagen die zwei Raben von gestern und schliefen mit dem Kopf unter einem Flügel. Als er jedoch eine kleine Hand neben den Raben liegen sah zog sich ein Lächeln um seine Mundwinkel und eine wohlige Wärme durch den Rest seines Körpers. Sakurai hatte sich an seine Seite gekuschelt und schlief mit dem Kopf auf seiner Schulter. Jetzt begann auch sie sich zu regen und hob schließlich schläfrig den Kopf um ihn aus dunklen Augen anzusehen. „Yami..?"fragte sie etwas desorientiert.

„Ich bin hier."Entgegnete er und legte ohne größer zu überlegen den rechten Arm um ihre Schultern.

„Gut", entgegnete sie immer noch schläfrig und schmiegte sich wieder an ihn. „Ich hatte schon fast gedacht ich hätte dich nur geträumt."

Yami lächelte. „Ich glaube, dann hättest du dir bessere Gesellschaft geträumt. Ich sollte jetzt auch wieder gehen..."Sie fuhr von seiner Seite hoch und Yami wünschte sich sofort, die Worte nicht gesprochen zu haben. „Ich habe dir doch von Yugi erzählt. Er macht sich momentan eh schon große Sorgen um mich und wenn ich dann auch noch Ewigkeiten verschwunden bin..."

Sakurai nickte wenn sie auch nicht komplett in der Lage war, die Enttäuschung aus ihren Augen zu verbannen. Yami konnte nicht anders, als sich darüber ein wenig zu freuen. „Kommst du mich wieder besuchen?"

Yami lächelte sie an. „Das haben wir doch gestern schon gesagt, oder? Ich werde bald wieder da sein. Was wäre mit morgen Nacht? Ich weiß nicht genau, wie spät es jetzt draußen, in der realen Welt ist, aber nachts, wenn Yugi schläft kann ich eh nirgendwo hin. Dann könnte ich wiederkommen."

„Vielleicht habe ich ja Glück und Yugi macht sich schon fürs Bett fertig", erwiderte Sakurai mit einem schüchternen Lächeln. „Dann sehen wir uns bald wieder."

„Ja. Sehr bald."Damit erhob er sich. Einen Augenblick lang sahen sie sich etwas unschlüssig an, bis Yami sich schließlich mit einem letzten Gruß abwand und sie alleine zurückließ.