Chapter 08 – Harrys POV

Am nächsten Morgen werden wir vom mühsame unterdrückten Flüstern und Kichern unserer Hausgenossen geweckt. Wir liegen zusammengekuschelt auf der Couch, Hermines Kopf liegt auf meiner Brust. Mir ist klar wie das aussehen muss, aber es ist mir egal. Es dauert nur Sekunden bis die Ereignisse der letzten 12 Stunden über mir hereinbrechen wie eine Flutwelle.

Das Tagebuch.

Draco.

Er liebt mich.

Er wird sterben.

Ron drängelt sich zwischen zwei Drittklässlern durch.

„Harry? Hermine? Was macht ihr hier? Warum liegt ihr da auf der Couch?"
Seine Stimme klingt verletzt.

Nein, bitte nicht. Es hat schon zu viele Opfer gegeben. Lass Ron bitte da raus.

Ich setze mich auf, lächle meinen Freund an.

„Morgen Ron. Keine Sorge, wir haben uns gestern Abend rettungslos verquatscht und sind wohl eingeschlafen."

Hermine gähnt verstohlen, schenkt Ron ihr strahlendstes Lächeln, das ihn dahinschmelzen lässt wie Butter in der Sonne und verschwindet dann in Richtung Mädchenschlafsaal. Die anderen verziehen sich jetzt auch wieder, da es ja offensichtlich nichts zu sehen gibt.

Ron seufzt erleichtert und lässt sich neben mich auf die Couch fallen.

„Mann, und ich dachte schon ich müsste dich zum Duell fordern."

Ich versuche mir nichts anmerken zu lassen, vergrabe den Schmerz in mir so tief ich kann.

„Nur gut dass heute Samstag ist. Nach so einer Nacht auf der Couch könnte ich Snapes Unterricht unmöglich folgen. Ich glaub ich geh mich mal umziehen. Geh ruhig schon vor zum Frühstück. Du hältst es doch kaum noch aus wie ich dich kenn."

Er grinst mich an, klopft mir auf die Schulter und verschwindet Richtung Porträtloch. „Hey, Seamus, Dean, wartet auf mich!"

Als ich eine halbe Stunde später auf dem Weg in die Große Halle bin, hab ich plötzlich das Gefühl, dass ich die Gegenwart meiner Freunde jetzt nicht ertragen kann. Statt dessen merke ich, dass ich in Richtung Krankenflügel gehe.

Madame Pomfrey sieht mich erstaunt an, als ich ihr Refugium betrete. Sie sitzt am Bett eines Erstklässlers, der von seiner Eidechse gebissen wurde.

„Mr. Potter? Was kann ich für sie tun? Geht es Ihnen nicht gut?"

Natürlich. Sie muss denken, dass ich hier bin weil ich krank bin.

Kein Wunder so wie ich aussehe. Völlig übermüdet, mit rotgeweinten Augen und zitternden Händen.

„Nein.. ich...mir geht es gut. Es ist.... Draco.... ich würde ihn gern sehen."

Sie zieht eine Augebraue hoch, sieht mich mehr als erstaunt an. Wer kann ihr das verdenken. Immerhin frage ich sie gerade ob ich einen meiner schlimmsten Feinde besuchen darf. Dann deutet sie auf das andere Ende des Raumes.

Das Bett am Fenster ist mit Stellwänden vor neugierigen Blicken geschützt.

„Danke."

„Harry. Es geht Mr. Malfoy sehr schlecht. Sie sollten ihre Rivalität für eine Weile vergessen. Ich weiß, dass Sie ihm nichts antun würden, aber ich sage es Ihnen trotzdem."

Ich kann ihr ihre Besorgnis kaum verübeln.

„Hermine sagt, dass er sterben wird?"Ich höre selbst den flehenden Unterton in meiner Stimme. Sie nickt leicht.

„Ich fürchte ja."

„Gibt es keine Hoffnung mehr?" Ich kann einfach nicht anders. Mein Herz weigert sich zu glauben, dass ich ihn wieder verlieren soll, jetzt wo ich ihn endlich gefunden habe.

„Harry, es gibt immer Hoffnung. Auch wenn ich sie in diesem Fall nicht erkennen kann."

„Danke, Madame Pomfrey, dass sie so ehrlich sind."

„Darf ich Ihnen eine Frage stellen Harry? Ich finde es sehr merkwürdig, dass Mr. Malfoy keinen Besuch bekommt. Außer Professor Snape war nur Miss Granger hier und jetzt Sie. Wie kommt es, dass seine Freunde ihn im Stich lassen, während seine Feinde sich um ihn kümmern?"

Hermine hat mir erzählt, dass außer ihr nie jemand hier war, dass es die Slytherins nicht zu kümmern scheint, was aus Draco wird.

Ich denke nicht einmal daran zu lügen.

„Ich liebe ihn."

Sie sieht mich erstaunt an, sagt aber nichts. Ich lächle schwach, gehe dann durch den Raum zu seinem Bett.

Sein Anblick schnürt mir die Kehle zu.

Er sieht so zart und zerbrechlich aus. Seine Haut ist so weiß, dass ich das feine Gespinst der Adern durchschimmern sehe. Einen Augenblick lang kommt mir der schreckliche Gedanke, dass er vielleicht schon tot ist, dass es nur noch niemand bemerkt hat. Dann sehe ich, dass sein Brustkorb sich kaum merklich hebt und senkt. Geisterhafte Atemzüge, gerade ausreichend um ihn einen weiteren Tag am Leben zu halten.

Neben dem Bett steht ein Hocker. Ich ziehe ihn zu mir und setze mich. Einige Minuten lang wage ich kaum zu atmen. Ich sitze nur da und sehe ihn an. Ich kann hören wie Madame Pomfrey den Raum verläßt, höre das leise Wimmern des Erstklässlers; er hat Schmerzen, die Echse war offensichtlich giftig.

Davon abgesehen ist es absolut still.

Vorsichtig berühre ich seine Hand. Die Haut ist kalt wie Eis.

Ich nehme seine Hand behutsam in meine, schließe beide Hände schützend um seine schlanken Finger, dann beuge ich mich vor und hauche sacht zwischen meine Finger um seine zu wärmen.

Meine Lippen streifen die glatte, kalte Haut, aber ich kann spüren, wie die Kälte langsam weicht.

Jede meiner Bewegungen ist rein instinktiv, ich denke nicht eine Sekunde darüber nach. Ich tue nur das, was mir richtig erscheint.

Ich sitze lange so da, die Ellbogen auf das Bett gestützt, meine Hände umschließen wie ein Kokon seine rechte Hand, meine Lippen berühren leicht seine Finger. Ich habe die Augen geschlossen, Tränen laufen mir übers Gesicht, aber ich mache mir nicht die Mühe sie wegzuwischen. Die Tränen tropfen auf unsere Hände, auf die Bettdecke.

Eine Weile später höre ich Stimmen, dann steht Hermine neben mir.

„Harry? Ist alles in Ordnung mit dir?"

Ich versuche zu lächeln, scheitere aber kläglich.

„Wo ist Ron?"

„Spielt Karten mit Dean und Seamus. Er glaubt ich bin in der Bibliothek. Ich denke, er muss die Wahrheit vorerst nicht kennen."

Sie holt sich einen Stuhl und setzt sich neben mich.

Sie sieht auf unsere Hände, die jetzt auf der Bettdecke liegen.

„Kann ich dir helfen?"

Ich schüttle den Kopf. Niemand kann mir helfen.

Dann zucke ich plötzlich zusammen. Seine Finger haben sich bewegt! Es war nur der Hauch einer Bewegung, zart wie ein verletzter Schmetterling, der mit den Flügeln schlägt, aber es war eine Bewegung.

„Hermine, seine Hand hat sich bewegt."Meine Stimme klingt atemlos.

Sie lächelt mich traurig an.

„Ich weiß. Sein Körper reagiert manchmal auf Berührungen. Es tut mir leid, Harry. Ich hätte dir das sagen müssen."

Meine Hoffnung zersplittert nur Sekunden nachdem sie erwacht ist.

Einen Moment lang habe ich das Gefühl, dass mein Herz zerspringt. Meine Stimme ist heiser vor Tränen, als ich Hermine bitte zu gehen.

„Bitte, sei mir nicht böse. Aber ich wäre gern noch etwas allein mit ihm."

Sie streicht mir sacht übers Haar, dann steht sie auf und geht.

Als sie weg ist versuche ich noch einen Augenblick lang nach Fassung zu ringen, aber dann brechen alle Dämme.

Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen und beginne hemmungslos und unkontrolliert zu schluchzen.

„Warum? Warum jetzt? Warum müsst ihr ihn mir wegnehmen?"Ich weiß nicht an wen sich meine Fragen richten, aber ich erwarte auch keine Antworten.

Ich strecke die Hand aus, berühre sein Gesicht, schmiege die Handfläche gegen seine Wange, mein Daumen streicht sacht über seine weichen Lippen. Seine Haut ist weiß wie Schnee und kalt wie der Tod. Wie sehr hab ich mir gewünscht ihn zu berühren, aber ich habe mir niemals ausgemalt, dafür einen so hohen Preis zahlen zu müssen.

„Bitte....stirb nicht.... Draco... du darfst nicht sterben...Verlass mich nicht...nicht jetzt....nicht so....ich liebe dich...Hörst du mich? Ich liebe dich Draco....Bitte bleib bei mir!...."

Ich registriere kaum als mich jemand an den Schultern fasst und sanft von Draco wegzieht. Als ich aufblicke sehe ich durch die Tränen hindurch die schwarzen Augen von Professor Snape. Er sieht mich einen langen Augenblick aufmerksam und forschend an, in seinem Gesicht ist nicht die leiseste Spur von Abscheu oder Spott zu sehen, dann wendet er sich dem Bett zu. Jemand nimmt mich in den Arm und flüstert beruhigend auf mich ein. Es dauert einen Moment bis ich Hermine erkenne. Sie hatte draußen auf mich gewartet. Sie legt mir den Arm um die Schultern und führt mich sanft aus dem Krankenflügel.

TBC

Haltet durch! Noch drei Kapitel bis zum Ende. (Happy End???)

Ich beeil mich auch.

Yulah