INSPIRATION: (für alle die das nachmachen wollen und sich eventuelle eine
Lialynne-CD-Soundtrack zu "Liebe zu finden" erstellen wollen)
MUSIK: "Mille anni passi sunt" von Corvus Corax - wieder einmal -
und "Full Moon Magic" von Medwyn Goodaal (bei der Liebesszene!)
RÄUCHERSTÄBCHEN: Erdbeerduft
GETRÄNK: Zwei Gläser Merlot aus'm Aldi
Liebeserklärung: Inspired by Marc Almond's Song "Hand over my heart"!
12. Ein Hinterhalt und eine Liebeserklärung
Legolas sass kaum im Sattel, als er dieses sehr bekannte Geräusch hörte. So ein Geräusch machte nur ein Pfeil, der gerade abgeschossen wurde. Zugegeben, es konnte kein guter Bogen und auch kein wirklich gerader Pfeil sein, so wie es sich anhörte aber er hätte es auf jeden Fall viel früher hören müssen.
"LAI!", hörte er noch den Warnschrei seiner Schwester.
Doch, zu spät. Im nächsten Moment spürte er nur noch Schmerz. Er sah den Orkpfeil, der bis zum Schaft in seiner Schulter steckte. Die Spitze musste sauber durchgedrungen sein, dachte er und wunderte sich dann, was für verrückte Gedanken man doch hatte, wenn man dem Tod ins Auge blickte. Er sackte im Sattel zusammen und nahm nicht mehr wahr, was um ihn herum geschah.
"Geht in Deckung, DECKUNG!", brüllte Aragorn.
Er vertraute darauf, dass Legolas' gut ausgebildetes Pferd ihn in Sicherheit tragen würde.
Mit gespannten Bögen zogen sich die anderen in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren. Alfiriel sah, wie Legolas langsam aus Dywaith's Sattel rutschte. Sie sah auch, dass die Flanken des Hengstes bebten, was für sie ein Zeichen war, dass das Pferd über die Verletzung seines Herrn ebenso verwundert und verängstigt war, wie dieser selbst wohl auch. Sie rannte los um die Zügel zu fassen und ihren Bruder in Sicherheit zu bringen. Tarawyn bekam gerade noch ihr Handgelenk zu greifen.
"Bist du verrückt, sie werden dich umbringen!", rief er.
Mit wehendem Haar wandte sich Alfiriel zu ihm um. Tarawyn zuckte zusammen, als hätte ihn jemand geschlagen. Ihre grauen Augen sprühten tödliche, wütende Blitze.
"Würdest du es besser finden, wenn sie stattdessen meinen Bruder umbringen?"
Unentschlossen biss Tarawyn sich auf die Unterlippe.
"Kommt endlich!", sagte Aragorn in einem Befehlston, der eigentlich keinen Widerspruch duldete.
Er hegte keinen Zweifel daran, daß Legolas eine Möglichkeit finden würde, ihnen nachzukommen. Aber er hatte nicht mit dem Dickschädel der schönen Elbenprinzessin gerechnet. Sekunden, die ihnen wie Minuten erschienen, maßen sich Alfiriel und Tarawyn mit ihren Blicken. Er mußte sich eingestehen, daß er gegen die Prinzessin keine Chance hatte, also gab er nach und entschied sich dafür, ihr zur Hand zu gehen.
Tarawyn, wandte sich an den jungen, gondorianischen Soldaten Gawen:
"Gib' uns Deckung. Prinzessin Alfiriel und ich werden Legolas holen." Er erwartete so etwas wie Triumph in ihren Augen zu entdecken, doch da war nichts anderes als die reine Angst um ihren Bruder und ein Hauch von... was war es... Dankbarkeit? Er konnte es nicht deuten. Unter dem Schutz von Gawens Pfeilen, nicht so schnell abgefeuert, wie bei den Elben aber dennoch treffsicher, arbeiteten sich die beiden ihren Weg bis zu Legolas und Dywaith vor, der zitternd vor Angst neben seinem Herrn stand und nicht wagte wegzugaloppieren. Alfiriel kniete nieder und schob ihren Arm unter Legolas Schulter, um ihm beim aufstehen zu helfen.
"Macht euch keine Sorgen, ich hätte es schon geschafft.", murmelte er.
"Sei einfach still!", forderte Alfiriel ihn auf.
Gerade jetzt hatte sie keine Lust, sich die selbstsicheren Sprüche ihres Bruders anzuhören.
Hilfesuchend blickte sie zu Tarawyn, der Dywaith's Zügel hielt. Alleine würde sie es nicht schaffen. Selbst für einen Elben war Legolas ziemlich kräftig, von seiner stattlichen Körpergrösse einmal ganz abgesehen. Lieber hätte sie sich auf die Zunge gebissen aber sie sagte es trotzdem:
"Tarawyn, bitte hilf mir. Ich kann ihn nicht alleine stützen. Dywaith wird hinter uns herlaufen."
Bevor Tarawyn Alfiriels Bitte nachkommen konnte, hörte er das verräterische Zischen eines herannahenden Pfeils.
"Runter!", schrie er und warf sich über Alfiriel, um sie zu schützen. Dennoch konnte er nicht verhindern, dass sie der Pfeil an der Wange streifte.
Alfiriel sah Tarawyn mit großen Augen an und flüsterte überrascht:
"Du hast mir das Leben gerettet... ich..."
"Ja, ja, jetzt komm schon, lass uns Legolas hier wegbringen.", unterbrach er sie.
In geduckter Haltung, Legolas in ihrer Mitte und den grauen Hengst hinter ihnen, gelang es ihnen, die Lichtung zu verlassen und die Stelle zu erreichen, wo sich die anderen im dichter werdenden Wald verschanzt hatten. Elladan, Elrohir und Gawen feuerten einen Pfeil nach dem anderen ab.
Aragorn trat zu Alfiriel und Tarawyn, die Legolas vorsichtig niederlegten. Fragend blickte er die Schwester seines Freundes an.
"Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht. Er wird schon wieder werden. Es wird eher die Überraschung sein, die ihn umgeworfen hat. Er ist noch nie ernsthaft verletzt worden.", erklärte sie.
Aragorn ging ein wenig beruhigt davon und nahm die Verteidigung wieder auf. Gimli war ganz ausser sich. Es störte ihn, dass er sich nicht ins Kampfgetümmel stürzen konnte aber die Verteidigung gegen einen feigen Feind, der sich nicht zeigen wollte, war ganz klar eine Sache der Bogenschützen.
"Warum kommen diese feigen Orks nicht heraus und kämpfen, wie es sich gehört? Ich werde ihnen schon zeigen, wozu dieser Zwerg fähig ist.", brüstete er sich und stapfte aufgebracht durch die Gegend.
Es dauerte nicht lange, bis die Orks sich, in ihrer Zahl dezimiert, kreischend davonmachten. "Könnten diese zu den Orks gehören, die mit dem Verschwinden Arwens und Valshiyas zu tun haben?", fragte Aragorn.
Elladan, der immer noch seinen Bogen schussbereit hielt, weil er der plötzlichen Ruhe offensichtlich nicht trauen wollte, erwiderte:
"Das ist nicht auszuschliessen, ja!"
"Aber... dann ist es ja fast so, als hätten sie die ganze Zeit genau an dieser Stelle hier auf uns gewartet!", sprach Aragorn den Gedanken aus, der Elladan auch schon gekommen war.
"Es ist wirklich absurd aber so scheint es tatsächlich. So, als hätten sie gewusst, dass wir hierher kommen würden, um nach Arwen und Valshiya zu suchen.", sagte Elrohir, der inzwischen dazu gekommen war.
Aragorn erwiderte sinnierend:
"Was geht hier bloss vor?"
Gimli brummte:
"Na, wenn es so ist, dann müssen wir diesen Viechern doch einfach nur folgen, dann werden wir Aragorns Königin und Legolas' Liebchen schon bald zurückhaben!"
Elladan nahm langsam seinen Bogen herunter und sagte, während er weiterhin mit den Augen den gegenüberliegenden Waldrand absuchte:
"Das können wir tun aber erst morgen. Ich bin dafür, dass wir die Nacht heute hier verbringen."
Aragorn nickte. Trotz Alfiriels Versicherung, war er sich immer noch nicht sicher, ob es Legolas wirklich bald besser gehen würde. Orkpfeile waren oft vergiftet und ausser Alfiriel und Merilwen... Merilwen! Wo war die rothaarige Elbenmagierin eigentlich?
"Hört mal alle her! Hat jemand von euch Merilwen gesehen?", rief er.
Alle schauten sich suchend um.
"Sie mudd bei euch gewesen sein als der Angriff begann. Vor uns war sie jedenfalls nicht!", sagte Tarawyn.
Alfiriel nickte bestätigend.
Elladan und Elrohir zuckten gleichzeitig mit den Schultern. Gawen schüttelte ebenfalls den Kopf. Gimli rammte den Griff seiner Zweihänderaxt in den Boden und stützte sich mit den Händen darauf ab.
"Ich habe sie auch nicht gesehen aber ich kann auch nicht sagen, dass ich traurig darüber bin, dass sie weg ist.", grummelte er.
Die Magierin, nein sie benahm sich eher wie eine Hexe, war ihm nicht ganz geheuer gewesen. Sie hatte etwas düsteres an sich gehabt und abgesehen davon hatte er die Art nicht gemocht, wie sie seinem Freund Legolas zugesetzt hatte. Offensichtlich war sie eifersüchtig auf das unbekannte Mädchen, in das der Elbenprinz sich verliebt hatte.
Aragorn schüttelte verzweifelt den Kopf. Ein weiteres, mysteriöses Verschwinden war genau das, was er jetzt gebraucht hatte. Andererseits, hätte Merilwen nicht auf sich aufmerksam gemacht, wenn sie gegen ihren Willen verschwunden wäre? Er kannte diese Frau nicht und auch Elladan und Elrohir konnten ihm auf sein Nachfragen hin, kaum etwas über sie berichten, ausser, dass sie in der Bibliothek ihres Vaters lange Zeit studiert hatte.
"Wir sollten ein Feuer anzünden, heute Nacht wird es sehr kalt werden.", bemerkte Elrohir und rieb sich die Hände, als wollte er seine Aussage damit unterstreichen.
Elronds Sohn hatte recht. Die Luft roch nach Frost. Aragorn hoffte nur, das, sollten sie noch leben, Arwen und Valshiya von dem plötzlichen Wintereinbruch nicht unvorbereitet überrascht wurden.
Lautlos gesellte Tarawyn sich zu Alfiriel, die den Schlaf ihres Bruders bewachte. Lautlos... so dachte er zumindest. Sie bemerkte ihn trotzdem.
"Nun komm schon her, ich werde dich auch nicht gleich wieder fortjagen.", versprach sie.
Tarawyn staunte, wie wunderschön die Prinzessin aussah. Der Vollmond, der sich tapfer zwischen den schleierartigen Wolken hervorkämpfte, liess ihr Haar glänzen wie frischgefallenen Schnee. Ihre wunderschönen grauen Augen sahen traurig aus. Das war nicht so, wie es sein sollte. Solche Augen, Sternen gleich, sollten niemals traurig aussehen. Doch sie machte sich Sorgen um ihren Bruder. Wieder einmal wünschte sich Tarawyn, dass er ihr ebenso nahe sein konnte.
"Wie geht es ihm?", erkundigte er sich.
Es schien der richtige Anfang für ein Gespräch mit ihr zu sein, denn sie blickte ihn überrascht an. Was überraschte sie so? Dass er sich ebenfalls um den Prinzen sorgte? Aber es war nicht einfach nur eine Floskel. Allerdings wurde ihm das selbst erst bewusst, als er es ausgesprochen hatte. In der ganzen Zeit, die er jetzt mit ihm zusammen nach seiner Schwester suchte, hatte er ihn näher kennen- und auch schätzen gelernt. Alfiriel schaute ihm direkt in die Augen. Einen Augenblick lang glaubte er, sie wollte ihn wieder prüfen. Doch dann seufzte sie uns senkte den Blick. Gut. Denn hätte sie ihn geprüft, wäre das ein Zeichen für ihn gewesen, dass sie ihm immer noch mißtraute.
"Ich denke, daß er morgen wieder auf den Beinen ist. Der Pfeil war nicht vergiftet und die Wunde ist sauber.", erklärte sie.
Tarawyn nickte. Nun wusste er nicht, wie er das begonnene Gespräch weiterführen sollte. Verzweifelt suchte er nach Worten, doch Alfiriel kam ihm zuvor.
"Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal sagen werde, Tarawyn, aber ich danke dir von ganzem Herzen, dass du heute da warst, als ich dich brauchte..."
"Dein Bruder hätte es auch ohne meine Hilfe geschafft. Wie du schon sagtest, die Verletzung ist nicht so schlimm..."
Tarawyn stockte, als er ihren Blick bemerkte. Es war, als hätte er einen Sturm entfesselt.
Sie zischte:
"Tarawyn, bitte unterbrich mich nicht. Es gibt nichts auf der ganzen Welt, dass ich mehr hasse."
Als sie sich seiner uneingeschränkten Aufmerksamkeit sicher war, wurde ihr Gesichtsausdruck wieder weicher und sie fuhr fort:
"Wie gesagt, ich bin dir dankbar, dass du heute für mich da warst. Zu Beginn unserer Reise habe ich dir das nicht zugetraut. Doch du hast mehr Seiten an dir, als ich geahnt habe. Die Seite von dir, die du im Moment zeigt, beginne ich sogar zu mögen."
Sie schwieg und gab ihm somit Zeit für eine Reaktion. Aber er wusste nicht, wie er reagieren sollte. Sie war so launisch wie das Herbstwetter. Vielleicht sagte er das falsche. Das Schweigen zwischen ihnen wurde immer lauter. Schliesslich nahm er ihre Hand. Sie zog sie nicht zurück. War das ein gutes Zeichen?
"Lass uns bitte ein Stück gehen.", bat er.
Sie entfernten sich ein wenig von dem hastigl aufgebauten Lager.
"Schau nur, wie gut man heute Nacht die Sterne sehen kann.", bemerkte Tarawyn.
Es war eine kalte Nacht und die Luft war ungewöhnlich klar.
"Tust du das alles nur um meinetwillen?", fragte Alfiriel.
Tarawyn blinzelte.
"Ich verstehe deine Frage nicht ganz. Was tue ich um deinetwillen? Ich bin der, der ich immer war. Es sind mir nur einige Dinge klar geworden. Wenn du mir immer noch meinen Fehltritt übelnimmst... Finlass hat mir etwas versprochen, doch ich habe eingesehen, dass ich das, was ich von Herzen begehre, auf diese Art nie bekommen, sondern eher für immer verlieren werde."
Jetzt sah sie ihm direkt in die Augen. Er wich ihrem Blick nicht aus. Auch ohne ihre magischen Fähigkeiten, blickte sie ihm direkt ins Herz. Der Vollmond, der über seiner Schulter stand, spiegelte sich in diesen Sternenaugen. Sie ergriff seine Hände. Klein, warm und zart, lagen sie in den seinen.
"Was ist es denn, was du begehrst?", fragte sie und war sich im selben Moment nicht mehr sicher, ob sie die Antwort überhaupt hören wollte.
"Prinzessin, ich bin kein Poet. Dass, ich ein Elb bin, macht nicht zwangsläufig jemanden aus mir, der Gedichte schreiben kann über die Natur oder... die Schönheit einer Frau. Aber glaubt mir, wenn mir in einer lichten Stunde dennoch die richtigen Worte einfallen sollten, kann es nur ein Gedicht über dich sein."
Sie hatte geahnt, dass er so etwas sagen würde. Oh, sie hatte es eigentlich sogar voraussagen können. Da hast Du's Firiel, sagte sie zu sich selbst, jetzt sieh, was du daraus machst. Sie konnte allerdings nicht verhindern, daß sie verschämt errötete, ausser ihrem Vater und Legolas hatte noch kein männliches Wesen sich gewagt, so etwas - zugegeben - sehr nettes über sie zu sagen.
"Oh!", brachte sie nur hervor. Tarawyn erschrak. Hatte er jetzt seine Grenzen überschritten? Die wunderschöne Elbenfrau, die da vor ihm stand war schliesslich die Tochter seines Königs. Andererseits, dachte er bei sich, jetzt habe ich schon damit begonnen, jetzt kann ich es auch zu Ende bringen.
"Alfiriel, verstehst du? Wenn jemand in mir den Poeten weckt, dann bist du es..."
"Das ist jetzt wohl nicht der richtige Augenblick für so etwas, Tarawyn, mein Bruder..."
"Vergiß doch nur ein einziges Mal deinen Bruder.", seufzte er.
Er liess sich vor ihr auf ein Knie nieder, immer noch ihre Hände haltend und fuhr fort:
"Angesichts deiner Schönheit, Prinzessin, gehe ich auf die Knie. Wenn ich dich nur anschauen kann, werden alle meine Träume wahr. Meine Hand auf mein Herz", er legte seine rechte auf sein Herz um mit dieser Geste das Gesagte zu unterstreichen, "ein Herz voller Liebe für dich. Ich kann nur in Ehrfurcht deine Schönheit anstarren und mich dabei unwürdig fühlen. Alfiriel, ich lege dir mein Herz zu Füssen, bist du so gnädig und nimmst es an?"
Oh nein! Alfiriel sah sich gehetzt nach irgend etwas hartem um, dass sie sich vor den Kopf schlagen konnte, um aus diesem Traum... Angsttraum... dieser Illusion... dieser Nachtmahr, was auch immer, herauszukommen. Passierte ihr das gerade wirklich? Oh verdammt, warum musste ihr auch bloss gefallen, was Tarawyn da zu ihr sagte. Sie wollte soeben die Flucht nach vorne beginnen und ihm erzählen, dass sie sich von seiner - zugegebenermaßen sehr poetischen - Liebeserklärung zwar unheimlich geschmeichelt fühlte, seine Liebe aber keine Zukunft haben konnte, da Elrond und Thranduil schon lange in Verhandlungen standen und sie bald Elladan zum Gefährten nehmen würde, als eben dieser plötzlich aus dem Dunkel auftauchte.
Er räusperte sich und unterbrach damit die - unangenehme? - romantische Stimmung.
"Firiel", sagte er und benutzte dabei die vertraute Form ihres Namens, die auch Legolas benutzte, "ich wollte euch nicht stören, doch es war Zeit für die Wachablösung und auf der Suche nach Tarawyn kam ich hier vorbei."
Tarawyn verstand. Der Prinz aus Bruchtal wollte ihm damit sagen, dass es schliesslich an ihm war, Wache zu halten. Er erhob sich, klopfte sich verlegen die Erde von der Hose und warf Alfiriel einen Blick zu, der ihr sagen sollte *ich habe deine Antwort noch nicht*. Elladan hingegen warf er einen Blick zu, den man nur als vernichtend bezeichnen konnte.
Kaum war er in der Dunkelheit verschwunden und seine leisen Schritte auf dem Waldboden verklungen, lief Alfiriel auf Elladan zu und fiel ihm um den Hals. Für einen kurzen Moment spürte sie sein langes Haar an ihrer Wange. Er duftete nach kaltem Wind, Rauch und Fichtennadeln. Das war nicht unangenehm, fand Alfiriel, immerhin erinnerte dieser Duft sie an zu Hause, und sie presste ihre Hände ein wenig fester an seinen Rücken, als sie eigentlich beabsichtigt hatte. Elladan löste ihren Griff und hielt sie eine Armlänge von sich entfernt.
"Was ist denn los, nîn nim cygu[1]? Wollte Tarawyn dir etwa Böses...?", fragte er.
Nim cygu? Alfiriel war überrascht. So hatte Elladan sie schon lange nicht mehr genannt. Nicht, seit Thranduil und Elrond in Verhandlungen miteinander standen. Es war ein Kosename, den er ihr gegeben hatte, als sie noch eine ganz junge Elbe gewesen war. Fand er den Gedanken, mit ihr den Bund einzugehen etwa eben so absurd wie sie die Liebeserklärung Tarawyns? Ihr Blick fiel auf sein blauschwarzes Haar, dass im Mondlicht glänzte wie die schimmernden Federn eines Raben. *Nîn celeir cyrch*[2], dachte sie und wunderte sich gleich darüber. Eine weisse Taube und ein glänzender Rabe. Wie gut sie doch zusammenpassten. Zwei dunkle, saphirblaue Augen schauten sie erwartungsvoll an und sie erinnerte sich, dass sie Elladan immer noch eine Antwort schuldete.
"Nein, es ist alles in Ordnung. Er hat mir nur seine...", sie glaubte es immer noch nicht, "Liebe gestanden."
Einen Moment lang konnte Elladan sie nur verdutzt anschauen, dann lachte er auf.
"Cygu! Was ist daran so schlimm? Du machst ein Gesicht, als hättest du ein Gespenst gesehen.", wollte er wissen.
Alfiriel blinzelte. Waren denn jetzt plötzlich alle verrückt geworden.
"Elladan", erinnerte sie ihn, "du und ich... ooh, es ist mir schon unangenehm überhaupt darüber zu reden. Vater sagt, wir werden den Bund miteinander eingehen. Ist es dir etwa vollkommen egal, wenn ein anderer mir den Hof macht?"
Ihre Empörung brachte ihn nur noch mehr zum lachen, was ihm einen leichten Tritt vor's Schienbein einbrachte.
"Du benimmst dich nicht wie eine Prinzessin!", schimpfte er, konnte sich das Lachen aber immer noch nicht verkneifen.
Nun vollkommen aus der Ruhe warf Alfiriel verzweifelt ihre Arme in die Luft und rief:
"Was ist das mit der Liebe? Macht sie vollkommene Trottel aus uns. Ich bin eine Elbe, müsste ich von allen Lebenwesen Ea's nicht am meisten von diesem Spiel verstehen. Immerhin wird behauptet, dass die Liebe einer der Stoffe ist, aus denen Iluvatar uns geschaffen hat. Stattdessen lässt sie mein Gehirn zu Brei und mein Herz zu einem wildflatternden Vöglein werden."
"Ist es dir denn so unangenehm?", wollte Elladan wissen.
Sie schüttelte den Kopf.
"Aber es ist noch nicht lange her, da konnte ich ihn einfach nicht ausstehen. Jetzt hat er mir eine andere Seite von sich gezeigt."
Elladan schmunzelte und erwiderte:
"Es heisst nicht umsonst in einem uralten Gedicht 'Der Himmel ist dort, wo ich einst fürchtete zu sein'."
Er hatte recht, Alfiriel kannte das Gedicht, und dafür hätte sie ihn am liebsten geschlagen. Der schwarzhaarige Prinz aus Bruchtal legte einen Arm um die zierliche Tochter Thranduil's, die genaugenommen tatsächlich seine Verlobte war. Genau in diesem Moment fing es an zu schneien. Wie glitzernde Kristalle fielen die Flocken lautlos zu Boden. Selbst unter den Bäumen dauerte es nicht lange, bis der Boden von einer dünnen Schicht aus Schnee bedeckt war. Mit einem Mal erinnerte sich Alfiriel, was sie hier eigentlich tat. Sie waren auf der Suche nach Arwen und Valshiya.
"Ich sollte mich jetzt ein wenig ausruhen. Wenn ihr die Spur morgen nicht mehr sehen könnt, werdet ihr meine Hilfe brauchen. Immerhin bin ich jetzt, da Merilwen auf so mysteriöse Weise verschwunden ist, die einzige Magierin, die dazu in der Lage ist, die Spuren auch noch unter dem Schnee zu erkennen.", sagte sie und war gleichzeitig froh, dass sie jetzt eine verantwortungsvolle Aufgabe hatte, die sie ein wenig von Tarawyn und seiner gut gemeinten Zuneigung ablenkte.
Das wars! Irgendwie bin ich vom eigentlichen Thema total abgewichen. Aber irgendwie war mir nach einer Liebeserklärung. @Sleepy: Ich hoffe, Du bist mit dieser Version der Liebeserklärung einverstanden. Habe mir die halbe Nacht den Kopf darüber zerbrochen. Im übrigen habe ich eine gute (schlechte?) Nachricht für euch: Mir ist beim Schreiben dieses Kapitels die Storyline für ein sinnvolles Sequel für "Liebe zu finden" eingefallen. Allerdings muss ich natürlich erst einmal diese Story zu Ende bringen. ----------------------- [1] nîn nim cygu = meine weiße Taube [2] Nîn celeir cyrch = Mein glänzender Rabe (Rabe = eigentlich Krähe, es gibt im Sindarin kein Wort für Rabe!)
12. Ein Hinterhalt und eine Liebeserklärung
Legolas sass kaum im Sattel, als er dieses sehr bekannte Geräusch hörte. So ein Geräusch machte nur ein Pfeil, der gerade abgeschossen wurde. Zugegeben, es konnte kein guter Bogen und auch kein wirklich gerader Pfeil sein, so wie es sich anhörte aber er hätte es auf jeden Fall viel früher hören müssen.
"LAI!", hörte er noch den Warnschrei seiner Schwester.
Doch, zu spät. Im nächsten Moment spürte er nur noch Schmerz. Er sah den Orkpfeil, der bis zum Schaft in seiner Schulter steckte. Die Spitze musste sauber durchgedrungen sein, dachte er und wunderte sich dann, was für verrückte Gedanken man doch hatte, wenn man dem Tod ins Auge blickte. Er sackte im Sattel zusammen und nahm nicht mehr wahr, was um ihn herum geschah.
"Geht in Deckung, DECKUNG!", brüllte Aragorn.
Er vertraute darauf, dass Legolas' gut ausgebildetes Pferd ihn in Sicherheit tragen würde.
Mit gespannten Bögen zogen sich die anderen in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren. Alfiriel sah, wie Legolas langsam aus Dywaith's Sattel rutschte. Sie sah auch, dass die Flanken des Hengstes bebten, was für sie ein Zeichen war, dass das Pferd über die Verletzung seines Herrn ebenso verwundert und verängstigt war, wie dieser selbst wohl auch. Sie rannte los um die Zügel zu fassen und ihren Bruder in Sicherheit zu bringen. Tarawyn bekam gerade noch ihr Handgelenk zu greifen.
"Bist du verrückt, sie werden dich umbringen!", rief er.
Mit wehendem Haar wandte sich Alfiriel zu ihm um. Tarawyn zuckte zusammen, als hätte ihn jemand geschlagen. Ihre grauen Augen sprühten tödliche, wütende Blitze.
"Würdest du es besser finden, wenn sie stattdessen meinen Bruder umbringen?"
Unentschlossen biss Tarawyn sich auf die Unterlippe.
"Kommt endlich!", sagte Aragorn in einem Befehlston, der eigentlich keinen Widerspruch duldete.
Er hegte keinen Zweifel daran, daß Legolas eine Möglichkeit finden würde, ihnen nachzukommen. Aber er hatte nicht mit dem Dickschädel der schönen Elbenprinzessin gerechnet. Sekunden, die ihnen wie Minuten erschienen, maßen sich Alfiriel und Tarawyn mit ihren Blicken. Er mußte sich eingestehen, daß er gegen die Prinzessin keine Chance hatte, also gab er nach und entschied sich dafür, ihr zur Hand zu gehen.
Tarawyn, wandte sich an den jungen, gondorianischen Soldaten Gawen:
"Gib' uns Deckung. Prinzessin Alfiriel und ich werden Legolas holen." Er erwartete so etwas wie Triumph in ihren Augen zu entdecken, doch da war nichts anderes als die reine Angst um ihren Bruder und ein Hauch von... was war es... Dankbarkeit? Er konnte es nicht deuten. Unter dem Schutz von Gawens Pfeilen, nicht so schnell abgefeuert, wie bei den Elben aber dennoch treffsicher, arbeiteten sich die beiden ihren Weg bis zu Legolas und Dywaith vor, der zitternd vor Angst neben seinem Herrn stand und nicht wagte wegzugaloppieren. Alfiriel kniete nieder und schob ihren Arm unter Legolas Schulter, um ihm beim aufstehen zu helfen.
"Macht euch keine Sorgen, ich hätte es schon geschafft.", murmelte er.
"Sei einfach still!", forderte Alfiriel ihn auf.
Gerade jetzt hatte sie keine Lust, sich die selbstsicheren Sprüche ihres Bruders anzuhören.
Hilfesuchend blickte sie zu Tarawyn, der Dywaith's Zügel hielt. Alleine würde sie es nicht schaffen. Selbst für einen Elben war Legolas ziemlich kräftig, von seiner stattlichen Körpergrösse einmal ganz abgesehen. Lieber hätte sie sich auf die Zunge gebissen aber sie sagte es trotzdem:
"Tarawyn, bitte hilf mir. Ich kann ihn nicht alleine stützen. Dywaith wird hinter uns herlaufen."
Bevor Tarawyn Alfiriels Bitte nachkommen konnte, hörte er das verräterische Zischen eines herannahenden Pfeils.
"Runter!", schrie er und warf sich über Alfiriel, um sie zu schützen. Dennoch konnte er nicht verhindern, dass sie der Pfeil an der Wange streifte.
Alfiriel sah Tarawyn mit großen Augen an und flüsterte überrascht:
"Du hast mir das Leben gerettet... ich..."
"Ja, ja, jetzt komm schon, lass uns Legolas hier wegbringen.", unterbrach er sie.
In geduckter Haltung, Legolas in ihrer Mitte und den grauen Hengst hinter ihnen, gelang es ihnen, die Lichtung zu verlassen und die Stelle zu erreichen, wo sich die anderen im dichter werdenden Wald verschanzt hatten. Elladan, Elrohir und Gawen feuerten einen Pfeil nach dem anderen ab.
Aragorn trat zu Alfiriel und Tarawyn, die Legolas vorsichtig niederlegten. Fragend blickte er die Schwester seines Freundes an.
"Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht. Er wird schon wieder werden. Es wird eher die Überraschung sein, die ihn umgeworfen hat. Er ist noch nie ernsthaft verletzt worden.", erklärte sie.
Aragorn ging ein wenig beruhigt davon und nahm die Verteidigung wieder auf. Gimli war ganz ausser sich. Es störte ihn, dass er sich nicht ins Kampfgetümmel stürzen konnte aber die Verteidigung gegen einen feigen Feind, der sich nicht zeigen wollte, war ganz klar eine Sache der Bogenschützen.
"Warum kommen diese feigen Orks nicht heraus und kämpfen, wie es sich gehört? Ich werde ihnen schon zeigen, wozu dieser Zwerg fähig ist.", brüstete er sich und stapfte aufgebracht durch die Gegend.
Es dauerte nicht lange, bis die Orks sich, in ihrer Zahl dezimiert, kreischend davonmachten. "Könnten diese zu den Orks gehören, die mit dem Verschwinden Arwens und Valshiyas zu tun haben?", fragte Aragorn.
Elladan, der immer noch seinen Bogen schussbereit hielt, weil er der plötzlichen Ruhe offensichtlich nicht trauen wollte, erwiderte:
"Das ist nicht auszuschliessen, ja!"
"Aber... dann ist es ja fast so, als hätten sie die ganze Zeit genau an dieser Stelle hier auf uns gewartet!", sprach Aragorn den Gedanken aus, der Elladan auch schon gekommen war.
"Es ist wirklich absurd aber so scheint es tatsächlich. So, als hätten sie gewusst, dass wir hierher kommen würden, um nach Arwen und Valshiya zu suchen.", sagte Elrohir, der inzwischen dazu gekommen war.
Aragorn erwiderte sinnierend:
"Was geht hier bloss vor?"
Gimli brummte:
"Na, wenn es so ist, dann müssen wir diesen Viechern doch einfach nur folgen, dann werden wir Aragorns Königin und Legolas' Liebchen schon bald zurückhaben!"
Elladan nahm langsam seinen Bogen herunter und sagte, während er weiterhin mit den Augen den gegenüberliegenden Waldrand absuchte:
"Das können wir tun aber erst morgen. Ich bin dafür, dass wir die Nacht heute hier verbringen."
Aragorn nickte. Trotz Alfiriels Versicherung, war er sich immer noch nicht sicher, ob es Legolas wirklich bald besser gehen würde. Orkpfeile waren oft vergiftet und ausser Alfiriel und Merilwen... Merilwen! Wo war die rothaarige Elbenmagierin eigentlich?
"Hört mal alle her! Hat jemand von euch Merilwen gesehen?", rief er.
Alle schauten sich suchend um.
"Sie mudd bei euch gewesen sein als der Angriff begann. Vor uns war sie jedenfalls nicht!", sagte Tarawyn.
Alfiriel nickte bestätigend.
Elladan und Elrohir zuckten gleichzeitig mit den Schultern. Gawen schüttelte ebenfalls den Kopf. Gimli rammte den Griff seiner Zweihänderaxt in den Boden und stützte sich mit den Händen darauf ab.
"Ich habe sie auch nicht gesehen aber ich kann auch nicht sagen, dass ich traurig darüber bin, dass sie weg ist.", grummelte er.
Die Magierin, nein sie benahm sich eher wie eine Hexe, war ihm nicht ganz geheuer gewesen. Sie hatte etwas düsteres an sich gehabt und abgesehen davon hatte er die Art nicht gemocht, wie sie seinem Freund Legolas zugesetzt hatte. Offensichtlich war sie eifersüchtig auf das unbekannte Mädchen, in das der Elbenprinz sich verliebt hatte.
Aragorn schüttelte verzweifelt den Kopf. Ein weiteres, mysteriöses Verschwinden war genau das, was er jetzt gebraucht hatte. Andererseits, hätte Merilwen nicht auf sich aufmerksam gemacht, wenn sie gegen ihren Willen verschwunden wäre? Er kannte diese Frau nicht und auch Elladan und Elrohir konnten ihm auf sein Nachfragen hin, kaum etwas über sie berichten, ausser, dass sie in der Bibliothek ihres Vaters lange Zeit studiert hatte.
"Wir sollten ein Feuer anzünden, heute Nacht wird es sehr kalt werden.", bemerkte Elrohir und rieb sich die Hände, als wollte er seine Aussage damit unterstreichen.
Elronds Sohn hatte recht. Die Luft roch nach Frost. Aragorn hoffte nur, das, sollten sie noch leben, Arwen und Valshiya von dem plötzlichen Wintereinbruch nicht unvorbereitet überrascht wurden.
Lautlos gesellte Tarawyn sich zu Alfiriel, die den Schlaf ihres Bruders bewachte. Lautlos... so dachte er zumindest. Sie bemerkte ihn trotzdem.
"Nun komm schon her, ich werde dich auch nicht gleich wieder fortjagen.", versprach sie.
Tarawyn staunte, wie wunderschön die Prinzessin aussah. Der Vollmond, der sich tapfer zwischen den schleierartigen Wolken hervorkämpfte, liess ihr Haar glänzen wie frischgefallenen Schnee. Ihre wunderschönen grauen Augen sahen traurig aus. Das war nicht so, wie es sein sollte. Solche Augen, Sternen gleich, sollten niemals traurig aussehen. Doch sie machte sich Sorgen um ihren Bruder. Wieder einmal wünschte sich Tarawyn, dass er ihr ebenso nahe sein konnte.
"Wie geht es ihm?", erkundigte er sich.
Es schien der richtige Anfang für ein Gespräch mit ihr zu sein, denn sie blickte ihn überrascht an. Was überraschte sie so? Dass er sich ebenfalls um den Prinzen sorgte? Aber es war nicht einfach nur eine Floskel. Allerdings wurde ihm das selbst erst bewusst, als er es ausgesprochen hatte. In der ganzen Zeit, die er jetzt mit ihm zusammen nach seiner Schwester suchte, hatte er ihn näher kennen- und auch schätzen gelernt. Alfiriel schaute ihm direkt in die Augen. Einen Augenblick lang glaubte er, sie wollte ihn wieder prüfen. Doch dann seufzte sie uns senkte den Blick. Gut. Denn hätte sie ihn geprüft, wäre das ein Zeichen für ihn gewesen, dass sie ihm immer noch mißtraute.
"Ich denke, daß er morgen wieder auf den Beinen ist. Der Pfeil war nicht vergiftet und die Wunde ist sauber.", erklärte sie.
Tarawyn nickte. Nun wusste er nicht, wie er das begonnene Gespräch weiterführen sollte. Verzweifelt suchte er nach Worten, doch Alfiriel kam ihm zuvor.
"Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal sagen werde, Tarawyn, aber ich danke dir von ganzem Herzen, dass du heute da warst, als ich dich brauchte..."
"Dein Bruder hätte es auch ohne meine Hilfe geschafft. Wie du schon sagtest, die Verletzung ist nicht so schlimm..."
Tarawyn stockte, als er ihren Blick bemerkte. Es war, als hätte er einen Sturm entfesselt.
Sie zischte:
"Tarawyn, bitte unterbrich mich nicht. Es gibt nichts auf der ganzen Welt, dass ich mehr hasse."
Als sie sich seiner uneingeschränkten Aufmerksamkeit sicher war, wurde ihr Gesichtsausdruck wieder weicher und sie fuhr fort:
"Wie gesagt, ich bin dir dankbar, dass du heute für mich da warst. Zu Beginn unserer Reise habe ich dir das nicht zugetraut. Doch du hast mehr Seiten an dir, als ich geahnt habe. Die Seite von dir, die du im Moment zeigt, beginne ich sogar zu mögen."
Sie schwieg und gab ihm somit Zeit für eine Reaktion. Aber er wusste nicht, wie er reagieren sollte. Sie war so launisch wie das Herbstwetter. Vielleicht sagte er das falsche. Das Schweigen zwischen ihnen wurde immer lauter. Schliesslich nahm er ihre Hand. Sie zog sie nicht zurück. War das ein gutes Zeichen?
"Lass uns bitte ein Stück gehen.", bat er.
Sie entfernten sich ein wenig von dem hastigl aufgebauten Lager.
"Schau nur, wie gut man heute Nacht die Sterne sehen kann.", bemerkte Tarawyn.
Es war eine kalte Nacht und die Luft war ungewöhnlich klar.
"Tust du das alles nur um meinetwillen?", fragte Alfiriel.
Tarawyn blinzelte.
"Ich verstehe deine Frage nicht ganz. Was tue ich um deinetwillen? Ich bin der, der ich immer war. Es sind mir nur einige Dinge klar geworden. Wenn du mir immer noch meinen Fehltritt übelnimmst... Finlass hat mir etwas versprochen, doch ich habe eingesehen, dass ich das, was ich von Herzen begehre, auf diese Art nie bekommen, sondern eher für immer verlieren werde."
Jetzt sah sie ihm direkt in die Augen. Er wich ihrem Blick nicht aus. Auch ohne ihre magischen Fähigkeiten, blickte sie ihm direkt ins Herz. Der Vollmond, der über seiner Schulter stand, spiegelte sich in diesen Sternenaugen. Sie ergriff seine Hände. Klein, warm und zart, lagen sie in den seinen.
"Was ist es denn, was du begehrst?", fragte sie und war sich im selben Moment nicht mehr sicher, ob sie die Antwort überhaupt hören wollte.
"Prinzessin, ich bin kein Poet. Dass, ich ein Elb bin, macht nicht zwangsläufig jemanden aus mir, der Gedichte schreiben kann über die Natur oder... die Schönheit einer Frau. Aber glaubt mir, wenn mir in einer lichten Stunde dennoch die richtigen Worte einfallen sollten, kann es nur ein Gedicht über dich sein."
Sie hatte geahnt, dass er so etwas sagen würde. Oh, sie hatte es eigentlich sogar voraussagen können. Da hast Du's Firiel, sagte sie zu sich selbst, jetzt sieh, was du daraus machst. Sie konnte allerdings nicht verhindern, daß sie verschämt errötete, ausser ihrem Vater und Legolas hatte noch kein männliches Wesen sich gewagt, so etwas - zugegeben - sehr nettes über sie zu sagen.
"Oh!", brachte sie nur hervor. Tarawyn erschrak. Hatte er jetzt seine Grenzen überschritten? Die wunderschöne Elbenfrau, die da vor ihm stand war schliesslich die Tochter seines Königs. Andererseits, dachte er bei sich, jetzt habe ich schon damit begonnen, jetzt kann ich es auch zu Ende bringen.
"Alfiriel, verstehst du? Wenn jemand in mir den Poeten weckt, dann bist du es..."
"Das ist jetzt wohl nicht der richtige Augenblick für so etwas, Tarawyn, mein Bruder..."
"Vergiß doch nur ein einziges Mal deinen Bruder.", seufzte er.
Er liess sich vor ihr auf ein Knie nieder, immer noch ihre Hände haltend und fuhr fort:
"Angesichts deiner Schönheit, Prinzessin, gehe ich auf die Knie. Wenn ich dich nur anschauen kann, werden alle meine Träume wahr. Meine Hand auf mein Herz", er legte seine rechte auf sein Herz um mit dieser Geste das Gesagte zu unterstreichen, "ein Herz voller Liebe für dich. Ich kann nur in Ehrfurcht deine Schönheit anstarren und mich dabei unwürdig fühlen. Alfiriel, ich lege dir mein Herz zu Füssen, bist du so gnädig und nimmst es an?"
Oh nein! Alfiriel sah sich gehetzt nach irgend etwas hartem um, dass sie sich vor den Kopf schlagen konnte, um aus diesem Traum... Angsttraum... dieser Illusion... dieser Nachtmahr, was auch immer, herauszukommen. Passierte ihr das gerade wirklich? Oh verdammt, warum musste ihr auch bloss gefallen, was Tarawyn da zu ihr sagte. Sie wollte soeben die Flucht nach vorne beginnen und ihm erzählen, dass sie sich von seiner - zugegebenermaßen sehr poetischen - Liebeserklärung zwar unheimlich geschmeichelt fühlte, seine Liebe aber keine Zukunft haben konnte, da Elrond und Thranduil schon lange in Verhandlungen standen und sie bald Elladan zum Gefährten nehmen würde, als eben dieser plötzlich aus dem Dunkel auftauchte.
Er räusperte sich und unterbrach damit die - unangenehme? - romantische Stimmung.
"Firiel", sagte er und benutzte dabei die vertraute Form ihres Namens, die auch Legolas benutzte, "ich wollte euch nicht stören, doch es war Zeit für die Wachablösung und auf der Suche nach Tarawyn kam ich hier vorbei."
Tarawyn verstand. Der Prinz aus Bruchtal wollte ihm damit sagen, dass es schliesslich an ihm war, Wache zu halten. Er erhob sich, klopfte sich verlegen die Erde von der Hose und warf Alfiriel einen Blick zu, der ihr sagen sollte *ich habe deine Antwort noch nicht*. Elladan hingegen warf er einen Blick zu, den man nur als vernichtend bezeichnen konnte.
Kaum war er in der Dunkelheit verschwunden und seine leisen Schritte auf dem Waldboden verklungen, lief Alfiriel auf Elladan zu und fiel ihm um den Hals. Für einen kurzen Moment spürte sie sein langes Haar an ihrer Wange. Er duftete nach kaltem Wind, Rauch und Fichtennadeln. Das war nicht unangenehm, fand Alfiriel, immerhin erinnerte dieser Duft sie an zu Hause, und sie presste ihre Hände ein wenig fester an seinen Rücken, als sie eigentlich beabsichtigt hatte. Elladan löste ihren Griff und hielt sie eine Armlänge von sich entfernt.
"Was ist denn los, nîn nim cygu[1]? Wollte Tarawyn dir etwa Böses...?", fragte er.
Nim cygu? Alfiriel war überrascht. So hatte Elladan sie schon lange nicht mehr genannt. Nicht, seit Thranduil und Elrond in Verhandlungen miteinander standen. Es war ein Kosename, den er ihr gegeben hatte, als sie noch eine ganz junge Elbe gewesen war. Fand er den Gedanken, mit ihr den Bund einzugehen etwa eben so absurd wie sie die Liebeserklärung Tarawyns? Ihr Blick fiel auf sein blauschwarzes Haar, dass im Mondlicht glänzte wie die schimmernden Federn eines Raben. *Nîn celeir cyrch*[2], dachte sie und wunderte sich gleich darüber. Eine weisse Taube und ein glänzender Rabe. Wie gut sie doch zusammenpassten. Zwei dunkle, saphirblaue Augen schauten sie erwartungsvoll an und sie erinnerte sich, dass sie Elladan immer noch eine Antwort schuldete.
"Nein, es ist alles in Ordnung. Er hat mir nur seine...", sie glaubte es immer noch nicht, "Liebe gestanden."
Einen Moment lang konnte Elladan sie nur verdutzt anschauen, dann lachte er auf.
"Cygu! Was ist daran so schlimm? Du machst ein Gesicht, als hättest du ein Gespenst gesehen.", wollte er wissen.
Alfiriel blinzelte. Waren denn jetzt plötzlich alle verrückt geworden.
"Elladan", erinnerte sie ihn, "du und ich... ooh, es ist mir schon unangenehm überhaupt darüber zu reden. Vater sagt, wir werden den Bund miteinander eingehen. Ist es dir etwa vollkommen egal, wenn ein anderer mir den Hof macht?"
Ihre Empörung brachte ihn nur noch mehr zum lachen, was ihm einen leichten Tritt vor's Schienbein einbrachte.
"Du benimmst dich nicht wie eine Prinzessin!", schimpfte er, konnte sich das Lachen aber immer noch nicht verkneifen.
Nun vollkommen aus der Ruhe warf Alfiriel verzweifelt ihre Arme in die Luft und rief:
"Was ist das mit der Liebe? Macht sie vollkommene Trottel aus uns. Ich bin eine Elbe, müsste ich von allen Lebenwesen Ea's nicht am meisten von diesem Spiel verstehen. Immerhin wird behauptet, dass die Liebe einer der Stoffe ist, aus denen Iluvatar uns geschaffen hat. Stattdessen lässt sie mein Gehirn zu Brei und mein Herz zu einem wildflatternden Vöglein werden."
"Ist es dir denn so unangenehm?", wollte Elladan wissen.
Sie schüttelte den Kopf.
"Aber es ist noch nicht lange her, da konnte ich ihn einfach nicht ausstehen. Jetzt hat er mir eine andere Seite von sich gezeigt."
Elladan schmunzelte und erwiderte:
"Es heisst nicht umsonst in einem uralten Gedicht 'Der Himmel ist dort, wo ich einst fürchtete zu sein'."
Er hatte recht, Alfiriel kannte das Gedicht, und dafür hätte sie ihn am liebsten geschlagen. Der schwarzhaarige Prinz aus Bruchtal legte einen Arm um die zierliche Tochter Thranduil's, die genaugenommen tatsächlich seine Verlobte war. Genau in diesem Moment fing es an zu schneien. Wie glitzernde Kristalle fielen die Flocken lautlos zu Boden. Selbst unter den Bäumen dauerte es nicht lange, bis der Boden von einer dünnen Schicht aus Schnee bedeckt war. Mit einem Mal erinnerte sich Alfiriel, was sie hier eigentlich tat. Sie waren auf der Suche nach Arwen und Valshiya.
"Ich sollte mich jetzt ein wenig ausruhen. Wenn ihr die Spur morgen nicht mehr sehen könnt, werdet ihr meine Hilfe brauchen. Immerhin bin ich jetzt, da Merilwen auf so mysteriöse Weise verschwunden ist, die einzige Magierin, die dazu in der Lage ist, die Spuren auch noch unter dem Schnee zu erkennen.", sagte sie und war gleichzeitig froh, dass sie jetzt eine verantwortungsvolle Aufgabe hatte, die sie ein wenig von Tarawyn und seiner gut gemeinten Zuneigung ablenkte.
Das wars! Irgendwie bin ich vom eigentlichen Thema total abgewichen. Aber irgendwie war mir nach einer Liebeserklärung. @Sleepy: Ich hoffe, Du bist mit dieser Version der Liebeserklärung einverstanden. Habe mir die halbe Nacht den Kopf darüber zerbrochen. Im übrigen habe ich eine gute (schlechte?) Nachricht für euch: Mir ist beim Schreiben dieses Kapitels die Storyline für ein sinnvolles Sequel für "Liebe zu finden" eingefallen. Allerdings muss ich natürlich erst einmal diese Story zu Ende bringen. ----------------------- [1] nîn nim cygu = meine weiße Taube [2] Nîn celeir cyrch = Mein glänzender Rabe (Rabe = eigentlich Krähe, es gibt im Sindarin kein Wort für Rabe!)
