Chapter 10 – Harrys POV
Zwei Wochen später durfte Draco mit Genehmigung von Madame Pomfrey den Krankenflügel verlassen. Er war noch immer schrecklich dünn, aber davon abgesehen wieder vollkommen gesund.
Nach und nach fand er wieder in sein gewohntes Leben zurück, mit einigen kleinen, aber wesentlichen Unterschieden.
Seine Slytherinfreunde gaben alle vor sich unglaublich zu freuen, dass er wieder da war und entschuldigten sich wortreich dafür ihn nie besucht zu haben. Draco hörte sich das Geschwätz ganze drei Tage an, bevor ihm der Kragen platzte.
Wir saßen gerade beim Abendessen und Pansy versuchte zum vierten Mal Draco davon zu überzeugen, dass Madame Pomfrey sich geweigert hätte sie in den Krankenflügel zu lassen, als er sie wütend unterbrach:
„Jetzt halt endlich den Mund, Pansy! Für wie blöd hältst du mich eigentlich? Wenn du mich so verzweifelt sehen wolltest, wieso hat Madame Pomfrey dich dann nie auch nur in der Nähe des Krankenflügels gesehen? Und wieso hatte Granger nicht ein einziges Mal ein Problem mich zu besuchen?"
Sämtliche Augen richteten sich auf Hermine, die gar nicht daran dachte ein schlechtes Gewissen zu heucheln, sondern lächelte und allen freundlich zuwinkte.
Die Slytherins waren geschockt.
„Wieso hat dieses Schlammblut...." weiter kam Crabbe nicht, bevor Draco ihn anfauchte:
„Pass auf was du sagst! Hermine hat Courage genug sich um jemanden zu kümmern, der ihr Feind ist, während ihr das nicht mal bei euren Freunden schafft! Ich kann euch gar nicht sagen wie leid ich es bin meine Zeit mit einem Haufen selbstverliebter Ignoranten zu verschwenden. Ihr könnt in Zukunft auf meine Gesellschaft verzichten. Lieber esse ich für den Rest des Schuljahres allein, als mir weiterhin euer sinnloses Geschwätz anzuhören!"
Im großen Saal war es mucksmäuschenstill.
Ohne ein weiteres Wort nahm Draco seinen Teller und setzte sich ganz ans Ende des Slytherintisches, dahin wo die Unbeliebten und die Außenseiter allein saßen, schenkte Millicent Bulstrode, die ihm gegenüber saß und ihn mit offenem Mund anstarrte, sein zauberhaftestes Lächeln und wand sich ungerührt seinem Essen zu. Millicent war im sechsten Jahr, nach einem ziemlich peinlichen Mißgeschick beim Weihnachtsball ans untere Ende des Tisches verbannt worden. Ihre früheren Freunde, allen voran Pansy Parkinson hatten sich wochenlang über sie lustig gemacht und seither kaum ein Wort mit ihr geredet. In der strengen Hierarchie der Slytherins galt es als Todsünde sich eine Blöße zu geben. Wer einmal negativ auffiel hatte für alle Zeiten verspielt. Das Draco Malfoy, ihr ungekrönter Anführer, sich jetzt freiwillig zu den Verlierern setzte, war so ziemlich der größte Schock, den man den Slytherins bereiten konnte.
Als er dann auch noch anfing sich mit diesem Trampel Millicent zu unterhalten, wäre Pansy fast von der Bank gefallen. Das war aber noch nicht der letzte Schock für heute. Greg Goyle hatte seit Dracos Ausbruch stumm dagesessen und seinen Teller angestarrt. Ron war vollkommen von seinem Anblick fasziniert und machte uns auf ihn aufmerksam.
„Hey, da knallt es gleich nochmal. Goyle denkt. Gleich hat er's, dann geht's rund."
Wirklich, während die übrigen Siebtklässler am Slytherintisch sich in eine hitzige Debatte stürzten, saß Goyle vollkommen still da und starrte vor sich in. Dann stand er plötzlich auf, nahm seinen Teller und ging damit ebenfalls ans untere Ende der Tafel. Seine Freunde unterbrachen ihre Gespräche und sahen ihm mit offenem Mund nach. Greg stand mittlerweile neben Draco und redete leise mit ihm. Ich konnte nicht verstehen was er sagte, aber ich hörte Draco lachen und dann setzte Greg sich neben ihn.
Für den Rest des Tages waren die veränderten Verhältnisse am Slytherintisch das Gesprächsthema Nummer eins.
Auch Dracos Verhältnis zu den Gryffindors änderte sich in den folgenden Wochen. Er freundete sich mit Hermine und aus irgendeinem Grund auch mit Neville an, dem er stundenlang, mit Engelsgeduld Nachhilfe in Zaubertränke gibt. Hermine hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Draco zu helfen den Stoff nachzuholen, den er versäumt hatte. Immerhin hatte er fast fünf Wochen im Krankenflügel verbracht und war vorher auch nicht besonders aufmerksam gewesen. Entzückt stellte sie dabei fest, dass er was das Lernen angeht wesentlich disziplinierter ist als Ron und ich. Er kennt die meisten der Bücher die sie gelesen hat, so dass sie endlich jemanden hat, mit dem sie stundenlang, hingebungsvoll diskutieren kann.
Sie gab ihm auch sein Tagebuch wieder und erzählte, wie sie dazu gekommen war. Sie hatte ein richtig schlechtes Gewissen, weil sie es gelesen hat.
Ich hab als Einziger ihr Gespräch in dieser Nacht mitbekommen.
Es war das erste Mal, dass Draco offen über das sprach, was er in den letzten Monaten erlebt hatte. Er sprach sehr leise und hielt während der ganzen Zeit meine Hand umklammert. Was er erzählte war wesentlich detaillierter als die Einträge im Tagebuch, viele Dinge hatte er gar nicht aufgeschrieben. Besonders die vier Monate nachdem er den Brief an seinen Vater geschrieben hatte und die Zeit nachdem er seinen Widerstand aufgegeben hatte.
Wenn ich jetzt an Lucius Malfoy denke überkommt mich der unbändige Wunsch ihn zu schlagen. Ich habe nicht gedacht, dass ich jemals jemanden genauso hassen würde wie Voldemort.
Zwischen Ron und Draco herrschte lange Zeit ein eher wackeliger Waffenstillstand, der durch jede noch so kleine Bemerkung gefährdet war. Dann fanden sie heraus, dass sie beide die gleiche Leidenschaft fürs Schachspiel haben und seitdem tragen sie ihre Kämpfe auf dem Schachbrett aus. Eines der spektakulärsten Duelle fand kurz vor den Weihnachtsferien statt. Die beiden saßen sich am Gryffindortisch in der großen Halle gegenüber und spielte als ob es um ihr Leben ginge. Keiner war bereit dem anderen auch nur einen winzigen Vorteil zu gewähren. Sie spielten die halbe Nacht und selbst unsere Lehrer, allen voran Professor Dumbledore schauten fasziniert zu. Das Spiel endete gegen halb zwei in der früh mit einem Patt. Wie übrigens die meisten ihrer Spiele. Sie sind einander strategisch ebenbürtig und es gelingt nur selten einem von beide den Sieg davonzutragen.
Professor Dumbledore hat sich lange mit Draco unterhalten und ihm versprochen ihm gegen Lucius beizustehen. Am folgenden Tag hat Draco seinem Vater folgenden Brief geschrieben:
Vater,
wenn die Schule im Sommer vorbei ist, werde ich nicht wieder zurückkommen. Ich werde nicht länger eine Figur in Deinem Spiel sein.
Ich bin kein Todesser und werde auch niemals einer sein, gleichgültig was eine Brandnarbe an meinem Arm sagt.
Solltest Du jetzt planen mich zu enterben oder aus der Familie zu verstoßen, laß Dir gesagt sein, dass mich das nicht kümmert.
Der Name Malfoy bedeutet mir nichts.
Es ist nur ein Name. Er sagt nichts über mich aus.
Ich habe Menschen gefunden die mich um meiner selbst willen lieben.
Nur das zählt.
Solltest du meinen Tod planen, so sei gewarnt, meine Freunde sind den Deinen vielleicht ebenbürtig.
Leb wohl
D.
Lucius Antwort auf diesen Brief habe ich nie gesehen, Draco hat sie ungeöffnet und ungelesen Dumbledore gegeben.
Was mich angeht, ich liebe Draco jeden Tag mehr.
In den zwei Wochen nachdem er aufgewacht war habe ich ihn jeden Tag besucht. Es war irgendwie merkwürdig, sich auf einmal normal mit ihm zu unterhalten, immerhin hatten wir das in den sechs Jahren die wir uns kennen nie zuvor getan. Wir haben festgestellt, dass es weit mehr Dinge gibt, die wir gemeinsam haben, als solche die uns unterscheiden. Wobei diese Unterschiede sich erstaunlich gut ergänzen. Es ist als wären wir immer nur die Hälften eines Ganzen gewesen und hätten jetzt endlich den fehlenden Teil gefunden.
Mehr als einmal hat Madame Pomfrey uns ertappt wie wir da saßen, vollkommen versunken in einen Kuss, ohne irgendetwas um uns herum wahrzunehmen.
Draco zu küssen ist das Wundervollste was ich je getan habe.
Ich kann mich daran erinnern, wie es mit Cho war. Es gefiel mir, aber ich habe nie soviel dabei empfunden wie jetzt.
Ich habe mir nie gewünscht, dass ihre Küsse ewig dauern sollten.
In Dracos Kuss kann ich mich vollkommen verlieren, ich habe dann das Gefühl, dass unsere Körper sich auflösen und vollkommen miteinander verschmelzen.
Dass dieses Gefühl nur der Anfang war, habe ich erst einige Zeit später erfahren.
„Schade, dass du nicht mitkommen kannst, Harry. Bill und Charlie kommen auch. Es ist das erste Mal seit mindestens hundert Jahren, dass die Weasley-Familie über Weihnachten komplett ist."Ron wirft seine Sachen wahllos in seine Truhe, ich weiß jetzt schon was Mrs. Weasley dazu sagen wird.
„Das ist echt nett, Ron. Sag deiner Mum, dass ich mich sehr über ihre Einladung gefreut habe, aber ich möchte Draco nicht allein lassen. Nicht über Weihnachten."
„Klar, versteh ich. Hätte ich einen Freund oder besser gesagt ne Freundin, würd ich auch hierbleiben. Hey, ich könnte Mum doch fragen ob er nicht auch mitkommen kann? Sie hätte bestimmt nichts dagegen."
Ron gibt sich wirklich Mühe.
„Ich weiß nicht Ron. Ich glaube nicht, dass Draco das so toll finden würde. Ich meine, er mag Ginny und ihr beide versteht euch ja mittlerweile auch ganz gut, aber der gesamte Weasley-Clan auf einmal wäre wohl doch noch etwas zuviel des Guten, meinst du nicht? Abgesehen davon platzt der Fuchsbau doch bestimmt so schon aus allen Nähten?"
Ron grinst: „Tja, er müßte wohl beim Ghul auf dem Dach schlafen. Aber hast recht, ist vielleicht echt noch zu früh dafür. Ihr könnt es euch ja hier gemütlich machen. Immerhin habt ihr den ganzen Gryffindor-Turm für euch."
Er zwinkert mir zu und ich werde prompt rot. Seit wann ist Ron so ein Fan von zweideutigen Anspielungen?
„Und wieso überhaupt, wenn du ne Freundin hättest? Was ist denn mit Hermine? Sie kommt dich doch bestimmt besuchen, oder?"
Jetzt läuft Ron rot an. Seine Beziehung mit Hermine steht noch auf sehr wackeligen Beinen, wenn man es überhaupt eine Beziehung nennen kann. Aber er hat sie immerhin schon zweimal nach Hogsmeade und zum Weihnachtsball letzte Woche eingeladen. Und soweit ich weiß, hat er auch einen Gute-Nacht-Kuss bekommen.
Als wir am nächsten Morgen in der Eingangshalle stehen und uns verabschieden, bin ich ein bißchen traurig, dass meine Freunde alle nach Hause fahren.
Dann sehe ich Draco an, der neben mir steht und meine Hand hält und plötzlich bin ich nur noch glücklich und ein bißchen aufgeregt, weil ich weiß, dass ich meinen schönen Freund jetzt zwei Wochen ganz für mich allein haben werde.
Seine Gedanke müssen in eine ähnliche Richtung gehen, denn seine silbrigen Augen leuchten und sein Lächeln jagt mir wohlige Schauer über den Rücken.
Einige Zeit später stehen wir eng umschlungen in meinem Zimmer und küssen uns leidenschaftlich und plötzlich wird mir klar, dass ich mehr will.
„Bleib bei mir, heute Nacht..." Ich murmle die Worte kaum hörbar gegen seine Lippen. Er unterbricht den Kuss, lehnt sich leicht zurück und sieht mich an. Draco ist knapp einen halben Kopf kleiner als ich, weshalb er zu mir hochsehen muss, wenn wir uns so nah sind.
„Bist du sicher?"Er klingt atemlos, in seinen Augen mischen sich Hoffnung, Verlangen und Skepsis. Ich weiß, dass er mich begehrt, aber bisher hat er noch nie den Versuch unternommen mich zu drängen. Er weiß, dass meine Erfahrung in Sachen Sex gleich null ist, dass es für mich das erste Mal wäre.
Aber ich war mir meiner Sache noch nie so sicher. Ich will ihn. Und ich will keinen Tag länger warten. Statt einer Antwort ziehe ich ihn wieder an mich und küsse ihn mit mehr Leidenschaft als je zuvor. Ich kann sein Lächeln spüren, dann schubst er mich langsam in Richtung Bett. Als ich mit den Kniekehlen gegen die Bettkante stoße, verliere ich das Gleichgewicht, falle hinten über und ziehe ihn dabei mit mir. Ich kann ein Lachen nicht unterdrücken, dann werde ich mir der Tatsache bewußt, dass er auf mir liegt und damit angefangen hat mein Hemd aufzuknöpfen. Er läßt mich dabei keine Sekunde aus den Augen. Sie sind dunkler als sonst, wie flüssiges Silber. Seine Hände gleiten über meine nackte Haut und ich schließe die Augen, um mich ganz diesem Gefühl hinzugeben. Ich fühle, wie er die Schnalle meines Gürtels und meine Hose öffnet und hebe leicht die Hüften um ihm zu helfen sie auszuziehen. Noch immer habe ich die Augen geschlossen, versuch nur durch Gefühl und Gehör zu raten was er tut. Die Matratze bewegt sich leicht, dann höre ich das Rascheln von Stoff. Er zieht sich ebenfalls aus. Einen Moment lang halte ich noch aus, dann siegt die Neugierde und ich öffne die Augen. Er steht vollkommen reglos neben dem Bett und sieht mich unverwandt an. Er ist atemberaubend schön. Er ist noch immer sehr schlank und seine schneeweiße Haut schimmert in der Nachmittagssonne wie Marmor. Er wirkt wie die Statue irgendeiner griechischen Gottheit. Dann kommt er zu mir und als unsere Körper sich diesmal berühren, höre ich jemanden aufkeuchen und kann nicht sagen wer von uns das ist. Jeder Vergleich mit Marmor ist wie ausgelöscht. Seine Haut ist warm und weich und lebendig und meine eigene scheint plötzlich in Flammen zu stehen. Er beginnt wieder mich zu küssen, erst auf den Mund, dann wandern seine Lippen tiefer. Über meinen Hals, die Schultern, die Brust immer tiefer. Ich liege mit geschlossenen Augen da und gebe mich ganz der Sensation der Gefühle hin, die er in mir wachruft. Seine Zunge berührt meine Haut und hinterläßt eine Spur aus flüssigem Feuer. Plötzlich hält er inne, ich fühle wie er den Anhänger berührt, der auf meiner Brust liegt. Der Anhänger? Der Drache! Sein Drache!
„Also da bist du die ganze Zeit gewesen."Er lacht leise.
„Darüber werden wir uns noch unterhalten müssen, Potter."Bevor ich etwas erwidern kann nimmt seine Zunge ihre Spur wieder auf und jede Antwort verschwindet aus meinem Kopf. Weiter über meinen Bauch, tiefer über meine Hüften, die Innenseite meiner Oberschenkel. Dann hält er auf einmal inne, läßt seine Fingerspitzen behutsam durch das Nest schwarzer Locken zwischen meinen Beinen gleiten. Ich öffne die Augen um zu sehen was er tut, mein Körper schreit nach seiner Berührung. Er erwidert meinen Blick einen Moment lang, dann beugt er sich vor, seine Hände gleiten auf meine Hüften und was er dann tut, läßt die Welt um mich herum versinken.
Noch niemals in meinem Leben habe ich etwas vergleichbares gefühlt.
Meine rechte Hand ist in sein Haar gekrallt, die linke umklammert das Bettlaken. Ich hab den Kopf weit zurück gebeugt und weiß, dass die unartikulierten Laute die ich höre von mir stammen. Mein Körper bäumt sich unter ihm auf, aber seine Hände halten meine Hüften unerbittlich fest. Mein Blut rauscht in meinen Ohren; ich will, dass dieses Gefühl ewig andauert und weiß gleichzeitig, dass ich es keinen Moment länger ertragen kann.
Als ich nur Sekunden später den Höhepunkt erreiche, muss ich mir auf die Lippen beißen um nicht zu schreien.
Ich liege da, unfähig mich zu bewegen. Mein Herz rast, mein Atem klingt schnell und abgehackt. In meinem Kopf dreht sich alles.
Dann öffne ich die Augen und sehe Draco an.
Er liegt neben mir, den Kopf in die rechte Hand gestützt und sieht mich zärtlich an, seine linke Hand spielt mit dem Drachen.
„Ich liebe dich."Meine Stimme ist rau und noch immer leicht atemlos.
Er lächelt sanft, dann beugt er sich über mich und küsst mich.
„Ich weiß. Und ich liebe dich."
