Kapitel 5
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Then from on hight - somewhere in the distance
There's a voice that calls - remember who you are
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Sie hatten vereinbart, daß sie vorab erst einmal niemandem von den seltsamen Gegebenheiten etwas sagen würden. Und beide hatten in dieser Nacht Schwierigkeiten in den Schlaf zu finden. Aber letzendlich übermannte sie dann doch die Traumwelt, und Körper und Geist beider verabschiedeten sich von einem ungewöhnlichen Tag.
Snape wußte nicht, daß er träumte, als er den Schmerz fühlte, die unerträglichen Qualen eines Fluches der ihn getroffen hatte. Es gelang ihm die Augen offen zu halten und zu sehen, was um ihn herum geschah. Die Hölle war ausgebrochen, und er war ihr zum Opfer gefallen. Um ihn herum lagen reglose Körper. Die Luft war erfüllt vom Schreien der kämpfenden Zauberer und Hexen und vom beißenden Geruch des Blutes und der giftigen Zauberessenzen, die den Boden und viele der Wesen um ihn herum bedeckten. Lichtblitze durchzuckten die Nacht und den Regen.
Er lag am Boden - vor Schmerzen krampfhaft zusammengerollt, unfähig, sich zu rühren, sein Zauberstab, dessen Ende seine Hand mit Gewalt umfaßt hielt, war zebrochen. Der niederfallende, heftige Regen ließ alles wie in Zeitlupe erscheinen. Nur schemenhaft erkannte er einzelne Gestalten.
Albus, der sich auf einen Todesser stürzte.
Minerva, die über einen jüngeren Zauberer gebeugt offenbar einen Heilzauber sprach.
Ginny Weasley - war das Ginny? - die an ihm vorbeirannte und schreiend auf einen Gegner zulief, den Snape nicht sehen konnte.
Und dann sah er ihn aus dem Augenwinkel. Den dunklen Lord, dessen Blick ruhig auf ihm ruhte, dessen sarkastisches Grinsen siegesgewiss den einen Fluch zu sprechen begann. Gewaltig sah er aus. Der Regen, der von seiner schwarzen Robe abprasselte, bildete im Licht der ausgestoßenen Zauberspruch-Kaskaden und der ununterbrochen vom Himmel herabdonnernden Blitze eine Corona um ihn, die ihn absolut unantastbar erscheinen ließ.
"AVADA..." seine brüllende, kreischende, unnatürliche Stimme stach in Snapes Hirn, wie ein Schwert, das ungebremst in ihn hineinfuhr.
"...KEDAVRA!!!" Voldemort hatte die Arme weit über sich erhoben, hielt es nicht einmal für nötig, den Zauberstab auf sein Opfer zu richten - und es schien auch nicht nötig zu sein.
Wie eine Feuerkugel stob der Fluch in seine Richtung. Die Art, wie er die Szenerie sah, verlangsamte sich und er konnte beinahe ruhig betrachten, wie der sichere Tod auf ihn zugerast kam, als ebenso langsam, und in plötzlicher absoluter Stille eine Gestalt von der Seite kam und sich zwischen ihn und den Fluch stellte. Er konnte nicht erkennen wer es war, aber er schrie auf! War das Potter? Er versuchte nach ihm zu greifen, aber seine Hände gehorchten ihm nicht. Er konnte nur zusehen, wie die Gestalt von dem Fluch erfasst wurde. Sie wurde hochgeschleudert und fiel nach hinten weg - in seine Richtung - neben ihn...
Die Bilder wurden immer langsamer und langsamer und plötzlich erkannte Snape die Gestalt. Lange, sehr lange braune Locken zogen hinter dem Kopf der fallenden Gestalt hinterher, wie der Schweif eines Kometen. Und als Hermine neben ihm, mit weit aufgerissenen Augen und schmerzverzerrtem Gesicht, auf dem Boden aufschlug, legten sie sich wie ein dunkler Blumenkranz um ihr Gesicht. Warum war es so still? Nur der Regen war noch zu hören. Der Kampf um ihn herum ging in völliger Stille weiter.
Sie wandte sich ihm mit brechenden Augen zu und obwohl alles wohl unglaublich schnell ablaufen mußte, wirkte es unendlich langsam, als sie ihm ihre Hand entgegenstreckte. Sie schrie ihm sterbend etwas zu, aber er konnte sie nicht verstehen.
Er sah Panik in ihren Augen und als der Schmerz in ihm noch eine Stufe höherklomm, als ihn Schläge von hinten trafen, wachte Snape mit einem langgezogenen Schrei schweißgebadet auf.
Er atmete tief und hektisch. Mit einem Satz hatte er sich in seinem Bett aufgerichtet. Sein Atem ging laut und stoßweise, bis sein Körper sich ein wenig beruhigte.
Das Licht der Lampe aus dem Nebenzimmer schien friedlich in sein Schlafzimmer und so unwirklich der Traum gewesen war - der Frieden danach, in der Realität, erschien ihm noch unwirklicher.
Eine Weile saß er einfach nur da, frierend bis es ihn schüttelte und mit Aufwendung aller Kraft die aufkommende Panik niederkämpfend.
Oh Merlin, was für ein Alptraum...
Aber so sehr er sich bemühte, er bekam die Bilder nicht aus dem Kopf. Und er hatte Angst. Angst davor wieder einzuschlafen, Angst davor, der Traum könne wiederkommen, Angst davor, Hermine noch einmal sterben zu sehen.
Als dieser Gedanke in seinem Kopf aufkam, mischte sich eine Ahnung dazu. Er sprang auf, zog sich lediglich seine Hose an und warf über den nackten Oberkörper die weite schwarze Robe.
Einen Atemzug später war er aus seinen Räumen verschwunden. Er hatte nicht einmal seine Türe geschlossen...
Mit sogar für seine Maßstäbe großen Schritten stob er dem Turm der Gryffindors entgegen durch das nächtliche Hogwarts hindurch.
Jetzt bitte keine herumstreunenden Schüler! Fuhr es ihm durch den Sinn. Aber er begegnete niemandem.
Wenn er mit seiner Ahnung richtig lag... er versuchte, den Gedanken nicht weiterzudenken. Was, wenn es nicht wirklich ein Traum gewesen war, sondern etwas das mit dieser verfluchten Vertrautheit zu tun hatte? Verdammt, sie hätten auf der Stelle zu Dumbledore gehen sollen! Was, wenn ein Fluch auf ihnen lag? Oder nur auf ihm ...oder nur auf ihr...?
In Windeseile hatte er den Eingang zum Gryffindor-Turm erreicht. Er warf der fetten Dame das Passwort entgegen und rauschte ohne zu Zögern durch den Eingang hindurch, durchquerte mit wenigen Schritten den glücklicherweise leeren Aufenthaltsraum der Schüler und nahm, als er die Treppe zu den Zimmern hochrannte bei jedem Schritt mehrere Stufen auf einmal. Da alle Haustürme gleich gestaltet waren, wußte er wo er das Zimmer der Schulsprecherin finden würde.
Er klopfte nicht einmal an, sondern riß die Türe ungefragt auf und wußte auf der Stelle, daß seine Ahnung ihn nicht getrogen hatte.
Hermine lag mit ihrem Nachthemd bekleidet völlig in sich zusammengerollt auf dem Boden vor ihrem Bett. Sie bebte am ganzen Körper und weinte laut schluchzend, versuchte Worte zu formen, die aber in ihrem Schluchzen untergingen.
Er schloß mit einem Ruck die Tür und war einen Herzschlag später bei ihr.
Er fiel neben ihr auf die Knie, umfaßte sie und zog sie aus der verkrampften Position hoch. Ihr Gesicht war von Tränen übergossen und verschwitzte Stränen ihrer Haare klebten darin. Sie war bleich wie der Tod.
Der Blick, den sie ihm zuwarf, war unbeschreiblich! Er konnte sich nicht daran erinnern, daß er jemals einem anderen Menschen so unvermittelt so unverschlossen und direkt durch die Augen bis in die Seele hatte blicken können und was er darin fand, konnte er sich nicht erklären. Alles in Hermine schien begreifen zu wollen, wie es sein konnte, daß er jetzt hier bei ihr war, daß das, was sie ganz offenbar genau wie er im Traum erlebt hatte, nicht real gewesen war und er konnte mit tiefem Erschrecken deutlich in ihren Augen sehen, daß sie weit mehr für ihn empfand, als gut für sie war!
Weder das machte Sinn, noch die Tatsache, daß er ahnte, daß sie in diesem Moment das gleiche in seinem Blick sehen konnte! Mit einem lauten aber gleichzeitig auch erlöst klingenden Aufschluchzen schlang sie ihre Arme um ihn und preßte sich mit aller Kraft an ihn heran. Ihm war egal, wie es dazu gekommen war, ihm war egal ob es Sinn machte oder nicht. Er war nur unendlich froh, daß er hier war!
Er hielt sie so fest er konnte, strich beruhigend über ihre Haare, über ihre Schultern, hielt seine Wange an ihren Kopf, preßte immer wieder seine Lippen mit einem Kuß in ihr Haar, konnte nicht aufhören sie zu fühlen, zu spüren daß sie lebte - so als hätte er sie bereits einmal verloren und dürfe sie nun endlich wieder in den Armen halten.
"Schhhh... es war nur ein Traum... es ist vorbei..."
"Das war... kein Traum", flüsterte sie erstickt. "Sonst wärst... du jetzt nicht... hier." ihre Umarmung wurde noch fester.
Lange hielt er sie so, bis das Beben in ihren Gliedern nachließ und ihre Tränen irgendwann verebbten.
