Dieses Kapitel ist allen gewidmet, die - außer Sleepy Tiger und Jarivial - noch für mich greviewt haben. Es ist schön, wenn man für eine Geschichte, die man selbst für vollkommen daneben hält, noch so netten Zuspruch bekommt. Vielen Dank euch allen! *Autor euch alle herzt und drückt*

Im übrigen: Sorry, daß es so lange gedauert hat, aber ich war krank und unter Medikamenteneinfluß sollte man nicht schreiben!

8. Keine Zeit verschwenden

Gimli hatte es sich doch letzten Endes tatsächlich angewöhnt zu reiten. Legolas hätte es nie im Leben für möglich gehalten, dass er das kleine weisse Pony Nifredil[1] tatsächlich zu mehr als Lasttier gebrauchen würde. Legolas hatte ihm Nifredil geschenkt, weil Gimli Gloinsson sich immer lautstark - wie es nunmal seine zwergische Art war - darüber beschwert hatte, dass die Pferde der Elben ihm einfach zu gross waren und er deshalb einfach zu weit vom Boden entfernt war, was ihn durchaus beunruhigte, wenn es schon nichts anderes auf der Welt gab, was ihn jemals aus der Ruhe bringen konnte.

"Alae, noegyth mellon[2]! Es ist schön, dich zu sehen!", begrüsste Legolas den Zwerg und zupfte ihn mit der linken Hand an seinem roten, buschigen Bart.

Gimli bemerkte nicht, dass Legolas sich bemühte, seine rechte Hand zu verbergen, denn er war gleich viel zu sehr damit beschäftigt, sich über das Bartzupfen aufzuregen.

"Hast Du denn wirklich nichts dazu gelernt? NICHT AM BART, DU LANGES ELEND!", maulte Gimli, doch dann dann umarmte er Legolas, der sich niedergekniet hatte und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schultern.

Dabei liess er sein typisch zwergenhaftes, donnerndes Lachen erklingen.

"Wo ist denn mein Begrüssungskommittee?", fragte Gimli schliesslich.

"Leider bin nur ich dein Begrüssungskommittee. Aragorn lässt sich entschuldigen, doch sie konnten nicht länger warten. Die Beratungen haben schon angefangen. Aegnor, Aragorns Hauptmann, sagte mir, dass du dich Minas Tirith näherst und unser gemeinsamer Freund der König schickte mich, um dich zu begrüssen. Es tut ihm leid, dass du keine Zeit hast, dich auszuruhen, doch ich soll dich bitten, mir gleich in den Thronsaal zu folgen.", erklärte Legolas.

"Hmmmhmm," grummelte Gimli, "auch Aragorn hat nichts dazugelernt. Als ob ein Zwerg sich ausruhen müsste. Seit ich euch kenne, habe ich das Gefühl, mich ständig wiederholen zu müssen. Lass uns gehen!"

Gemeinsam betraten sie Aragorns grosse Ratshalle in der Burg von Minas Tirith, wo sich schon alle Edlen des Reiches, unter anderem auch Elladan und Elrohir, die edlen Söhne Elronds, Faramir, der jüngere Sohn des letzten Truchsesses von Gondor und Bruder Boromirs, und seine Gemahlin Eowyn, die Tochter des Königs von Rohan, Aegnor und Gawen, Aragorns Hauptmänner, Merilwen und Alfiriel, die Elbenmagierinnen, Tarawyn, die drei Hobbits Frodo, Merry und Pippin und Lord Leodal, der Herzog von Arnor, versammelt hatten. Die Gespräche, die gerade im Gang gewesen waren, verstummten plötzlich und der König von Gondor nahm sich die Zeit, den neu eingetroffenen Gast kurz zu begrüssen.

"Willkommen Gimli Gloinsson, es freut mich, euch in meinen Hallen begrüssen zu dürfen. Jetzt, wo alle meine treuen Freunde versammelt sind, keimt in meinem Herzen neue Hoffnung, dass wir das Verschwinden meiner Königin und ihrer Verwandten aus dem Düsterwald schnell aufklären können."

An der Stelle, an der von Valshiya, der Verwandten aus dem Düsterwald, sprach, nickte er Legolas unauffällig aufmunternd zu. Legolas schnappte nach Luft und wich seinem Blick aus. Er wollte nicht, dass jeder von seinen Gefühlen zu Valshiya erfuhr.

*****

Die Hälfte der Beratungen bekam Legolas gar nicht mit, denn er war schon wieder in seine finsteren Gedanken versunken. Es war immer noch dieser eigenartige Alptraum, der ihn beschäftigte. Er wurde einfach dieses bedrückende Gefühl nicht los, dass dieser fürchterliche Traum, der ihn sogar tagsüber noch verfolgte, eine tiefere Bedeutung hatte. Letzten Endes fühlte er als Elb so etwas, doch er hatte leider nicht die Fähigkeit, Träume zu deuten. Diese Gabe hatten nur Elbenmagier. Seine Schwester wollte er nicht um Rat bitten. Sie machte sich ohnehin schon zu viele Gedanken um ihn. Also blieb nur noch Merilwen. Er blickte die ältere Elbenmagierin über die grosse Tafel hinweg an. Anscheinend spürte sie, dass sie beobachtet wurde, denn sie fing seinen Blick auf, erwiderte ihn ihrerseits mit einem abschätzenden, hochmütigen Blick aus ihren bernsteinfarbenen Augen. Sie war unbestreitbar schön mit ihrem kupferfarbenen Haar und diesen ungewöhnlichen Augen, doch es war eine kühle Schönheit, eine fast tödliche Schönheit. Er erinnerte sich an das, was einmal zwischen ihnen war und war in diesem Moment sehr froh, es beendet zu haben, bevor er nicht mehr in der Lage dazu gewesen wäre.

Es!

Was immer es auch war!

Liebe war es gewiss nicht gewesen! Nervös begann Legolas mit den Fingern der linken Hand auf die Tischplatte zu hämmern. Eher würde er sich die Zunge abbeissen als dass er Merilwen um einen Gefallen bat.

"...ist das auch deine Meinung, Legolas?", fragte Aragorn plötzlich und riss Legolas aus seinen Gedanken.

Legolas riss seinen Blick von Merilwen los und schaute vollkommen perplex in die erwartungsvollen Gesichter der anderen, die eine Antwort von ihm hören wollten. Da er absolut keine Ahnung hatte, was Aragorn ihn gefragt hatte, entstand eine äusserst peinliche Pause. Spätestens jetzt hatte jeder gemerkt, dass der ansonsten immer aufmerksame Elb, dem sonst nie etwas entging, nicht ganz bei der Sache war. Legolas schalt sich selbst, dass dies nicht so weitergehen konnte, sonst stellte er auf der Suche nach Arwen und Valshiya eher eine Gefahr für die anderen dar, als das er eine Hilfe war. Alfiriel räusperte sich und meinte:

"Auch wenn es auf den ersten Moment für euch naheliegend erscheinen mag, dass das Verschwinden von Wachpatrouillien mit dem Verschwinden von Königin Arwen Undomiel und Valshiya o Amarayl Morndoron[3] zusammenhängen mag, würde ich doch vorschlagen nichts zu überstürzen und zunächst einmal den Ort ausfindig zu machen, an dem die Königin und ihre Verwandte entführt wurden."

Aragorn stützte seinen Kopf mit beiden Händen ab und rieb sich angestrengt die Schläfen.

An Alfiriel gewandt sagte er:

"Es hat in den letzten Tagen sehr stark geregnet. Selbst wenn es Spuren gegeben haben mag, wird man sie jetzt bestimmt nicht mehr finden können."

Unerwartet meldete sich Tarawyn zu Wort, der, seit sie in Minas Tirith angekommen waren, kaum in Erscheinung getreten war.

"Davon wäre ich nicht überzeugt, König, denn ihr habt hier vier fähige Fährtensucher und zwei Elbenmagierinnen zu eurer Hilfe. Sicher werden wir in der Lage sein Spuren zu finden."

Überrascht schaute Alfiriel zu Tarawyn, der aufgestanden war, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen, hinüber. Sollte er tatsächlich aus seinen Fehlern gelernt haben? Nun, mit Sicherheit lag ihm ebensoviel wie Legolas daran, seine Schwester wiederzufinden. Alfiriel drang mit einem kräftigen, geistigen Schub in seine Gedanken vor und fand dort tatsächlich nur die ehrliche Absicht, Aragorn zu helfen. Selbstverständlich merkte er, dass Alfiriel ihn mit ihrer Magie prüfte, wich allerdings nicht vor ihr zurück, sondern blieb fest. Als er auch noch die Dreistigkeit besass, in dem Bewußtsein soeben auf seine Ehrlichkeit geprüft worden zu sein, ihr verschmitzt zuzuwinkern, schnappte sie empört nach Luft und wandte sich von ihm ab. Jetzt, wo Alfiriel den Faden wieder aufgenommen hatte, den Legolas kurzfristig verloren hatte, konnte er auch etwas sagen.

"Aragorn, ich muss mich der Meinung meiner Schwester und Tarawyn o Amarayl Morndorons anschliessen. In meinen Augen vergeuden wir schon zu viel Zeit damit, indem wir hier herumsitzen und darüber reden, was wir tun sollen."

Leodal, ein Berater Aragorns, der sich als sehr misstrauisch den Elben gegenüber herausgestellt hatte, fuhr dazwischen:

"Es besteht immer noch die Möglichkeit, das Herr Elrond aus Bruchtal es sich letzten Endes doch anders überlegt hat und nun der Meinung ist, dass der König von Gondor doch nicht gut genug für seine Tochter ist..."

Legolas konnte nicht glauben, worauf Leodal hinaus wollte. Er wollte doch wohl nicht sagen, dass Elrond die beiden Frauen entführt hatte...

Bevor er weiterreden konnte und mit seinen Äusserungen womöglich einen Streit vom Zaun gebrochen hätte, unterbrach er ihn deshalb:

"Darum hat er auch seine beiden Söhne geschickt, um Aragorn bei seiner Suche zu unterstützen. Mann! Denkt doch nach bevor ihr redet! Es kann nicht sein, dass ihr diese Situation ausnutzt um dumme Gerüchte in die Welt zu setzen. Vor allen Dingen, wenn ihr die Personen, über die ihr sprecht, nicht einmal kennt."

Um seine Worte zu unterstreichen schlug Legolas mit der rechten Hand auf den Tisch und zuckte unmerklich vor Schmerz zusammen. Er hatte die Schnitte vergessen, die er sich selbst zugefügt hatte, als er am Abend zuvor das kristallene Weinglas vor Wut in seiner Hand zerbrochen hatte. Er errötete leicht, als er Alfiriels bestürzten Blick bemerkte, der auf seine bandagierte Hand fiel. Er hatte sich solche Mühe gegeben, es vor ihr zu verbergen. Es würde nur wieder unangenehme Fragen ihrerseits nach sich ziehen. Er konnte ja nicht wissen, daß Alfiriel sein Gespräch mit Merilwen am Abend zuvor belauscht hatte. Elladan und Elrohir standen wie ein Mann auf, deuteten vor Aragorn eine leichte Verbeugung an und sagten ihm nacheinander ihre uneingeschränkte Unterstützung zu. Etwas anderes hatte Aragorn auch von den Zwillingssöhnen Elronds nicht erwartet. Elrond wäre selbst hergekommen, doch seine Söhne hatten ihm davon abgeraten, da er in Bruchtal gebraucht wurde um die Dinge nach dem Ringkrieg zu ordnen. Sie waren an seiner Statt gekommen.

"Und selbstverständlich werden auch wir dir gerne bei der Suche nach Arwen helfen. Zwar sind die Elben gute Fährtensucher, doch wir Hobbits sind aufgrund unserer Körpergrösse näher mit der Nase am Boden und möglicherweise sehen wir etwas, was den edlen Elben vielleicht entgeht.", platzte Pippin vorlaut in das Gespräch, die offizielle Anrede für den König von Gondor vergessend.

Trotz dieses Fehltritts brachte die Bemerkung des Hobbits über Elben doch alle Anwesenden zum Schmunzeln.

"Mir wäre es lieber, ihr würdet hierbleiben und Faramir dabei helfen auf meine Burg aufzupassen, liebe Hobbits.", meinte Aragorn.

Faramir schaute überrascht auf und traf auf den Blick seines Königs. Er hatte geglaubt, Aragorn würde darauf bestehen, dass er ihn begleitete.

Pippin setzte sich schmollend zurück auf seinen Stuhl und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust. Frodo schubste ihn an und schüttelte den Kopf.

"Selbstverständlich, Herr König, werden wir hierbleiben. Wir sind schliesslich noch müde von unserem letzten Abenteuer.", sagte Frodo versöhnlich.

Der König von Gondor stand auf und schaute in die Runde der Anwesenden. Jedem blickte er eine Sekunde lang fest in die Augen, nach Anzeichen suchend, dass man tatsächlich hinter ihm und seinen Plänen stand. Legolas war stolz auf seinen menschlichen Freund. Es war beruhigend zu sehen, wie schnell der ehemalige Waldläufer in die Rolle eines willensstarken Königs hineingewachsen war. Andererseits war es doch nicht weiter überraschend, denn willensstark war Aragorn schon immer gewesen.

"Dann", sagte Aragorn, "sollten wir tatsächlich keine Zeit mehr verlieren. Aegnor und Gawen, die Damen Merilwen und Alfiriel, Elladan, Elrohir, Legolas und Tarawyn sollen sich gleich auf den Weg machen."

Dann wandte er sich Faramir zu und nahm den schmalen goldenen Reif von seinem Haupt, den er statt der schweren Krone Gondors zu tragen bevorzugte und setzte ihn Faramir auf. Dieser, der zunächst enttäuscht schien, weil Aragorn ihm zu verstehen gegeben hatte, dass er ihn nicht begleiten sollte, schaute seinen König mit grossen Augen an. Alle Anwesenden, besonders Leodal, schnappten überrascht nach Luft.

"Faramir, deine Familie hat Gondor immer gut gedient und ich bin mir sicher, dass mein Reich bei dir in guten Händen ist. Deshalb übertrage ich dir für die Zeit meines Fortbleibens die Regentschaft über Gondor. Du wirst dieses Amt gut ausfüllen, denn das hat deine Familie immer schon getan."

Leodal sprang so hastig auf, daß der Stuhl, auf dem er sass, gefährlich ins Wanken geriet, und rief:

"Ihr könnt das Königreich Gondor nicht verlassen, so kurz nachdem ihr den Thron bestiegen habt. Ihr solltet die Königin durch eure Auserwählten suchen lassen. Im übrigen wäre es an mir, die Regentschaft während eures Fortbleibens zu übernehmen, bin ich nicht der Herzog von Arnor?"

Anscheinend legte der Herzog es auf eine Konfrontation mit dem neuen König an. Auf Aragorns Stirn zeigten sich steile Zornesfalten und langsam wandte er seinen Kopf dem Herzog zu.

"Wieso kann ich das nicht? Bin ich nicht der König von Gondor?", wollte Aragorn von ihm wissen. Seine Stimme klang gefährlich leise.

Aragorn hatte absichtlich eine Formulierung gewählt, mit der ihn vor einigen Jahren, kurz vor der Schlacht von Helm's Klamm, König Theoden von Rohan selbst in die Schranken gewiesen hatte. Er war überrascht, wie gut es wirkte.

Leodal zögerte mit seiner Antwort. Sekundenlang blickten sich die beiden Männer in die Augen, bis Leodal eingeschüchtert seinen Blick abwandte und erwiderte:

"Natürlich, Sire!"

Es schien fast so, als wolle Leodal Aragorn absichtlich herausfordern. Legolas fragte sich, ob sein Freund den richtigen Mann als Herzog von Arnor eingesetzt hatte. Aragorn hatte es sich nicht anmerken lassen, doch Legolas spürte, dass doch eine gewisse Anspannung von ihm abfiel.

"Nun gut, dann ist ja alles geklärt. Wir sollten nun tatsächlich keine Zeit mehr verlieren und uns auf den Aufbruch vorbereiten.", sagte Aragorn und entliess damit alle.

Tarawyn, welcher der zweiflügeligen Tür zur grossen Ratshalle am nächsten gesessen hatte, stand auf und verliess den Saal als erster, nachdem er sich vor dem König verbeugt hatte. Alfiriel warf ihrem Bruder einen verwirrten Blick zum Sprechen an, doch sie brachte nur ein unverständliches Gestammel heraus:

"Ich..., Lai! Später!"

Dann stand sie ebenfalls auf, raffte ihre Röcke und lief Valshiyas Bruder eilig hinterher. Legolas schmunzelte. Sollte es womöglich sein, dass Tarawyn wirklich etwas vollbracht hatte, was vorher noch kaum jemand geschafft hatte, nämlich seine liebe Schwester zu verwirren? Schliesslich wollte Legolas sich ebenfalls erheben, doch Aragorn bedeutete ihm mit einer Geste, sitzenzubleiben. Der König und der Elbenprinz warteten, bis die Halle sich bis auf sie beide geleert hatte, dann trat Aragorn an Legolas Seite nahm ihn beim Arm und führte ihn zu einem der grossen, buntverglasten Kreuzbogenfenster ganz am Ende des Saales. Er meinte:

"Ist es dir aufgefallen?"

"Was?", wollte Legolas wissen.

"Wir sind wieder neun! Als wir das letzte Mal neun Gefährten waren, mussten wir viele haarsträubende Abenteuer bestehen.", erklärte Aragorn.

"Das Wort Abenteuer klingt so romantisch.", erwiderte Legolas. "Was wir damals im Ringkrieg erlebten will mir - selbst jetzt, darauf zurückblickend - so gar nicht romantisch erscheinen."

"Du hast recht", gab Aragorn zu, "romantisch war dies alles gewiss nicht."

Glücklicherweise ist jedoch gut ausgegangen. Aber auch jetzt ist es nicht leichter. Ich wünschte, Arwen und ich hätten einfach nach Imladris ziehen können. Doch Elronds Wunsche entsprechend habe ich die Krone angenommen. Ich wünschte, Gandalf wäre hier. Vieles, was für ihn offensichtlich gewesen wäre, sehe ich gar nicht. Ich verstehe nicht, was Leodal damit bezweckt, mich ständig herauszufordern."

Legolas legte seinem Freund eine Hand auf die Schulter und meinte:

"Das ist nichts, was dir Kopfzerbrechen bereiten sollte. Wie du schon sagtest: Du bist der König von Gondor. Die Krone mag dir anfangs schwer vorkommen, doch mit all den Freunden die du um dich hast, sollte dir das Regieren nicht schwer fallen. Aegnor und Gawen scheinen fähige Leute zu sein. Und auch Gandalf ist nicht wirklich fort, glaube mir."

Aragorn nickte. Legolas hatte recht. Er sollte sich keine Gedanken um so etwas machen. Er war noch nicht lange König aber es würde nicht lange dauern, bis er in diese Rolle vollkommen hineingewachsen war. Er hatte schliesslich mit Aegnor und dem jungen Gawen zwei gute Berater an seiner Seite, die er unter den Dunedain selber erwählt hatte. Und er hatte Arwen. Arwen... wenn sie nur endlich wieder bei ihm wäre. Da fiel ihm ein, weswegen er eigentlich mit Legolas sprechen wollte.

"Lass uns aber über dich sprechen, Legolas. Seit du hier bist, habe ich das Gefühl, ich würde in einen Spiegel schauen, zumindest in einen solchen, der Gefühle wiederspiegelt. Leid spricht aus deinem Gesicht. Etwas bedrückt dich und wenn es dir recht ist, würde ich gerne wissen, was es ist.", sagte er leise.

Legolas seufzte. War es so tatsächlich offensichtlich? Es hatte ihn nicht gewundert, das seine, im wahrsten Sinne des Wortes, zauberhafte Schwester ihn so schnell durchschaut hatte, doch wenn nun auch schon Aragorn bemerkte, dass mit ihm etwas nicht stimmt... Andererseits... er machte schliesslich im Moment das selbe durch wie er. Diese Ungewissheit... das Gefühl, das einem etwas genommen wurde, das man gerade erst gefunden hatte.

Da es keinen Zweck hatte, sich herauszureden oder einen Grund zu erfinden, erzählte er schliesslich:

"Es ist wegen Valshiya o Amarayl Morndoron. Ihr Vater schickte sie fort, weil sie in mich verliebt war und sie es nicht ertragen konnte, mitanzusehen, wie ich eine andere heiratete. Ich war so blind, ich habe nicht erkannt, was sie für mich empfand. Für mich war sie nie mehr als eine Jugendfreundin. Aber ich fühlte mich immer so wohl in ihrer Nähe. Sie hörte mir stundenlang zu, wenn ich auch Dinge erzählte, die eine junge Elbenfrau für gewöhnlich gar nicht hören will. Sie verstand mich. Erst, als sie fort war, spürte ich, dass ich mehr für sie empfand, als ich mir bis dahin eingestehen wollte. Sie hätte die Braut an meiner Seite sein können! Als dann dein Bote kam, mit der Nachricht, daß Arwen und Valshiya verschwunden seien - das war der Tag an dem die Hochzeit stattfinden sollte - machte ich mich sofort auf den Weg. Selbst einen Streit mit meinem Vater nahm ich dafür in Kauf. Wenn man es genau betrachtet, bin ich schuld daran, daß Arwen und sie entführt wurden. Valshiya wäre nie fortgeritten und Arwen hätte ihr niemals entgegenreiten müssen. Valshiya wäre bei mir geblieben und es hätte sich alles zum Besten gewendet. Ich muß Valshiya finden... denn... wenn es auch noch so eigenartig in meinen eigenen Ohren klingt und ich es mir nicht lange nicht eingestehen wollte, das mir so etwas einmal passiert... nach", er dachte an die Affäre mit Merilwen, sprach es aber dann doch nicht aus, "... allem was ich bisher mit der Liebe erlebt habe... ich liebe sie."

Aragorn hatte seinem Freund stillschweigend zugehört und er verstand ihn nur allzu gut. Auch zwischen ihm und Arwen hatte es ein "Erkennen" gegeben. Lange waren sie nicht mehr als Ziehgeschwister, doch als er zu einem jungen Mann herangewachsen war, entwickelte sich aus geschwisterlicher Zuneigung mehr. Erst war es sanft gewesen und dann hatte sich etwas grosses daraus entwickelt, was sein Herz fast zum Zerspringen gebracht hatte. Das waren grosse Gefühle gewesen, die so gar nicht zu einem grossen Krieger passen wollten, doch Arwen hatte ihm erklärt, dass ein Krieger erst dann wirklich gross sei, wenn er mit Tränen in den Augen über die Liebe sprechen kann.

"Ich muss sie wiederfinden, Aragorn.", flüsterte Legolas verzweifelt und brach damit das Schweigen. "Du weisst was einem Elben widerfährt, wenn er leidet, wenn sein Herz schwer wird und die Trauer ihn übermannt. Die Unsterblichkeit, die meinem Volk gegeben ist, wappnet uns nicht vor... solchen Dingen."

Aragorn presste die Lippen fest aufeinander und wandte seinen Blick von Legolas ab, damit dieser nicht den verräterischen Glanz in seinen Augen sehen konnte. Er konnte seinen elbischen Freund sehr, sehr gut verstehen. Elb hin oder her - auch in ihm löste es Todesqualen aus, von Arwen, seinem Abendstern, getrennt zu sein.

*****

Tarawyn ging langsamer, als er schnelle und dennoch leichte Schritte hinter sich hörte. Schritte von zierlichen Füssen, die in damenhaften Samtpantoffeln steckten. Er lächelte in sich hinein, denn es konnte nur Alfiriel sein, die ihm gefolgt war, wenn ihm auch nicht ganz klar war, warum. Doch das würde er ja nun alsbald erfahren. Atemlos hörte er die Prinzessin hinter sich sagen:

"Tarawyn, welche Veränderung machst du durch? Vom Beinahe-Verräter am Prinzen von Düsterwald zum getreuen Gefolgsmann des Königs von Gondor? Was ist nur in dich gefahren?"

Sehr deutlich konnte er den zynischen Unterton in ihrer Stimme hören.

"Was verwirrt dich so? Du hast mich doch geprüft, oder nicht? Einer Magierin wie dir sollte so etwas nicht verborgen sein. Oh, nein! Bei all deiner Weisheit und all deiner Zauberkraft, doch die wahren Gefühle bleiben dir verborgen!"

Alfiriel war überrascht, dass er ihre Frechheit auch noch erwiderte. Das war ihr noch nie passiert. Denn eigentlich gab es diesen feinen Sarkasmus - zumindest wurde das allenthalben behauptet - nur in ihrer Familie. Aber sie war nun wirklich vollends verwirrt. Ihre Neugier zwang sie dazu, freundlicher mit Tarawyn zu reden. Andernfalls würde er ihr mit Sicherheit nicht erklären, was er meinte.

"Es stimmt! Ich habe dich geprüft und nur Ehrlichkeit gespürt. Aber... du hast verräterische Pläne mit Finlass geschmiedet und nun... Ich gebe zu, dass ich nicht weiss, wie ich darüber denken soll."

Tarawyn seufzte. Die selbstsichere, neunmalkluge Prinzessin war in Herzensdingen genauso blind wie ihr hochwohlgeborener Bruder.

"Alfiriel, mir wurde zwar vieles versprochen... vieles, was ich von Herzen begehre, doch ich bin noch nie begeistert davon gewesen, mir Dinge mit Gewalt zu nehmen. Ich bevorzuge es, wenn... man... die Dinge freiwillig zu mir kommen. In mir fliesst auch das Blut meines Vaters und er hat mir die Treue zum Königshaus mit in die Wiege gelegt. Ich wollte nicht zum Werkzeug im Bruderkrieg werden.", erklärte er.

"Das ist sehr edel.", bemerkte Alfiriel, schaffte es aber nicht ganz, dieser Aussage die Spitze zu nehmen.

Tarawyn holte zum letzten Schlag aus, um die Mauer der Selbstsicherheit, die Prinzessin um sich herum aufgebaut hatte, einzureissen.

"Ich wünschte mir immer eine so gute Beziehung zu meiner Schwester, wie du sie zu deinem Bruder hast. Wenn Legolas durch meine Mithilfe ums Leben gekommen wäre, dann hätte ich damit nur Valshiyas ewigen Hass auf mich gezogen... und den deinen. Dabei verlangt es mich doch viel mehr nach ein wenig Zuneigung von dir."

Alfiriels Augenbrauen schossen gleichzeitig in die Höhe und ihre Kinnlade klappte vor Überraschung herunter. Eigentlich wusste sie immer auf alles eine kecke Erwiderung, doch - und das verwirrte sie nun noch vielmehr - jetzt wollten die Worte einfach nicht mehr kommen. Sie schüttelte heftig den Kopf, dann drehte sie sich um und lief den Gang in entgegensetzter Richtung zurück ohne sich noch einmal umzudrehen. So konnte sie auch nicht das hilflose Grinsen Tarawyns sehen, der gar nicht verstand, wie ihm geschah. Er hatte geahnt, daß Alfiriel bei diesem Eingeständnis überrascht sein würde aber mit einer solchen extremen Reaktion ihrerseits hatte er nun doch nicht gerechnet. Doch es keimte auch Hoffnung in ihm auf, denn der erste Grundstein für eine Annäherung an die Prinzessin war gelegt.

~*~

So, fertig! Wie ihr seht, entspinnen sich in meiner Geschichte nun schon zwei Lovestories! Ist das nicht herrlich. Ich find's gut! Vor allen Dingen spiele ich gerne mit Alfiriel! Im nächsten Kapitel wird's dann wieder etwas weniger schwülstig und dafür abenteuerlicher!

----------------------- [1] Nifredil = Schneefall [2] Alae, noegyth mellon = Hallo Freund Zwerg [3] o Amarayl Morndoron = von Amarayl Schwarzeiche