Kapitel 2
1 Zwölftel einer Stunde...
Fünf Minuten...
300 Sekunden...
100 unruhige Atemzüge...
Fünf Minuten konnten eine Ewigkeit sein.
Seit fünf Minuten stand Hermine neben dem Waschbecken in Professor Snapes Unterrichtsraum und sah ihm zu, wie er wortlos seine Hände von einer dunkelblauen Farbe reinigte, die von einem Zaubertrank-Experiment dort verblieben war.
Seit fünf Minuten rieb er mit einer unfassbaren Ruhe seine Hände immer wieder aufs neue sorgfältig mit einer elfenbeinfarbenen Paste ein, die einen angenehmen Duft verströmte und wusch diese Paste dann ebenso sorgfältig und langsam wieder ab.
Jedesmal wurde der blaue Farbton ein wenig blasser.
Jedesmal spülte das fließende Wasser seine Finger wieder sauber.
Jedesmal durchzog Hermine dieses unruhige Gefühl, wenn sie seine langen Finger betrachtete, die von dem offenbar kalten Wasser nass glänzten.
Die Nagelbetten seiner Fingerspitzen hatten von der Kälte und dem ständigen Reiben eine sehr lebendige Farbe angenommen, von denen sich das Weiß der erstaunlich langen Nagelspitzen sehr kontrastreich abhob.
Hermine fiel ein, daß er seine langen Nägel oft benutzte, wenn es darum ging, winzige Teile von Zutaten abzutrennen, oder kleinste Fäden aus benötigten Pflanzen herauszuziehen.
Und sie waren außergewöhnlich gepflegt.
Von der blauen Farbe war nur noch ein Hauch zu sehen.
Und wieder griffen die Fingerspitzen der einen Hand in den Tigel und holten eine nußgroße Menge der Paste heraus. Und wieder verteilte er sie seelenruhig erst auf den Innenflächen seiner Hände.
Dann umfaßte die rechte Hand die linke, verteilte die Paste auf dem Handrücken. Dann tat die linke Hand das gleiche mit der rechten.
Hermine hätte die Augen schließen können und trotzdem gewußt, welche Bewegungen nun folgten.
Aber sie sah weiter zu, wie er nun Finger für Finger die Paste sorgfältig verteilte, um sich zum Schluß wieder den Rändern der Nagelbetten zu widmen, bevor er seine Hände erneut unter das fließende Wasser hielt und die Paste in aller Ruhe abspülte.
Jetzt konnte Hermine keine Farbe mehr erkennen.
Die Schulsprecherin war auf der einen Seite dankbar, daß sie seine Hände betrachten konnte, seit er ihr befohlen hatte, zu warten, wärend er sich "nur eben kurz" die Hände waschen würde, weil sie jedesmal wenn sie seine hochgewachsene Gestalt betrachtete, sie nur wieder das Bild des nassen, entkleideten, so unerwartet gut gebauten Mannes vor sich sah.
Auf der anderen Seite war ihr die intensive Betrachtung seiner agilen Hände nun quasi genauso durch und durch gegangen.
Sie mußte die Vorstellung, sie wieder auf ihrer Haut zu fühlen mit Kraft niederkämpfen! Immer wieder!
Und es hatte dabei nicht wirklich geholfen, daß seine Hände naß waren...
Er hatte inzwischen ein Handtuch gegriffen und trocknete sich die Hände mit der gleichen Sorgfalt ab, mit der er sie gerade gewaschen hatte.
Und als sie trocken waren, griff er nach einem anderen Tigel, öffnete ihn, holte mit einem Finger eine kleine Menge einer anderen zartgrünen Paste heraus, verschloss das Gefäß wieder und begann, die Creme auf seinen Händen zu verteilen.
Dabei sah er allerdings nicht mehr, wie bei der bisherigen Prozedur, seine Hände an sondern Hermine.
Diese allerdings hielt den Blick wie hypnotisiert auf seinen Fingern, die nach wie vor in steter, sanfter aber intensiver Bewegung waren.
Der Hauch eines Schmunzelns überzog sein Gesicht, als ihm klar wurde, warum sie so fasziniert auf seine Hände starrte.
Seine Bewegungen wurden langsamer, und er schloß seine Handgelenke in die Prozedur mit ein, hielt die Hände bewußt so, daß sie sie noch besser sehen konnte und veränderte das Einreiben der Handflächen, der Handrücken und der einzelnen Finger auf eine Weise, die Hermine schlucken ließ.
Er lachte leise auf eine Art, die sie mit peinlich geröteten Wangen hochschrecken ließ, und begab sich zu seinem Pult.
"So, da wären Sie also, Miss Granger. Ich hoffe, Sie haben sich keine Erkältung zugezogen, bei dem Versuch, Ihre Katze aus meiner Wanne herauszuzholen. Ich kann hoffentlich davon ausgehen, daß das Tier inzwischen in sicherem Gewahrsam ist?"
Hermine riß sich zusammen und folgte ihm zum Pult.
Sie standen sich jetzt gegenüber, wenn man davon absah, daß der Tisch zwischen ihnen stand.
"Ja, der KATER..." sie betonte das Geschlecht "... ist wieder in meinem Zimmer."
Snape sah sie von oben herab an.
"Sind Sie wirklich der Meinung, daß dieser leicht rebellische Unterton angesichts Ihrer momentanen Lage angebracht ist?"
"Ich habe hier heute abend eine Strafarbeit abzuleisten. Es war nie die Rede davon, daß ich nicht frei sprechen darf. Abgesehen davon ist es wohl kaum rebellisch zu nennen, wenn ich Sie auf das Geschlecht meines Haustieres aufmerksam mache."
Snape war irritiert. Es war nicht die Art der Schulsprecherin, derart patzige Antworten zu geben. Er führte das auf ihre mehr als ungewöhnliche Begegnung in seinem Bad zurück und ging davon aus, daß sie damit ihre Unsicherheit üerspielte. Er fragte sich amüsiert, wie weit sie gehen würde.
"Wenn Sie in diesem Ton mit mir weitersprechen, werde ich Ihnen das Sprechen für heute abend gänzlich untersagen.", drohte er ihr.
Hermines Schultern strafften sich. Sie schien nicht nachgeben zu wollen. Sie wagte sogar einen herausfordernden Blick.
"Das muß die Erfüllung eines Traumes sein, gerade mir das Sprechen verbieten zu dürfen."
Snape schnappte innerlich nach Luft - ließ sich aber nach außen nichts anmerken. Sie legte es wirklich darauf an.
Jetzt verschränkte sie sogar die Ame.
"Sagen Sie mir bitte, was meine Strafarbeit ist, Professor."
Er überlegte.
Sah sie an.
Von oben bis unten.
Hermines Wangen wurden angesichts seiner Musterung wieder rot. Ob er daran dachte, daß ihre Bluse bei iher letzten Begegnung fast durchsichtig gewesen war?
Aber sein Blick wanderte ihren kompletten Körper herab und wieder herauf, soweit das Pult dies zuließ.
Als er wieder in ihrem Gesicht angekommen war, lächelte er ein Lächeln, das nichts Gutes verhieß.
Hermine wurde kalt. Sie hätte nicht so frech sein sollen!
"Wenn Sie mich schon so richtig auf meine Träume aufmerksam machen, Miss Granger, werde ich mir den von Ihnen genannten nun in der Tat erfüllen. Ich verbiete Ihnen, den Rest des heutigen Abends zu sprechen, es sei denn, Sie werden konkret dazu aufgefordert."
Hermine legte den Kopf schief und sah ihn direkt an. Der Kampfgeist war in ihr erwacht und jetzt war sowiso schon alles zu spät.
"Wollen Sie mich mit einem Fluch belegen, der das bewirkt?"
Snape kam mit langsamen, sehr langsamen Schritten um das Pult herum.
"Nein, Miss Granger, das hatte ich nicht vor. Ich hatte eigentlich nur vor, es Ihnen zu befehlen und war davon ausgegangen, daß Sie diese Order befolgen."
Er war bereits halb um das Pult herum und Hermine konnte seine Aura fast körperlich spüren und fragte sich, was geschehen würde, wenn er noch näher kam.
Oh Merlin, da war wieder dieses Bild in ihrem Kopf. Seine heiße, nasse Haut von der in dem kühlen Badezimmer leichte Nebelschwaden aufstiegen.
Ihr Herzschlag beschleunigte sich und ihr Atem wurde flacher. Sie hasste ihn dafür! Aber sie hielt seinem Blick stand.
Seine Augen ließen ihre ebenfalls keine Sekunde los.
Und dann machte sie eine atemberaubende Entdeckung. Sie konnte sehen, daß seine Atemzüge nicht so tief waren wie gerade eben noch, daß seine Augen einen merkwürdigen Glanz bekommen hatten, der sonst nicht da war und als er still vor ihr stehenblieb und sich nicht weiter bewegte, konnte sie an seinem Hals als hauchzarte, pulsierende Bewegung seinen Herzschlag erkennen. Seinen - schnellen! - Herzschlag.
"Sie lieben es, Befehle zu erteilen, nicht wahr?" Sie hatte leise, aber trotzdem herausfordernd gesprochen.
"Oh ja.", antwortete er belustigt. "Glücklicherweise gibt es zu mir immer Gegenstücke, die es begrüßen, Befehle entgegenzunehmen."
"Das begrüßt niemand, Professor."
"Wenn Sie sich da nicht mal irren."
"Sie wollen mir sagen, es gibt Menschen die es genießen, Befehle entgegenzunehmen? Das soll doch wohl ein Witz sein."
"Sie wären überrascht, Miss Granger."
Sein Geist wurde überflutet von Bildern der Schülerin vor ihm in Posen in denen er sie sich besser nicht vorstellen sollte. Er unterdrückte einen Laut, der in der jetztigen Situation höchst unpassend gewesen wäre und verfluchte sich dafür, daß diese Gedanken aufkamen - ausgerechnet in Bezug auf SIE. Aber das Bild ihres Körpers, der von der nassen Kleidung eher betont als verhüllt worden war, hatte in ihm eine Kettenreaktion an Gefühlen ausgelöst. Ein schöner Körper - vervollkommnet durch einen außergewöhnlichen Verstand - oh ja, sie wäre eine perfekte Gespielin in dem immer wiederkehrenden Spiel um die Macht zwischen Mann und Frau. Und er wußte, daß sie es genießen würde. Aber sie war außerhalb seiner Reichweite. Sie würde sich niemals darauf einlassen. Er fand, daß er sich, angesichts ihrer Provokationen sehr gut hielt.
"Nennen Sie mir nur EINE Situation, in der jemand es genossen hat, von Ihnen einen Befehl entgegenzunehmen.", fauchte sie ihn an.
"Das kann man nicht einfach erzählen, Miss Granger. Damit sie das nachvollziehen können, müßten sie in der Situation sein."
Er hatte das Gefühl, seidene Tücher und weiche, schmale Seile in seinen Händen fühlen zu können, die genutzt weden wollten, die perfekt mit ihrer Haut harmonieren würden, und schloß für einen sehr kurzen Moment die Augen, um nicht laut zu seufzen. Bei Merlin - konnte sie nicht aufhören zu reden?
Hermine lachte währenddessen triumphierend.
"Tja. Daran wird es dann wohl scheitern. Ich könnte niemals begeistert sein, einem Befehl zu gehorchen. Einer Bitte nachkommen, natürlich. Einen Wunsch erfüllen, sicher. Aber einem Befehl gehorchen? Niemals."
"Gerade Sie wären dazu sehr wohl in der Lage.", gab er zurück und veränderte seinen Blick auf eine Weise, die ihr durch und durch ging. Er hatte diesen Kommentar nicht unterdrücken können. Die ganze Frau war eine einzige Herausforderung! Ihm war schon lange aufgefallen, wie schön sie geworden war, aber jetzt glühte sie förmlich vor Erregung. Er hatte gesehen, wie sie seine Hände betrachtet hatte, er hatte gesehen, wie sie darauf reagiert hatte und er er hatte sehr konkrete Vorstellungen davon, wie eine Nacht mit ihr aussehen könnte.
"Wetten nicht?"
"Wetten wohl?"
Sie starrten sich an, als wollten sie ihren Gegenüber damit alleine in die Knie zwingen.
"Ok."
"Ok."
Snape nahm abprupt ihre Hand und drückte sie einmal fest, um die Wette zu besiegeln, was Hermine so erschreckte, daß sie einen kleinen Hüpfer machte.
"Gut - dann gilt diese Wette also. Ich denke, es sollt ausreichen, wenn ich sie nach ihrem Bestehen der Abschlußprüfungen in zwei Wochen gewinne. Einverstanden? Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit nicht so sehr in Anspruch nehmen wie es dafür erforderlich wäre, bevor Sie nicht die Prüfungen abgeschlossen haben. Außerdem hätte der Schulleiter aus diversen Gründen etwas gegen diese Wette, solange Sie hier Schülerin sind."
Hermines Herz schlug bis zum Hals und innerlich ohrfeigte sie sich mehrfach für ihre Idiotie, sich auf eine Wette mit Professor Snape einzulassen!!!
Aber es war gesagt, und sie war eine Gryffindor! Sie würde diese Wette gewinnen!
Sie konnte auch nicht wirklich ein Problem darin sehen, denn sie wußte, daß sie es niemals genießen würde, Befehle zu empfangen und insofern drohte eigentlich keine Gefahr, oder?
Aber da war dieser Blick des Professors gewesen!
Snape sah sie noch einmal intensiv an und ging dann wieder um das Pult herum.
"Sie sind für heute abend entlassen."
"Aber meine Strafarbeit?"
"Das verschieben wir."
"Ich..."
"Diskutieren Sie darüber gefälligst nicht! Gehen Sie."
Ehe sie sich versah, stand sie wieder außerhalb des Schulzimmers.
In zwei Wochen also...
