Kapitel 3
Die Abschlußprüfungen waren geschafft.
Warum war sie dann nicht erleichtert?
Sie war Jahrgangsbeste geworden.
Warum feierte sie dann nicht?
Gestern war der letzte Schultag gewesen. Sie war keine Schülerin mehr.
Warum jubilierte sie nicht?
Heute würde sie das letzte Mal den verhassten Zaubertrankmeister sehen müssen.
Warum war sie dann so überaus nervös?
Die letzten zwei Wochen waren wie in Trance verlaufen. Sie hatte systematisch den kompletten Stoff noch einmal durchgearbeitet, kaum geschlafen, falsch gegessen und dramatisch zuviel Kaffee getrunken.
Speziell auf letzteres führte sie daher auch ihre innere Unruhe zurück.
Selbstverständlich hatte die Tatsache, daß sie für diesen Abend mit Professor Snape verabredet war, nichts mit dieser inneren Unruhe zu tun.
Man würde schließlich lediglich über seine abstrusen Ideen diskutieren - und erstmals konnte er ihr keine Hauspunkte abziehen, wenn sie ihre Meinung sagte! Sie fragte sich wirklich, wie er sie von seiner Theorie überzeugen wollte.
Er hatte sie in den letzten zwei Wochen dermaßen ignoriert, daß sie schon fast geglaubt hatte, ihre Wette gelte nicht mehr. Aber heute morgen - an ihrem ersten Tag den sie nicht mehr als Schülerin begonnen hatte - hatte sie eine Nachricht in ihrem Zimmer vorgefunden, die ihr mitteilte, daß er sie abends zur Einlösung der Wette erwartete. Sie solle sich elegant kleiden, da er beabsichtige, sie zum Essen auszuführen.
Mit großen Augen hatte sie den letzten Satz wieder und wieder gelesen. Essen gehen? Mit Snape? Die Reaktionen die sie verspürte konnten gegensetzlicher nicht sein.
Ihr Kopf sagte sofort "Natürlich nicht!"
Ihr Bauch hingegen gab ein leises und trotzdem intensives, ziehendes "Ja" von sich.
Völlig verwirrt setzte sie sich auf ihr Bett und dachte darüber nach, ob sie der Einladung folgen sollte oder nicht.
Sie konnte nicht mehr sagen, wann diese Gedanken abgebrochen worden und ersetzt worden waren durch Überlegungen, was sie tragen würde.
In der feiernden Horde von Schülern fiel abends nicht auf, daß sie sich schnell zurückgezogen hatte und eine halbe Stunde später, traf sie außerhalb der Apparierbarriere auf einen außergewöhnlich gekleideten Snape, der sie mit anerkennendem Blick kurz betrachtete. Hermine trug zum ersten Mal eine Robe, die den Festroben einiger Lehrer nicht unähnlich war. So dunkelrot, daß sie fast schwarz wirkte, mit dezenten, goldenen Stickereien. Ihre Haare lagen in dicken Locken auf der Robe auf und das Haarband, das aus dem gleichen Material gearbeitet war wie die Robe hielt sie elegant aus dem Gesicht heraus. Das schwarze, weichfallende Kleid, das sie unter der Robe trug, war unter ihrer Brust mit einem breiten Band gebunden und fiel von dort an in weichen Wellen bis zum Boden herab.
Auch seine Kleidung war beeindruckend. Seine typische, schwarze, hochgeschlossene Lehrerrobe war durch einen dunkelgrünen Traum aus Samt und Brokat ersetzt, unter dem er ein weites, schwarzes Hemd und eine schwarze Hose trug. Seine Haare, die im Laufe der letzten zwei Jahre länger geworden waren, hatte er mit einem Samtband nach hinten gebunden. Ihr blieb bei seinem Anblick kurz die Luft weg.
Sie betrachteten sich - beide ein Schmunzeln unterdrückend - und beide unnötigerweise ein klein wenig außer Atem - bis er ihr mit erstaunlich freundlicher Miene einen Arm reichte.
"Ich freue mich, daß Sie gekommen sind, Miss Granger, und hoffe, daß wir den Abend genießen werden. Sie sehen bezaubernd..." er hielt inne, betrachtete sie noch einmal intensiv und setzte dann noch einmal an "Nein - nicht bezaubernd - Sie sehen atemberaubend aus, meine Liebe."
Sie fühlte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg, angesichts dieses offenbar ehrlich gemeinten Kompliments und legte ihre Hand auf seinen Unterarm.
"Das Kompliment kann ich nur erwidern, werter Professor."
Einen Moment später fanden sie sich in in einer Seitenstraße der Winkelgasse wieder, vor der Tür eines eleganten Restaurants.
Von dem Hauptraum waren viele kleine Nischen abgeteilt, die den Gästen mehr Privatsphäre ermöglichten, als das üblicherweise in einem Restaurant der Fall war.
Und sie bekamen obendrein Platz in einer Nische die besonders weit hinten im Restaurant lag. Sie würden mit großer Wahrscheinlichkeit nicht gestört werden außer durch gelegentliche Besuche der Kellnerin.
Leise Klaviermusik erfüllte den Raum und die unzähligen Kerzen brachten ein geheimnisvolles Spiel von Licht und Schatten hervor.
Der Tisch war mit feinstem Porzellan auf Damast gedeckt. Zwei Kristallgläser unterschiedlicher Größe standen an jedem Platz.
Ohne Hermine zu fragen, bestellte er für sie beide und ließ die Weingläser wegräumen.
Kurz danach brachte die Kellnerin zwei noch größere Gläser und eine Weinflasche deren Hals kunstvoll mit einem Tuch umwickelt war, um beim Einschänken keine Tropfen herabfallen zu lassen.
Snape bedankte sich mit einem Nicken und wartete, bis die Kellnerin wieder fort war.
Dann nahm er die Weinflasche und schenkte ihnen beiden etwa zweifingerbreit tiefroten Wein in die Goblets, als mache er das jeden Tag.
Bis auf die Bestellung war alles schweigend abgelaufen.
Erst jetzt, als er sein Glas erhob und ihn ihre Richtung hielt, ergriff er mit dunkler, seidiger Stimme wieder das Wort.
"Auf Sie, Miss Granger, auf Ihren Erfolg in Hogwarts, auf Ihre nun endgültig zu völliger Blüte gereifte Schönheit, auf ihre immer wieder erfrischend herausfordernde Intelligenz und nicht zuletzt auf ihren Starrsinn, den ich heute abend zu mildern gedenke."
Wortlos, weil fassungslos, hob auch Hermine ihr Glas, stieß es mit einem leisen Klang an seines an und trank, wie er, einen Schluck.
Sie war keine Weinkennerin. Sie konnte nur sagen, ob ihr ein Wein schmeckte oder nicht - dieser hier tat es! Sie trank direkt noch einen zweiten Schluck hinterher, um das trockene Gefühl in ihrem Hals wegzubekommen. Es half nicht.
Er trank ebenfalls noch einen Schluck mehr, bevor er, wie sie, das Weinglas wieder abstellte und sie erwartungsvoll ansah.
"Was erwarten Sie von diesem Abend, Miss Granger?"
"Was ICH davon erwarte? Die Frage sollte doch wohl eher lauten, was SIE davon erwarten, denn Sie scheinen ja alles sehr genau durchdacht zu haben. Und ich habe keine Ahnung, wo das hinführen soll. Ich lasse mich überraschen."
"Da ist ja schon wieder dieser verärgerte Unterton.", neckte er sie.
"Ist der mir nicht gestattet? Wollen Sie gleich hier ausprobieren, ob Sie mir befehlen können, nicht verärgert zu sein und ich das eventuell genieße?"
"Sind sie denn verärgert? Oder sind Sie nur verunsichert?"
Sie zögerte mit der Antwort.
"Ist es nicht ein wenig unhöflich, so etwas zu fragen?"
"Sind wir denn hier, um Höflichkeiten auszutauschen, oder wollen wir etwas herausfinden?"
Keine Aufgaben, kein Lehrstoff, kein Klassenraum, keine Hauspunkte - sie saßen sich auf gleicher Ebene gegenüber und Hermine fing an, diese unterschwellig aggressive Unterhaltung zu genießen. Es ließ eine gewisse Erregung in ihr aufsteigen.
Er konnte es in ihren Augen sehen - und auch sein Gesicht verriet ein gewisses Vergnügen an dem Disput.
Hermine schwenkte um.
"Kommen wir zu unserer Wette. Sie sagten, man müsse in der Situation sein, um erkennen zu können, daß es ein Genuß sein kann, Befehle entgegenzunehmen."
Er lächelte gefährlich.
"Ja, das habe ich gesagt."
Hermine war sicher, daß den meisten Schülern in Hogwarts dieses Lächeln mehr Angst gemacht hätte, als einer seiner typischen Wutausbrüche.
Bei ihr bewirkte es ein unerwartet angenehmes Kribbeln, das ihre Arme hochwanderte und sich bis zu ihrem Hals ausbreitete.
"Ich habe in der Zwischenzeit viel darüber nachgedacht, Professor und die einzige Möglichkeit die mir eingefallen ist, war die, daß die befehlsempfangende Person im besten Falle darüber erfreut sein kann, daß sie die Verantwortung abgegeben hat über das, was sie tut. Zum beispiel im militärischen Bereich."
Er hob anerkennend eine Augenbraue.
"Sie sind dem Zentrum dicht auf den Fersen. Erstaunlich. Das Abgeben von Verantwortung ist in der Tat ein elementarer Teil dabei - allerdings kann das im militärischen Zusammenhang, solange der Befehlsempfänger keine krankhaft-sadistischen Neigungen ausleben möchte, im besten Falle für neutrale Empfindungen sorgen, nicht aber für Genuß. Außerdem soll der Genuß unmittelbar erfolgen, bereits dann, wenn der Befehl erteilt wird."
Er hob sein Glas und trank sehr langsam noch einen Schluck, ohne daß er sie dabei aus den Augen ließ.
Sie legte den Kopf schief und überlegte weiter.
"Hmmm... es geht also zum Teil wirklich um die Verantwortung. Daß heißt also, daß es besonders geeignet wäre für Menschen, die generell schon wenig Verantwortung tragen? Dan wäre es wohl von Vorteil, geistig etwas minder bemittelt zu sein, oder?"
Er lachte leise und spielte mit seinem Glas herum, drehte es, schwenkte den Wein darin in kreisenden Bewegungen.
"Im Gegenteil, Miss Granger. Nur wer über genug Intelligenz verfügt, sich seiner Taten äußerst bewußt zu sein, nur wer in der Lage ist, Verantwortung zu übernehmen, kann sie auch bewußt abgeben. Dieses Spiel ist nur für sehr intelligente Menschen geeignet. Das ist auch der Grund, warum ich Sie für eine hervorragende Kandidatin halte, es einmal auszuprobieren."
Sein Blick bekam ein Feuer, daß Hermine im Innersten heiß werden ließ. Sie fragte sich, ob es die wenigen Schlucke Wein waren, oder tatsächlich seine Nähe, seine zweideutig anmutenden Bemerkungen und das Spiel seiner unvergleichlichen Hände mit diesem verflixten Weinglas.
"Es ist also ein Spiel?"
"Wie man's nimmt..." er trank wieder einen Schluck und stellte das Glas vor sich ab.
"Ist es eins, oder ist es keins?"
"Diese Frage kann ich nicht beantworten."
"Sie wollen sie nicht beantworten."
"Nein, ich muß gestehen, ich kann es nicht - ich weiß es nicht."
Sie schwiegen einen Moment und nun schien er nachzudenken.
"Doch...", ergänzte er sich selbst plötzlich "... ich weiß es wohl. Jetzt, wo ich darüber nachdenke: es ist ein Spiel. Denn eine der Regeln besagt, daß alle Beteiligten es jederzeit abbrechen können, so wie man ein Spielbrett wieder in den Schrank räumt."
"Und wenn nur einer das Spiel abbrechen will und die anderen Beteiligten sich nicht daran halten?"
Er sah sie kurz so ernst an, wie am ganzen bisherigen Abend nicht: "Dann ist es kein Spiel mehr - aber dann gibt es auch keinen Genuß mehr auf der befehlsempfangenden Seite."
Dann lächelte er wieder.
Hermine schluckte und senkte den Blick. Nun war es an ihr, mit ihrem Glas zu spielen. Mit langsamen, kreisenden Bewegungen fuhr sie mit einer Fingerspitze immer und immer wieder über den Rand des großen Glases hinweg, während sie mit den Fingerspitzen der anderen Hand den Stil umfaßt hielt.
"Sie haben außergewöhnlich schöne Hände, Miss Granger.", hauchte er leise und betrachtete sie bei ihrem Tun.
"Ich weiß nicht... finden Sie? In meinen Augen ist alles an mir zu... "sie suchte nach dem richtigen Wort "... zu unförmig."
Er griff über den Tisch und zog die Hand deren Finger über den Glasrand wanderte ein wenig zu sich herüber. Er legte seine Hand mit dem Handrücken auf den Tisch, legte ihre in seine hinein und hielt sie fest, so daß ihre Handinnenfläche nach oben zeigte, und strich mit den Fingern seiner anderen Hand die feinen Linien auf der zarten Haut ihrer Hand nach.
Hermine hatte immer schon Snapes Hände bewundert und stellte nun erstaunt fest, daß ihre ebenso gepflegt waren, wie seine. Ihr war nicht bewußt gewesen, daß sie ihren Händen offenbar so viel Aufmerksamkeit geschenkt hatte.
Das sanfte Streicheln seiner Fingerspitzen ging ihr durch und durch. Und als er mit samtigem Druck auch über die zarte Haut der Innenseite ihres Handgelenks strich, überlief sie eine Gänsehaut.
Und erschrocken stellte sie fest, daß es von ihrem Handgelenk aus offensichtlich Nervenbahnen gab, die bis in ihren intimsten Bereich hineinführten. Jedenfalls hatte sie das Gefühl, seine Berührung dort fühlen zu können und ihr ganzer Unterleib zog sich vor Erregung zusammen.
Ihr Atem ging wieder flacher.
Snape fühlte sich, als stünde er unter Strom. Seine nach außen gezeigte Ruhe war das Gegenteil von dem, was in ihm stattfand. Er brannte. Das Feuer das sie in ihm zum lodern brachte schlug weit höher, als er gedacht hätte. Jedes der wenigen Worte die sie gewechselt hatten, bracht in seinem Kopf neue Bilder von ihr hervor.
Bei Merlin! Er wollte sie haben! Aber er wollte sie so haben, wie er es am meisten genoß. Er wollte kein Betthäschen, sondern eine Frau, die es genoß, von ihm in Besitz genommen zu werden! Er wollte, daß sie die Faszination des Gehorchens verstand und fühlte - und er wußte genau, daß es so sein würde. Wenn nur seine verfluchte Ungeduld nicht wäre!
Sie sah unglaublich aus. Die nachtrote Robe schmiegte sich um ihre Schultern, wie ein edles Bettuch, das er nur an einem Zipfel anfassen und von ihrem Körper herunterziehen wollte.
Ihr Körper war ein Traum - und das Faszinierendste daran war die Tatsache, daß sie sich dessen nicht bewußt war! Er würde ihr heute zeigen und begreiflich machen, wie schön sie war.
Wenn ihm das gelang, würde sie morgen eine andere Frau sein...
Wenn ihm das gelang, würde sie ab morgen wissen, welche Möglichkeiten sie hatte.
Wenn ihm das gelang, hatte er ein Problem - denn er ahnte, daß er ihr dann rettungslos verfallen würde...
