Das mit dem Copyright muß ich ja nicht jedes Mal wiederholen. Im übrigen würde ich mich sehr freuen, wenn ihr auch für die überarbeiteten Kapitel ein paar Reviews hinterlaßt. Immerhin interessiert es mich doch sehr, ob ihr mit meinen Veränderungen einverstanden seid. Im übrigen hat mich zu diesem Kapitel der Song "Feel so high" von Des'ree inspiriert, ich fand das Video zu diesem Song damals so toll, wie sie da vor einer Staffelei steht und ein Bild ihres Geliebten hinzaubert... Ach, den zweiten Song hätte ich glatt vergessen: hört Euch einfach mal "Deuces are wild" von Aerosmith an.

2. Ein Ausritt mit Folgen

"Du wirst nicht mit Amarayls Tochter fortreiten. Auf gar keinen Fall!", schrie Thranduil.

"Warum denn nicht? Sag mir nur einen - vernünftigen - Grund warum!", schrie sein älterer Sohn zurück.

Legolas stand aufrecht vor seinem Vater mit gestrafften Schultern und genauso angespannt und mit geschärften Sinnen, wie er es sonst nur war, wenn er einen der schlanken Eschenholzpfeile mit seinem wertvollen Elbenbogen auf ihre tödliche Reise schickte.

Doch in seinem Vater hatte er einen ebenbürtigen Gegner gefunden, der ihn sehr genau kannte und all seine Reaktionen und Handlungen voraussehen konnte.

Thranduils sturmgraue Augen blitzten gefährlich.

"Weil ich es sage!", zischte er und unterstrich seinen Willen, indem er mit der geballten Faust auf die Oberfläche seines Sekretärs schlug. "Gilain war ohnehin schon erbost wegen deiner gestrigen Eskapade. Du meine Güte, du hättest dem Mädchen doch wirklich nicht hinterherlaufen müssen. Manchmal glaube ich, daß ich anstatt deiner einen sturen, halbwüchsigen Menschen vor mir habe. Du kannst, bei Iluvatar, einfach nicht mein Sohn sein!"

Legolas hatte diese Strafpredigt natürlich schon erwartet, doch diesmal würde er sich auf das Kräftemessen mit seinem Vater gerne einlassen. Der König hatte ja keine Ahnung, wie egal es seinem Sohn war, ob es einen Skandal gab oder nicht. Im besten Falle würde Gilain, Rionas Vater, ihn als ungeeigneten Gefährten für seine Tochter ansehen. Legolas konnte nicht behaupten, daß ihn das besonders stören würde. Er stützte sich mit beiden Armen auf der anderen Seite des Sekretärs ab, schaute seinem Vater direkt in die Augen und entgegnete mit verhaltener Wut:

"Und ich werde es dennoch tun, Vater. Ich muß gestehen, daß ich deinen Ärger nicht verstehe. Soll ich mich denn jetzt von allen weiblichen Wesen fernhalten, nur weil ich verlobt bin. Sie war meine Freundin, wir haben uns...

Thranduil unterbrach ihn und wischte mit einer einzigen wütenden Handbewegung alle Erklärungen, Ausreden und Verteidigungen weg, die Legolas hätte vorbringen können. Legolas konnte nicht umhin verstört zu blinzeln, denn er fühlte sich mit einem Mal wieder wie ein unreifer junger Elb, der im Angesicht der Weisheit seines Vaters vor Ehrfurcht wie gelähmt war. Gleichzeitig brannte die Wut in ihm, das Vater es immer noch fertig brachte, ihn so fühlen zu lassen.

"Es ist mir verdammt noch mal egal, wie lange ihr euch nicht gesehen habt. Es wird Zeit, daß du dich darauf besinnst, daß du einmal meine Aufgaben übernehmen mußt. Von dir wird Besonnenheit und vernünftiges Handeln erwartet. Von allem habe ich bei dir noch nichts gemerkt. Ich hatte gehofft, daß die Aufgabe, den Ringträger zu begleiten, dich reifen lassen würde. Doch das war wohl doch zu viel verlangt."

Legolas, den es unglaubliche Willenskraft kostete, die Vorwürfe an sich abprallen zu lassen, hob abwehrend die Hände.

"Nun gut, wie du meinst. Du wirst ja sehen, was ich tue!", schrie er, drehte auf dem Absatz um und verließ den Thronsaal seines Vaters.

Thranduil wollte ihm durch seine Wachen den Weg versperren lassen, doch eine leise Stimme hinter ihm sagte:

"Tu's nicht Vater, er ist wieder in dieser Stimmung... man weiß nie, was er dann als nächstes tut."

Thranduil wandte sich um und seine Laune besserte sich ein wenig, als er seiner schönen Tochter Alfiriel angesichtig wurde. Er ließ sich schwer in seinen hochlehnigen Bibliotheksessel fallen und seufzte tief:

"Ach Alfiriel, manchmal wünschte ich, du wärst mein ältester Sohn. Was soll ich nur mit deinem Bruder machen? Er hat dieses unelbenhafte Temperament deiner Mutter geerbt."

Alfiriel lehnte sich lässig in den Türrahmen und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie hatte ihr langes, silbriges Haar hochgesteckt und trug eine weite Hose aus weich fließender dunkelgrüner Seide zu einer dunkelbraunen Ledertunika. Thranduil schloß daraus, daß sie mit Aelthor und Dandrival, dem obersten Jäger und dem Falkner, auf der Jagd gewesen sein mußte. Ein paar widerspenstige kleine Blätter und Ästchen, welche die Dreistigkeit besessen hatten, sich in ihren Haaren zu verfangen, bestätigten seine Annahme.

"Du hast Mutter doch gerade wegen ihres außergewöhnlichen Temperaments geliebt. Ich meine mich daran zu erinnern, daß du unserer Mutter in unserer Erziehung freie Hand gelassen hast. Es sollte dich nicht wundern, das wir uns alle zu, um es einmal vorsichtig auszudrücken, Freigeistern entwickelt haben. Wenn du große Veränderungen fürchtest, dann solltest schnellstens ein Schiff besteigen und in den Westen segeln.", erinnerte sie ihren Vater.

Sie wartete bis Thranduil das Gesagte verinnerlicht hatte und sich ein Lächeln auf seinem Gesicht zeigte. Es kam vor, das selbst er ihren scharfen Witz nicht verstand. Dann fuhr sie fort:

"Und wegen Legolas... gib ihm eine andere zur Frau."

"Wen?", fragte Thranduil, doch seine weise Tochter zuckte nur mit den Schultern.

*****

Legolas erreichte immer noch wütend den Stall und ließ sich seinen grauen Hengst Dywaith[1] satteln. Während er darauf wartete, daß die Stallburschen fertig wurden, lief er wie in gefangenes Raubtier im Mittelgang des Stalls auf und ab.

"Du solltest das wirklich nicht tun. Vater ist wirklich dagegen", hörte er plötzlich Finlass hinter sich sagen. Überrascht wirbelte er herum.

"Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten.", fuhr Legolas seinen Bruder an.

Es tat ihm nicht einmal leid. Er war es einfach satt, immer jemanden aus seiner Familie um sich zu haben, der ihm sagte, was er als Prinz des Düsterwaldes zu tun und zu lassen hatte.

"Trotzdem ist es nicht richtig...", setzte Finlass an.

Legolas wirbelte herum und hielt ihm drohend den Zeigefinger unter die Nase. Finlass wich nicht zurück, sondern funkelte ihn nur wütend an.

"Ich will davon nichts mehr hören. Ich habe immer getan, was ich wollte und ich werde damit jetzt nicht aufhören, nur weil mein guter Herr Vater auf die Idee gekommen ist, mich zu verloben. Er hätte mir die Wahl selbst überlassen sollen."

Er nahm Dywaith bei den Zügeln und wollte ihn aus dem Stall herausführen. Finlass stellte sich ihm in den Weg.

"Es ist ein Fehler!", mahnte er den älteren Prinzen nochmals.

"Ich werde jetzt gehen!", preßte Legolas wütend zwischen den Zähnen hervor.

Finlass überlegte einen Moment, ob er wirklich zur Seite treten sollte. Er hielt es allerdings für besser, seinem wütenden Bruder nicht im Weg zu stehen. Weise Entscheidung, dachte Legolas bei sich. Für gewöhnlich dauerte es sehr lange, bis er die Geduld verlor, auch wenn man ihm nachsagte, daß er für einen Elb sehr temperamentvoll sei. Doch gerade jetzt, nach der Auseinandersetzung mit seinem Vater, lagen seine Nerven sehr blank. Er stieg in den Sattel und ritt zu dem Haus, in dem Shiya wohnte. Es würde ihm sicherlich gut tun, jetzt mit ihr zu reden. Sie war zwar noch so jung, zumindest für elbische Verhältnisse, doch sie würde ihn verstehen, so wie sie ihn immer verstanden hatte.

Amarayl o Morndoron und seine Familie lebten in einem großen Haus, daß sich zwischen die Wurzel einer riesigen, uralten Eiche und eine Felswand schmiegte. Als Berater Thranduils hätte Amarayl das Recht gehabt, mitsamt seiner Familie Gemächer im Palast zu beziehen, doch er hatte es vorgezogen außerhalb zu wohnen. Er hatte es einmal Legolas gegenüber damit begründet, daß seine politischen Entscheidungen auf diese Art und Weise weniger stark beeinflußbar waren und hatte dabei schief gegrinst. Bis dahin hatte Legolas nicht geahnt, daß es selbst im Palast seines Vaters so etwas wie Intrigen gab.

Valshiyas Vater war sehr überrascht, den Prinzen vom Düsterwald bei sich zu Besuch zu haben. Er hatte ihn schon von seiner großen Halle aus gesehen und kam nun die Stufen herab, um ihn zu empfangen.

"Ich würde gerne mit Valshiya sprechen.", bat Legolas.

Er hatte sich auf dem Ritt zu Amarayls schon wieder ein wenig beruhigt. Er hatte die ganze Zeit an die vier Dinge gedacht, die er jetzt brauchte. Da war zunächst einmal der Abstand von seiner Familie, selbst von Alfiriel, dann Valshiya, der Wald und sein gutes Pferd Dywaith. Amarayl verbeugte sich leicht und antwortete:

"Ich werde sie rufen lassen, doch sie sagte mir heute morgen, das sie sich nicht wohl fühlen würde." Der Berater seines Vaters bat ihm einen Platz zum Warten und einen Becher gewürzten Wein an. Legolas setzte sich, lehnte jedoch den Wein dankend ab. Es dauerte nicht lange, bis Amarayl wieder auftauchte.

"Valshiya sagte mir, daß ihr gekommen wäret um sie zu einem Ausritt abzuholen. Davon hatte ich nichts gewußt. Sie sagt aber, sie könne nicht mit euch kommen, da sie kein Pferd..."

Legolas Augen leuchteten auf, als er sah, daß sich hinter Amarayl die Tür öffnete und Valshiya hervortrat.

"Ich hab's mir doch anders überlegt, Vater. Es ist schon gut.", sagte sie leise.

Sie war sogar schon für einen Ausritt umgekleidet, trug ein weites rotes Hemd, schwarze Hosen und kniehohe Reitstiefel. Das Rot ihres Hemdes ließ sie sehr blaß erscheinen. Nein, stellte Legolas fest, es lag nicht an der Farbe. Sie war wirklich sehr blaß, so als würde sie sich wirklich fürchterlich unwohl fühlen. Legolas war besorgt, sagte sich aber, daß alles was das Mädchen jetzt brauchte, wohl einfach nur frische Luft war. Trotzdem nahm er sich vor, sie danach zu fragen, sobald sie allein miteinander waren.

"Das du kein Pferd hast ist kein Problem, du kannst bei mir mitreiten. Dywaith trägt ohne Probleme auch uns beide.", bot er schnell an.

"Ich werde das Pferd meines Bruders nehmen. Tarawyn wird es heute nicht brauchen.", erwiderte Valshiya schnell.

Der Gedanke, so nah bei ihm zu sein, behagte ihr ganz und gar nicht. Amarayl schaute sehr erstaunt drein, doch er sagte kein Wort, daß seine Tochter sich es nun doch anders überlegt hatte. Eigentlich sollte er sich über nichts mehr wundern, was seine Tochter sagte und tat. Sie war launisch wie das Frühlingswetter und das zu allen Jahreszeiten. Das lag wohl an dem menschlichen Blut, das in ihren Adern floß. Wie sagten die Menschen doch in einem Sprichwort so treffend: Zuerst himmelhochjauchzend und dann zu Tode betrübt.

*****

Freiheit! Nichts als Freiheit und reine Freude, war was Valshiya empfand, als sie endlich den Mauern ihres Zuhauses entflohen war. Sie liebte ihr Heim und ihre Familie, doch in ihren Gemächern war sie in den letzten Tagen nur die Gefangene ihrer eigenen, verwirrenden Gedanken und Gefühle gewesen. Es war wunderschön, durch den herbstlichen Düsterwald zu reiten. Anders als in Lothlorien oder in Bruchtal, fielen hier im Herbst die Blätter von den Bäumen. Zwar schneite es nie, doch es gab zumindest einen milden und inspirierenden Herbst. Vielleicht war dies einer der Gründe, warum die Sindar aus dem Düsterwald bodenständiger waren und auch Verbindungen zwischen Angehörigen ihres Volkes und den Menschen aufgeschlossener gegenüber standen. Dieses Denken hatte die kurze aber heftige Beziehung zwischen ihrem Vater und ihrer Mutter ermöglicht.

Sie gab Celeir[2], der schwarz-weiß gescheckten Stute ihres Bruders, die Sporen und schloß schnell zu Legolas auf, der auf seinem kräftigen grauen Hengst vornweg geprescht war. Sie bemerkte den entspannten und friedlichen Ausdruck auf seinem Gesicht. Auch mit ihm war, seit sie losgeritten waren, eine Veränderung vorgegangen. Als er in der Halle ihres Vaters gestanden hatte, schien es, als hätte ihn irgend etwas bedrückt. Er blickte zu ihr und lachte:

"Du willst ein Rennen? Gut! Wer als erster beim Silberbach ist, hat gewonnen." Er preßte Dywaith die Fersen in die Flanken, und stob davon.

"Legolas... Celeir ist doch viel langsamer...", rief sie ihm atemlos hinterher.

Sie wußte, daß die kleine, kräftige Stute den Hengst des Prinzen niemals wieder einholen würde. Dywaith war, genau wie der Prinz selbst, einzigartig und außergewöhnlich. Trotzdem beeilte sie sich, schnell zum Silberbach zu kommen.

Als sie dort ankam, erwartete der Prinz sie schon. Er hatte sich am Ufer des silbern plätschernden Baches ins Gras gesetzt und warf nachdenklich kleine Kieselsteine ins Wasser. Dywaith graste auf den grünen Wiesen, die den Bachlauf säumten. Valshiya stieg ab, gab Celeir einen Klaps, so daß diese sich in die selbe Richtung bewegte. Sie wußte, daß die beiden Tiere nicht weglaufen würden. Die Pferde der Elben waren auf ihre Besitzer sehr fixiert. Legolas drehte sich zu ihr um und streckte die Hand nach ihr aus.

"Komm setz' dich zu mir.", bat er sie.

Schweigend kam Valshiya seiner Aufforderung nach. Was sollte schon passieren, wenn sie einfach nur neben ihm saß.

"Ich bin gerne hier. Hier kann ich meine Gedanken sammeln, weit weg von meiner Familie. Nirgends ist es so schön wie hier aber... manchmal wünsche ich mich wieder weit fort von hier."

Valshiya merkte, daß ihn tatsächlich etwas bedrückte. Seine graublauen Augen blickten traurig ins Leere.

Er seufzte und sprach weiter, als er bemerkte, daß sie ihn nicht unterbrechen würde und aufmerksam zuhörte.

"So viele Verpflichtungen. Es bleibt kaum Raum für mich. Ich darf nicht einmal entscheiden, wen ich heiraten will und ob ich das überhaupt will.", sagte er. "Wie ist es bei dir? Weiß dein Vater etwa auch schon, mit wem du einmal den Bund eingehen sollst?"

Der Sarkasmus in seiner Stimme war kaum zu überhören. Das war es also, dachte Valshiya. Er hatte mit seinem Vater wohl eine Auseinandersetzung über seine bevorstehende Hochzeit gehabt. Wenn er bloß wüßte, daß diese Tatsache ihr genauso viel Kummer bereitete wie ihm.

Valshiya antwortete:

"Nein. Ich denke auch nicht, daß das in meiner Position so wichtig ist wie bei dir. Du bist schließlich ein Prinz und du mußt tun, was für dein Volk das richtige ist."

Sie wußte, daß sie sich mit dieser Aussage selbst belog. Das war nicht, was sie eigentlich hatte sagen wollen... nicht das, was ihr Herz hätte eigentlich sagen wollen. Aber das wußte er nicht.

Legolas blickte sie an. Eine ungewohnte Härte war in seinen Augen.

"Und wer weiß, was für mich das richtige ist? Gibt es irgendjemanden, der außer dem Prinzen auch noch den Elben in mir sieht?"

Ich weiß es und ich sehe, wer du bist, hätte Valshiya beinahe gesagt, doch sie schüttelte nur leicht den Kopf und wich seinem bohrenden Blick aus.

"Du verstehst mich, nicht wahr? Du weißt genau, was ich meine, genau wie damals. Ich wundere mich ohnehin, daß du dich überhaupt noch an unser Gespräch von damals erinnerst.", sagte er leise.

Valshiya lachte leise.

In Legolas Ohren klang dieses Lachen wie das silberhelle Läuten tausender, winziger Glöckchen. Es erfreute ihn, sie Lachen zu hören, nachdem sie noch vor wenigen Sekunden so traurig gewirkt hatte. Aber es verwirrte ihn auch ein wenig. Was war so lustig an seiner Verwunderung?

"Wieso lachst du?", wollte er wissen.

Sie antwortete.

"Nun, du bist ein Prinz, kein geringerer als König Thranduils Sohn, wie sollte man ein Gespräch mit dir vergessen. Du... es war etwas ganz besonderes für mich, daß du dich mir anvertraut hast." ... und ich bin damals schon in deinen blauen Augen versunken und mir war klar, daß ich mit niemandem anderen als dir den Bund eingehen wollte, waren ihre geheimen Gedanken, die sie nicht aussprach. Legolas wandte sich ihr zu und schaute sie bewundernd an. Er hob die Hand um ihr langes, schwarzes Haar zu berühren.

"Du bist wirklich wunderschön, Shiya.", flüsterte er.

Innerlich erbebte sie bei seinen Worten. Für eine Sekunde spürte sie seine Finger an ihrer Wange und glaubte, ihr Haut müsse jeden Augenblick verbrennen. Ohne zu überlegen griff sie nach seinem Handgelenk, schmiegte ihr Gesicht in seine Handfläche. Sie spürte, wie die Tränen sich einen Weg durch ihre geschlossenen Augenlider suchten. Legolas war überrascht, doch er empfand diese Berührung, die zwischen ihnen beiden schon sehr intim war, nicht als unangenehm.

"Shiya... bitte, weine doch nicht...", sagte er leise, nicht verstehend, warum ein ernst gemeintes Kompliment sie so traurig machen konnte.

Er nahm sie in die Arme, spürte ihr Herz aufgeregt an seiner Brust klopfen. Konnte es denn sein. daß...?, fragte er sich, wagte allerdings nicht, den Gedanken zu Ende zu führen. Was hatte er getan, das einen so nachhaltigen Eindruck bei ihr hinterlassen hatte?

Legolas horchte plötzlich auf. In einiger Entfernung konnte er Hufgetrappel vernehmen. Jemand mußte ihnen gefolgt sein und dieser jemand erreichte nun den Bach. Innerlich verfluchte er seinen Vater, dessen Idee das sicherlich gewesen war, ihm einen Aufpasser hinterherzuschicken.

"Es kommt jemand.", warnte er Valshiya.

Nur widerwillig löste sie sich aus seiner Umarmung.

"Was...", setzte sie zu einer Frage an, doch diese blieb ungestellt, als ihr Bruder auf dem großen Fuchshengst seines Vaters aus dem Wald heraus kam.

Der Ausdruck auf seinem Gesicht verhieß nichts Gutes. Sie fragte sich, was er ihrem Vater wohl von dem Gespräch erzählt hatte, daß sie an dem Tag von Legolas Rückkehr mit ihm geführt hatte.

"Valshiya!", rief er überrascht aus. "Ich hatte dir gesagt..., vergiß es, ich will dir vor dem Prinzen keine Szene machen."

Valshiya sprang auf, klopfte sich Moos und Erde von ihrer Kleidung und stammelte:

"Tarawyn, es ist nicht so, wie du denkst. Ich kann es dir erklären."

Legolas beobachtete verwundert die Szene. Es hätte ihn doch sehr interessiert, was Tarawyn, Valshiyas Bruder, hatte sagen wollen. Vielleicht hätte das ein wenig Klarheit in diese unmögliche Situation gebracht.

"Vielleicht solltest du jetzt einfach auf Celeirs Rücken steigen und mit mir nach Hause kommen."

Legolas eilte der völlig verstörten Valshiya zur Hilfe. Er legte einen Arm um sie und erwiderte:

"Tarawyn, bei allem Respekt, aber ich denke, deine Schwester ist alt genug um selbst zu entscheiden, wohin sie mit wem gehen will. Ich werde sie schon sicher wieder nach Hause bringen, wenn es das ist, worum du dich sorgst."

Valshiya lächelte traurig. Ach, edler Prinz, dachte sie und schämte sich sogar ein wenig, wenn es doch nur das wäre!

Tarawyns Mundwinkel umspielte ein angedeutetes, süffisantes Grinsen. Er legte die Hand auf sein Herz und neigte leicht den Kopf.

"Nun, Prinz, ihr müßt es ja wissen."

Legolas nahm den abfälligen Ton wahr, mit dem Tarawyn das Wort Prinz aussprach. Eigentlich hätte er es sich verbitten können. An Valshiya gewandt fuhr Tarawyn fort:

"Vater möchte, daß du vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause bist. Keine Sekunde später. Er will mit dir reden."

Er wendete sein Pferd und ritt denselben Weg wieder davon, den er gekommen war. Legolas war vollkommen verwirrt und das passierte ihm nicht häufig. Waren denn jetzt alle völlig übergeschnappt?

"Was hat er gemeint?", wollte er wissen. "Wieso hat er sich denn bloß so aufgeregt?"

Valshiya bemühte sich, Legolas anzulächeln und antwortete:

"Nichts, es ist nur der Beschützerinstinkt. Er ist mein älterer Bruder und glaubt, die Verantwortung für mich und meine Tugendhaftigkeit zu haben. Du müßtest das doch am besten wissen, immerhin hast du ebenfalls eine jüngere Schwester."

Doch innerlich hatte sie ein absolut ungutes Gefühl. Sie fragte sich, was ihr Vater wohl so dringend mit ihr zu besprechen hatte. Tarawyn mußte, da war sie sich nun absolut sicher, tatsächlich etwas ausgeplaudert haben. Allerdings fragte sie sich, was er dadurch zu gewinnen gedachte. Sie wich Legolas forschendem Blick aus und alle Vertrautheit, die sie noch vor wenigen Minuten geteilt hatten, war wie weggeblasen. Legolas räusperte sich und meinte:

"Vielleicht ist es tatsächlich besser, wenn ich dich jetzt zurück zum Hause deines Vaters bringe."

Er war sich immer noch sicher, daß sein Vater seine Hände im Spiel gehabt hatte. Niemand wußte, wo er hingeritten war und es war mit Sicherheit kein Zufall, daß Shiyas Bruder ihnen ausgerechnet hierher gefolgt war. Ich möchte aber nicht, dachte Valshiya, ich möchte für alle Zeiten mit dir allein sein. Legolas führte sie zu Celeir und half ihr beim Aufsteigen, dann ging er zu seinem Pferd und stieg ebenfalls auf.

"Ich weiß nicht, was dein Vater mit dir zu bereden hat, doch ich würde mir wünschen, daß wir wieder hierher zurückkehren. Bitte verbringe mehr Zeit mit mir. Wenn ich mit Dir zusammen bin, denke ich nicht so oft an die unangenehmen Dinge... du weißt was ich meine.", bat er.

Valshiya lächelte schwach.

"Wie kann ich meinem Prinzen einen Wunsch ausschlagen?"

Legolas blinzelte ihr aufmunternd zu.

"Bitte, sieh es nicht als Pflicht, sondern als Vergnügen an. Ich bin Legolas, nicht nur dein Prinz."

*****

Ihr Vater war tatsächlich sehr wütend als sie nach Hause kam. Sein Gesicht hatte unter dem rabenschwarzen Haar eine leicht gerötete Farbe angenommen und seine Augen waren gefährlich geweitet. Das schlimmste für Valshiya allerdings war, daß sie absolut keine Ahnung hatte, was ihn so wütend gemacht haben könnte. Sie hatte sich nicht an Legolas herangeschmissen, wie Tarawyn es ausdrückte. Sie hatte geweint und sich gewünscht, daß alles anders wäre, als es jetzt war, doch sie hatte es dem Prinzen nicht gesagt. Aber sie hatte es genossen, in seiner Nähe zu sein und es freute sie auch, daß er anscheinend ebenfalls ihre Nähe suchte. Valshiya wagte kaum zu atmen, als Amarayl mit großen Schritten auf sie zukam. Er war so ehrfurchtgebietend. Er faßte sie grob am Handgelenk und zog sie vor den Augen ihres schadenfroh, grinsenden Bruders hinter sich her in sein Lesezimmer. Mit einer einzigen Bewegung, warf der Berater des Königs die Tür hinter sich zu und schrie seine Tochter an, sie solle sich setzen.

"Du törichtes Ding!", schrie Amarayl und Valshiya zuckte ängstlich zusammen.

Vater war wirklich sehr wütend und selbst dieses Wort wurde seinem Gemütszustand in diesem Moment nicht gerecht.

"Vielleicht solltest du ein sterbliches Leben wählen, damit du mich nicht auf ewig mit deinen Dummheiten in Verlegenheit bringst."

"Vater, was habe ich denn getan? Ich verstehe wirklich nicht.", wagte sie sich leise zu fragen.

"Das fragst du noch? Ja, bist du denn eben so leichtgläubig wie deine Mutter?", sagte er aufgebracht.

Ja, er war wirklich sehr, sehr wütend. Es kam selten vor, daß er über Valshiyas Mutter sprach. Das war ein Thema, das er ansonsten lieber mied.

"Du benimmst dich wie ein menschliche Dirne. Und ich dachte, da du hier aufgewachsen bist, würdest du deiner Mutter nicht so ähnlich sein. Iluvatar, Varda und Manwe sein dank, daß Tarawyn mich früh genug gewarnt hat. Ich ärgere mich, daß ich so blind war und es nicht selbst gemerkt habe. Meine Güte, ich bin Thranduils Berater und meine Aufgabe ist es, Dinge zu sehen, die anderen verborgen bleiben. Ich hätte niemals gedacht, daß ich gerade bei meiner eigenen Tochter, meinem Fleisch und Blut, versagen würde."

Langsam ahnte Valshiya, was er meinte. Tarawyn hatte ihm also tatsächlich von dem Gespräch erzählt, das sie am Tag von Legolas' Rückkehr mit ihm geführt hatte. In diesem Moment wünschte sie sich, Frodo, der Hobbit, hätte versagt und Mittelerde wäre an den dunklen Herrscher gefallen, dann wäre ihr Vaters Ärger erspart geblieben.

"Wie kannst du nur? Wie kannst du dich dem Prinzen derart an den Hals werfen? Ich muß mich korrigieren: Du benimmst dich schlimmer als eine menschliche Dirne. Valshiya, er ist einer anderen versprochen. Ja, ich halte Thranduils Wahl auch nicht für besonders weise, doch es ist die Entscheidung des Königs. Ganz Düsterwald spricht von deinem unmöglichen Benehmen anläßlich der Verlobungsfeierlichkeiten. Du machst mich zum Gespött..., ich darf gar nicht darüber nachdenken. Was hast du dazu zu sagen?"

Valshiya wartete einen Moment ab, denn sie hatte nicht wirklich das Gefühl, daß ihr Vater eine Rechtfertigung ihrerseits hören wollte. Als er nicht weitersprach und sie wartend anblickte, antwortete sie:

"Ich weiß nicht, was Tarawyn dir erzählt hat. Jedenfalls ist es nicht so, wie du denkst. Legolas hat mich gebeten, Zeit mit ihm zu verbringen..."

"... und du machst dir Hoffnungen, es könnte mehr daraus werden...", unterbrach Amarayl sie.

"Nein! Nein, so ist nicht!", schrie Valshiya. "Ich habe ihm durch nichts in meinem Verhalten gezeigt, daß ich... ich ihn liebe."

Jetzt war es raus. Alle haben es geahnt, besonders ihre Freundinnen, doch sie hatte es nie so offen gesagt. Das gerade ihr aufgebrachter Vater derjenige war, dem sie dieses Geständnis als erstes machte, daran hatte sie nicht einen Augenblick gedacht. In diesem Moment wußte sie, daß sie es sich auch jetzt erst selbst richtig eingestanden hatte. Tränen schossen ihr in die Augen. Amarayl verzog schmerzvoll sein fein geschnittenes Gesicht. Wenn er so schaute, sah er mehr aus wie Valshiyas älterer Bruder und nicht, wie ihr Vater. Die Tränen seiner Tochter erweichten auch Amarayls Herz. Er konnte es einfach nicht ertragen, Trauer in den smaragdfarbenen Augen seiner Tochter zu sehen. Sie erinnerte ihn dann einfach zu sehr an ihre Mutter... so hatte sie an dem Tag ausgesehen als er sie verlassen hatte. Er trat auf sie zu und schloß sie in seine Arme. Er lächelte leicht, als er daran dachte, daß sie ihn so schon immer weich gekriegt hatte.

"Shh, mein Mädchen", tröstete er sie, wie er es früher immer getan hatte, als sie noch ganz klein war, damals, als Lylia, ihre menschliche Mutter gestorben war.

Damals war er zurückgekehrt, um seiner Verpflichtung nachzukommen. Er hatte Lylia zwar verlassen, er hatte nicht gewußt, daß sie ein Kind von ihm empfangen hatte, doch als er von ihrem Tod erfuhr und von dem kleinen Mädchen, das sie hinterlassen hatte, hatte er sich sogleich auf den Weg gemacht, um sie zu sich zu nehmen.

"Ich habe es nie geahnt. Ihr seid aufgewachsen wie Bruder und Schwester. Niemals hatten Thranduil und ich daran gedacht, daß ihr... nun ja, es kam uns einfach nicht in den Sinn. Wir haben immer angenommen, daß du für Legolas einmal die Position einnehmen wirst, die ich jetzt bei Thranduil habe. Der König und ich sind ebenfalls wie Brüder aufgewachsen."

Valshiya zitterte in den Armen ihres Vaters. "Bitte Vater, verzeih mir. Wenn du mir nun auch zürnen würdest... ich könnte es nicht ertragen.", bat sie.

Er antwortete:

"Natürlich verzeihe ich dir. Du weißt, daß ich dir nicht lange böse sein kann. Aber wir müssen jetzt eine Lösung finden. Ich will nicht, daß du dich quälst."

Valshiya nickte stumm, schmiegte ihren Kopf dankbar an die starke Schulter ihres Vaters.

"Wie wäre es, wenn du, bis der Prinz verheiratet ist, Königin Arwen in Gondor besuchst? Sicher erinnert sie sich noch an dich. Als du noch ganz jung warst, hat sie oft mit dir gespielt. Kleiner Wildfang hat sie dich genannt. Immerhin seid ihr auch miteinander verwandt.", schlug er vor.

Valshiya war einverstanden. Er hatte recht, sie fortzuschicken. Es wäre das beste für sie. Andererseits... wie konnte sie Legolas allein lassen. Er war schließlich nicht in der Lage, einfach fortzulaufen...

"Ja, so machen wir es. Es wird besser so sein.", sagte sie. ----------------------- [1] Dywaith = Nachtschatten [2] Celeir = Brilliant