kapitel 15

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"Wenn du die Zielscheibe treffen willst,
mußt du ein wenig darüber hinausziehlen.
Jeder fliegende Pfeil,
spürt die Anziehungskraft der Erde"

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Sie hatten sich entschlossen, parallel zu den Zaubertrank-Untersuchungen des Ordens, auf der Grundlage dessen, was Ginny und Albus an Erinnerungen in das Denkarium gelegt hatten, den Versuch zu wagen, einen anderen, neuen Zaubertrank zu erschaffen .

Es war eine Abwandlung der ursprünglichen Idee, die es allerdings überflüssig machen würde, daß sie sich berühren, um die Magie wirksam werden zu lassen, da das der schwächste Punkt des Zaubers gewesen zu sein schien, der in der Zukunft gescheitert war.

Aber auch wenn Ginny und Hermine in der Gegenwart eindeutig seine besten Schülerinnen waren, hatte Snape sie nur deshalb als Assistentinnen akzeptiert, weil es zu gefährlich war, noch weitere Magier mit echter Zaubertrankerfahrung in die Sache einzuweihen.

Das Kreieren neuer Zaubertränke, war immer eine kniffelige Angelegenheit, und ein Vorgang der stets von vielen Misserfolgen gesäumt war, bis endlich etwas Brauchbares dabei entstand. Normalerweise war Snape dabei von einer geradezu unmenschlichen Ruhe gesegnet - aber diesesmal hatten sie es eilig und jeder neue Fehlschlag machte ihn rasend.

Hinzu kam die Tatsache, daß es ihn von Tag zu Tag stärker bereits durcheinanderbrachte, wenn Hermine nur im Raum war. Sie hielt sich an ihre Abmachung, daß es keine weiteren Intimitäten zwischen ihnen geben würde so dermaßen genau, als sei es ein Gesetz. Für sie schloß das sogar persönliche Unterhaltungen mit ein, die sie so minimal wie möglich hielt.

Anfangs war es für ihre Arbeit hilfreich, aber inzwischen mußte Snape sich gestehen, daß es ihn mehr ablenkte, als es ihn in seiner Konzentration unterstützte. Glücklicherweise war ein unkonzentrierter Snape immer noch ein massiv konzentrierterer Zauberer als so manch anderer nicht abgelenkte Kollege.

Der elfte Tag - der elfte Versuch - und, so wie es aussah, der elfte Fehlschlag.

Ginny, Hermine und Snape waren kurz davor, den Zaubertrank des heutigen Tages ebenfalls aufzugeben.

"Ich glaube nicht, daß wir prinzipiell danebenliegen.", murmelte Hermine zum wiederholten Male vor sich hin.

Ginny und Snape nickten zustimmend.

Der Zaubertrankmeister rührte in dem Kessel herum, als könne das alleine vielleicht doch noch etwas bewirken. Aber dann hielt er inne, holte den kupfernen Löffel aus dem Kessel heraus und setzte sich zu Ginny und Hermine an den Tisch.

"Lassen wir die Sache noch ein wenig brodeln, dann werden wir ja sehen, ob es nicht doch noch umschlägt." Sein Gesicht dabei war weder überzeugt noch überzeugend.

Alle drei beugten sich wieder über die Bücher die auf dem Tisch verteilt waren.

Nur das Knistern des Feuers unter dem Kessel war zu hören und hin und wieder das Rascheln einer umgeschlagenen Buchseite.

Immer wieder blätterte Ginny zu den Zaubertrankzutaten, die in irgendeiner Form mit dem Phönix zu tun hatten.

Die Heilkraft von Phönixtränen war legendär - aber sie mußten vom Phönix selbst in der konkreten Situation gegeben werden, in der sie heilen sollten. Konservieren konnte man sie nicht. Die Federn des Phönix waren ein unglaublicher Fokus für magische Kraft. Nicht umsonst hatte Voldemort, genau wie Harry eine Phönixfeder in seinem Zauberstab.

"Ich habe noch eine Verabredung mit Fawkes und ich würde gerne für heute Schluß machen, meinen Sie daß das geht, Professor?"

Snape sah von seinem Buch hoch.

"Von mir aus können Sie gehen. Ihre Hingezogenheit zu dem Phönix hat allerdings inzwischen wirklich ungewöhnliche Ausmaße angenommen. Sie verbringen wirklich viel Zeit mit dem Tier. Ich meine - es ist ja nicht so, daß man sich mit ihm unterhalten kann."

"Da bin ich nicht sicher. Fawkes fasziniert mich und ich würde sehr gerne noch viel mehr über ihn erfahren. Ich habel inzwischen den Eindruck, daß der Gesang den er benutzt ein Muster hat, als sei es eine ganz eigentständige Sprache.", Begeisterung glühte in ihren Augen.

Snape zuckte uninteressiert mit den Schultern und machte ein gleichgültiges Gesicht.

"Dann gehen Sie und lernen Sie diese Sprache.", ganz ernst nahm er ihre Erkenntnis offenbar nicht, aber Ginny schien es ihm nicht übel zu nehmen.

"Schaden kann es nicht. Für heute können Sie, wie schon gesagt, Schluß machen. Wir werden das hier gleich sowieso wieder abbrechen müssen."

Hermine sah seufzend zum Kessel hinüber. Er hatte wohl Recht.

Ginny räumte die Bücher auf ihrem Platz noch schnell ordentlich zusammen und ging dann.

Hermine war aufgestanden um selbst den Zaubertrank noch ein paar mal umzurühren, als Snape ein Geräusch von sich gab, daß von überraschter Erkenntnis zeugte.

"Natürlich!"

Er blätterte noch eine Seite weiter, überflog die Seite, blätterte dann zurück und schlug mit der flachen Hand darauf.

"Das ist es!"

Hermine lief zu ihm und sah auf die Seite herab.

"Was? Was ist es?"

"Die Orientierung! Es fehlt die Orientierung!"

"Die Orientierung?"

"Ja", er schob ihr das Buch zu, erklärte aber gleichzeitig was er meinte: "Der Zaubertrank soll Sprüche abwehren und dabei den Spruch auf den wirken, der ihn gesprochen hat. Aber das was wir hier brauen ist kein Trank für jeden Zauberspruch der Welt. Es muß geklärt sein, was für eine Art Sprüche er abwehren soll. Es fehlt die Orientierung, daß es sich gegen unverzeihliche Flüche - oder generell gegen dunkle Magie wenden soll. Dem Zaubertrank muß das hinzugefügt werden, gegen das er sich richten soll."

Hermine begriff zwar, was er damit sagen wollte, sah aber ein neues Problem aufkommen. "Wie sollen wir das denn in den Zaubertrank hineingeben?"

Snape stand abrupt auf und ging zum Kessel hinüber. Während er in den Tank hineinsah, als suche er darin etwas, rollte er sich den linken Ärmel seiner Robe hoch.

Hermine ging zu ihm und stellte sich ihm gegenüber auf die andere Seite des Kessels.

Snape zögerte einen kurzen Moment, schien unentschlossen - dann nahm er ein Messer von der Arbeitsplatte, hielt seinen Unterarm über den Kessel und zog die Klinge einmal kraftvoll darüber.

Hermine gab einen überraschten und entsetzen Schrei von sich und sah entgeistert zu, wie Snape, den Arm ausgestreckt über dem Kessel haltend, die Faust kräftig ballte, damit mehr Blut aus der Wunde floss.

Er verzog bei der Prozedur keine Miene, sah nur gespannt in den Kessel hinein.

Der Erfolg war erstaunlich.

Dunkelviolett hatte der Trank werden sollen. Vor wenigen Minuten noch, war er hellgrün gewesen. Jetzt färbte er sich mit jedem Tropfen von Snapes Blut tiefer ins Violette und mit jedem Tropfen verdunkelte sich die Flüsigkeit, bis sie so dunkelviolett war, daß sie fast schwarz schien.

Hermine war trotzdem schockiert. Sie sah auf die Wunde und hatte bereits ihren Zauberstab gezogen um einen Heilzauber zu sprechen, aber Snape hielt sie mit einer kurzen Geste, mit der Hand in der er immer noch das Messer hielt, davon ab.

"Noch nicht."

Sie wartete ab, auch wenn es ihr schwer fiel. Und sie wartete auch nur deshalb, weil ihr klar war, daß die Wunde zwar relativ stark blutete, Severus aber durchaus nicht so viel Blut verlor, daß er dadurch in Gefahr gewesen wäre. Sie hielt die Wunde im Auge und plötzlich konnte sie sehen, warum er diese Stelle seines Arms ausgesucht hatte und warum es funktioniert hatte!

An den Kanten des Schnittes tauchten feine, schwarze Linien auf die leicht rötlich leuchteten und sie ahnte, daß sie zu dem Mal gehörten, von dem sie gehört, das sie aber immer noch nicht bewußt gesehen hatte.

Dem Mal, das ihrer Information nach aufleuchtete, wenn der dunkle Lord seine Anhänger zu sich rief.

Erst glaubte sie, daß das Mal sich dagegen wehrte, durch den Schnitt beschädigt worden zu sein, aber dann sah sie Severus Gesicht, dessen Ausdruck plötzlich von gespanntem Interesse zu Entsetzen gewechselt hatte. Und Hermine wußte, daß es mehr war, als ein Sich-Wehren!

Das ganze Mal zeigte sich und es leuchtete auf, düster und intensiv. Es sah widerlich aus. Das Leuchten hatte mit dem Schnitt nichts zu tun - Voldemort rief seinen Todesser!

"Darauf können wir jetzt keinen Heilzauber sprechen", sagte er tonlos, "Das muß warten. Sage Dumbledore bescheid. Hol vorher den Trank vom Feuer - er ist fertig.", dann packte er ein Tuch - presste es auf die Wunde und ging eiligen Schrittes zur Tür hinaus.

Hermine sah sich entsetzt um und überlegte in Sekundenschnelle was zu tun war.

Als erstes holte sie den Trank von der Feuerstelle und bedeckte den Kessel mit einem großen Tuch. Sie löschte mit einem kurzen Spruch die Flammen und verließ dann rennend ebenfalls das Labor in Richtung Dumbledores Büro.

Sie hatte den Schulleiter sofort gefunden, aber als er und Hermine in Snapes Quartier ankamen, war dieser fort.

Dumbledore sah sich kurz um und sah dann Hermine sehr eindringlich an und faßte sie bei den Schultern.

"Was geschah genau, als er sich geschnitten hat?"

Hermine holte sich das Bild vor ihre Augen zurück.

"Das Mal wurde von der Schnittkante weg deutlicher und begann dann zu leuchten."

"Es glühte nicht komplett auf einmal auf?"

Sie überlegte.

"Nein - es ging von dem Schnitt aus. Ich konnte das Bild nicht von Anfang an erkennen - erst als es komplett zu sehen war."

"Oh je...", murmelte Dumbledore "möglicherweise ist es gar nicht so, daß Voldemort seine Todesser zusammenruft. Ich befürchte vielmehr, daß es ein Zauber ist, der in Kraft tritt, wenn das Mal verletzt wird, um zu verhindern, daß der Träger versucht, es loszuwerden."

"Was heißt das, Professor?"

"Genau weiß ich das nicht, Miss Granger, aber es ist sicher nichts Gutes. Jetzt müssen wir Severus erst einmal finden."

"Kann er bei 'ihm' sein?"

Dumbledore machte ein 'hoffentlich-nicht'-Gesicht, das ihr zeigte, daß der Zauberer das nicht ausschloß, und begann dann, sich eilig in Snapes Wohnzimmer genauer umzusehen.

"Vielleicht hat er uns eine Nachricht hinterlassen. Sehen Sie sich bitte um. Ich sage in der Zwischenzeit Professor McGonagall bescheid und wir suchen ihn. Bleiben Sie hier, bis ich Sie hole oder Ihnen eine Nachricht zukommen lasse."

Noch bevor Hermine etwas dazu sagen konnte, war er bereits gegangen.

Sie stand alleine in Snapes Wohnzimmer.