Zum ersten Teil dieses Kapitels inspirierte mich der Song "December" von
All about Eve und "The calm before the storm" von Arcana.
Beim Überarbeiten dieses Kapitels habe ich mir wieder und wieder den Song
"Snowing" von Depeche Mode angehört.
16. Wiedersehen
Legolas wollte nicht bei den anderen sein. Er war hoch auf den Bergfried der Garnisonsburg gestiegen. Den wachhabenden Soldaten hatte er fortgeschickt. Da dieser seine Befehle hatte, hatte er zunächst gezögert, den Elbenprinzen allein zu lassen. Letzten Endes hatte er sich aber besonnen, dass es sich doch auch immerhin um einen königlichen Befehl handelte und das der Elb eine etwaige Gefahr mit seinen scharfen Augen wohl noch eher erkennen würde als er. Nun stand Legolas also alleine auf der Wehrplattform des Bergfriedes und blickte zu den Sternen auf, als hoffte er, dort Antworten auf seine vielen unausgesprochenen Fragen zu finden.
Legolas hatte wirklich damit gerechnet, Neuigkeiten über Valshiya zu erfahren. Ein Teil seiner Selbst, voller Naivität - wenn man es so nennen wollte - hatte sogar geglaubt, dass Aragorn ihn mit den Worten: "Arwen und Valshiya sind in Sicherheit.", begrüssen würde. Stattdessen verbreiteten Elladan und Elrohir wirres Zeug über eine unterirdische Ruinenstadt und das die Spuren, die sie verfolgt hatten deswegen verschwunden waren. Wenn dem wirklich so wäre, hatte es dann noch Sinn, weiter nach Arwen und Valshiya zu suchen. Niemand besser als er wusste, was sich unter der Erde versteckte. Er sollte zurückreiten und sich dem Willen seines Vaters fügen. Aber andererseits: Seit wann war er ein Feigling?
Wieder ergriff eine nie gekannte Schwermut von seinem Herzen Besitz. War dies das Gefühl, wenn man an gebrochenem Herzen starb? Er hatte es sich wirklich schlimmer vorgestellt. Es blieb nur die Frage, wie lange es wohl dauerte... Und Alfiriel? War sie sonst für ihn da, hatte freundliche und aufmunternde Worte für ihn, war sie jetzt selbst beschäftigt damit, selbst das Geheimnis der Liebe zu entdecken - hin und her gerissen zwischen der Aufmerksamkeit sogar zweier feiner Elbenherren. Schliesslich würde man ihr ja auch die Wahl lassen, mit wem sie den Bund eingehen würde.
Hauptmann Delrodin hatte Aragorn seine uneingeschränkte Hilfe bei der Suche nach der Königin zugesagt. Aragorn hatte immer noch die Hoffnung Arwen wiederzufinden. Nun, dann hatte er wenigstens etwas! Legolas zuckte mit den Schultern. Einen Moment hatte er sich darüber gewundert, wie zynisch er geworden war aber dann schüttelte er den Gedanken einfach ab. Er hatte sich, bevor er hier heraufgekommen war, fürchterlich mit Aragorn darüber gestritten, ob es überhaupt noch Sinn machte, nach den beiden Frauen zu suchen, oder ob man sich nicht doch damit abfinden sollte, dass sie... Selbst jetzt wagte er sich nicht, den Gedanken zuende zu führen. Er konnte Aragorn schon verstehen, dass er es nicht wahrhaben wollte. Aragorn hatte ihn völlig falsch verstanden und schon hatte ein Wort das andere ergeben.
"DAS IST NICHT WAHR!", hatte Aragorn geschrien und mit der Faust auf den Tisch geschlagen.
Etwas leiser hatte er hinzugefügt:
"Sie sind nicht tot. Ich kann es spüren. Legolas, ich würde wissen, wenn Arwen etwas zugestossen wäre. Verstehst du das denn nicht? Wir sind durch unsere Herzen miteinander verbunden."
"Das glaube ich dir ja, doch wenn wir diese Möglichkeit schon in Betracht ziehen würden... es würde es uns leichter machen.", hatte Legolas ganz ruhig darauf erwidert.
Hätte er nicht schon vorher gespürt, dass dieser Wutausbruch von Aragorn in der Luft gelegen hatte, hätte er sich wahrscheinlich erschrocken.
"Wenn du damit leben kannst, jeden Tag deines verfluchten langen Lebens morgens mit dem Gefühl aufzuwachen, deine Geliebte im Stich gelassen zu haben... bitte, dann tu es. Für mich kann das nicht gelten. Ich würde weiter suchen.", hatte Aragorn gebrüllt.
Und da war es dann auch mit Legolas' elbischer Selbstbeherrschung vorbei.
"Mensch!", schrie er voller Verachtung, "Bilde dir bloss nicht ein, auch nur ansatzweise zu verstehen, was es für Gefühle sind, die mich bewegen! Nur weil Arwen eine Elbe ist, heisst das noch lange nicht, dass du auch in der Lage bist, alle Elben zu verstehen."
Schon einen Sekundenbruchteil nach dem er es ausgesprochen hatte, bereute er es auch schon wieder. Legolas hatte nicht geahnt, dass er zu solchen Gefühlsausbrüchen überhaupt fähig war. Aragorn stand nur da, wie vom Blitz gerührt, denn auch er hatte nicht damit gerechnet, solche harschen Worte von dem Mann zu hören, der für ihn immer wie ein Vetter gewesen war. Immerhin stammte er aus der selben Familie wie Arwen. Celebrian, Arwens Mutter, war eine entfernte Verwandte von Legolas.
"Es... es tut mir leid. Ich habe nicht nachgedacht.", stammelte Legolas.
Doch er spürte den Bruch in ihrer Freundschaft, nicht gross aber wie ein feiner Sprung in einem Glas, das mehrmals auf den Boden gefallen und glücklich gelandet war aber den neuerlichen Fall nicht mehr hatte unbeschadet überstehen können.
Aragorn, dessen Gesichtsfarbe von feuerrot zu kreidebleich gewechselt hatte, hatte erwidert:
"Es ist schon in Ordnung. Wir sind wohl beide sehr aufgewühlt... vielleicht sollten wir jetzt erst einmal schlafen gehen. Ein wenig Ruhe kann uns allen nicht schaden."
Legolas war dem Blick seines Freundes ausgewichen und hatte damit verraten, dass er selbst weder ein noch aus wusste. Ein neues, unbekanntes Gefühl. Ansonsten hatte er immer gewusst was zu tun war. Das war es auch, was ihm gegenüber seinem Bruder immer einen gewissen Vorsprung verschafft hatte. In der letzten Tagen hatte er ohnehin immer mehr das Gefühl, sich selbst neu kennenzulernen. Er seufzte tief und liess sich auf den Boden sinken, den Rücken an die steinernen Zinnen des Turms gelehnt.
"Es tut mir leid!", flüsterte er und wusste selbst nicht genau, wem diese Entschuldigung nun galt.
Aragorn, weil er sich mit ihm gestritten hatte, Valshiya, weil er sich die Schuld dafür gab, weil sie verschwunden war oder gar sich selbst, weil er nicht mehr in der Lage war, seine eigenen Handlungsweisen zu verstehen?
*****
Jhelayna's Vater, Durbin Debrandon, hatte sich mehr als einmal für die bescheidene Einfachheit seiner Köhlerhütte entschuldigt. Arwen und Valshiya hingegen kam die kleine Hütte allerdings, nach dem Gefängnis und der ausgehöhlten Eiche mitten im Wald, wie ein Palast vor. Im übrigen wurden sie durch den kräftigen Pilzeintopf, den Malita Debrandon gekocht hatte, mehr als entschädigt. Malita scheuchte Jhelayna hinaus zum Brunnen um Wasser zu holen.
"Nach dem Essen werdet ihr euch sicherlich baden wollen. Ich werde das Wasser über dem Feuer für euch heiss machen. Das wird ein wenig dauern aber es wird euch gut tun. Leider haben wir nur eine einfache Holzwanne. Mit Sicherheit sind die edlen Damen etwas anderes gewohnt...", plapperte die kleine, dickliche Frau mit den ständig geröteten Wangen und huschte aufgeregt durch das kleine Haus.
"Bitte, macht euch nicht mehr Mühe als für jeden anderen Gast. Vergesst nicht, dass wir auch Elben sind und als solche sind wir es gewohnt, auch in Waldbächen und Flüssen zu baden. Es war einfach nur dieser plötzliche Kälteeinbruch, der uns zu schaffen machte. Wir wurden überrascht.", sagte Arwen.
Valshiya musterte zum wiederholten Male den jungen Mann der teilnahmslos in einer Ecke der kleinen Hütte sass. Seit sie hierhergekommen waren, hatte er noch kein Wort gesagt. Eigentlich war er - für einen Menschen - sehr gutaussehend, wenn nicht diese eigenartigen Augen gewesen wären. Sie waren stumpf und milchig und wenn er in eine bestimmte Richtung schauen wollte, bewegte er gleich immer den ganzen Kopf. Das geschah allerdings nur sehr selten.
"Das ist mein Bruder Jheryn.", erklärte Jhelayna merkwürdig tonlos. "Er ist so merkwürdig, seit er von Hauptmann Delrodin aus der Garnison fortgeschickt worden war. Der Hauptmann sagt, er würde nach ihm schicken, wenn er ihn wieder braucht. Ich glaube aber eher, dass er ihn einfach nur loswerden wollte, seit er so... eigenartig ist."
Valshiya wandte ihren Blick ab. Sie war sich nicht sicher, ob Jhelayna es vielleicht für unfreundlich hielt, wenn sie ihren Bruder anstarrte.
Nachdem sich Arwen und Valshiya satt gegessen hatten, badeten sie in dem einfachen Holzzuber in einem abgetrennten Bereich des Wohnraums. Jhelayna's Vater war so anständig, das Haus zu verlassen, während die beiden Frauen badeten und Malita und Jhelayna gingen ihnen zur Hand, so wie es ihre Zofen im königlichen Palast von Minas Tirith oder in den Eichenhallen des Düsterwalds auch getan hätten. Es war das erste Mal, dass die beiden Frauen sich seit langer Zeit wieder wirklich wohl fühlten.
Als sie sich in der guten Kammer, die Durbin und Malita ihnen für diese Nacht überlassen hatten, in die Betten legten, sprachen sie noch ein wenig miteinander.
"Ich werde Aragorn daran erinnern, dass er diese guten Leute für ihre Gastfreundschaft belohnt, wenn ich wieder in Minas Tirith bin. Es ist mir sehr unangenehm, dass ich nichts habe, womit ich sie entlohnen könnte.", sagte Arwen leise.
"Vielleicht könntest du Jhelayna damit entlohnen, sie als Hofdame mit nach Minas Tirith zu nehmen. Ist das nicht der Wunsch jedes jungen Mädchens? Sie scheint mir ein gutes und intelligentes Mädchen zu sein und hier, mitten im Wald, welche Zukunft kann sie schon erwarten? Irgendwann wird sie an irgendeinen Mann aus der Stadt verheiratet und wird dann ein Leben lang nur das Haus hüten und Kinder bekommen müssen. Vielleicht kann man sie mit einem der Ritter Aragorns verheiraten.", erwiderte Valshiya.
Arwen lachte:
"Du machst Hochzeitspläne für sie? Jetzt benimmst du dich auch nicht besser als König Thranduil, der seinem ältesten Sohn vorschreiben will, wen er zu heiraten hat."
"Ach!", rief Valshiya aus und warf mit ihrem Kissen nach Arwen.
Sie hasste es, dass Arwen sie schon wieder an ihn erinnern musste. Es kam ihr fast so vor, als würde sie es absichtlich machen.
Arwen warf das Kissen zurück und meinte:
"Wir sollten jetzt schlafen, denn Jhelayna will morgen schon sehr früh mit uns nach Pardanor fahren. Sie will für ihren Vater Holzkohle auf dem Markt verkaufen. Wenn wir so früh da sind, werden wir bestimmt auch schnell eine Möglichkeit finden, weiter nach Minas Tirith reisen zu können. Wenn es in Pardanor tatsächlich die Garnison gibt, werden wir vielleicht auch dort warten können, bis Aragorn eine Eskorte schickt. Er wird sich sicher schon Sorgen machen."
Sei doch endlich ruhig, dachte Valshiya und zog sich das Kissen über den Kopf. Zurück in den Düsterwald zu kommen, würde für sie nicht annähernd so schön sein, wie eine Rückkehr nach Minas Tirith für Arwen. Sie würde, wenn sie nach Düsterwald zurückkehrte, Legolas wiedersehen, ja, aber einen Legolas, der verheiratet war. Vielleicht war er tatsächlich immer noch unglücklich. Dann würde es ihr das Herz zerreissen, wenn sie ihm nicht den Trost spenden konnte, den er brauchte. Es würde einen Skandal geben, wenn der vermählte Prinz von Düsterwald sich an der Schulter seiner Jugendfreundin ausweinte. Vielleicht hatte er sich aber auch schon daran gewöhnt, mit Riona verheiratet zu sein. Vielleicht hatte er festgestellt, dass sie doch mehr gemeinsam hatten, als er vorher vermutet hatte und, da sie selbst so lange fort gewesen war, vielleicht liebten sie sich schon, vielleicht trug sie auch schon Legolas' Erben unter dem Herzen..., ach, sie wollte einfach nicht daran denken.
*****
Legolas war mit dem Rücken zur Wand auf dem Wehrturm eingeschlafen. Da er ein Elb war, machte ihm die unbequeme Haltung und die Kälte so gut wie gar nichts aus. Alfiriel hatte tatsächlich wieder einmal recht gehabt. Er hatte es gewusst aber manchmal sagte sie einfach Dinge, die er nicht wahrhaben wollte. Sie hatte ihn davor gewarnt, dass auch ein Elb irgendwann am Ende seiner Kräfte angelangt war und dass er dringend Schlaf nötig hatte.
Es musste so sein, denn ansonsten wäre er nicht so völlig übergangslos einfach eingeschlafen. Zwischen Schlafen und Erwachen hatte es kein Dösen gegeben und traumlos war sein Schlaf überdies gewesen. Was deshalb so ungewöhnlich war, weil der Schlaf eines Elben eigentlich ein einziger Traum war.
Zuletzt hatte er als Kind so fest geschlafen, wenn er sich tagelang beim Spielen verausgabt hatte. Er musste leicht schmunzeln, als er daran dachte. Er war schon ein wildes Kind gewesen. Diese Wildheit war das Erbe seiner Mutter, einer Elbe, die ungewöhnlich temperamentvoll gewesen war und die erst Thranduil, sein Vater hatte zähmen können. Ganz nebenbei bemerkte Legolas, dass es wieder zu schneien begonnen hatte und diesmal blieb der Schnee, aufgrund des vorhergegangenen, langanhaltenden Frostes, sogar liegen.
War es der Schnee gewesen, der ihn geweckt hatte oder der Aufruhr, der offenbar unter ihm im Hof vonstatten ging? Er konnte sich die Frage nicht beantworten aber die Unruhe im Hof weckte doch seine Neugier. Da war ein Stimmengewirr, als ob der König persönlich eingetroffen war aber... der war ja schon hier. Was also konnte es sein, das eine solche Unruhe verursachte. Schnell war Legolas auf den Beinen und schaute über die Zinnen in den Burghof.
Tatsächlich schien es so, als sei die ganze Garnison auf den Beinen. Alles scharte sich um zwei abgerissen wirkende, zierliche Personen mit schwarzen Haarschöpfen. Iluvatar! War er im Schlaf der Herrin der Träume begegnet und hatte sie sein Flehen erhört? Konnte es denn möglich sein...?
Als Aragorn in den Hof stürmte, auf die eine, grössere Person zueilte und sie wie ein Verzweifelter in seine Arme schloss, gab es auch für ihn keinen Zweifel mehr. Valshiya war zurück!
Er lief, nein, er rannte zur Tür, die zur Wendeltreppe führte, um in Windeseile herunterzustürmen. Dann blieb er abrupt stehen. Was sollte er tun? Was würde sie denken, ihn hier anzutreffen. Sie konnte nichts davon wissen, wie seine Gefühle sich ihr gegenüber gewandelt hatten. Es fiel ihm schwer, aber er zwang sich die Treppe langsam hinunterzugehen und gelangte unten an, als sich die Menge im Hof schon langsam wieder auflöste. Nur Aragorn, Elladan, Elrohir, Tarawyn, Alfiriel, Gawen, Gimli, die beiden Frauen und eine weitere, unbekannte weibliche Person standen noch im Hof, doch auch sie wollten gerade die Burg betreten. Aragorn entdeckte Legolas und rief ihm zu:
"Legolas! Wir haben uns schon gefragt, wo du bleibst. Siehst du... ich habe es dir gesagt... aber darüber reden wir andermal. Valshiya und Arwen sind mit Sicherheit ziemlich erschöpft. Ich werde ihnen zunächst Zimmer bereiten lassen und morgen will ich eine kleine Feier...", er redete weiter, glücklich strahlend, seine Frau in seinen Armen, doch Legolas hörte ihm gar nicht mehr zu.
Für ihn war der Frühling nach Mittelerde zurückgekehrt, der Frühling in Gestalt dieser wunderschönen Frau. Er stellte überrascht fest, dass er sie bisher noch nie in diesem Licht betrachtet, sondern immer nur als Freundin und junges Mädchen angesehen hatte. Ihre Augen waren so grün, wie die Blätter der Eichen und Buchen des Düsterwalds im Frühling. Seine ganze Welt schrumpfte zusammen und beschränkte sich auf die wenigen Meter, die ihn von Valshiya trennten. Er fühlte einen Stich im Herzen, als er bemerkte, wie dünn sie geworden war. Ihr Haar glänzte nicht so, wie es sollte und ihre Augen waren merkwürdig glanzlos. Was hatte sie nur erlebt? Er hatte plötzlich das Bedürfnis, sie für immer vor allen Gefahren der Welt zu beschützen.
"Alae, galwen nîn[1]" murmelte er.
Als Aragorn seinen Namen sagte, wandte sie sich um und sah sich ihm gegenüber. Blieb ihr denn gar nichts erspart? Er war abrupt stehengeblieben und schaute sie nur unschlüssig an. Etwas angstvoll erwartete sie, jeden Moment auch Riona zu erblicken, die dann besitzergreifend nach seiner Hand greifen würde, um ihr zu verdeutlichen, dass der Prinz der Waldelben alleine ihr gehörte. Legolas murmelte etwas, was sie nicht verstehen konnte und kam dann langsam auf sie zu. Am liebsten wäre sie einfach fortgelaufen.
"Alae, Valshiya, es freut mich, dich gesund wiederzusehen. Ein Bote aus Gondor kam am Tag meiner Hochzeit und erzählte von deinem und Arwens Verschwinden und das Aragorn meine Hilfe benötigte. Für mich gab es kein Halten mehr. Ich musste dich finden... immerhin bist du meine Freundin.", sagte er leise.
Warum klang diese Begrüssung nur so stockend, fragte Valshiya sich. Doch bevor sie Legolas' eigenartiges Verhalten näher ergründen konnte, wurde ihre Aufmerksamkeit schon wieder von etwas anderem abgelenkt. Ein junger Soldat, den sie nicht kannte, bat sie, ihm zu folgen.
"Es ist ein Zimmer für euch vorbereitet worden. Wenn ihr mir folgen wollt, werde ich es euch gerne zeigen, Mylady.", sagte er.
Sie folgte ihm und im Vorübergehen bemerkte sie den Blick, den Jhelayna dem blondgelockten Soldaten hinterherschaute. Oh, nein, dachte Valshiya, nicht noch eine Verliebte! Das Verliebtsein hatte ihr bisher nur Kummer gebracht und anscheinend wollte zumindest das kein Ende nehmen! Warum war Legolas bloss hier und, was viel wichtiger war, war Riona etwa auch hier?
"...hörst du mir überhaupt zu?", hörte er plötzlich Alfiriel's Stimme neben sich.
"Was? Entschuldige, ich habe dir nicht zugehört!", sagte Legolas und seine Stimme klang immer noch verträumt und weggetreten.
Zwar hatte er inzwischen wohl registriert, daß Alfiriel etwas von ihm wollte, doch er blickte Valshiya hinterher, als wäre sie das einzige Wesen auf der Welt. Alfiriel verdrehte die Augen und seufzte tief. Und dann hatte er behaupten wollen, er könne nicht sagen, ob er verliebt ist, Lai, du bist wirklich dumm!, dachte Alfiriel.
"Ich sagte, Aragorn hat beschlossen, hier ein kleines Fest zu feiern. Das wäre die richtige Gelegenheit, mit Valshiya zu sprechen. Ich denke, dass Du ihr doch viel zu sagen hast, oder etwa nicht?"
Erschrocken schaute Legolas seine Schwester an. Er fragte:
"Was soll ich ihr denn sagen?"
Und wieder verdrehten sich Alfiriels Augen Richtung Himmel. Ihr Bruder würde sie irgendwann gewiss in den Wahnsinn treiben.
"Sag ihr, was sie hören will. Schau sie doch nur an! Wenn du mich fragst, empfindet sie für dich ebenso viel wie du für sie. Warum macht ihr es euch denn bloss gegenseitig so schwer?", meinte sie.
Legolas schaute immer noch in die Richtung, in der Valshiya verschwunden war und erwiderte:
"Alfiriel, ich bin so froh, dass sie wieder da ist. Wann sagtest, lässt Aragorn dieses Fest stattfinden?"
Alfiriel war schon im Gehen begriffen, als sie sich noch einmal zu ihrem Bruder umdrehte und ihm zurief:
"Morgen schon! Du hast also die ganze Nacht, dir darüber Gedanken zu machen, wie Du es ihr sagst!"
Der Blick ihres Bruders sagte mehr als tausend Worte und liess sie in schallendes Gelächter ausbrechen.
Eigentlich geht es eher darum, daß ich mir noch was überlegen muß zum Thema "Liebeserklärung" ; ))
----------------------- [1] Alae, galwen nîn = Hallo, meine Schöne
16. Wiedersehen
Legolas wollte nicht bei den anderen sein. Er war hoch auf den Bergfried der Garnisonsburg gestiegen. Den wachhabenden Soldaten hatte er fortgeschickt. Da dieser seine Befehle hatte, hatte er zunächst gezögert, den Elbenprinzen allein zu lassen. Letzten Endes hatte er sich aber besonnen, dass es sich doch auch immerhin um einen königlichen Befehl handelte und das der Elb eine etwaige Gefahr mit seinen scharfen Augen wohl noch eher erkennen würde als er. Nun stand Legolas also alleine auf der Wehrplattform des Bergfriedes und blickte zu den Sternen auf, als hoffte er, dort Antworten auf seine vielen unausgesprochenen Fragen zu finden.
Legolas hatte wirklich damit gerechnet, Neuigkeiten über Valshiya zu erfahren. Ein Teil seiner Selbst, voller Naivität - wenn man es so nennen wollte - hatte sogar geglaubt, dass Aragorn ihn mit den Worten: "Arwen und Valshiya sind in Sicherheit.", begrüssen würde. Stattdessen verbreiteten Elladan und Elrohir wirres Zeug über eine unterirdische Ruinenstadt und das die Spuren, die sie verfolgt hatten deswegen verschwunden waren. Wenn dem wirklich so wäre, hatte es dann noch Sinn, weiter nach Arwen und Valshiya zu suchen. Niemand besser als er wusste, was sich unter der Erde versteckte. Er sollte zurückreiten und sich dem Willen seines Vaters fügen. Aber andererseits: Seit wann war er ein Feigling?
Wieder ergriff eine nie gekannte Schwermut von seinem Herzen Besitz. War dies das Gefühl, wenn man an gebrochenem Herzen starb? Er hatte es sich wirklich schlimmer vorgestellt. Es blieb nur die Frage, wie lange es wohl dauerte... Und Alfiriel? War sie sonst für ihn da, hatte freundliche und aufmunternde Worte für ihn, war sie jetzt selbst beschäftigt damit, selbst das Geheimnis der Liebe zu entdecken - hin und her gerissen zwischen der Aufmerksamkeit sogar zweier feiner Elbenherren. Schliesslich würde man ihr ja auch die Wahl lassen, mit wem sie den Bund eingehen würde.
Hauptmann Delrodin hatte Aragorn seine uneingeschränkte Hilfe bei der Suche nach der Königin zugesagt. Aragorn hatte immer noch die Hoffnung Arwen wiederzufinden. Nun, dann hatte er wenigstens etwas! Legolas zuckte mit den Schultern. Einen Moment hatte er sich darüber gewundert, wie zynisch er geworden war aber dann schüttelte er den Gedanken einfach ab. Er hatte sich, bevor er hier heraufgekommen war, fürchterlich mit Aragorn darüber gestritten, ob es überhaupt noch Sinn machte, nach den beiden Frauen zu suchen, oder ob man sich nicht doch damit abfinden sollte, dass sie... Selbst jetzt wagte er sich nicht, den Gedanken zuende zu führen. Er konnte Aragorn schon verstehen, dass er es nicht wahrhaben wollte. Aragorn hatte ihn völlig falsch verstanden und schon hatte ein Wort das andere ergeben.
"DAS IST NICHT WAHR!", hatte Aragorn geschrien und mit der Faust auf den Tisch geschlagen.
Etwas leiser hatte er hinzugefügt:
"Sie sind nicht tot. Ich kann es spüren. Legolas, ich würde wissen, wenn Arwen etwas zugestossen wäre. Verstehst du das denn nicht? Wir sind durch unsere Herzen miteinander verbunden."
"Das glaube ich dir ja, doch wenn wir diese Möglichkeit schon in Betracht ziehen würden... es würde es uns leichter machen.", hatte Legolas ganz ruhig darauf erwidert.
Hätte er nicht schon vorher gespürt, dass dieser Wutausbruch von Aragorn in der Luft gelegen hatte, hätte er sich wahrscheinlich erschrocken.
"Wenn du damit leben kannst, jeden Tag deines verfluchten langen Lebens morgens mit dem Gefühl aufzuwachen, deine Geliebte im Stich gelassen zu haben... bitte, dann tu es. Für mich kann das nicht gelten. Ich würde weiter suchen.", hatte Aragorn gebrüllt.
Und da war es dann auch mit Legolas' elbischer Selbstbeherrschung vorbei.
"Mensch!", schrie er voller Verachtung, "Bilde dir bloss nicht ein, auch nur ansatzweise zu verstehen, was es für Gefühle sind, die mich bewegen! Nur weil Arwen eine Elbe ist, heisst das noch lange nicht, dass du auch in der Lage bist, alle Elben zu verstehen."
Schon einen Sekundenbruchteil nach dem er es ausgesprochen hatte, bereute er es auch schon wieder. Legolas hatte nicht geahnt, dass er zu solchen Gefühlsausbrüchen überhaupt fähig war. Aragorn stand nur da, wie vom Blitz gerührt, denn auch er hatte nicht damit gerechnet, solche harschen Worte von dem Mann zu hören, der für ihn immer wie ein Vetter gewesen war. Immerhin stammte er aus der selben Familie wie Arwen. Celebrian, Arwens Mutter, war eine entfernte Verwandte von Legolas.
"Es... es tut mir leid. Ich habe nicht nachgedacht.", stammelte Legolas.
Doch er spürte den Bruch in ihrer Freundschaft, nicht gross aber wie ein feiner Sprung in einem Glas, das mehrmals auf den Boden gefallen und glücklich gelandet war aber den neuerlichen Fall nicht mehr hatte unbeschadet überstehen können.
Aragorn, dessen Gesichtsfarbe von feuerrot zu kreidebleich gewechselt hatte, hatte erwidert:
"Es ist schon in Ordnung. Wir sind wohl beide sehr aufgewühlt... vielleicht sollten wir jetzt erst einmal schlafen gehen. Ein wenig Ruhe kann uns allen nicht schaden."
Legolas war dem Blick seines Freundes ausgewichen und hatte damit verraten, dass er selbst weder ein noch aus wusste. Ein neues, unbekanntes Gefühl. Ansonsten hatte er immer gewusst was zu tun war. Das war es auch, was ihm gegenüber seinem Bruder immer einen gewissen Vorsprung verschafft hatte. In der letzten Tagen hatte er ohnehin immer mehr das Gefühl, sich selbst neu kennenzulernen. Er seufzte tief und liess sich auf den Boden sinken, den Rücken an die steinernen Zinnen des Turms gelehnt.
"Es tut mir leid!", flüsterte er und wusste selbst nicht genau, wem diese Entschuldigung nun galt.
Aragorn, weil er sich mit ihm gestritten hatte, Valshiya, weil er sich die Schuld dafür gab, weil sie verschwunden war oder gar sich selbst, weil er nicht mehr in der Lage war, seine eigenen Handlungsweisen zu verstehen?
*****
Jhelayna's Vater, Durbin Debrandon, hatte sich mehr als einmal für die bescheidene Einfachheit seiner Köhlerhütte entschuldigt. Arwen und Valshiya hingegen kam die kleine Hütte allerdings, nach dem Gefängnis und der ausgehöhlten Eiche mitten im Wald, wie ein Palast vor. Im übrigen wurden sie durch den kräftigen Pilzeintopf, den Malita Debrandon gekocht hatte, mehr als entschädigt. Malita scheuchte Jhelayna hinaus zum Brunnen um Wasser zu holen.
"Nach dem Essen werdet ihr euch sicherlich baden wollen. Ich werde das Wasser über dem Feuer für euch heiss machen. Das wird ein wenig dauern aber es wird euch gut tun. Leider haben wir nur eine einfache Holzwanne. Mit Sicherheit sind die edlen Damen etwas anderes gewohnt...", plapperte die kleine, dickliche Frau mit den ständig geröteten Wangen und huschte aufgeregt durch das kleine Haus.
"Bitte, macht euch nicht mehr Mühe als für jeden anderen Gast. Vergesst nicht, dass wir auch Elben sind und als solche sind wir es gewohnt, auch in Waldbächen und Flüssen zu baden. Es war einfach nur dieser plötzliche Kälteeinbruch, der uns zu schaffen machte. Wir wurden überrascht.", sagte Arwen.
Valshiya musterte zum wiederholten Male den jungen Mann der teilnahmslos in einer Ecke der kleinen Hütte sass. Seit sie hierhergekommen waren, hatte er noch kein Wort gesagt. Eigentlich war er - für einen Menschen - sehr gutaussehend, wenn nicht diese eigenartigen Augen gewesen wären. Sie waren stumpf und milchig und wenn er in eine bestimmte Richtung schauen wollte, bewegte er gleich immer den ganzen Kopf. Das geschah allerdings nur sehr selten.
"Das ist mein Bruder Jheryn.", erklärte Jhelayna merkwürdig tonlos. "Er ist so merkwürdig, seit er von Hauptmann Delrodin aus der Garnison fortgeschickt worden war. Der Hauptmann sagt, er würde nach ihm schicken, wenn er ihn wieder braucht. Ich glaube aber eher, dass er ihn einfach nur loswerden wollte, seit er so... eigenartig ist."
Valshiya wandte ihren Blick ab. Sie war sich nicht sicher, ob Jhelayna es vielleicht für unfreundlich hielt, wenn sie ihren Bruder anstarrte.
Nachdem sich Arwen und Valshiya satt gegessen hatten, badeten sie in dem einfachen Holzzuber in einem abgetrennten Bereich des Wohnraums. Jhelayna's Vater war so anständig, das Haus zu verlassen, während die beiden Frauen badeten und Malita und Jhelayna gingen ihnen zur Hand, so wie es ihre Zofen im königlichen Palast von Minas Tirith oder in den Eichenhallen des Düsterwalds auch getan hätten. Es war das erste Mal, dass die beiden Frauen sich seit langer Zeit wieder wirklich wohl fühlten.
Als sie sich in der guten Kammer, die Durbin und Malita ihnen für diese Nacht überlassen hatten, in die Betten legten, sprachen sie noch ein wenig miteinander.
"Ich werde Aragorn daran erinnern, dass er diese guten Leute für ihre Gastfreundschaft belohnt, wenn ich wieder in Minas Tirith bin. Es ist mir sehr unangenehm, dass ich nichts habe, womit ich sie entlohnen könnte.", sagte Arwen leise.
"Vielleicht könntest du Jhelayna damit entlohnen, sie als Hofdame mit nach Minas Tirith zu nehmen. Ist das nicht der Wunsch jedes jungen Mädchens? Sie scheint mir ein gutes und intelligentes Mädchen zu sein und hier, mitten im Wald, welche Zukunft kann sie schon erwarten? Irgendwann wird sie an irgendeinen Mann aus der Stadt verheiratet und wird dann ein Leben lang nur das Haus hüten und Kinder bekommen müssen. Vielleicht kann man sie mit einem der Ritter Aragorns verheiraten.", erwiderte Valshiya.
Arwen lachte:
"Du machst Hochzeitspläne für sie? Jetzt benimmst du dich auch nicht besser als König Thranduil, der seinem ältesten Sohn vorschreiben will, wen er zu heiraten hat."
"Ach!", rief Valshiya aus und warf mit ihrem Kissen nach Arwen.
Sie hasste es, dass Arwen sie schon wieder an ihn erinnern musste. Es kam ihr fast so vor, als würde sie es absichtlich machen.
Arwen warf das Kissen zurück und meinte:
"Wir sollten jetzt schlafen, denn Jhelayna will morgen schon sehr früh mit uns nach Pardanor fahren. Sie will für ihren Vater Holzkohle auf dem Markt verkaufen. Wenn wir so früh da sind, werden wir bestimmt auch schnell eine Möglichkeit finden, weiter nach Minas Tirith reisen zu können. Wenn es in Pardanor tatsächlich die Garnison gibt, werden wir vielleicht auch dort warten können, bis Aragorn eine Eskorte schickt. Er wird sich sicher schon Sorgen machen."
Sei doch endlich ruhig, dachte Valshiya und zog sich das Kissen über den Kopf. Zurück in den Düsterwald zu kommen, würde für sie nicht annähernd so schön sein, wie eine Rückkehr nach Minas Tirith für Arwen. Sie würde, wenn sie nach Düsterwald zurückkehrte, Legolas wiedersehen, ja, aber einen Legolas, der verheiratet war. Vielleicht war er tatsächlich immer noch unglücklich. Dann würde es ihr das Herz zerreissen, wenn sie ihm nicht den Trost spenden konnte, den er brauchte. Es würde einen Skandal geben, wenn der vermählte Prinz von Düsterwald sich an der Schulter seiner Jugendfreundin ausweinte. Vielleicht hatte er sich aber auch schon daran gewöhnt, mit Riona verheiratet zu sein. Vielleicht hatte er festgestellt, dass sie doch mehr gemeinsam hatten, als er vorher vermutet hatte und, da sie selbst so lange fort gewesen war, vielleicht liebten sie sich schon, vielleicht trug sie auch schon Legolas' Erben unter dem Herzen..., ach, sie wollte einfach nicht daran denken.
*****
Legolas war mit dem Rücken zur Wand auf dem Wehrturm eingeschlafen. Da er ein Elb war, machte ihm die unbequeme Haltung und die Kälte so gut wie gar nichts aus. Alfiriel hatte tatsächlich wieder einmal recht gehabt. Er hatte es gewusst aber manchmal sagte sie einfach Dinge, die er nicht wahrhaben wollte. Sie hatte ihn davor gewarnt, dass auch ein Elb irgendwann am Ende seiner Kräfte angelangt war und dass er dringend Schlaf nötig hatte.
Es musste so sein, denn ansonsten wäre er nicht so völlig übergangslos einfach eingeschlafen. Zwischen Schlafen und Erwachen hatte es kein Dösen gegeben und traumlos war sein Schlaf überdies gewesen. Was deshalb so ungewöhnlich war, weil der Schlaf eines Elben eigentlich ein einziger Traum war.
Zuletzt hatte er als Kind so fest geschlafen, wenn er sich tagelang beim Spielen verausgabt hatte. Er musste leicht schmunzeln, als er daran dachte. Er war schon ein wildes Kind gewesen. Diese Wildheit war das Erbe seiner Mutter, einer Elbe, die ungewöhnlich temperamentvoll gewesen war und die erst Thranduil, sein Vater hatte zähmen können. Ganz nebenbei bemerkte Legolas, dass es wieder zu schneien begonnen hatte und diesmal blieb der Schnee, aufgrund des vorhergegangenen, langanhaltenden Frostes, sogar liegen.
War es der Schnee gewesen, der ihn geweckt hatte oder der Aufruhr, der offenbar unter ihm im Hof vonstatten ging? Er konnte sich die Frage nicht beantworten aber die Unruhe im Hof weckte doch seine Neugier. Da war ein Stimmengewirr, als ob der König persönlich eingetroffen war aber... der war ja schon hier. Was also konnte es sein, das eine solche Unruhe verursachte. Schnell war Legolas auf den Beinen und schaute über die Zinnen in den Burghof.
Tatsächlich schien es so, als sei die ganze Garnison auf den Beinen. Alles scharte sich um zwei abgerissen wirkende, zierliche Personen mit schwarzen Haarschöpfen. Iluvatar! War er im Schlaf der Herrin der Träume begegnet und hatte sie sein Flehen erhört? Konnte es denn möglich sein...?
Als Aragorn in den Hof stürmte, auf die eine, grössere Person zueilte und sie wie ein Verzweifelter in seine Arme schloss, gab es auch für ihn keinen Zweifel mehr. Valshiya war zurück!
Er lief, nein, er rannte zur Tür, die zur Wendeltreppe führte, um in Windeseile herunterzustürmen. Dann blieb er abrupt stehen. Was sollte er tun? Was würde sie denken, ihn hier anzutreffen. Sie konnte nichts davon wissen, wie seine Gefühle sich ihr gegenüber gewandelt hatten. Es fiel ihm schwer, aber er zwang sich die Treppe langsam hinunterzugehen und gelangte unten an, als sich die Menge im Hof schon langsam wieder auflöste. Nur Aragorn, Elladan, Elrohir, Tarawyn, Alfiriel, Gawen, Gimli, die beiden Frauen und eine weitere, unbekannte weibliche Person standen noch im Hof, doch auch sie wollten gerade die Burg betreten. Aragorn entdeckte Legolas und rief ihm zu:
"Legolas! Wir haben uns schon gefragt, wo du bleibst. Siehst du... ich habe es dir gesagt... aber darüber reden wir andermal. Valshiya und Arwen sind mit Sicherheit ziemlich erschöpft. Ich werde ihnen zunächst Zimmer bereiten lassen und morgen will ich eine kleine Feier...", er redete weiter, glücklich strahlend, seine Frau in seinen Armen, doch Legolas hörte ihm gar nicht mehr zu.
Für ihn war der Frühling nach Mittelerde zurückgekehrt, der Frühling in Gestalt dieser wunderschönen Frau. Er stellte überrascht fest, dass er sie bisher noch nie in diesem Licht betrachtet, sondern immer nur als Freundin und junges Mädchen angesehen hatte. Ihre Augen waren so grün, wie die Blätter der Eichen und Buchen des Düsterwalds im Frühling. Seine ganze Welt schrumpfte zusammen und beschränkte sich auf die wenigen Meter, die ihn von Valshiya trennten. Er fühlte einen Stich im Herzen, als er bemerkte, wie dünn sie geworden war. Ihr Haar glänzte nicht so, wie es sollte und ihre Augen waren merkwürdig glanzlos. Was hatte sie nur erlebt? Er hatte plötzlich das Bedürfnis, sie für immer vor allen Gefahren der Welt zu beschützen.
"Alae, galwen nîn[1]" murmelte er.
Als Aragorn seinen Namen sagte, wandte sie sich um und sah sich ihm gegenüber. Blieb ihr denn gar nichts erspart? Er war abrupt stehengeblieben und schaute sie nur unschlüssig an. Etwas angstvoll erwartete sie, jeden Moment auch Riona zu erblicken, die dann besitzergreifend nach seiner Hand greifen würde, um ihr zu verdeutlichen, dass der Prinz der Waldelben alleine ihr gehörte. Legolas murmelte etwas, was sie nicht verstehen konnte und kam dann langsam auf sie zu. Am liebsten wäre sie einfach fortgelaufen.
"Alae, Valshiya, es freut mich, dich gesund wiederzusehen. Ein Bote aus Gondor kam am Tag meiner Hochzeit und erzählte von deinem und Arwens Verschwinden und das Aragorn meine Hilfe benötigte. Für mich gab es kein Halten mehr. Ich musste dich finden... immerhin bist du meine Freundin.", sagte er leise.
Warum klang diese Begrüssung nur so stockend, fragte Valshiya sich. Doch bevor sie Legolas' eigenartiges Verhalten näher ergründen konnte, wurde ihre Aufmerksamkeit schon wieder von etwas anderem abgelenkt. Ein junger Soldat, den sie nicht kannte, bat sie, ihm zu folgen.
"Es ist ein Zimmer für euch vorbereitet worden. Wenn ihr mir folgen wollt, werde ich es euch gerne zeigen, Mylady.", sagte er.
Sie folgte ihm und im Vorübergehen bemerkte sie den Blick, den Jhelayna dem blondgelockten Soldaten hinterherschaute. Oh, nein, dachte Valshiya, nicht noch eine Verliebte! Das Verliebtsein hatte ihr bisher nur Kummer gebracht und anscheinend wollte zumindest das kein Ende nehmen! Warum war Legolas bloss hier und, was viel wichtiger war, war Riona etwa auch hier?
"...hörst du mir überhaupt zu?", hörte er plötzlich Alfiriel's Stimme neben sich.
"Was? Entschuldige, ich habe dir nicht zugehört!", sagte Legolas und seine Stimme klang immer noch verträumt und weggetreten.
Zwar hatte er inzwischen wohl registriert, daß Alfiriel etwas von ihm wollte, doch er blickte Valshiya hinterher, als wäre sie das einzige Wesen auf der Welt. Alfiriel verdrehte die Augen und seufzte tief. Und dann hatte er behaupten wollen, er könne nicht sagen, ob er verliebt ist, Lai, du bist wirklich dumm!, dachte Alfiriel.
"Ich sagte, Aragorn hat beschlossen, hier ein kleines Fest zu feiern. Das wäre die richtige Gelegenheit, mit Valshiya zu sprechen. Ich denke, dass Du ihr doch viel zu sagen hast, oder etwa nicht?"
Erschrocken schaute Legolas seine Schwester an. Er fragte:
"Was soll ich ihr denn sagen?"
Und wieder verdrehten sich Alfiriels Augen Richtung Himmel. Ihr Bruder würde sie irgendwann gewiss in den Wahnsinn treiben.
"Sag ihr, was sie hören will. Schau sie doch nur an! Wenn du mich fragst, empfindet sie für dich ebenso viel wie du für sie. Warum macht ihr es euch denn bloss gegenseitig so schwer?", meinte sie.
Legolas schaute immer noch in die Richtung, in der Valshiya verschwunden war und erwiderte:
"Alfiriel, ich bin so froh, dass sie wieder da ist. Wann sagtest, lässt Aragorn dieses Fest stattfinden?"
Alfiriel war schon im Gehen begriffen, als sie sich noch einmal zu ihrem Bruder umdrehte und ihm zurief:
"Morgen schon! Du hast also die ganze Nacht, dir darüber Gedanken zu machen, wie Du es ihr sagst!"
Der Blick ihres Bruders sagte mehr als tausend Worte und liess sie in schallendes Gelächter ausbrechen.
Eigentlich geht es eher darum, daß ich mir noch was überlegen muß zum Thema "Liebeserklärung" ; ))
----------------------- [1] Alae, galwen nîn = Hallo, meine Schöne
