Ein kleines Zwischenspiel*g*

Äh, ach ja, nichts gehört mir (also alles beim alten...)

*7*

Als sie die Hellerleuchtete Eingangshalle des Restaurants betrat, war sie für einen Augenblick lang total geblendet. Draußen war der ganze Tag bereits in ein graues Halbdunkel getaucht gewesen und nun in finstere Nacht übergegangen, so dass sie mit der Helligkeit kaum umgehen konnte. Sie musste nur einen Augenblick lang warten, bis ein Kellner auf sie zu trat und sich tief verneigte, bevor sie ihm ihren Namen nannte und er sie durch das Labyrinth von Tischen zu einem separat abgetrennten Raum führte. Das Nobelrestaurant war ganz in traditionell japanischen Stil eingerichtet... Tatami-Matten auf dem Boden, flache Esstische, Sitzkissen darum herum gelegt und Schiebewände aus fast durchsichtigem Papier, hinter denen ein kleiner Garten zu sehen war, in dem in kleinen Zierteichen dicke Koi- Karpfen schwammen. Sie war einige Minuten zu früh gekommen, um die anderen Gäste in Empfang zu nehmen, wie ihr der Chef ihrer Abteilung geraten hatte und fand sich nun etwas unschlüssig im Raum stehen. Sie ertappte sich dabei, wie sie nach einer Weile des Wartens anfing, nervös mit den Fingern in ihrer Hochsteck-Frisur herumzufahren, bis sie schließlich eine einzelne Strähne fand die sich ohne Widerstand herauszupfen ließ und ihr nun in den Nacken fiel. Schon besser. Obwohl ihr da wohl niemand zustimmen würde. Ein wenig skeptisch beäugte sie zuerst den tiefen Tisch und dann ihr Kleid. Sie fand diese Art zu essen ja unheimlich toll, aber nur, wenn man in bequeme Jeans gekleidet war. Innerlich beglückwünschte sie sich, sich für das dunkelgrüne, lange Kleid entschieden zu haben, dass Yami ihr ausgesucht hatte, und nicht das kurze Schwarze von Duke, in dem das auf-dem-Boden- sitzen mehr als schwierig geworden wäre.

Sie musste zum Glück nur fünf Minuten warten, bis der Kellner eine Gruppe von vier ausländischen Geschäftleuten hereinbegleitete, ansonsten hätte der Sitz ihrer hochgesteckten Haare vermutlich ernsten Schaden genommen. „Konbanwa", begrüßte sie die Neuankömmlinge mit einem Lächeln, bevor sie auf Englisch fort fuhr: „Mister Kaiba ist leider noch nicht eingetroffen, aber setzen Sie sich doch bitte schon einmal. Ich bin sicher, er wird nichts weiter dagegen haben, wenn wir schon einmal ohne ihn anfangen zu bestellen. Sollten Sie Probleme mit der Speisekarte haben, zögern Sie bitte nicht, nachzufragen. Dieses Restaurant bietet leider keine Englische Karte an, da es für Touristen zu teuer ist..."

Na dann auf in den Kampf, dachte sie sich Schicksalsergeben. Und ausgerechnet ich muss diese Leute jetzt bei Laune halten, wo ich doch NULL Ahnung von Small Talk habe. Doch im selben Augenblick in dem ihr dieser pessimistische Gedanke durch den Kopf fuhr trat auch schon der Mann links von ihr mit Frage auf sie zu, was es denn für Alternativen zu rohem Fisch gäbe; eine Frage, die auch von den anderen aufgenommen wurde.

Als Kaiba nach etwa einer Stunde eintrat, versuchte ihn Alex möglichst unauffällig zu ignorieren, was ihr nicht weiter schwer fiel, da sie sich mit einem Londoner Geschäftsmann über ihre letzten Besuche in der Stadt vor ein paar Jahren unterhielt und er ihr unbedingt erklären wollte, was sie alles verpasst hatte. Insgeheim verspürte sie, wie Ärger in ihr hoch kochte. Fünf Minuten waren ja verständlich, aber eine Stunde? Das waren doch SEINE Geschäftspartner! Leute, von denen er Geld haben wollte! Wie konnte er da einfach so unhöflich sein? Und dann von allen anderen erwarten, dass sie immer eine Stunde zu früh zur Stelle waren? Wieso durften manche Leute einfach mit so einer Einstellung durchs Leben kommen und damit Erfolg haben? Insgeheim nahm sie sich vor, sich nie derartig aufzuführen... und, sollte sich die Gelegenheit bieten, falls sich je irgendeine Frau für diesen Eisblock interessierte, würde sie ihr eine Warnung zukommen lassen und ihr alle schlechten Eigenschaften an ihm, über die sie mental Buch führen würde, aufzählen. So jemand hatte es nicht anders verdient, wenn er glaubte, andere Menschen so behandeln zu können. Nachdem dieser Entschluss getroffen war fiel es ihr etwas leichter, sich wieder auf die zwei Männer zu konzentrieren, die auf beiden Seiten von ihr saßen und sich darüber ausließen, wo sie ihre nächsten Ferien eher verbringen sollte. Sie nickte des Öfteren höflich, wusste aber, dass sie noch einige Gehaltsklassen aufsteigen musste, bevor daraus etwas werden konnte...

*** Innerlich schüttelte es Kaiba vor Wut. Wie konnte es sich diese kleine... Person... herausnehmen... ja... was nahm sie sich denn eigentlich heraus? Er musste sich sehr zusammen nehmen, um seine Gefühle nicht in seinem Gesicht widerzuspiegeln zu lassen. Warum hatte ihn eine derartige Wut gepackt, als er den Raum betreten hatte? Er war absichtlich zu spät gekommen. Er wollte sehen, ob sie selbstständig mit einer Situation umgehen und die Leute bei Laune halten konnte. Als er dann den Raum betreten hatte, hatten weder sie, noch die vier Geschäftsleute ihn eines Blickes gewürdigt, so tief waren sie in ein Gespräch über Europas Hauptstädte und gelegentliche herablassen Kommentare in Sachen japanische Küche vertieft, wobei sie die letzen mehr als höflich aber bestimmt zurückwies. War es nicht genau dass gewesen, was er an ihr hatte testen wollen? Ob sie die Sache genau so meistern konnte?

Vielleicht hatte ihn auch einfach ihr Anblick verwirrt und aus der Bahn geworfen. Das trägerlose Kleid sah einfach umwerfend aus, schlicht aber elegant, betonte in verbotener Weise ihren Hals und den schlanken Oberkörper. Auch jetzt ertappte er sich wieder dabei, dass er auffällig zu ihr herüberstarrte, den Anblick unwillkürlich in sein Gedächtnis einbrannte, immer jedoch darauf bedacht, einen möglichst kritischen und abweisenden Gesichtsausdruck aufzulegen. Sie war gut, schoss es ihm durch den Kopf. Sie würde es niemals laut von ihm zu hören bekommen, grünes Kleid hin oder her, so weit würde er sich niemals einwickeln lassen. Nur, dass sie ihn beim Eintreten nicht mal eines kurzen Kopfnickens gewürdigt hatte... das war... dreist.

***
Der Abend war schneller vorbei, als Alexandra befürchtet hatte. Nachdem Seto Kaiba eine ganze Weile lang vorgezogen hatten, still auf seinem Sushi herumzukauen schien er seine Professionalität wieder gefunden zu haben und mischte sich wieder in die Gespräche ein. Der Abend verstrich so, dass sch die Besucher abwechselnd mit ihnen unterhielten, mit Kaiba um geschäftliches zu regeln und mit ihr um sich von den knallharten Verhandlungen mit ihrem Chef wieder zu erholen. Eigentlich keine schlechte Teamarbeit, dachte sie sich, ach wenn der Gesichtsausdruck ihres Chefs anderes vermuten ließ.

Als schließlich das letzte Schälchen Sake geleert worden war verabschiedeten sich die Gäste einer nach dem anderen. Kaiba hatte sich schon vor den furchtbaren Abschiedsfloskel aus dem Staub gemacht, wie Alex wütend zur Kenntnis nahm. Na schön. So lange mich keiner anhält damit ich die Rechnung zu bezahlen. Schließlich warf sie sich ihren Mantel über und ging durch die Eingangshalle hinaus ins freie. Es war bereits dunkel und zusätzlich regnete es in Strömen, so dass ihre leichte Sommerjacke sofort durchweichen würde, sobald sie zehn schritte getan hätte. Na ja, so weit war die nächste U-Bahn-Haltestelle auch nicht entfernt. Vielleicht zehn Minuten und wenn sie schnell eine bahn erwischen würde, wäre sie in knapp einer Stunde zuhause unter der Dusche. Einen letzten Augenblick zögerte sie bevor sie in den Regen hinaus trat und sich an der Straße entlang auf den weg zur Haltestelle machte.

Sie war nur einige Meter weit gekommen und schon bis auf die Unterwäsche durchnässte, als neben ihr ein Wagen langsamer wurde. Ein riesiger Wagen, korrigierte sie sich abwesend, eine Limousine sogar. Erst als der Wagen neben ihr zum völligen Stillstand kam und sich eine Tür öffnete, wandte sie sich um und spähte in das innere des Wagens.

„Steigen Sie schon ein!", ertönte eine harte Stimme aus dem Inneren und sagte ihr sofort, wer sich da ihrer erbarmt hatte. Einen kurzen Augenblick lang spielte sie mit dem Gedanken, das Angebot auszuschlagen, doch der kalte Wind, der sich jetzt zu dem regen gesellte überredete sie schließlich doch dazu zu Kaiba in den Wagen zu steigen.

Als der Wagen anfuhr und sie sich einige nasse Strähnen aus dem Gesicht gewischt hatte, blickte sie Kaiba, der ihr gegenüber saß und starr zum Fenster hinausblickte an. „Vielen Dank für das Angebot..." Weiter kam sie nicht, denn er schnitt ihr mit einer kurzen Geste mit der Hand das Wort ab.

„Nur weil sie sich kein Taxi leisten können, habe ich nicht vor ihnen Krankengeld zu bezahlen."

Alex blickte betroffen zu Boden. „Natürlich nicht, Sir."

„Sagen Sie dem Chauffeur, wo er sie rauslassen soll."

Sie nickte, nannte dem Fahrer ihre Adresse und blickte dann wieder zum Fenster hinaus um ihn nicht ansehen zu müssen. Das schien definitiv keine Gelegenheit für Small Talk zu sein, obwohl sie doch in den letzte Stunden so viel in dieser Hinsicht gelernt hatte. Knapp zwanzig Minuten später hielt der Wagen vor ihrem Haus und ließ sie aussteigen. Auf ihr: „Noch einmal vielen Dank und gute Nacht, Sir", bekam sie nicht einmal eine Antwort.