Kapitel 26

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Die Leere ist nicht still.
Ich habe sie stets in zunehmendem Maße
als einen Zwischenraum betrachtet...

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Er schlug die Augen auf.

Das Licht der Krankenstation blendete ihn, obwohl er sofort erkennen konnte, daß der Raum in dem er lag, abgedunkelt war.

Aber seine Augen gewöhnten sich schnell daran. Er war allein. Die Dinge, die neben seinem Bett standen, zeugten allerdings von mindestens einem Menschen, der ständig hier war. Ein halbvolles Glas Wasser, ein kleiner Stapel Bücher, eine Schreibfeder, ein gemütlicher Sessel an der Seite seines Bettes.

Er horchte in sich hinein und überlegte, ob er versuchen sollte sich aufzurichten. Ihm tat jeder Muskel weh, den er in sich trug. Aber das Verlangen nicht mehr zu liegen war übermächtig. Also versuchte er es.

Zu seinem Erstaunen ging es.

Es tat weh, aber es war auszuhalten.

Er blickte an sich herab und stellte zu seiner Zufriedenheit fest, daß er keine Krankenstationskleidung, sondern eines seiner eigenen Nachtgewänder trug. Eine Art schwarzer Tunika.

Er stand vorsichtig auf und ging ein paar wankende Schritte zum Fenster der Krankenstation, hielt sich dort am Fensterrahmen fest und ließ seinem Kreislauf eine Chance, sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen. Er fühlte sich sehr schwach und seine Beine zitterten ein wenig vor Anstrengung und er fragte sich, wie lange er wohl geschlafen hatte, wenn sein Körper davon so geschwächt war.

Sein Blick hinaus über den dunklen Hof, zeigte ihm geschäftiges Treiben hinter den hell erleuchteten Fenstern der anderen Schloß-Trakte. Die Schüler waren offenbar auf dem Weg zum Abendessen in der großen Halle.

So friedlich war dieses Bild, daß die Erinnerung an den Kampf, ihn völlig unerwartet überfiel. Er hielt sich ein wenig härter am Rahmen fest, weil seine Beine erneut kurz nachzugeben drohten.

‚Wie...?', hallte es kurz in seinem Kopf.

Er versuchte, die aufblitzenden Bilder in eine konkrete Reihenfolge zu bringen, was ihm sehr zügig gelang. Er hatte nichts vergessen. Aber irgendetwas mußte fehlen, denn den Bildern nach, die er zusammenbrachte, hätte er nicht in der Krankenstation sein dürfen - ganz gleich wie lange er geschlafen hatte. Er hätte tot sein müssen.

Einer Intuition folgend, ließ er plötzlich den Fensterrahmen los und schob mit seiner rechten Hand den linken Ärmel weit nach oben.

Es war weg!

Das Mal auf seinem Arm war weg!

Ein keuchender Laut der Überraschung entwich ihm.

Das auf jeden Fall stimmte. Voldemort war tot. Der dunkle Lord war endgültig besiegt und mit ihm war das verfluchte Mal verschwunden.

Was hatte er bloß getan? Spielte seine Erinnerung ihm erneut einen Streich? Oder hatte er wirklich, ohne seinen Zauberstab zu benutzen, ohne eine Zauberformel zu sprechen, Magie gewirkt die so stark war, daß sie Voldemort zur Strecke gebracht hatte?

Und dann wußte er wieder den Anlass und seine Beine gaben endgültig nach. Voldemort hatte Hermine getötet.

Er ließ sich etwas ungelenk auf der Bettkante des Bettes nieder, das gleich neben dem Fenster stand.

Lange blieb er dort sitzen und sah in den Nachthimmel über Hogwarts hinaus. Er erinnerte sich.

Weil für ihn selbst nichts mehr wichtig gewesen war, als Hermine sich für ihn geopfert hatte und weil er für nichts in der Welt alleine hatte zurückbleiben wollen, weil er auch dahin wollte wo sie war, war er von einer seltsamen Ruhe erfasst worden. Er hatte schon davon gehört, daß Menschen dann, wenn wirklich alles geschehen war, wovor sie sich gefürchtet hatten, zu erstaunlicher Ruhe und Überlegtheit fähig waren.

Und plötzlich hatte er gewußt was er tun mußte, damit Albus, Minerva, Harry, Ginny, der Orden, Hogwarts, die Welt der Magier endgültig von diesem tödlichen Fluch befreit werden konnten den Voldemort darstellte. Niemand sollte mehr so leben müssen, wie er es getan hatte, niemand sollte mehr zusehen müssen, wie stirbt, was er liebt. Er hatte plötzlich gewußt, daß er selbst die Waffe sein konnte, die ihnen gefehlt hatte.

Ihm fiel wieder ein, was er sich auf dem Schlachtfeld in Erinnerung gerufen hatte: "Du hast Zugriff gehabt auf deine pure Lebensenergie. Dann reicht die Vorstellung dessen was passieren soll."

Lebensenergie... und ein Fokus... in der Tat - das war es gewesen.

Und dann hatte er alle Energie, die ihm zur Verfügung gestanden hatte - die Essenz seines Lebens - in die Magie gelegt, die er gewirkt hatte. Und Hermine war zu seinem Fokus geworden.

Gemeinsam mit ihr die Grenze überschreiten oder alleine - aber nicht zurückbleiben!

Was seine Gedanken wieder dahin führte, daß er eigentlich tot sein müßte. Speziell nachdem er den Rest der Kraft, die ihm geblieben war, wie er sich jetzt ebenfalls wieder erinnerte, in Hermine gegeben hatte.

‚Hermine...', lebte sie, oder war dieser Teil seiner Erinnerung nur ein Trugbild? Aber wenn das Andere wahr war, warum sollte er sich das eingebildet haben? Weil er es wollte? Nein... es war geschehen.

Hermine war von dem unverzeihlichen Fluch getroffen worden - für ihn - an seiner statt... und ihr Herz hatte stillgestanden. Aber durch irgendetwas, das er getan hatte, hatte es wieder zu schlagen begonnen. Er hatte es gefühlt. Oder war der Wunsch es zu fühlen nur so groß gewesen, daß seine Sinne ihn getrogen hatten?

Nein - er war sicher, daß der Platz neben seinem Bett ihrer war, der Sessel, die Bücher, die Schreibutensilien, daß all dies Hermine gehörte.