Ich weiß ja nicht, ob es jetzt wirklich besser wird! Ich jedenfalls bin
meiner eigenen Story sehr skeptisch gegenüber. Deswegen möchte ich dieses
siebte Kapitel allen widmen, die glauben, daß das, was ich bisher
geschrieben habe. Wirklich gut ist!
Und das mit dem Disclaimer ist ja wohl klar, ich denke nicht, daß ich das jetzt bei jedem Kapitel wiederholen muß. Alle Figuren, die euch irgendwie bekannt vorkommen ©Tolkien. Außerdem will ich mit dieser Geschichte kein Geld verdienen... blablabla
Neuerungen: Ich habe mich bemüht, die Beziehung zwischen Legolas und Merilwen deutlicher zu machen, denn in einigen E-Mails und Reviews wurde vermutet, daß Legolas sich niemals in "so eine" verliebt hat. Vielleicht wird jetzt deutlicher, daß Merilwen nicht von Grund auf böse ist, sondern einfach nur fürchterlich enttäuscht wurde.
7. Ankunft in Minas Tirith
Der Anblick der weißen Stadt war immer wieder atemberaubend. Aus ihr heraus ragte wie ein mahnender Zeigefinger der weisse Wachturm Ecthelions. Besonders jetzt, wo alle Spuren des Ringkrieges nahezu beseitigt waren - Aragorn hatte bisher gute Arbeit geleistet - war diese Stadt der Menschen ein schöner Anblick. Wer hätte jemals gedacht, dass die Menschen einmal eine solche Kunstfertigkeit entwickeln würden. Legolas wünschte sich, dass er unter anderen Umständen hergekommen wäre, um seinen Freund Aragorn, den König von Gondor zu besuchen. Er hätte Aragorn sofort gebeten, ihn in seiner stolzen Stadt herumzuführen, ihm alles zu zeigen. Andererseits hatte er auch das dringende Bedürfnis, endlich Licht in das spurlose Verschwinden von Arwen und Valshiya zu bringen. Alfiriel war neben ihn geritten und zupfte ihn lachend am Ärmel.
"Du wirst nicht glauben, wer uns da entgegen kommt!", sagte sie und ein ungläubiges Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.
Da waren drei kleine Gestalten, die ihnen, in den Sätteln auf und ab hopsend, auf Ponys entgegenritten. Diejenige, die zuvorderst ritt, winkte aufgeregt, als sie näher kam. Legolas kniff die Augen zusammen, als könnte er seinen scharfen Elbenaugen nicht mehr trauen.
"Wie bei allen Sternen Vardas...", entfuhr es ihm ungläubig.
Er konnte einfach nicht glauben, wer ihm da freudig entgegengeritten kam. Andererseits, hatten diese kleinen Kerlchen ihn nicht immer wieder in Staunen versetzt? Wenn man glaubte, daß man die Hobbits kennt, überraschten sie einen auf's neue. Das waren auch Gandalfs Worte gewesen. Es waren tatsächlich Frodo, Merry und Pippin, die ihm da auf den kleinen Ponys entgegengeritten kamen. Alfiriel und Legolas gaben ihren Pferden die Sporen. Tarawyn, der seit dem Vorfall am Rande des Düsterwalds auf Abstand zu den beiden gegangen war, ritt ihnen langsam hinterher. Die erste Frage, die Legolas den dreien stellen musste lautete selbstverständlich:
"Alae mellyn! Wie habt ihr es nur geschafft, vor uns hier anzukommen?"
Frodo lächelte spitzbübisch, erwiderte den elbischen Gruss, da er inzwischen recht gut das Sindarin beherrschte, und antwortete ihm dann mit einer Gegenfrage:
"Kannst du dich noch an den Adler erinnern, der Gandalf einmal aus der Bedrängnis geholfen hat?"
Als Legolas nickte, da er sich selbstverständlich daran erinnerte, fuhr Frodo fort:
"Nun, Gandalf hat mir einmal erzählt, wie ich ihn rufe. Gwaihir hat sich an mich erinnert und das ich zu Gandalfs Freunden gehörte. Also half er diesmal mir. So konnten wir noch vor euch hier sein. Mir war klar, dass ich dich niemals darum hätte bitten können. Du hättest mir niemals gestattet, dich zu begleiten. Andererseits wollten wir Aragorn ohnehin besuchen, ganz unabhängig von den Umständen."
Legolas erwiderte:
"Sicherlich hätte ich euch unter diesen speziellen Umständen nicht gestattet uns zu begleiten. Zumindest ihr habt euch doch wirklich ein wenig Ruhe verdient."
Er bemühte sich, möglichst ernst dreinzuschauen, doch er konnte sein Lächeln einfach nicht zurückhalten. Diese Hobbits steckten wirklich immer voller Überraschungen. Während sie auf Minas Tirith zuritten erzählte Frodo, dass Sam es vorgezogen hatte, mit Rosie in Düsterwald zu bleiben. Rosie gefiel es so gut im unterirdischen Palast Thranduils und es war Sam lieber - für alle Fälle - seine zukünftige Frau in Sicherheit zu wissen. Aus der bildhaften Erzählung Merrys konnte Legolas heraushören, dass Sam trotzdem nur mehr oder weniger freiwillig zu dieser Entscheidung gelangt war. Liebend gerne wäre der treue Sam ebenfalls mitgenommen. Froh darüber, dass er ebenfalls einige Neuigkeiten zu erzählen hatte sagte Pippin:
"Du kannst dir nicht vorstellen, wer Aragorns Aufruf um Hilfe noch alles gefolgt ist, Legolas. Elladan und Elrohir, Elronds Zwillingssöhne, sind ebenfalls erst gestern angekommen. Sie haben eine Noldor-Elbe mitgebracht. Sie sagen, sie sei eine grosse Magierin und das du sie kennen würdest. Wenn du sie kennst... Legolas, ich habe noch nie so eine schöne Elbe gesehen, abgesehen von deiner Lady Valshiya natürlich."
Schmerzvoll verzog Legolas bei der Erwähnung von Valshiya das Gesicht.
"Pippin!", entfuhr es Frodo warnend.
" 'tschuldigung! Hab's nicht so gemeint!", nuschelte Pippin, da ihm plötzlich wieder einfiel, dass Valshiya zusammen mit Arwen verschwunden war.
Warum, fragte sich Frodo, musste sein Vetter nur immer von einem Fettnäpfchen ins andere treten?
"Es ist schon in Ordnung, Frodo. Doch sag mir, wie ist der Name dieser Elbenmagierin, die mit Elladan und Elrohir gekommen ist.", bat Legolas.
Eine schöne Elbenmagierin aus Bruchtal... das rief Erinnerungen in ihm wach, sowohl einige angenehme, als auch - und leider überwiegten diese - unangenehme. Es konnte doch unmöglich... Pippin zuckte die Schultern. Er konnte sich nicht mehr an den Namen erinnern.
"Ich weiss es.. ich glaube ich weiss es. Es war irgend etwas mit einer Blume. Ah ja... ihr Name ist Merilwen[1], wenn ich das richtig in Erinnerung habe.", sagte Merry vorlaut.
Merilwen! Ja natürlich, wer sonst hätte es sein sollen? Hatte sich denn die ganze Welt gegen ihn verschworen? Er erinnerte sich an einen grauen Herbsttag in Imladris.
Er hatte seine Sachen gepackt und wollte, nach einer kurzen Verabschiedung von Elrond und seiner Familie aufbrechen. An diesem Tag war er genau zehn Jahre lang in Bruchtal gewesen. Er hatte in der Bibliothek Elronds - die in ganz Mittelerde einzigartig war - die Geschichte Mittelerdes studiert. Er hatte nichts bestimmtes gesucht aber irgendwann hatte er das Bedürfnis gehabt, mehr über die glorreiche Vergangenheit zu erfahren. Er hatte wirklich nicht lange bleiben wollen, doch schliesslich waren zehn Jahre daraus geworden. Eine kurze Zeitspanne für einen Elben - für einen Menschen wäre es ungefähr mit einer Woche vergleichbar gewesen - aber trotzdem konnte in dieser Zeit viel passieren. Und, obwohl er es nicht beabsichtigt hatte, war etwas passiert. Zunächst hatte sie bei ihren Studien am selben Tisch gesessen wie er. Sie hatten sich neugierige Blicke zugeworfen, wie es junge Elben - genau wie junge Menschen - nun einmal tun. Um ein Gespräch mit ihr zu beginnen hatte er sie irgendwann einmal um ihre Hilfe gebeten, denn sie kannte sich in der Bibliothek Elronds recht gut aus. Sie war erfreut, dass er mit ihr sprach, erzählte ihm von ihrem Studium der Magie. Er war begeistert von ihrer Intelligenz... und von ihrer Schönheit. Sie trafen sich immer öfter, auch nachts. Und dann verbrachten sie bald auch die Nächte miteinander. Es war eine schöne Zeit. Legolas genoss mit ihr seine erste und - bis heute - seine einzige Liebe, wenn es denn das war, für das er es gehalten hatte. Denn bald darauf begann Merilwen, Fehler zu machen. Sie versuchte, den jungen Falken - denn so nannte sie ihn - zu zähmen, seine Flügel zu stutzen, so dass er nie wieder von ihr fort fliegen konnte.
Sie wollte ihm seine Freiheit nehmen, ihn an sich binden. Aus diesem Grund hatte er sich auch nicht von ihr verabschiedet. Heimlich, still und leise wollte er Bruchtal verlassen. Einerseits befürchtete er, dass sie ihn womöglich nicht gehen lassen würde aber noch mehr fürchtete er böse Worte, die vielleicht fallen würden. Aber er hatte seine Abreise vor ihr nicht verheimlichen können.
Sie kam zu ihm, als er gerade dabei war, sein Pferd zu satteln. In den Ställen wirkte sie in ihren edlen Kleidern aus weich fliessenden Stoffen völlig fehl am Platz, so wie sie auch als Gefährtin an seiner Seite völlig fehl am Platz gewirkt hätte.
"Als du vor zwei Nächten das letzte Mal bei mir gelegen hast, war mir klar, dass du gehen würdest.Du warst so... verändert.", flüsterte sie.
"Heimzukehren nach Düsterwald war von Beginn an immer meine Absicht gewesen und daß weisst du auch!", sagte er schnell.
Sie wollte ihre Hand auf die seine legen, doch er wich vor ihr zurück. Er sehnte sich nach seiner Heimat aber er wollte allein dorthin zurückkehren.
Merilwen schüttelte traurig den Kopf. Es schien fast, als hätte sie tatsächlich damit gerechnet, dass er sie bitten würde, ihn nach Düsterwald zu begleiten. Er hatte wirklich niemals mit dem Gedanken gespielt und nun, nachdem sie sich so verändert hatte... oder hatte sie am Ende doch nur ihr wahres Gesicht gezeigt?... dachte er erst recht nicht mehr daran.
"Es tut mir leid, wenn ich dir irgendwelche Hoffnungen gemacht habe. Vielleicht hätte ich von vornherein klarstellen sollen, dass ich nicht mit dem Wunsch hierhergekommen bin, eine Gemahlin zu finden. Vielleicht in tausend Jahren aber jetzt? Es ist noch nicht Zeit für mich.", erklärte er und versuchte seine Stimme ganz ruhig klingen zu lassen.
Merilwen gelang es irgendwie, ihre Tränen zurückzuhalten. Sie würde sich nicht von diesem jungen Elbenprinzen aus der Fassung bringen lassen. Nicht sie! Nicht die junge Elbenmagierin, der alle jungen Elben aus ganz Mittelerde zu Füssen lagen. Und doch: So gerne hätte sie ihn besessen! Für sich allein gehabt!
"Nein, ich verstehe schon! Wenn es für dich nichts weiter als ein Abenteuer war, dann ist es wohl so. Vielleicht liegt es doch an dem Altersunterschied, dass ich daran geglaubt habe, in dir einen würdigen Gefährten gefunden zu haben. So reif bist du allerdings noch nicht.", erwiderte sie.
Legolas kniff die Augen zusammen, weil er nicht ganz verstand, wie sie das meinte.
"Es gibt keinen Grund, beleidigend zu werden, Merilwen. Ich weiss sehr gut, was ich tue und ich bin auch in der Lage, mit den Konsequenzen zu leben.", meinte Legolas.
"Und Liebe? War es nicht auch Liebe, die dich in meine Arme trieb?", fragte Merilwen und sie hoffte immer noch, dass er bei ihr blieb.
Er beantwortete diese Frage nicht leichthin. Er wandte sich ihr zu und blickte ihr lange ins Gesicht. Er hörte in sich hinein. Fragte sich, ob sein Herz bei ihrem Anblick schneller schlug, ob er eine Gänsehaut bekam. Nein, nichts regte sich. Nicht einmal das Verlangen, dass er verspürt hatte, als er sie das erste Mal gesehen hatte kam wieder. Sie war keine Gefährtin für ein unsterbliches Leben.
"Nein. Es tut mir leid!", sagte er mit rauher Stimme.
Dann wandte er sich ab und stieg in den Sattel. Er verliess Bruchtal, ohne sich noch einmal umzublicken. Seitdem hatte er nie wieder einen Gedanken an sie verschwendet...
...bis zum heutigen Tag.
"Was ist mit dir Legolas? Du bist in letzter Zeit immer so abwesend. Ich habe das schon im Haus deines Vater bemerkt. Das ist so gar nicht deine Art.", stellte Frodo fest und riss ihn mit der Bemerkung aus seinen Gedanken.
Tatsächlich war es so, daß der Elbenprinz immer erst nachdachte, bevor er sprach und da er meist lange nachdachte, sagte er wirklich nie sehr viel. Manchmal kam es sogar vor, dass er verwundert fragte, ob er nicht längst Antwort gegeben hätte und man musste ihn dann darüber aufklären, dass er wohl wieder einmal nur gedacht hatte. Allerdings war er so schweigsam wirklich noch nie gewesen.
Nachdenklich erwiderte Legolas:
"Ich bin mir nur nicht sicher, ob ich Merilwen wirklich treffen will."
Sowohl freundlich als auch mit allen, ihm gebührenden offiziellen Ehren als Prinz von Düsterwald wurde Legolas von seinem Freund Aragorn begrüsst. Doch ein leichter Schatten lag auf seinem Gesicht, der dem Elbenprinzen verriet, daß der König von Gondor lange nicht geschlafen hatte. Ebenso wie er hatte er die letzten Nächte wachgelegen und sich Gedanken gemacht um das mysteriöse Verschwinden seiner Frau und Valshiyas gemacht.
"Mae govannen Legolas!" begrüsste Aragorn ihn und umarmte ihn freundschaftlich.
"Mae govannen Aran Gondor[2]!", erwiderte Legolas den Gruss.
Einen Moment sagten sie nichts. Legolas fragte sich, ob Aragon spürte, dass ihn nicht nur seine Freundschaft zu ihm und die daraus resultierende Pflicht ihm zu helfen, hergeführt hatte, sondern ebenfalls die Sorge um die beiden Frauen, um die eine der beiden ganz besonders.
"Es tut gut, dich zu sehen. Vielleicht ist es übertrieben, doch ich bin gleich ein wenig ruhiger."
Dann wandte er sich Alfiriel und Tarawyn zu. Auch diese begrüsste er herzlich, ahnte er doch nichts von dem Beinahe-Verrat Tarawyns.
"Legolas, warum hast du mir nie erzählt, was für einen Edelstein du zur Schwester hast. Solche Kostbarkeiten sind selten und wertvoll. Das kann ich dir sagen, da ich selbst im Besitz eines solchen Edelsteines bin. Es ist sehr leichtsinnig mit ihr zu reiten, denn Diebe, die ihrer einmal angesichtig geworden sind, können an nichts anderes mehr denken, als sie zu stehlen.", schmeichelte Aragorn.
Alfiriel lächelte und erwiderte:
"Wenn ihr glaubt, dass ich jetzt erröte, König, dann irrt ihr euch. Ich pflege auch schon lange genug Kontakt mit den Menschen, dass ich solche Floskeln, selbst wenn sie ernst gemeint sind, schnell durchschaue. Doch freue ich mich natürlich über euren freundlichen Empfang."
"Und klug ist sie auch noch. Warum hat Thranduil sie nur gehen lassen? Die Verehrer müssen bei ihr Schlange stehen.", meinte Aragorn.
Legolas seufzte und dachte: Freiwillig liess er uns beide gewiss nicht gehen.
"Ich wundere mich, dass du unter diesem Schmutz überhaupt erkennen kannst, dass es tatsächlich meine Schwester ist. In der Dunkelheit würde ich sie, trotz meiner guten Augen, für einen jungen Ork halten.", stichelte Legolas.
Alfiriel, die einen solchen Seitenhieb schon erwartet hatte, hatte sich eine passende Antwort zurechtgelegt.
"Lieber Bruder, wie einfältig bist du denn, dass du glaubst besser auszusehen? Bin ich der Ork, was bist dann du? Mir fällt kein Vergleich ein, da ein solches Wesen noch nie auf Mittelerde gewandelt ist."
Dann fiel Aragorns Blick auf Tarawyn, der schweigend hinter Legolas und Alfiriel stand. Aus dem verschlossenen Gesichtsausdruck des Elbenkriegers wurde er nicht klug und da Alfiriel und Legolas keine Anstalten machten, ihn vorzustellen, nickte er ihm nur höflich zu. Dann fuhr er, an alle gerichtet, fort:
"Aber ihr habt eine lange Reise hinter euch und du, Legolas, siehst aus, als ob du ebenso wie ich, einige Nächte lang nicht geruht hast. Ihr solltet euch alle ein wenig zur Ruhe begeben. Für morgen früh habe ich einen Rat aller Anwesenden einberufen. Bis dahin wird wohl auch Gimli angekommen sein."
Legolas lächelte, als er an seinen Zwergenfreund dachte.
"Gimli kommt auch?", fragte er.
Aragorn bestätigte:
"Ja, ich habe ihm durch eine meiner Tauben eine Nachricht zukommen lassen. Es ist gut, fähige Freunde um sich zu haben. Nicht, dass meine Männer hier unfähig wären, doch bis auf meine beiden Hauptmänner Aegnor und Gawen sind sie mir noch sehr fremd. Als ich noch ein Waldläufer war, war ich es gewohnt, alleine zu sein."
Legolas horchte auf. Es betonte das Wort "alleine" mit einer gewissen Traurigkeit in seiner Stimme.
Dann legte Aragorn einen Arm um Legolas' Schulter und begleitete ihn persönlich zu den für ihn vorgesehen Gemächern, während Diener Alfiriel und Tarawyn ihre Gemächer zeigte.
Alfiriel öffnete die bis auf den Boden reichenden, bunt verglasten Balkonfenster ihres Zimmers weit und liess die frische, abendkühle Luft herein. Während der Reise hierher war der Himmel jeden Tag bedeckt gewesen. Es hatte sogar stark geregnet, für den Herbstanfang fast zu stark, so dass der Boden völlig aufgeweicht war und selbst die trittsicheren Pferde der Elben Probleme gehabt hatten. Jetzt war der Himmel wieder klar. Schwalben spielten in der angenehmen Herbstluft Fangen und die untergehende Sonne setzte den Horizont in Flammen.
"Edle Dame, euer Bad ist jetzt gerichtet.", hörte sie eine weibliche Stimme hinter sich sagen.
Alfiriel drehte sich um. Eine junge Dienerin hatte für Alfiriel eine Wanne mit heissem, nach Rosen duftenden Wasser gefüllt. Aufgeregt spielte das rothaarige Mädchen an seinen Fingern und wartete auf weitere Anweisungen.
"Warum bist du so nervös, Mädchen? Wie ist dein Name", wollte Alfiriel wissen.
"Esme heiße ich, edle Dame.", antwortete das Mädchen, "Und aufgeregt bin ich, weil ich euch etwas über euren Bruder, den Prinzen Legolas fragen wollte.... selbstverständlich nur, wenn ihr es mir gestattet."
Oh, nicht schon wieder, dachte Alfiriel und bemühte sich, nicht die Augen zu verdrehen. Legolas musste blind sein, wenn er niemals bemerkt hatte, welche Anziehungskraft er auf das weibliche Geschlecht hatte, ob es nun menschliche Mädchen oder Elbenfrauen waren. Doch sie würde sich der Fragen dieses jungen Mädchens stellen. Sie nickte ihr aufmunternd zu.
"Ist euer Bruder einer anderen versprochen?", wollte Esme wissen.
Das schlag dir aus dem Kopf, dachte Alfiriel, für ein junges Mädchen wie dich ist er ohnehin zu kompliziert, selbst wenn er je über eine Beziehung zu einem menschlichen Mädchen nachgedacht hätte.
"Sein Vater hat ihn einer Frau versprochen, die er nicht liebt und er liebt eine Frau, die es nicht weiss.", antwortete sie.
Esme schaute Alfiriel verwirrt an und ihr fiel nichts mehr ein, was sie noch fragen konnte. Als Alfiriel bemerkte, dass sie das Mädchen mit ihrer Antwort völlig durcheinander gebracht hatte, fuhr sie fort:
"Verschwende deine Gedanken nicht an ihn. Schau in den Spiegel! Du bist ein so hübsches Mädchen, du wirst schnell jemanden finden, der um vieles besser zu dir passt. Bedenke, dass dir nicht so viel Zeit bleibt wie denjenigen aus unserem Geschlecht."
Esme nickte aufgeregt, machte einen Hofknicks und verließ das Zimmer. Alfiriel warf einen sehnsüchtigen Blick auf die Wanne mit dem dampfenden Wasser und zog schnell ihre Kleidung aus. Nur noch wenige Schritte trennten sie von diesem entspannenden Bad. Fast war sie schon in der Wanne, als sie plötzlich jemanden ein altes Lied der Elben aus dem Düsterwald singen. Überrascht erkannte sie Legolas Stimme und sein Lied berührte ihr Herz.
Pan i eryn pêd ne gwaew,
lhass na lhass athrannad i glam,
melon in lhess aníron:
Pedich gell? Pedich nui?
Cabed i celf-eryn dadbenn
na lhend aerlinn
aníron dinen ne ind nîn
Linna o gell? Linna o naig?[3]
Sie warf sich den seidenen Mantel über die Schultern und trat auf ihren Balkon hinaus. Über ihrem Balkon befand sich, nach hinten versetzt ein Terrassengarten, den Arwen hatte anlegen lassen, als sie nach Minas Tirith gezogen war. Wahrscheinlich hatte Legolas diesen Terrassengarten mit Aragorns Erlaubnis aufgesucht, um alleine zu sein. Alfiriel war überrascht, diese neue Seite an ihrem Bruder kennenzulernen. Dabei hatte sie immer geglaubt, ihn so gut zu kennen. Alfiriel trat wieder zurück in ihr Zimmer und wollte die Fenster schließen. Es war nicht richtig, ihren Bruder zu belauschen. Doch da hörte sie plötzlich eine andere Stimme. Eine Stimme, die einer Frau gehörte.
"Alae Legolas, cynn nîn[4], du singst von Schmerzen. Ich habe dir nie zugetraut, solche Gefühle zu empfinden. Obwohl du eigentlich recht gut darin bist, anderen Schmerzen zuzufügen."
Alfiriel nickte und dachte bei sich, dass man dies über ihren Bruder schnell denken konnte, kannte man ihn nicht nah genug. Sie hörte das Rascheln von langen Röcken, von wertvollem Stoff.
"Alae Merilwen, was treibt dich zu so harter Rede an? Wir haben uns so lange nicht gesehen. Ist es immer noch die Wut, der Ärger über mich und mein Verhalten?"
Er seufzte tief und an dem Klang seiner Stimme konnte Alfiriel hören, dass er dieses Gespräch am liebsten gar nicht führen wollte. Die Frau war die Elbenmagierin Merilwen, von der Merry gesprochen hatte.
"Wie könnte ich das jemals vergessen! Damals wollte ich es nicht zugeben aber du hast mir das Herz gebrochen. Aber dennoch: etwas anderes ist ebenso unverändert: AnÍron cen[5]", flüsterte die Frau, doch Alfiriel konnte es immer noch verstehen.
Wieder vernahm sie das Rascheln des Kleides, das Merilwen trug. Sie hörte auch Legolas hastige Schritte. Anscheinend wich er vor Merilwen zurück. Sie begehrte ihn? Alfiriel konnte sich nicht erinnern, dass Legolas ihr von einer Liebschaft in Lothlorien erzählt hatte. Wann könnte das gewesen sein? Es muß vor ihrer Geburt gewesen sein oder sehr kurz danach.
" Gûr nîn ned i'arn bess[6], Merilwen. Du solltest endlich darüber hinweg kommen. Es sind fast 700 Jahre vergangen und genau genommen habe ich dich niemals glauben lassen, dass ich dich zur Frau nehmen werde.", sagte er entschieden.
"Ai, Legolas!", rief Merilwen überrascht aus, "Es ist kaum zu glauben. Der kühle Prinz aus dem düsteren Wald hat nun doch ein Mädchen gefunden, dass er sein eigen nennt. Wer ist die Arme? Ich will ihr mein Mitleid aussprechen. Ich gehe davon aus, dass du auch ihr nicht das Gefühl gegeben hast, sie zu deiner Gemahlin zu machen. Das ist die beste Ausrede für einen Mann, wenn er die Frau, die einige Zeit sein Bett geteilt hat, wieder loswerden will."
Merilwens Stimme troff vor Hohn.
"Ich würde ja sagen, dass dich die Enttäuschung so verbittert hat werden lassen, Merilwen. Aber du warst schon immer so spitzzüngig und du hast schon immer mehr gewollt als man dir zu geben bereit war und dies ist auch der Grund, warum ich dich verlassen habe. Deinen Namen trägst du zurecht, doch deine Dornen sind größer als deine Blüte. Ich habe mich einmal daran gestochen und dazu gelernt. Wie einen Raubvogel, den man zur Zierde in einem Käfig hält, wolltest du mir die Flügel stutzen und mich zähmen. Deshalb hast Du mich "Falke" genannt. Aber einem solchen Tier lässt man seine Freiheit, bis es von allein zurückkehrt. Valshiya wirst du nie das Wasser reichen können, selbst deine Magie wird dir nicht dabei helfen.", sagte Legolas und seine Stimme hatte wieder einmal diesen gefährlichen Unterton, den sie immer bekam, wenn er sehr wütend war.
"Valshiya? Ein hübscher Name. Ich hoffe doch, das arme Mädchen ist hübsch genug, um dein Interesse länger an sich zu binden.", stichelte Merilwen weiter.
Die Magierin kannte Legolas offensichtlich nicht so gut, dass sie wusste, wann es besser war, nichts mehr zu sagen. Alfiriel wusste, dass er nun lauter werden würde.
"Dinen[7], Merilwen! Du hast nicht einmal das Recht, ihren Namen in den Mund zu nehmen..."
Merilwen machte auch noch den Fehler ihn zu unterbrechen.
"Du scheinst ja tatsächlich für dieses Mädchen entflammt zu sein. Doch warte! Ist es nicht die Valshiya... die Grosscousine Arwens, die mit ihr verschwunden ist? Ich werde erfreut sein, sie kennenzulernen.... oh, wie konnte ich vergessen... natürlich immer vorausgesetzt es gelingt dir, sie wiederzufinden."
Etwas fiel klirrend zu Boden und Legolas schrie:
"Sie ist es tatsächlich und - bei Varda und allen ihren Sternen - selbst wenn wir alle Hilfe gebrauchen können, Arwen und Valshiya zu finden, würde ich mir wünschen, dass du an der Suche nicht beteiligt bist."
Wieder klirrte es, diesmal leiser und dann hörte Alfiriel, wie Legolas sich entschlossenen Schrittes von der Terrasse entfernte. Eine leise schluchzende Merilwen blieb zurück. Alfiriel zuckte mit den Schultern. Sie hatte kein Mitleid mit der Elbenmagierin. Sie wäre niemals die richtige für Legolas gewesen. Eine Beziehung zwischen ihnen hätte einem niemals endenden Kampf geglichen. Sie wollte Legolas mit aller Macht überlegen sein. Dies alles hatte sie aus diesem einen kurzen Gespräch herausgehört. Nun trat Alfiriel tatsächlich zurück in ihr Zimmer und verschloss die Fenster. Sie warf einen traurigen Blick auf die Wanne. Ein entspannendes Bad würde es nun nicht mehr sein, denn inzwischen war das Wasser höchstens noch lauwarm zu nennen. Alfiriel seufzte. Nun, dachte sie, dann werde ich eben das beste daraus machen. Sie stieg in die Wanne und stellte sich einfach vor, dass das Wasser noch heiss war.
Legolas war wütend im Laufschritt weitergegangen, bis er seine Gemächer erreicht hatte. In einer Bewegung, riss er sich den Umhang von den Schultern, warf ihn auf den Boden und schlug die Tür hinter sich mit einem ohrenbetäubenden Lärm zu. Was, bei allen Ungeheuern, die jemals Mittelerde heimgesucht haben, habe ich nur getan, daß Iluvatar solche grausamen Scherze mit mir treibt, fragte er sich und schlug mit der linken Faust gegen die mit Holz verkleidete Wand.
Sein Vater sucht ihm eine Braut, die er nicht liebt. Mit Blindheit geschlagen lässt er Valshiya gehen. Erst Alfiriel bringt es fertig, dass er erkennt, was er empfindet, wann immer er in Valshiyas Nähe war. Dann wird Valshiya entführt. Sein eifersüchtiger Bruder Finlass hegt Mordabsichten gegen ihn und nun taucht auch noch eine ehemalige Geliebte wieder auf, die ihm immer noch übel nimmt, dass er sie verlassen hat. Lieber würde er sich ganz alleine noch einmal Sauron und seinem ganzen Heer entgegenstellen. Wenigstens schenkte ihm Iluvatar in dieser Nacht einen tiefen, fast menschlichen und traumlosen Schlaf. ----------------------- [1] Merilwen = Rosenfrau [2] Aran Gondor = König von Gondor [3] Sinngemäße Übersetzung
Wenn der Wind im Walde rauscht,
Blatt mit Blatt die Rede tauscht,
möcht ich gern die Blätter fragen:
Tönt ihr Wonne? Tönt ihr Klagen?
Springt der Waldbach Tal entlang
mit melodischem Gesang
frag ich still in meinem Herzen
Singt er Wonne? Singt er Schmerzen?
[4] cynn nîn = Mein Prinz [5] AnÍron cen = Ich begehre dich [6] Gûr nîn ned i'arn bess = Mein Herz gehört einer anderen [7] Dinen = Still
Und das mit dem Disclaimer ist ja wohl klar, ich denke nicht, daß ich das jetzt bei jedem Kapitel wiederholen muß. Alle Figuren, die euch irgendwie bekannt vorkommen ©Tolkien. Außerdem will ich mit dieser Geschichte kein Geld verdienen... blablabla
Neuerungen: Ich habe mich bemüht, die Beziehung zwischen Legolas und Merilwen deutlicher zu machen, denn in einigen E-Mails und Reviews wurde vermutet, daß Legolas sich niemals in "so eine" verliebt hat. Vielleicht wird jetzt deutlicher, daß Merilwen nicht von Grund auf böse ist, sondern einfach nur fürchterlich enttäuscht wurde.
7. Ankunft in Minas Tirith
Der Anblick der weißen Stadt war immer wieder atemberaubend. Aus ihr heraus ragte wie ein mahnender Zeigefinger der weisse Wachturm Ecthelions. Besonders jetzt, wo alle Spuren des Ringkrieges nahezu beseitigt waren - Aragorn hatte bisher gute Arbeit geleistet - war diese Stadt der Menschen ein schöner Anblick. Wer hätte jemals gedacht, dass die Menschen einmal eine solche Kunstfertigkeit entwickeln würden. Legolas wünschte sich, dass er unter anderen Umständen hergekommen wäre, um seinen Freund Aragorn, den König von Gondor zu besuchen. Er hätte Aragorn sofort gebeten, ihn in seiner stolzen Stadt herumzuführen, ihm alles zu zeigen. Andererseits hatte er auch das dringende Bedürfnis, endlich Licht in das spurlose Verschwinden von Arwen und Valshiya zu bringen. Alfiriel war neben ihn geritten und zupfte ihn lachend am Ärmel.
"Du wirst nicht glauben, wer uns da entgegen kommt!", sagte sie und ein ungläubiges Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.
Da waren drei kleine Gestalten, die ihnen, in den Sätteln auf und ab hopsend, auf Ponys entgegenritten. Diejenige, die zuvorderst ritt, winkte aufgeregt, als sie näher kam. Legolas kniff die Augen zusammen, als könnte er seinen scharfen Elbenaugen nicht mehr trauen.
"Wie bei allen Sternen Vardas...", entfuhr es ihm ungläubig.
Er konnte einfach nicht glauben, wer ihm da freudig entgegengeritten kam. Andererseits, hatten diese kleinen Kerlchen ihn nicht immer wieder in Staunen versetzt? Wenn man glaubte, daß man die Hobbits kennt, überraschten sie einen auf's neue. Das waren auch Gandalfs Worte gewesen. Es waren tatsächlich Frodo, Merry und Pippin, die ihm da auf den kleinen Ponys entgegengeritten kamen. Alfiriel und Legolas gaben ihren Pferden die Sporen. Tarawyn, der seit dem Vorfall am Rande des Düsterwalds auf Abstand zu den beiden gegangen war, ritt ihnen langsam hinterher. Die erste Frage, die Legolas den dreien stellen musste lautete selbstverständlich:
"Alae mellyn! Wie habt ihr es nur geschafft, vor uns hier anzukommen?"
Frodo lächelte spitzbübisch, erwiderte den elbischen Gruss, da er inzwischen recht gut das Sindarin beherrschte, und antwortete ihm dann mit einer Gegenfrage:
"Kannst du dich noch an den Adler erinnern, der Gandalf einmal aus der Bedrängnis geholfen hat?"
Als Legolas nickte, da er sich selbstverständlich daran erinnerte, fuhr Frodo fort:
"Nun, Gandalf hat mir einmal erzählt, wie ich ihn rufe. Gwaihir hat sich an mich erinnert und das ich zu Gandalfs Freunden gehörte. Also half er diesmal mir. So konnten wir noch vor euch hier sein. Mir war klar, dass ich dich niemals darum hätte bitten können. Du hättest mir niemals gestattet, dich zu begleiten. Andererseits wollten wir Aragorn ohnehin besuchen, ganz unabhängig von den Umständen."
Legolas erwiderte:
"Sicherlich hätte ich euch unter diesen speziellen Umständen nicht gestattet uns zu begleiten. Zumindest ihr habt euch doch wirklich ein wenig Ruhe verdient."
Er bemühte sich, möglichst ernst dreinzuschauen, doch er konnte sein Lächeln einfach nicht zurückhalten. Diese Hobbits steckten wirklich immer voller Überraschungen. Während sie auf Minas Tirith zuritten erzählte Frodo, dass Sam es vorgezogen hatte, mit Rosie in Düsterwald zu bleiben. Rosie gefiel es so gut im unterirdischen Palast Thranduils und es war Sam lieber - für alle Fälle - seine zukünftige Frau in Sicherheit zu wissen. Aus der bildhaften Erzählung Merrys konnte Legolas heraushören, dass Sam trotzdem nur mehr oder weniger freiwillig zu dieser Entscheidung gelangt war. Liebend gerne wäre der treue Sam ebenfalls mitgenommen. Froh darüber, dass er ebenfalls einige Neuigkeiten zu erzählen hatte sagte Pippin:
"Du kannst dir nicht vorstellen, wer Aragorns Aufruf um Hilfe noch alles gefolgt ist, Legolas. Elladan und Elrohir, Elronds Zwillingssöhne, sind ebenfalls erst gestern angekommen. Sie haben eine Noldor-Elbe mitgebracht. Sie sagen, sie sei eine grosse Magierin und das du sie kennen würdest. Wenn du sie kennst... Legolas, ich habe noch nie so eine schöne Elbe gesehen, abgesehen von deiner Lady Valshiya natürlich."
Schmerzvoll verzog Legolas bei der Erwähnung von Valshiya das Gesicht.
"Pippin!", entfuhr es Frodo warnend.
" 'tschuldigung! Hab's nicht so gemeint!", nuschelte Pippin, da ihm plötzlich wieder einfiel, dass Valshiya zusammen mit Arwen verschwunden war.
Warum, fragte sich Frodo, musste sein Vetter nur immer von einem Fettnäpfchen ins andere treten?
"Es ist schon in Ordnung, Frodo. Doch sag mir, wie ist der Name dieser Elbenmagierin, die mit Elladan und Elrohir gekommen ist.", bat Legolas.
Eine schöne Elbenmagierin aus Bruchtal... das rief Erinnerungen in ihm wach, sowohl einige angenehme, als auch - und leider überwiegten diese - unangenehme. Es konnte doch unmöglich... Pippin zuckte die Schultern. Er konnte sich nicht mehr an den Namen erinnern.
"Ich weiss es.. ich glaube ich weiss es. Es war irgend etwas mit einer Blume. Ah ja... ihr Name ist Merilwen[1], wenn ich das richtig in Erinnerung habe.", sagte Merry vorlaut.
Merilwen! Ja natürlich, wer sonst hätte es sein sollen? Hatte sich denn die ganze Welt gegen ihn verschworen? Er erinnerte sich an einen grauen Herbsttag in Imladris.
Er hatte seine Sachen gepackt und wollte, nach einer kurzen Verabschiedung von Elrond und seiner Familie aufbrechen. An diesem Tag war er genau zehn Jahre lang in Bruchtal gewesen. Er hatte in der Bibliothek Elronds - die in ganz Mittelerde einzigartig war - die Geschichte Mittelerdes studiert. Er hatte nichts bestimmtes gesucht aber irgendwann hatte er das Bedürfnis gehabt, mehr über die glorreiche Vergangenheit zu erfahren. Er hatte wirklich nicht lange bleiben wollen, doch schliesslich waren zehn Jahre daraus geworden. Eine kurze Zeitspanne für einen Elben - für einen Menschen wäre es ungefähr mit einer Woche vergleichbar gewesen - aber trotzdem konnte in dieser Zeit viel passieren. Und, obwohl er es nicht beabsichtigt hatte, war etwas passiert. Zunächst hatte sie bei ihren Studien am selben Tisch gesessen wie er. Sie hatten sich neugierige Blicke zugeworfen, wie es junge Elben - genau wie junge Menschen - nun einmal tun. Um ein Gespräch mit ihr zu beginnen hatte er sie irgendwann einmal um ihre Hilfe gebeten, denn sie kannte sich in der Bibliothek Elronds recht gut aus. Sie war erfreut, dass er mit ihr sprach, erzählte ihm von ihrem Studium der Magie. Er war begeistert von ihrer Intelligenz... und von ihrer Schönheit. Sie trafen sich immer öfter, auch nachts. Und dann verbrachten sie bald auch die Nächte miteinander. Es war eine schöne Zeit. Legolas genoss mit ihr seine erste und - bis heute - seine einzige Liebe, wenn es denn das war, für das er es gehalten hatte. Denn bald darauf begann Merilwen, Fehler zu machen. Sie versuchte, den jungen Falken - denn so nannte sie ihn - zu zähmen, seine Flügel zu stutzen, so dass er nie wieder von ihr fort fliegen konnte.
Sie wollte ihm seine Freiheit nehmen, ihn an sich binden. Aus diesem Grund hatte er sich auch nicht von ihr verabschiedet. Heimlich, still und leise wollte er Bruchtal verlassen. Einerseits befürchtete er, dass sie ihn womöglich nicht gehen lassen würde aber noch mehr fürchtete er böse Worte, die vielleicht fallen würden. Aber er hatte seine Abreise vor ihr nicht verheimlichen können.
Sie kam zu ihm, als er gerade dabei war, sein Pferd zu satteln. In den Ställen wirkte sie in ihren edlen Kleidern aus weich fliessenden Stoffen völlig fehl am Platz, so wie sie auch als Gefährtin an seiner Seite völlig fehl am Platz gewirkt hätte.
"Als du vor zwei Nächten das letzte Mal bei mir gelegen hast, war mir klar, dass du gehen würdest.Du warst so... verändert.", flüsterte sie.
"Heimzukehren nach Düsterwald war von Beginn an immer meine Absicht gewesen und daß weisst du auch!", sagte er schnell.
Sie wollte ihre Hand auf die seine legen, doch er wich vor ihr zurück. Er sehnte sich nach seiner Heimat aber er wollte allein dorthin zurückkehren.
Merilwen schüttelte traurig den Kopf. Es schien fast, als hätte sie tatsächlich damit gerechnet, dass er sie bitten würde, ihn nach Düsterwald zu begleiten. Er hatte wirklich niemals mit dem Gedanken gespielt und nun, nachdem sie sich so verändert hatte... oder hatte sie am Ende doch nur ihr wahres Gesicht gezeigt?... dachte er erst recht nicht mehr daran.
"Es tut mir leid, wenn ich dir irgendwelche Hoffnungen gemacht habe. Vielleicht hätte ich von vornherein klarstellen sollen, dass ich nicht mit dem Wunsch hierhergekommen bin, eine Gemahlin zu finden. Vielleicht in tausend Jahren aber jetzt? Es ist noch nicht Zeit für mich.", erklärte er und versuchte seine Stimme ganz ruhig klingen zu lassen.
Merilwen gelang es irgendwie, ihre Tränen zurückzuhalten. Sie würde sich nicht von diesem jungen Elbenprinzen aus der Fassung bringen lassen. Nicht sie! Nicht die junge Elbenmagierin, der alle jungen Elben aus ganz Mittelerde zu Füssen lagen. Und doch: So gerne hätte sie ihn besessen! Für sich allein gehabt!
"Nein, ich verstehe schon! Wenn es für dich nichts weiter als ein Abenteuer war, dann ist es wohl so. Vielleicht liegt es doch an dem Altersunterschied, dass ich daran geglaubt habe, in dir einen würdigen Gefährten gefunden zu haben. So reif bist du allerdings noch nicht.", erwiderte sie.
Legolas kniff die Augen zusammen, weil er nicht ganz verstand, wie sie das meinte.
"Es gibt keinen Grund, beleidigend zu werden, Merilwen. Ich weiss sehr gut, was ich tue und ich bin auch in der Lage, mit den Konsequenzen zu leben.", meinte Legolas.
"Und Liebe? War es nicht auch Liebe, die dich in meine Arme trieb?", fragte Merilwen und sie hoffte immer noch, dass er bei ihr blieb.
Er beantwortete diese Frage nicht leichthin. Er wandte sich ihr zu und blickte ihr lange ins Gesicht. Er hörte in sich hinein. Fragte sich, ob sein Herz bei ihrem Anblick schneller schlug, ob er eine Gänsehaut bekam. Nein, nichts regte sich. Nicht einmal das Verlangen, dass er verspürt hatte, als er sie das erste Mal gesehen hatte kam wieder. Sie war keine Gefährtin für ein unsterbliches Leben.
"Nein. Es tut mir leid!", sagte er mit rauher Stimme.
Dann wandte er sich ab und stieg in den Sattel. Er verliess Bruchtal, ohne sich noch einmal umzublicken. Seitdem hatte er nie wieder einen Gedanken an sie verschwendet...
...bis zum heutigen Tag.
"Was ist mit dir Legolas? Du bist in letzter Zeit immer so abwesend. Ich habe das schon im Haus deines Vater bemerkt. Das ist so gar nicht deine Art.", stellte Frodo fest und riss ihn mit der Bemerkung aus seinen Gedanken.
Tatsächlich war es so, daß der Elbenprinz immer erst nachdachte, bevor er sprach und da er meist lange nachdachte, sagte er wirklich nie sehr viel. Manchmal kam es sogar vor, dass er verwundert fragte, ob er nicht längst Antwort gegeben hätte und man musste ihn dann darüber aufklären, dass er wohl wieder einmal nur gedacht hatte. Allerdings war er so schweigsam wirklich noch nie gewesen.
Nachdenklich erwiderte Legolas:
"Ich bin mir nur nicht sicher, ob ich Merilwen wirklich treffen will."
Sowohl freundlich als auch mit allen, ihm gebührenden offiziellen Ehren als Prinz von Düsterwald wurde Legolas von seinem Freund Aragorn begrüsst. Doch ein leichter Schatten lag auf seinem Gesicht, der dem Elbenprinzen verriet, daß der König von Gondor lange nicht geschlafen hatte. Ebenso wie er hatte er die letzten Nächte wachgelegen und sich Gedanken gemacht um das mysteriöse Verschwinden seiner Frau und Valshiyas gemacht.
"Mae govannen Legolas!" begrüsste Aragorn ihn und umarmte ihn freundschaftlich.
"Mae govannen Aran Gondor[2]!", erwiderte Legolas den Gruss.
Einen Moment sagten sie nichts. Legolas fragte sich, ob Aragon spürte, dass ihn nicht nur seine Freundschaft zu ihm und die daraus resultierende Pflicht ihm zu helfen, hergeführt hatte, sondern ebenfalls die Sorge um die beiden Frauen, um die eine der beiden ganz besonders.
"Es tut gut, dich zu sehen. Vielleicht ist es übertrieben, doch ich bin gleich ein wenig ruhiger."
Dann wandte er sich Alfiriel und Tarawyn zu. Auch diese begrüsste er herzlich, ahnte er doch nichts von dem Beinahe-Verrat Tarawyns.
"Legolas, warum hast du mir nie erzählt, was für einen Edelstein du zur Schwester hast. Solche Kostbarkeiten sind selten und wertvoll. Das kann ich dir sagen, da ich selbst im Besitz eines solchen Edelsteines bin. Es ist sehr leichtsinnig mit ihr zu reiten, denn Diebe, die ihrer einmal angesichtig geworden sind, können an nichts anderes mehr denken, als sie zu stehlen.", schmeichelte Aragorn.
Alfiriel lächelte und erwiderte:
"Wenn ihr glaubt, dass ich jetzt erröte, König, dann irrt ihr euch. Ich pflege auch schon lange genug Kontakt mit den Menschen, dass ich solche Floskeln, selbst wenn sie ernst gemeint sind, schnell durchschaue. Doch freue ich mich natürlich über euren freundlichen Empfang."
"Und klug ist sie auch noch. Warum hat Thranduil sie nur gehen lassen? Die Verehrer müssen bei ihr Schlange stehen.", meinte Aragorn.
Legolas seufzte und dachte: Freiwillig liess er uns beide gewiss nicht gehen.
"Ich wundere mich, dass du unter diesem Schmutz überhaupt erkennen kannst, dass es tatsächlich meine Schwester ist. In der Dunkelheit würde ich sie, trotz meiner guten Augen, für einen jungen Ork halten.", stichelte Legolas.
Alfiriel, die einen solchen Seitenhieb schon erwartet hatte, hatte sich eine passende Antwort zurechtgelegt.
"Lieber Bruder, wie einfältig bist du denn, dass du glaubst besser auszusehen? Bin ich der Ork, was bist dann du? Mir fällt kein Vergleich ein, da ein solches Wesen noch nie auf Mittelerde gewandelt ist."
Dann fiel Aragorns Blick auf Tarawyn, der schweigend hinter Legolas und Alfiriel stand. Aus dem verschlossenen Gesichtsausdruck des Elbenkriegers wurde er nicht klug und da Alfiriel und Legolas keine Anstalten machten, ihn vorzustellen, nickte er ihm nur höflich zu. Dann fuhr er, an alle gerichtet, fort:
"Aber ihr habt eine lange Reise hinter euch und du, Legolas, siehst aus, als ob du ebenso wie ich, einige Nächte lang nicht geruht hast. Ihr solltet euch alle ein wenig zur Ruhe begeben. Für morgen früh habe ich einen Rat aller Anwesenden einberufen. Bis dahin wird wohl auch Gimli angekommen sein."
Legolas lächelte, als er an seinen Zwergenfreund dachte.
"Gimli kommt auch?", fragte er.
Aragorn bestätigte:
"Ja, ich habe ihm durch eine meiner Tauben eine Nachricht zukommen lassen. Es ist gut, fähige Freunde um sich zu haben. Nicht, dass meine Männer hier unfähig wären, doch bis auf meine beiden Hauptmänner Aegnor und Gawen sind sie mir noch sehr fremd. Als ich noch ein Waldläufer war, war ich es gewohnt, alleine zu sein."
Legolas horchte auf. Es betonte das Wort "alleine" mit einer gewissen Traurigkeit in seiner Stimme.
Dann legte Aragorn einen Arm um Legolas' Schulter und begleitete ihn persönlich zu den für ihn vorgesehen Gemächern, während Diener Alfiriel und Tarawyn ihre Gemächer zeigte.
Alfiriel öffnete die bis auf den Boden reichenden, bunt verglasten Balkonfenster ihres Zimmers weit und liess die frische, abendkühle Luft herein. Während der Reise hierher war der Himmel jeden Tag bedeckt gewesen. Es hatte sogar stark geregnet, für den Herbstanfang fast zu stark, so dass der Boden völlig aufgeweicht war und selbst die trittsicheren Pferde der Elben Probleme gehabt hatten. Jetzt war der Himmel wieder klar. Schwalben spielten in der angenehmen Herbstluft Fangen und die untergehende Sonne setzte den Horizont in Flammen.
"Edle Dame, euer Bad ist jetzt gerichtet.", hörte sie eine weibliche Stimme hinter sich sagen.
Alfiriel drehte sich um. Eine junge Dienerin hatte für Alfiriel eine Wanne mit heissem, nach Rosen duftenden Wasser gefüllt. Aufgeregt spielte das rothaarige Mädchen an seinen Fingern und wartete auf weitere Anweisungen.
"Warum bist du so nervös, Mädchen? Wie ist dein Name", wollte Alfiriel wissen.
"Esme heiße ich, edle Dame.", antwortete das Mädchen, "Und aufgeregt bin ich, weil ich euch etwas über euren Bruder, den Prinzen Legolas fragen wollte.... selbstverständlich nur, wenn ihr es mir gestattet."
Oh, nicht schon wieder, dachte Alfiriel und bemühte sich, nicht die Augen zu verdrehen. Legolas musste blind sein, wenn er niemals bemerkt hatte, welche Anziehungskraft er auf das weibliche Geschlecht hatte, ob es nun menschliche Mädchen oder Elbenfrauen waren. Doch sie würde sich der Fragen dieses jungen Mädchens stellen. Sie nickte ihr aufmunternd zu.
"Ist euer Bruder einer anderen versprochen?", wollte Esme wissen.
Das schlag dir aus dem Kopf, dachte Alfiriel, für ein junges Mädchen wie dich ist er ohnehin zu kompliziert, selbst wenn er je über eine Beziehung zu einem menschlichen Mädchen nachgedacht hätte.
"Sein Vater hat ihn einer Frau versprochen, die er nicht liebt und er liebt eine Frau, die es nicht weiss.", antwortete sie.
Esme schaute Alfiriel verwirrt an und ihr fiel nichts mehr ein, was sie noch fragen konnte. Als Alfiriel bemerkte, dass sie das Mädchen mit ihrer Antwort völlig durcheinander gebracht hatte, fuhr sie fort:
"Verschwende deine Gedanken nicht an ihn. Schau in den Spiegel! Du bist ein so hübsches Mädchen, du wirst schnell jemanden finden, der um vieles besser zu dir passt. Bedenke, dass dir nicht so viel Zeit bleibt wie denjenigen aus unserem Geschlecht."
Esme nickte aufgeregt, machte einen Hofknicks und verließ das Zimmer. Alfiriel warf einen sehnsüchtigen Blick auf die Wanne mit dem dampfenden Wasser und zog schnell ihre Kleidung aus. Nur noch wenige Schritte trennten sie von diesem entspannenden Bad. Fast war sie schon in der Wanne, als sie plötzlich jemanden ein altes Lied der Elben aus dem Düsterwald singen. Überrascht erkannte sie Legolas Stimme und sein Lied berührte ihr Herz.
Pan i eryn pêd ne gwaew,
lhass na lhass athrannad i glam,
melon in lhess aníron:
Pedich gell? Pedich nui?
Cabed i celf-eryn dadbenn
na lhend aerlinn
aníron dinen ne ind nîn
Linna o gell? Linna o naig?[3]
Sie warf sich den seidenen Mantel über die Schultern und trat auf ihren Balkon hinaus. Über ihrem Balkon befand sich, nach hinten versetzt ein Terrassengarten, den Arwen hatte anlegen lassen, als sie nach Minas Tirith gezogen war. Wahrscheinlich hatte Legolas diesen Terrassengarten mit Aragorns Erlaubnis aufgesucht, um alleine zu sein. Alfiriel war überrascht, diese neue Seite an ihrem Bruder kennenzulernen. Dabei hatte sie immer geglaubt, ihn so gut zu kennen. Alfiriel trat wieder zurück in ihr Zimmer und wollte die Fenster schließen. Es war nicht richtig, ihren Bruder zu belauschen. Doch da hörte sie plötzlich eine andere Stimme. Eine Stimme, die einer Frau gehörte.
"Alae Legolas, cynn nîn[4], du singst von Schmerzen. Ich habe dir nie zugetraut, solche Gefühle zu empfinden. Obwohl du eigentlich recht gut darin bist, anderen Schmerzen zuzufügen."
Alfiriel nickte und dachte bei sich, dass man dies über ihren Bruder schnell denken konnte, kannte man ihn nicht nah genug. Sie hörte das Rascheln von langen Röcken, von wertvollem Stoff.
"Alae Merilwen, was treibt dich zu so harter Rede an? Wir haben uns so lange nicht gesehen. Ist es immer noch die Wut, der Ärger über mich und mein Verhalten?"
Er seufzte tief und an dem Klang seiner Stimme konnte Alfiriel hören, dass er dieses Gespräch am liebsten gar nicht führen wollte. Die Frau war die Elbenmagierin Merilwen, von der Merry gesprochen hatte.
"Wie könnte ich das jemals vergessen! Damals wollte ich es nicht zugeben aber du hast mir das Herz gebrochen. Aber dennoch: etwas anderes ist ebenso unverändert: AnÍron cen[5]", flüsterte die Frau, doch Alfiriel konnte es immer noch verstehen.
Wieder vernahm sie das Rascheln des Kleides, das Merilwen trug. Sie hörte auch Legolas hastige Schritte. Anscheinend wich er vor Merilwen zurück. Sie begehrte ihn? Alfiriel konnte sich nicht erinnern, dass Legolas ihr von einer Liebschaft in Lothlorien erzählt hatte. Wann könnte das gewesen sein? Es muß vor ihrer Geburt gewesen sein oder sehr kurz danach.
" Gûr nîn ned i'arn bess[6], Merilwen. Du solltest endlich darüber hinweg kommen. Es sind fast 700 Jahre vergangen und genau genommen habe ich dich niemals glauben lassen, dass ich dich zur Frau nehmen werde.", sagte er entschieden.
"Ai, Legolas!", rief Merilwen überrascht aus, "Es ist kaum zu glauben. Der kühle Prinz aus dem düsteren Wald hat nun doch ein Mädchen gefunden, dass er sein eigen nennt. Wer ist die Arme? Ich will ihr mein Mitleid aussprechen. Ich gehe davon aus, dass du auch ihr nicht das Gefühl gegeben hast, sie zu deiner Gemahlin zu machen. Das ist die beste Ausrede für einen Mann, wenn er die Frau, die einige Zeit sein Bett geteilt hat, wieder loswerden will."
Merilwens Stimme troff vor Hohn.
"Ich würde ja sagen, dass dich die Enttäuschung so verbittert hat werden lassen, Merilwen. Aber du warst schon immer so spitzzüngig und du hast schon immer mehr gewollt als man dir zu geben bereit war und dies ist auch der Grund, warum ich dich verlassen habe. Deinen Namen trägst du zurecht, doch deine Dornen sind größer als deine Blüte. Ich habe mich einmal daran gestochen und dazu gelernt. Wie einen Raubvogel, den man zur Zierde in einem Käfig hält, wolltest du mir die Flügel stutzen und mich zähmen. Deshalb hast Du mich "Falke" genannt. Aber einem solchen Tier lässt man seine Freiheit, bis es von allein zurückkehrt. Valshiya wirst du nie das Wasser reichen können, selbst deine Magie wird dir nicht dabei helfen.", sagte Legolas und seine Stimme hatte wieder einmal diesen gefährlichen Unterton, den sie immer bekam, wenn er sehr wütend war.
"Valshiya? Ein hübscher Name. Ich hoffe doch, das arme Mädchen ist hübsch genug, um dein Interesse länger an sich zu binden.", stichelte Merilwen weiter.
Die Magierin kannte Legolas offensichtlich nicht so gut, dass sie wusste, wann es besser war, nichts mehr zu sagen. Alfiriel wusste, dass er nun lauter werden würde.
"Dinen[7], Merilwen! Du hast nicht einmal das Recht, ihren Namen in den Mund zu nehmen..."
Merilwen machte auch noch den Fehler ihn zu unterbrechen.
"Du scheinst ja tatsächlich für dieses Mädchen entflammt zu sein. Doch warte! Ist es nicht die Valshiya... die Grosscousine Arwens, die mit ihr verschwunden ist? Ich werde erfreut sein, sie kennenzulernen.... oh, wie konnte ich vergessen... natürlich immer vorausgesetzt es gelingt dir, sie wiederzufinden."
Etwas fiel klirrend zu Boden und Legolas schrie:
"Sie ist es tatsächlich und - bei Varda und allen ihren Sternen - selbst wenn wir alle Hilfe gebrauchen können, Arwen und Valshiya zu finden, würde ich mir wünschen, dass du an der Suche nicht beteiligt bist."
Wieder klirrte es, diesmal leiser und dann hörte Alfiriel, wie Legolas sich entschlossenen Schrittes von der Terrasse entfernte. Eine leise schluchzende Merilwen blieb zurück. Alfiriel zuckte mit den Schultern. Sie hatte kein Mitleid mit der Elbenmagierin. Sie wäre niemals die richtige für Legolas gewesen. Eine Beziehung zwischen ihnen hätte einem niemals endenden Kampf geglichen. Sie wollte Legolas mit aller Macht überlegen sein. Dies alles hatte sie aus diesem einen kurzen Gespräch herausgehört. Nun trat Alfiriel tatsächlich zurück in ihr Zimmer und verschloss die Fenster. Sie warf einen traurigen Blick auf die Wanne. Ein entspannendes Bad würde es nun nicht mehr sein, denn inzwischen war das Wasser höchstens noch lauwarm zu nennen. Alfiriel seufzte. Nun, dachte sie, dann werde ich eben das beste daraus machen. Sie stieg in die Wanne und stellte sich einfach vor, dass das Wasser noch heiss war.
Legolas war wütend im Laufschritt weitergegangen, bis er seine Gemächer erreicht hatte. In einer Bewegung, riss er sich den Umhang von den Schultern, warf ihn auf den Boden und schlug die Tür hinter sich mit einem ohrenbetäubenden Lärm zu. Was, bei allen Ungeheuern, die jemals Mittelerde heimgesucht haben, habe ich nur getan, daß Iluvatar solche grausamen Scherze mit mir treibt, fragte er sich und schlug mit der linken Faust gegen die mit Holz verkleidete Wand.
Sein Vater sucht ihm eine Braut, die er nicht liebt. Mit Blindheit geschlagen lässt er Valshiya gehen. Erst Alfiriel bringt es fertig, dass er erkennt, was er empfindet, wann immer er in Valshiyas Nähe war. Dann wird Valshiya entführt. Sein eifersüchtiger Bruder Finlass hegt Mordabsichten gegen ihn und nun taucht auch noch eine ehemalige Geliebte wieder auf, die ihm immer noch übel nimmt, dass er sie verlassen hat. Lieber würde er sich ganz alleine noch einmal Sauron und seinem ganzen Heer entgegenstellen. Wenigstens schenkte ihm Iluvatar in dieser Nacht einen tiefen, fast menschlichen und traumlosen Schlaf. ----------------------- [1] Merilwen = Rosenfrau [2] Aran Gondor = König von Gondor [3] Sinngemäße Übersetzung
Wenn der Wind im Walde rauscht,
Blatt mit Blatt die Rede tauscht,
möcht ich gern die Blätter fragen:
Tönt ihr Wonne? Tönt ihr Klagen?
Springt der Waldbach Tal entlang
mit melodischem Gesang
frag ich still in meinem Herzen
Singt er Wonne? Singt er Schmerzen?
[4] cynn nîn = Mein Prinz [5] AnÍron cen = Ich begehre dich [6] Gûr nîn ned i'arn bess = Mein Herz gehört einer anderen [7] Dinen = Still
