kapitel 20

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All days come from one day
you cannot change, whats's over,
but only where you go

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Auf der rasenden Fahrt zurück zur Lodge, auf der er sämtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen außer acht ließ, verfluchte er sich selbst immer wieder laut dafür, daß er mit ihr nach Inverness gefahren war. Wer genau hatte sie jetzt, wo war sie, wer war die Person, die ganz offensichtlich mit einer Illusion ihn vorgespielt hatte. Wer hatte gewußt, wo sie waren? Wie hatte er oder sie, sie in dem Buchladen finden können? Die einzigen Personen die wußten, daß sie nach Inverness wollten waren Mrs. Janney und Poppy gewesen.

Die Eule? War man durch die Eule die er an Poppy geschickt hatte, auf seine Spur gekommen? Hatte Poppy mit irgendwem darüber gesprochen? Nein, letzteres konnte er mit Sicherheit ausschließen. Sie würde mit niemandem, außer vielleicht Minerva und Albus, darüber sprechen. Es mußte die Eule gewesen sein. Verdammt!

Der Gedanke, der ihm jetzt zusätzlich durch den Kopf schoß, ließ seine Augen groß werden. War die Lodge in Gefahr? Konnte er jetzt überhaupt dorthin zurückfahren?

Als er an dem Schild ‚Glen Urquhart' ankam, hielt er nicht, sondern fuhr, mit unverminderter Geschwindigkeit, weiter in Richtung Glen Strathferra.

Keine halbe Stunde später brachte er den Wagen mit einer Vollbremsung vor dem Haupttor von Hogwarts zum Stehen. Die Reifen rutschten über das Gras noch zwei Meter weiter und hinterließen eine häßliche braune Erdspur, wo sie das Gras mitgerissen hatten.

Snape kümmerte es nicht. Er sprang, unter den völlig verdatterten Augen der Schüler, die dem Wagen noch gerade rechtzeitig aus dem Weg gesprungen waren, aus dem Auto heraus, und rannte ins Schloß hinein.

Ohne die Robe hatte man ihn in diesen Wänden noch nicht gesehen - und so erkannten viele Schüler den Professor erst, als er schon an ihnen vorbei war. Es war kurz vor der Mittagessenszeit und Dumbledore würde sicher in der großen Halle sein. Also führte ihn sein Weg dorthin.

Der Schulleiter saß bereits, wie viele der Kollegen, auf der Empore und unterhielt sich gerade mit Madame Hooch, während sich die Haus-Tischreihen langsam füllten. Minerva war noch nirgendwo zu sehen. Auch von den anderen des Zirkels schien noch niemand da zu sein.

"Albus!" schlug Snapes Stimme durch die Halle, als er durch die Türe hindurchgestürzt kam.

Dumbledore unterbrach sofort sein Gespräch und als er Snape sah, erhob er sich augenblicklich und kam zum Rand der Empore.

Als er ihn erreicht hatte, war Snape mit riesigen Schritten ebenfalls bereits dort angekommen. Die Schüler in seinem Weg, waren wie Gischt auseinandergestoben, um nicht von ihm umgerannt zu werden.

Atemlos berichtete Snape Dumbledore leise, was geschehen war.

Niemandem im Saal war der Zwischenfall entgangen, und unter leisem Gemurmel beobachteten alle den Schulleiter und den Professor für Zaubertränke, der irgendwie anders aussah als sonst.

Das Gespräch dauerte nur kurz, dann nickten beide Männer und verließen eilig den Saal.

Ginny, Harry, McGonagall und Dumbledore hatten sich im Büro des Schulleiters angehört, was Snape zu berichten hatte. Albus hatte die anderen, bereits bei der Abreise der beiden, über die Gegebenheiten informiert, so daß es zumindest nicht zu Fragen darüber kam, warum sie fort gewesen waren. Im Gegensatz zu seinem Verhalten Hermine gegenüber, machte er in dieser Runde allerdings kein Geheimnis mehr aus dem Grund für seinen Aufenhalt in der Lodge. Er fasste sich allerdings kurz.

"... und deshalb wäre früher oder später etwas aufgefallen, wenn ich diese zwei Tag immer in Hogwarts verbracht hätte. Es wird noch bis etwa morgen mittag andauern. Bis dahin bin ich für nichts zu gebrauchen, das Magie erfordert. Ich kann sie weder ausüben, noch kann sie auf mich angewandt werden." Endete er seine kurze Zusammenfassung. Er war selbst erstaunt darüber, wie leicht ihm diese Fakten von den Lippen gegangen waren.

Die anderem stimmten ihm in der Überlegung zu, daß die Eule die einzige Verbindung sein konnte, die wem auch immer, verraten hatte, wo sie waren.

"Bleibt allerdings die Frage, warum sie nicht gleich in der Lodge zugeschlagen haben.", gab Harry zu bedenken.

McGonagall wog den Kopf hin und her "Möglicherweise haben sie einfach nach einem geeigneten Moment gesucht - und vielleicht haben sie, genau wie Hermine, vermutet, daß die Lodge in irgendeiner Form geschützt ist."

Snape nickte: "Das macht Sinn. Verdammt! Ich hätte nicht mit ihr nach Inverness fahren sollen!"

Harry legte ihm eine Hand auf den Arm. "Das ist Unfug, Professor, das hätte auch überall sonst passieren können."

Snape wußte, daß er recht hatte, trotzdem blieb das Schuldgefühl. Aber er nickte erneut.

"Gut,", ergriff Ginny das Wort "Wie gehen wir vor? Was unternehmen wir?"

Harry wollte die Sache methodisch angehen: "Was denken wir denn, bei wem sie jetzt ist?"

"Voldemort", sagten Snape und McGonagall gleichzeitig. Harry setzte sich aufs Sofa.

"Sind wir da wirklich so sicher? Ich meine, natürlich, die Geschehnisse deuten darauf hin. Aber wie wir jetzt wissen, wußte Voldemort schon lange, daß der Professor nicht für ihn arbeitet, sondern als Spion." Harry war, wie Hermine ihm geraten hatte, bei Dumbledore gewesen und hatte ihm von seinem Verstehens-Patzer erzählt, und dieser hatte es Snape erklärt, der glücklicherweise keine Szene daraus gemacht hatte.

"Er hätte längst gegen die Personen aus Professor Snapes Umfeld vorgehen können."

"Hätte er nicht", erwiderte Snape, der unruhig im Raum auf und ab ging, während die anderen nach und nach Harrys Beispiel folgten und sich setzten.

"Die einzigen Personen die mir wichtig sind, sind entweder so stark, daß Voldemort nicht einfach so wagen würde sie anzugreifen, oder sie sind durch die Schule geschützt."

"Aber nicht in den Ferien", warf Ginny ein "da sind fast alle zu Hause".

Snape blieb stehen. "Hmm.. das ist richtig, nicht in den Ferien..."

Er nahm seine Wanderung allerdings gleich wieder auf, als er weitersprach.

"Allerdings waren die Empfindungen die ich bei meinem letzten Treffen ‚dabei hatte' neu - für mich und dementsprechend auch für Voldemort. Ich habe von Albus gelernt, alle emotionalen Verbindungen und Regungen, für magische Untersuchungen jeder Art, unsichtbar zu machen. Das ist mir aber, wie ich befürchtet hatte, bei Hermine nicht gelungen. Dadurch daß ich das Mal verletzt habe..." er blieb wieder stehen und schlug mit der Faust hart gegen einen Schrank "DÄMLICH wie ich bin!", er holte tief Luft und fing noch einmal an: "Dadurch, daß ich das Mal verletzt habe, ist der Imperius, mit dem Voldemort uns ruft ,sofort und ohne die übliche Vorwarnung, gegen mich gerichtet gewesen, in einer Stärke, wie ich ihn von vorher noch nie erlebt habe. Es war mir unmöglich, mich dagegenzustellen. Und dadurch daß ich so überrumpelt war, ist sowiso alles schief gelaufen. Er muß die Gegenwart von Hermine so deutlich gefühlt haben, als stünde sie neben mir..." er fluchte noch leise einige Worte vor sich hin, die die anderen nicht mehr verstanden - was aber wohl auch nicht notwendig war.

"Wie nah sind Sie und Hermine sich denn gekommen?", fragt Ginny leise in den Raum.

Alle hielten den Atem an und sahen erwartungsvoll zum Zaubertranklehrer hinüber.

Snape hatte in seiner Wanderung durch den Raum wieder innegehalten und sah sie an, einen nach dem anderen und schien die Antwort in seinem Kopf genauestens zu formulieren, bevor er sagte: "Ich denke, so nah, wie zwei Menschen sich kommen können."

Harry atmete hörbar aus.

"Hermine liebt Sie, das weiß ich, weil sie es mir gesagt hat, obwohl ich es auch vorher schon gewußt habe.", sagte Ginny mit einer Selbstverständlichkeit, die Snapes Herz noch schneller schlagen ließ, als es das ohnehin schon tat. "Aber wie sieht es mit Ihnen aus? Was hat Voldemort tatsächlich in Ihnen gefunden, als Sie bei ihm waren. Lieben Sie Hermine?"

Wie konnte sie diese Frage stellen? Erwartete sie darauf eine Antwort? Snape fragte sich, was schlimmer war: Folter von Voldemort? Oder eine Sechstklässlerin, die ihm solche Fragen stellte? Ihm war zumindest klar, daß er mit Folter besser zurecht kam, als hiermit. Reichte seine überaus deutliche Antwort von gerade nicht? Er schluckte. Das konnte nicht ihr Ernst sein, oder? Plötzlich hielt er allerdings in seinen eigenen Gedanken inne. Was für einen Schwachsinn dachte er da eigentlich? War er wirklich der gefühlskalte, emotionslose Eisklotz für den ihn jedermann hielt? War er außerstande die Frage zu beantworten, ob er liebte? Wußte er selbst es denn? JA! Er wußte es! Konnte er es sich denn selbst eingestehen? Dieses Ja war schon nicht mehr ganz so schnell, aber es war immerhin ein klares Ja. War er in der Lage, diesen Menschen vor ihm, die ihn jetzt so überaus fragend ansahen, das ebenfalls zu gestehen? Konnte er es tatsächlich laut sagen, daß er Hermine Granger liebte? Er fühlte sich wie ein Kaninchen, das nach einer langen Hetzjagd in einem zu niedrigen Erdloch saß, dessen Eingang gerade von Bluthunden aufgebuddelt wurde. Nein, das brachte er nicht fertig, also wählte er den Mittelweg.

Er nickte.

Die anderen sahen, daß sie damit mehr Wahrheit aus ihm herausgeholt hatten, als zu erwarten gewesen war. Und deshalb ließen sie ihn danach mit dem Thema in Ruhe.

Harry sagte lediglich noch: "Dann ist es in der Tat das Wahrscheinlichste, daß er sie nun hat und irgendwie als Druckmittel benutzen will."

"... was wenigstens gewährleisten würde, daß sie noch lebt.", setzte McGonagall hintenan.

Dumbledore richtete sich an Ginny.

"Der Trank, der ja inzwischen fertig ist - wie lange im Vorfeld muß er genommen werden, damit er wirkt? Wirkt er sofort, oder erst nach einer gewissen Zeit?"

Snape stellte verwundert fest, daß Ginny, obwohl ihre beste Freundin in größter Gefahr war, eine erstaunliche Ruhe an den Tag legte.

"Während der letzten zwei Tage habe ich das ausprobiert und ich denke, daß er mindestens zehn Stunden vor dem Einsatz eingenommen werden sollte, damit er seine volle Kraft entfalten kann."

"Ich kann ihn jetzt noch nicht einnehmen - er wäre nicht wirksam bei mir.", sagte Snape.

"Dann nehmen halt erst einmal nur wir ihn.", sagte Ginny. "Dieser Trank ist ja nicht wie der, den wir in der Zukunft gemacht haben, davon abhängig, daß wir uns berühren, um ihn wirken zu lassen. Er funktioniert bei jedem einzelnen von uns. So hoffen wir zumindest..."

"Und wie lange hält die Wirkung dann an?", fragte der Schulleiter.

"Genau weiß ich das nicht.", mußte Ginny zugeben "Ich vermute allerdings, daß er mindestens so lange wirksam ist, wie er braucht, um wirksam zu werden. Und ich sehe kein Problem darin, zu einem späteren Zeitpunkt noch eine weitere Dosis davon zu trinken, so daß sich die Dauer verlängert. Zu etwaigen Nebenwirkungen kann ich allerdings noch gar nichts sagen..." sie seufzte. "Wir haben hier eine grandiose Waffe gegen die dunkle Seite, aber wir sind weit davon entfernt, zu wissen, ob sie uns nicht auch schadet."

Snape nickte zustimmend.

Plötzlich klopfte es gegen die Scheibe von Dumbledores Bürofenster. Eine kleine Eule tickte mit dem Schnabel von außen dagegen. Eilig öffnete der Schulleiter das Fenster und ließ sie herein. Sie hielt keinen Brief und kein Päckchen in den Krallen, aber eine lange Sträne braungelocktes Haar...

"Wo kommt die Eule her?" Snape stürzte sich auf das arme Tier, das dadurch beinahe erschrocken wieder aus dem Fenster gehüpft und weggeflogen wäre.

Ruhig aber bestimmt, nahm Dumbledore ihm den Vogel ab und untersuchte ihn genauer.

Ziemlich schnell lächelte er.

"Unsere gute Hermine. Ich denke, daß sie selbst uns die Eule geschickt hat. Seht her." Er hob das eine Bein der Eule und daran befand sich ein schmaler, goldener Ring. Ein Besitzzeichen, das nur wenige Zauberer und Hexen ihren Eulen zumuteten. Aber einige wenige taten es halt doch. Auf diesem befand sich, fein ziseliert eingraviert, das Wappen der Malfoys.

Fasziniert betratete Snape das Wappen. "Der Eule ist es egal von wem sie geschickt wird. Hermine muß irgendwie an sie herangekommen sein." Er atmete erleichtert aus. "Dann ist sie noch nicht bei Voldemort selbst! Er hätte sie niemals an einem Ort untergebracht, an dem es Eulen gibt. Nein, ich denke sie ist in Malfoy Manor!"

Sein Blick hastete zu den anderen. "Aber wer dort hat sie entführt? Lucius ist in Askaban." Er sah Dumbledore an "Ist er doch, oder?" Der Schulleiter nickte beruhigend. "Ja, Severus, ist er."

Snape dachte weiter. Aber er kam zu keinem vernünftigen Ergebnis, bis seine Augen weit wurden.

"Wo ist Draco?"

"Draco?" Harry schüttelte den Kopf. "Nein, sowas würde Draco nicht bringen. Außerdem würde es doch sofort auffallen, wenn er nicht mehr hier wäre."

"Wenn er da ist, ist es ja gut - aber laßt es uns überprüfen!"

Er wollte sich gerade zur Türe aufmachen, als Harry die Karte der Herumtreiber aus der Robe zog und die notwendigen Worte murmelte. Es zeigten sich, wie gewohnt, unzählige Punkte auf der Karte und neben einem dieser Punkte stand gut leserlich ‚Draco Malfoy'.

"Er ist hier in Hogwarts, Professor. Ohne Zweifel."

Man konnte an Snapes Gesicht unschwer ablesen, daß sich in seinem Kopf die Gedanken überschlugen.

"Wir müssen da hin. Wir müssen nach Malfoy Manor."

"Du hast recht, aber du kannst nicht apparieren, Severus. Du kannst nicht mit. Laß uns das machen." Dumbledore legte ihm väterlich die Hand auf die Schulter.

"NEIN!", fauchte Snape und ging einen Schritt zurück, so das Dumbledores Hand von ihm abglitt.

"Nein, ich komme auf jeden Fall mit!"

"Wie wollen Sie das machen, Professor?", fragte Harry.

"Es gibt einen Weg.", er drehte sich um und rauschte hinaus. Noch im Rausgehen erklang seine Stimme: "Ich bin in einer halben Stunde wieder da!" und fort war er.

Die anderen sahen sich fragend an, zuckten dann mit den Schultern und begannen zu planen, was zu tun sein würde.