Endlich mal wieder ein neues Kapitel. Ich muß sagen, dass mir erst jetzt,
nach 22 Kapiteln klargeworden ist, was ich hier eigentlich schreiben
wollte. Ich will mich aber erst einmal für die lange Pause entschuldigen
bei allen, die diese Geschichte mögen.
Im übrigen ist dieses Kapitel den Erfindern von Freizeitparks gewidmet und
Elvis Presley, dessen schmalzigste Songs mich bei diesem Kapitel begleitet
haben.
Kapitel 23
Warnung vor der Gefahr - Teil 1
Amarayl trat mit einem entspannten Gesichtsausdruck aus seinem Haus in den Felsen heraus und gab vor, nur einen erholsamen Abendspaziergang machen zu wollen. Die Stimmung in Yst Tewair[1], der Hauptstadt von Eryn Lasgalen war immer noch sehr bedrückend. Zwar hatten sich viele, besonders die jungen Elben, damit abgefunden, dass nun Finlass ihr neuer König war, immerhin war er der jüngere Sohn Thranduils und sie hatten ihm immer ebenso vertrauen können wie Legolas, dennoch konnten sich viele einfach nicht erklären, warum alles so schnell gegangen war. Immerhin war mit Finlass auch die Bedrohung durch diese immer noch allgegenwärtigen, dunklen Elben und diese anderen eigenartigen Kreaturen gekommen. Die momentane Situation war nur sehr schwer einzuschätzen. Dionoril, der Bruder von Thranduils Gemahlin Mailtheniel, der schon seit langer Zeit in Yst Tewair lebte, war einer derjenigen, die der gesamten Situation skeptisch gegenüber standen. Amarayl wußte, wenn er und Thranduil von irgendjemandem Hilfe erwarten konnten, dann von ihm. Dionoril hatte immer eine Art Beschützer für seine Schwester dargestellt und nach der Geburt der Kinder diese Aufgabe auf diese bezogen ausgeweitet. Manchmal hatte es den Anschein gehabt Thranduils Kinder hätten zwei Väter gehabt; einen, der ihnen viele Dinge in ihrer Kindheit verbot und einen, der ihnen genau diese Dinge erlaubte. Er war es letztendlich auch gewesen, der Alfiriel den Umgang mit dem Schwert gelehrt hatte.
Er ging unauffällig weiter und gab im Vorbeigehen den jüngeren, vertrauenswürdigen Elben, die er in sein Vorhaben dieser Nacht eingeweiht hatte, ein Zeichen. Sie würden seinen Weg bewachen und ihn notfalls warnen.
Ohne nennenswerte Zwischenfälle erreichte er den heiligen Hain, den die Fremden aus unerfindlichen Gründen mieden. Es schien fast so, als fürchteten sie sich vor der positiven Energie, die von ihm ausging. Hier wollte er sich mit dem Elben treffen, der Legolas' Lehrmeister gewesen war, der den Prinzen liebte, wie seinen eigenen Sohn. Was Amarayl irritierte war, das Dionoril noch nicht am vereinbarten Ort war. Sollte ihr Plan am Ende doch gescheitert sein?
"Sie riechen nach Tod! Ist euch das noch nicht aufgefallen, Amarayl?", hörte Valshiyas Vater plötzlich eine samtene, dunkle Stimme hinter sich.
Die stattliche Gestalt Dionorils kam auf ihn zu. Legolas' Onkel war sehr groß, selbst für einen Elben. Sein Haar war hüftlang und dunkelblond, dunkler als es bei den Elben aus Eryn Lasgalen für gewöhnlich war. Seine Augen, fast schwarz und unergründlich wie die Nacht am See Cuiviénen vor dem ersten Erwachen der Elben. Seine Mundwinkel umspielte ein leichtes, fast zynisches Lächeln, als er bemerkte, wie Amarayl erleichtert die Luft ausstieß, die er vor Schreck für einige Sekunden angehalten hatte.
Amarayl war ein wenig verärgert über das Verhalten des Älteren und sagte ungehalten:
"Was soll denn das? Warum habt ihr euch versteckt gehalten wie ein Dieb in der Nacht?"
Dionoril schüttelte den Kopf und lächelte abermals leicht während er antwortete:
"Aber Amarayl! Ich bitte euch! Von den jungen Elben hier habe ich nichts anderes erwartet aber ihr und mein lieber Schwager, ihr lauft doch nicht blind durch die Welt. Was hier vorgeht ist nicht natürlich und es ist besser, zunächst niemandem... und ich meine wirklich 'niemandem'... zu vertrauen. Ich wollte sicher gehen, dass euch niemand gefolgt ist. Wie ich schon sagte: Sie riechen nach Tod!"
Amarayl nickte. Dionoril hatte selbstverständlich recht. Er selbst hatte es ebenfalls sofort bemerkt. Diese bleichen Gestalten, die nun schon fast zum Alltagsbild in Eryn Lasgalen gehörten, rochen tatsächlich modrig und irgendwie... böse, so wie der Tod sonst nur roch. Er konnte nicht sagen, ob Thranduil dies auch schon bemerkt hatte. Der Schmerz ob des angenommenen Verlustes seines ältesten Sohnes hatte ihn betäubt und ihn seiner Fähigkeit beraubt, klar zu denken.
Dionoril, der vollkommen in schwarzes Leder gekleidet war, legte einen Arm um Amarayl und führte ihn näher zu den heiligen Bäumen, bei denen sie sich einigermaßen sicher fühlen konnten.
"Ich teile im übrigen eure Meinung, Amarayl. Legolas ist auf gar keinen Fall tot. Er ist der Sohn meiner geliebten Schwester und ich bin mir sicher, ich hätte es auf jeden Fall gespürt, wenn Finlass die Wahrheit gesagt hätte. Legolas und ich, wir sind durch eine Art magisches Band miteinander verbunden, denke ich. Ich werde ihn finden und verhindern, dass er hier in die Falle läuft.", sagte er und senkte dabei seine Stimme verschwörerisch.
Amarayl blickte den älteren Elben fragend an.
"Ich kann nicht sagen, was Finlass vorhat aber es ist offensichtlich, das Legolas ihm dabei ihm Weg stehen würde. Aus welchem Grund sonst hätte er Thranduil belügen sollen? Ich zweifele nicht daran, dass er tatsächlich vorhat, Legolas zu töten. Wenn das so ist, dann ist er auf jeden Fall in allergrößter Gefahr.", erklärte Dionoril. "Wenn ich mich morgen noch vor dem Sonnenaufgang auf den Weg mache, müßt ihr dafür sorgen, dass alles still bleibt und niemand Verdacht schöpft. Es muß weiterhin den Anschein haben, die Tawarwaith seien mit ihrem neuen König einverstanden. Ich verlasse mich auf euch Amarayl."
~*~
Dionoril war noch vor dem Sonnenaufgang des auf das Gespräch zwischen ihm und Amarayl folgenden Tages aufgebrochen. Auf dem Weg zur Westgrenze von Eryn Lasgalen hatte es keine Zwischenfälle gegeben. Er war ein Meister der Heimlichkeit und er wußte, dass er sowohl für die Angehörigen seines Volkes, als auch für die Feinde nahezu unsichtbar war. Er hatte immerhin 6 Jahrtausende gehabt um diese besondere Gabe zu schulen. Das einzige, was ihn beunruhigte, waren die vereinzelten Trupps dieser bleichgesichtigen, nach Tod riechenden Männer, die durch den Wald streiften und offensichtlich nicht zu denjenigen gehörten, die Finlass mitgebracht hatte. Sie suchten irgend etwas oder irgendjemanden und Dionoril hoffte, dass nicht auch sie auf der Suche nach Legolas waren. Andererseits wäre dies wiederum auch ein gutes Zeichen und eine Bestätigung seiner Annahme, dass der junge Prinz noch lebte. Wahrscheinlich hatte der Junge gar keine Ahnung, in welcher Gefahr er schwebte.
Dionoril mußte an seine schöne Schwester Mailtheniel denken, Legolas Mutter. Würde sie noch leben, würde sie sich darauf verlassen, dass er ihren Sohn, den sie von all ihren Kindern am meisten geliebt hatte, vor der Gefahr warnte und ihn begleitete. Aber er würde auch unbedingt mit Legolas reden müssen. Der Junge benahm sich unmöglich. Wegen einem Halbelbenmädchen so sehr den Kopf zu verlieren, dass er den Blick für die Gefahr verlor... nun, es erinnerte ihn an einen anderen jungen Elben, der bis über beide Ohren verliebt gewesen war und sich nicht hatte davon abbringen lassen, eine gewisse Dame aus Imladris zu "entführen".
Dionoril duckte sich plötzlich ins Unterholz. Dem geschickten Elben gelang es, sich dadurch nahezu unsichtbar zu machen. Die Geräusche, die er schon vernommen hatte, bevor ein Mensch sie hätte hören können, näherten sich stetig. Es war das Klirren von schweren Kettenhemden und das klatschende Geräusch von metallenen Waffen gegen dickes Leder. Das waren mit Sicherheit keine Elben, die sich da näherten. Dionoril vermutete eine Abordnung dieser finsteren Dunkelelben oder der Geschöpfe, die er insgeheim als wandelnde Leichen bezeichnete. Doch warum marschierten sie aus Yst Tewair fort? War es nicht Finlass' Ziel gewesen, Eryn Lasgalen für sich zu erobern? Welche weiteren Ziele konnte er wohl noch verfolgen? Um einen besseren Überblick zu erhalten, hastete Dionoril in den Schatten des Waldes zu einer Eiche mit einer besonders dicken Laubkrone. Flink und geräuschlos kletterte er an dem stark verästelten Stamm hoch und ließ sich auf einem besonders stabilen Ast in hockender Stellung nieder. So sollte es gelingen, beobachten zu können, ohne selbst entdeckt zu werden.
Als die Kolonne in sein Sichtfeld kam, fiel ihm sogleich auf, dass die Marschierenden tatsächlich wie zu einem Krieg gerüstet waren. Er fing einige Wortfetzen auf und hörte die Worte "Gondor" und "Minas Tirith".
'Ich kann das nicht glauben', dachte er, 'Er hat doch wohl nicht wirklich vor, die Menschen aus Mittelerde zu vertreiben? Mein Neffe ist wirklich größenwahnsinnig geworden.'
Als die Kolonne, die eine Stärke von 200 bis an die Zähne bewaffneten Mann hatte, vorbeimarschiert war, kletterte Dionoril wieder herunter. Er lief weiter in den Wald hinein. Die Truppe machte einen solchen Lärm, dass es nicht weiter auffiel, wie er sie leichtfüßig und schnell im Dickicht parallel zum Waldweg überholte. Die Zeit drängte. Er mußte Legolas unbedingt finden.
~*~
Es war der sechste Tag seit ihrer Abreise aus Pardanor. Legolas hatte gesagt, dass sie nun den Pass südlich von Moria überqueren würden. Sie konnten nicht den Hohen Pass nehmen, der näher an Düsterwald lag, weil es Winter war und die Wege selbst für Elben nahezu unpassierbar waren. Für die Pferde, die sie nicht zurücklassen wollten, wäre er absolut undenkbar gewesen. Sie würden auf der anderen Seite des Gebirges südlich von Lorien ankommen und dort eine kurze Rast einlegen. Er plante den Pass möglichst an einem oder zwei Tagen überquert zu haben, denn er wollte im Gebirge nicht rasten. Je näher sie Düsterwald kamen, desto stiller und in sich gekehrter wurde Legolas. Valshiya sorgte sich um ihn. Er war vor seiner Abreise, vor dem Ringkrieg, niemals so nachdenklich gewesen und nun befand er sich sehr oft in einer düsteren Stimmung.
Ohne es beabsichtigt zu haben wurde sie am Abend vor der Überquerung des Passes Zeuge eines Gespräches zwischen ihm und Alfiriel.
"Was wirst du machen, wenn wir in Eryn Lasgalen ankommen. Wie wirst du mit Finlass verfahren? Er ist letzten Endes unser Bruder, das selbe Blut fließt in seinen Adern... egal was er getan haben mag.", fragte die Prinzessin ihren Bruder, der mit ihr vornweg ritt.
"Ich kann es dir wirklich nicht sagen. Das ist es ja, was mir die ganze Zeit im Kopf herumschwirrt. Ich finde keine Ruhe. Ja, er ist unser Bruder und ich kann immer noch nicht glauben, dass er tatsächlich vorhatte mich umzubringen. Ich will es einfach nicht wahrhaben. Vielleicht ist es alles nur ein schreckliches Mißverständnis.", erwiderte Legolas.
Alfiriel konnte verstehen, dass er sich das wünschte. Er war nicht so naiv, daran zu glauben, das alles nur ein Mißverständnis war aber irgendwie versuchte er, diesen einen Hoffnungsschimmer in seinem Herzen nicht verlöschen zu lassen. Alfiriel ritt näher heran und legte ihre Hand auf die ihres Bruders. Er blickte auf und schaute sie dankbar an.
"Ich glaube, das Tarawyn die Wahrheit sagt. Natürlich wollte er zunächst einmal seinen eigenen Kopf retten. Immerhin hat er diesen Plan wohl zusammen mit Finlass ausgeheckt aber er hat seitdem sehr loyal zu dir gehalten. Er würde dir den Rücken freihalten, du kannst dich auf ihn verlassen.", sagte Alfiriel leise und doch hatte Valshiya es gehört.
Erschrocken blickte sie sich zu ihrem Bruder um, der das Gespräch zwischen Legolas und Alfiriel nicht mitbekommen hatte. Er begegnete ihrem Blick und lächelte sie nichtsahnend an. Sie konnte nicht glauben, was die Prinzessin da gesagt hatte. Tarawyn sollte an einem Mordkomplott gegen Legolas beteiligt gewesen sein? Sobald sie Rast machten, würde sie ihn darauf ansprechen.
In einem Tannenhain, in dem der Schnee nicht so hoch lag, wie dort, wo die nun kahlen Laubbäume standen, machten sie schließlich halt. Kaum hatte Tarawyn sich aus dem Sattel geschwungen und einen Fuß auf die Erde gesetzt, da legte Valshiya ihre Hand auf seine Schulter und sagte:
"Ich glaube, wir müssen einmal miteinander reden. Mir ist da etwas zu Ohren gekommen, das ich einfach nicht glauben kann... nicht glauben will."
Tarawyn sah seine Schwester zerknirscht an, denn er ahnte schon, was Valshiya meinte. Trotz allem mußte er sich wohl oder übel den Fragen seiner Schwester stellen. Er schaute sich um und bat anschließend:
"Bitte sprich nicht so laut. Ich werde dir Rede und Antwort stehen aber tu mir einen Gefallen und sprich nicht so laut."
Valshiya gab mit einem Nicken ihr Einverständnis zu erkennen. Tarawyn fuhr fort:
"Ich weiß, worum es geht. Nun... ich kann es mir zumindest denken. Ich habe geglaubt, ich könnte es vor dir verheimlichen, dachte du würdest es vielleicht niemals erfahren aber da habe ich mich wohl getäuscht."
"Ich will das alles gar nicht hören. Sag mir einfach jetzt sofort, was du mit diesem Mordkomplott gegen Legolas zu tun hattest! Ist es wirklich wahr, das du mit Finlass diesen Plan ausgeheckt hast?", zischte Valshiya.
"Nein! Ich hatte nichts damit zu tun. Glaube mir.", antwortete Finlass. "Du kannst die Prinzessin selbst fragen. Prinz Finlass ist an mich herangetreten, ja. Er hatte tatsächlich geplant, dass ich Legolas umbringen soll... aber ich... konnte es einfach nicht. Abgesehen von seiner Hochmütigkeit hat der Prinz mir schließlich nichts getan. Ich habe Finlass in dem Glauben gelassen, ich würde es tun. Er hat sich verändert. Seine Augen waren fiebrig und seine Stimme klang spitz und ein Anflug des Wahnsinns ließ sich darin hören. Er hat mir versprochen, mir Alfiriel zur Gemahlin zu geben, wenn ich dafür sorge, dass Legolas... einen Unfall erleidet."
Während Tarawyn gesprochen hatte, waren Valshiya die Tränen in die Augen getreten. Was sie gerade gehört hatte, verwirrte sie über alle Maßen. Sie und Arwen, die hoffentlich auf dem sicheren Heimweg nach Gondor war, waren selbst erst gerade den Klauen von Saurons Brut entkommen, die sich an den überlebenden Mitgliedern der Ringgemeinschaft rächen wollten. Jetzt mußte sie auch noch erfahren, das in Eryn Lasgalen auch nicht alles zum Besten stand. Mit einem Mal war ihr auch klar, warum Legolas so still war. Er bereitete sich im Geiste auf eine Auseinandersetzung mit seinem eigenen Bruder vor. Gehetzt schaute sie von Tarawyn zu Alfiriel und schlussendlich zu ihrem Geliebten hinüber. Finlass wollte ihn umbringen! Die plötzliche Angst, schnürte ihr die Kehle zu. Sie schüttelte den Kopf und machte einige Schritte rückwärts.
"Valshiya, ich... es tut mir leid wenn...", stotterte Tarawyn, doch Valshiya hörte ihm gar nicht mehr zu.
Legolas würde es nicht mögen, wenn sie sich ihm nun an den Hals warf und ihn bitten würde, umzukehren, vielleicht nach Gondor zu reiten um Aragorn um Hilfe zu bitten. Für ihn war das eine Angelegenheit zwischen ihm und seinem Bruder und er würde sich durch nichts von der Konfrontation mit Finlass abbringen lassen, nicht einmal von der Frau, die ihn liebte. Er war in großer Gefahr. Wie oft hatte sie von ihm selbst gehört, das Finlass und er die selbe Ausbildung genossen hatten, das sie sich in ihren Kampffertigkeiten und ihrer Kraft in nichts nachstanden. Finlass war ein ebenbürtiger Gegner und wenn er Legolas beseitigen wollte...
Sie raffte ihre Röcke, drehte sich um und lief in den Wald hinein, um mit ihrer Angst allein zu sein.
~*~
Legolas hatte Dywaith gerade das Zaumzeug abgenommen, als er sah, wie Valshiya geduckt unter den Tannen verschwand. Tarawyn machte einige Schritte in die selbe Richtung, doch bevor er ihr folgen konnte, hatte Legolas ihn am Arm gefaßt und fragte ihn wütend:
"Was hast du ihr erzählt, dass sie davonläuft? Womit hast du ihr Angst gemacht?"
Er wartete jedoch nicht lange genug ab, um Tarawyns Antwort zu hören. Er lief in halsbrecherischem Tempo hinter Valshiya her.
Es war leicht, ihrer Spur zu folgen, denn dort, wo sie lang gelaufen war, lag kein Schnee mehr auf den niedrigen Zweigen der Tannen. Bald konnte er sie zwischen den eng beieinander stehenden Bäumen sehen. Sie hatte sich unter die tiefhängenden, mit Schnee bedeckten Äste einer Tanne gekauert und wollte ganz offensichtlich nicht gesehen werden und allein sein. Als er sich ihr näherte, konnte er hören, das sie von einem starken Schluchzen geschüttelt wurde. Für einen Moment blieb er stehen und dachte: 'Oh nein, nicht schon wieder.' Er hätte nicht gedacht, das es so schwer sein würde, in jemanden verliebt zu sein. Valshiya sorgte sich dermaßen um ihn, das es ihn hemmte, die Dinge zu tun, die er tun mußte. Vielleicht war das der Mensch in ihr, der solche Furcht davor hatte, einen geliebten Menschen zu verlieren. Vielleicht waren aber auch alle weiblichen Wesen so veranlagt, egal ob Mensch, Elb oder Zwerg.
Erschrocken blickte Valshiya auf, als Legolas sie entdeckt hatte.
"Du hättest mir nicht folgen dürfen. Ich kann nichts anderes, als dir Kummer bereiten. Vielleicht hättest du doch besser Riona zur Gemahlin nehmen sollen. Sie ist dir viel ähnlicher."
Legolas seufzte, dann kniete er sich vor Valshiya und nahm ihre Hände in seine.
"Das ist nicht wahr. Ich will meine Träume mit dir teilen und mit keiner anderen. Genauso gern wie du schaue ich hinauf zu den Sternen und gebe mich meinen Gedanken hin. Ein Krieger bin ich nur, wenn es die Situation erfordert. Im Moment ist das so aber es wird auch eine Zeit kommen, in der endlich wieder Friede herrscht.", sagte er.
Valshiya blickte ihn hilflos an und flüsterte:
"Ai Melethron, wenn ich doch nur ein wenig geschickter im Umgang mit dem Schwert und dem Bogen wäre, dann würde ich dir besser zur Seite stehen können. Ich wünschte ich wäre entschlossener und mutiger, als ich es bin. Wenn ich nur..."
Legolas unterbrach sie, indem er ihr den Zeigefinger auf die Lippen legte.
"Deinen Mut hast du längst bewiesen und allein das Wissen um deine Nähe wird mir Kraft geben," sagte er.
Diese Feststellung zauberte ein zuversichtliches Lächeln auf Valshiyas Lippen.
Minutenlang sahen sie sich schweigend in die Augen, lasen tief in der Seele des anderen.
Schließlich hatte sie einen Einfall und mit leuchtenden Augen bat sie ihn:
"Bring' mir den Umgang mit dem Schwert bei! Ich will kämpfen können... so wie du."
Legolas blickte sie überrascht an. Er öffnete den Mund, um ihr den Wunsch abzuschlagen, doch dann fiel ihm ein, dass er nicht wußte, was ihn in Eryn Lasgalen erwartete und dass es gar nicht so falsch war, dass sich Valshiya im schlimmsten Falle auch selbst verteidigen konnte.
Er stand auf und sagte:
"Nun gut, wenn du es so möchtest. Warte einen Augenblick."
Er suchte nach zwei besonders geraden und stabilen Stöcken. Er dachte nicht daran, der ungeübten Valshiya gleich einen Dolch oder ein Schwert auszuhändigen. Bis sie Eryn Lasgalen erreichten, hatten sie noch genug Zeit, um miteinander zu üben und wenn sie tatsächlich besser geworden war, wollte er ihr vielleicht einen kleinen Dolch oder ein Kurzschwert geben.
Als er zwei geeignete Stöcke gefunden hatte, die er bei dieser Kampfübung einsetzen konnte, warf er Valshiya einen zu. Er machte sich kampfbereit und rief Valshiya zu:
"Steh auf, Melethril, Im dravon a le awarthach had[2]"
Valshiya stand auf und blickte auf den Stock, den sie in der rechten Hand hielt. Sie wirkte unentschlossen.
Legolas forderte sie auf:
"Dravo na ranc fair nîn[3]"
Valshiya machte einige Schritte vorwärts. Sie hob den Stock mit beiden Händen und blickte nur auf das Ziel, das Legolas ihr vorgegeben hatte, seinen rechten Arm. Sie bemerkte nicht, dass er selbst ebenfalls nicht zurückwich, sondern einen seitlichen Schritt nach vorn machte. Er lenkte mit seinem "Schwert" das ihre ab und stellte ihr gleichzeitig ein Bein, so dass sie der Länge nach in den Schnee fiel. Schnell drehte sie sich um und blickte Legolas mit einem überraschten Ausdruck an.
"Das war ein Fehler, Melethril. Du darfst deinen Gegner niemals aus den Augen lassen und dich nur auf ein Ziel konzentrieren. Du mußt alle seine Bewegungen im Auge behalten. Du mußt davon ausgehen, dass er sich gegen einen Angriff deinerseits zu verteidigen weiß, also mußt du auch seinen nächsten Schritt voraussehen. Versuch es noch einmal. Meigol am![4]"
Valshiya rappelte sich auf, angelte sich ihr "Schwert" das ihr aus der Hand gefallen war und startete einen erneuten Angriffsversuch. Diesmal machte Legolas einige Schritte rückwärts und drehte sich behende zur Seite, so dass ihr zweiter Angriff ebenfalls ins Leere ging. Zu allem Überfluss, versetzte er ihr auch noch mit dem Stock einen leichten Schlag auf ihren Po.
"Huch!", entfuhr es ihr empört.
Sie drehte sich blitzschnell um und funkelte ihn wütend an.
Legolas lachte und meinte:
"Wäre ich ein Ork gewesen, dann würdest du jetzt nicht mehr leben. Orks sind hinterhältig und greifen meist auch so an. Sie töten dich hinterrücks. Ehe du dich versiehst hast du einen Pfeil oder ein Schwert im Rücken. Sei aufmerksamer! Dravo na thelc cheir nîn[5]."
Valshiya glaubte jetzt zu wissen, worauf es ankam. Wann immer sie etwas tat, womit er rechnete, würde er sich auch zu verteidigen wissen. Sie griff also ihr "Schwert" und überlegte, wie sie ihn jetzt ihrerseits austricksen konnte. Sie schaute ihm direkt in die Augen und griff ihn dann an. Sie täuschte einen Angriff auf sein linkes Bein vor, so wie er es gewollt hatte, doch dann riss sie den Stock hoch und schlug auf seinen rechten Arm. Legolas wich überrascht zurück, es gelang ihm jedoch den Schlag abzuwehren.
"Rinc hen maer[6]. Du hast mich wirklich überrascht.", gab er zu.
Valshiya lächelte zufrieden, doch sie konnte sich nicht lange an ihren Fortschritten erfreuen, denn Legolas griff nun seinerseits an.
Nun war sie überrascht und sah sich plötzlich in der Defensive. Sie konnte nur immer weiter zurück weichen, bis sie mit dem Rücken an einem Baumstamm stand. Eine ganz schlechte Lage, wenn es sich um einen wirklichen Kampf gehandelt hätte.
Legolas, der nach den schnell aufeinanderfolgenden Angriffen nicht einmal leicht außer Atem war, sagte:
"Garo i veigol erin annranc[7]. Lass dich niemals so in die Defensive bringen, wie ich es gerade getan habe. Zwinge dem Gegner deinen Kampfstil auf."
Valshiya kam langsam wieder zu Atem. Sie lächelte Legolas an und sagte:
"Ich möchte, das du mit deiner Schülerin zufrieden bist."
Legolas blickte sie fragend an und war für einen Moment abgelenkt. Diesen Moment nutzte Valshiya aus, um ihn von sich fortzustoßen. Sie griff an und schlug auf ihn ein. Es schien, als wurde sie sich jetzt erst ihrer eigenen Gewandtheit bewußt. Sie war kleiner als er, was sie ausnutzte, indem sie sich mehrmals durch ein Ducken zur rechten Zeit seinem Angriff entzog. Als er schließlich selbst zurückweichen mußte, weil er vollkommen überrumpelt war, lächelte sie zufrieden. Doch Legolas lächelte ebenfalls. Er erklärte:
"Wenn ich wollte, könnte ich dich noch immer zurückschlagen. Dravo angorn[8]"
Gerne kam Valshiya dieser Aufforderung nach. Sie wollte ihm unbedingt beweisen, dass sie nicht nutzlos war.
Als ihre "Schwerter" ein weiteres Mal in der Luft zusammenkamen, brachen sie entzwei. Sie verloren beide das Gleichgewicht und landeten mit überraschtem Gesichtsausdruck auf dem mit Schnee und Tannennadeln übersäten Boden. Zunächst schauten sie sich nur verdutzt an, doch dann lachten sie beide aus vollem Halse.
"Du bist für eine Anfängerin gar nicht so übel. Allerdings solltest du deine Wut im Zaum halten. Sie kann dir für einige Sekunden einen Vorteil verschaffen aber dann hast du dich schnell müde gekämpft und dein Gegner gewinnt die Überhand. Im übrigen mußt du bedenken, das ein echtes Schwert, natürlich viel schwerer ist. Kühle Berechnung, Ausdauer und Ruhe macht einen Kämpfer überlegen, so dass er...."
Weiter kam er nicht, denn Valshiya schloss seinen Mund mit einem leidenschaftlichen Kuss. Zunächst war er vollkommen verblüfft, doch dann riss er sie in die Arme und erwiderte ihren Kuss mit brennender Leidenschaft. Er fürchtete schon, der schöne Moment sei auch genauso schnell wieder vorbei, als Valshiya die Augen öffnete und atemlos flüsterte:
"Legolas, es tut mir leid... ich hätte nicht... das muß das menschliche Temperament in mir sein."
Ebenso atemlos erwiderte er:
"Es muß dir nicht leid tun, Valshiya. Bei Iluvatar, wir gehören zusammen!"
Seine linke Hand zerwühlte ihr Haar, während er die weiche Haut an ihrem Hals mit sehnsuchtsvollen Küssen bedeckte. Seine linke Hand glitt zu den Schnüren, ihrer ledernen Weste und nestelten daran herum. Wortlos stellten seine Blicke ihr die Frage, ob sie damit einverstanden wäre. Sie antwortete ihm, indem sie ihre Hand in seinen Nacken legte und zu einem weiteren Kuss zu sich heranzog. Er entlockte ihr ein höchst zufriedenes, kehliges Geräusch, als er seine Zunge auf eine sinnliche Entdeckungsreise durch ihren Mund schickte. Er bäumte sich leicht auf, als ihre forschenden Hände unter seinem Lederwams ihm einen wohligen Schauer über den Rücken kriechen ließen.
"Aniron cen, Valshiya. Milin cen![9]" hauchte er und seine Stimme klang dabei seltsam belegt.
Valshiya war bereit für ihn, obwohl sie noch vor wenigen Minuten geglaubt hatte, dass es nicht richtig wäre, ihm so nahe zu kommen, bevor sie nicht mit ihrem Vater darüber gesprochen hatte, das sie und Legolas sich liebten und bevor er nicht bei Amarayl um ihre Hand angehalten hatte.
Ihre Angst war wie fortgeblasen und die Kälte des Schnees nahm sie gar nicht mehr wahr.
Legolas öffnete seine Mantelschließe und wollte gerade seinen Mantel auf dem Boden ausbreiten, als sich aus sich jemand hinter einer Tanne östlich von der Lichtung räusperte und die Magie des Augenblicks mit einem Mal zerstörte.
Mit katzenhafter Gewandtheit war Legolas wieder auf den Beinen und hatte in der selben Bewegung sein Schwert gezogen. Als er jedoch die Person erblickte, ließ er es sogleich wieder sinken.
"Dionoril!", entfuhr es ihm überrascht.
"Ja, ja, das bin ich wohl. Zugegeben es war eine sehr romantische Szene, die sich da gerade vor meinen Augen abspielte und ich kann gut verstehen, das du, mein Junge, das Mädchen sehr liebst und ja, ich gestehe auch, wärst Du nicht mein Neffe, dann hätte ich diese Szene wahrscheinlich sogar bis zum Ende beobachtet aber letzten Endes gebot mir meine Moral doch, euch zu unterbrechen."
Der hoch gewachsene Mann, der sprach, als sei es für ihn das natürlichste auf der Welt, zwei Liebende zu beobachten, trat hinter den Tannen hervor. Er war ein Elb. An der Tiefgründigkeit seiner Augen konnte Valshiya erkennen, das er viel älter als Legolas war.
"Was machst du hier... warum bist du hier?" fragte Legolas.
Er schien ziemlich ungehalten über diese Störung zu sein, zu überraschen schien es ihn jedoch nicht. Ganz als ob er derartiges von dem Neuankömmling durchaus gewohnt war.
Valshiya blickte nur verstört von einem der beiden Männer zum anderen und konnte sich nicht erklären, was da vor sich ging.
"Lieber Schwestersohn, das ist eine lange und unangenehme Geschichte. Ich nehme an, deine wunderschöne Schwester und der Bruder der Hiril Valshiya sind auch hier irgendwo in der Nähe. Wenn Du mich nun zu eurem Lager geleitest, werde ich dir gerne erklären, was mich hierher geführt hat."
Legolas steckte, begleitet von einigen, kaum hörbaren Unmutsäußerungen sein Schwert weg. Valshiya bemerkte, das er sogar leicht errötet war. Etwas, was sie noch niemals bei ihm gesehen hatte.
Der ältere Elb hob den Zeigefinger und machte ein Gesicht, als sei ihm etwas wichtiges, was ihm kurzzeitig entfallen war, wieder ins Gedächtnis gekommen.
"Im übrigen denke ich, das ihr für das, was ihr ganz offensichtlich vorhattet, gewiss einen romantischeren Ort finden könntet."
Legolas blickte gen Himmel und verdrehte die Augen mit einem tiefen Seufzer, was der andere Elb mit einem süffisanten Grinsen quittierte.
"Schäm!" Ein weiteres Fast-NC 17. Ich denke nicht, dass ich es in dieser Geschichte noch einmal schaffen werde. Ich versuche, euch nicht zu lange auf das nächste Kapitel warten zu lassen ----------------------- [1] Waldstadt [2] Ich greife an und du wehrst ab [3] Schlage auf meinen rechten Arm [4] Schwert hoch! [5] Schlage auf mein linkes Bein [6] Diese Bewegung war gut [7] Halte das Schwert am langen Arm [8] Schlage fester [9] Ich begehre dich, Valshiya. Ich liebe dich
Kapitel 23
Warnung vor der Gefahr - Teil 1
Amarayl trat mit einem entspannten Gesichtsausdruck aus seinem Haus in den Felsen heraus und gab vor, nur einen erholsamen Abendspaziergang machen zu wollen. Die Stimmung in Yst Tewair[1], der Hauptstadt von Eryn Lasgalen war immer noch sehr bedrückend. Zwar hatten sich viele, besonders die jungen Elben, damit abgefunden, dass nun Finlass ihr neuer König war, immerhin war er der jüngere Sohn Thranduils und sie hatten ihm immer ebenso vertrauen können wie Legolas, dennoch konnten sich viele einfach nicht erklären, warum alles so schnell gegangen war. Immerhin war mit Finlass auch die Bedrohung durch diese immer noch allgegenwärtigen, dunklen Elben und diese anderen eigenartigen Kreaturen gekommen. Die momentane Situation war nur sehr schwer einzuschätzen. Dionoril, der Bruder von Thranduils Gemahlin Mailtheniel, der schon seit langer Zeit in Yst Tewair lebte, war einer derjenigen, die der gesamten Situation skeptisch gegenüber standen. Amarayl wußte, wenn er und Thranduil von irgendjemandem Hilfe erwarten konnten, dann von ihm. Dionoril hatte immer eine Art Beschützer für seine Schwester dargestellt und nach der Geburt der Kinder diese Aufgabe auf diese bezogen ausgeweitet. Manchmal hatte es den Anschein gehabt Thranduils Kinder hätten zwei Väter gehabt; einen, der ihnen viele Dinge in ihrer Kindheit verbot und einen, der ihnen genau diese Dinge erlaubte. Er war es letztendlich auch gewesen, der Alfiriel den Umgang mit dem Schwert gelehrt hatte.
Er ging unauffällig weiter und gab im Vorbeigehen den jüngeren, vertrauenswürdigen Elben, die er in sein Vorhaben dieser Nacht eingeweiht hatte, ein Zeichen. Sie würden seinen Weg bewachen und ihn notfalls warnen.
Ohne nennenswerte Zwischenfälle erreichte er den heiligen Hain, den die Fremden aus unerfindlichen Gründen mieden. Es schien fast so, als fürchteten sie sich vor der positiven Energie, die von ihm ausging. Hier wollte er sich mit dem Elben treffen, der Legolas' Lehrmeister gewesen war, der den Prinzen liebte, wie seinen eigenen Sohn. Was Amarayl irritierte war, das Dionoril noch nicht am vereinbarten Ort war. Sollte ihr Plan am Ende doch gescheitert sein?
"Sie riechen nach Tod! Ist euch das noch nicht aufgefallen, Amarayl?", hörte Valshiyas Vater plötzlich eine samtene, dunkle Stimme hinter sich.
Die stattliche Gestalt Dionorils kam auf ihn zu. Legolas' Onkel war sehr groß, selbst für einen Elben. Sein Haar war hüftlang und dunkelblond, dunkler als es bei den Elben aus Eryn Lasgalen für gewöhnlich war. Seine Augen, fast schwarz und unergründlich wie die Nacht am See Cuiviénen vor dem ersten Erwachen der Elben. Seine Mundwinkel umspielte ein leichtes, fast zynisches Lächeln, als er bemerkte, wie Amarayl erleichtert die Luft ausstieß, die er vor Schreck für einige Sekunden angehalten hatte.
Amarayl war ein wenig verärgert über das Verhalten des Älteren und sagte ungehalten:
"Was soll denn das? Warum habt ihr euch versteckt gehalten wie ein Dieb in der Nacht?"
Dionoril schüttelte den Kopf und lächelte abermals leicht während er antwortete:
"Aber Amarayl! Ich bitte euch! Von den jungen Elben hier habe ich nichts anderes erwartet aber ihr und mein lieber Schwager, ihr lauft doch nicht blind durch die Welt. Was hier vorgeht ist nicht natürlich und es ist besser, zunächst niemandem... und ich meine wirklich 'niemandem'... zu vertrauen. Ich wollte sicher gehen, dass euch niemand gefolgt ist. Wie ich schon sagte: Sie riechen nach Tod!"
Amarayl nickte. Dionoril hatte selbstverständlich recht. Er selbst hatte es ebenfalls sofort bemerkt. Diese bleichen Gestalten, die nun schon fast zum Alltagsbild in Eryn Lasgalen gehörten, rochen tatsächlich modrig und irgendwie... böse, so wie der Tod sonst nur roch. Er konnte nicht sagen, ob Thranduil dies auch schon bemerkt hatte. Der Schmerz ob des angenommenen Verlustes seines ältesten Sohnes hatte ihn betäubt und ihn seiner Fähigkeit beraubt, klar zu denken.
Dionoril, der vollkommen in schwarzes Leder gekleidet war, legte einen Arm um Amarayl und führte ihn näher zu den heiligen Bäumen, bei denen sie sich einigermaßen sicher fühlen konnten.
"Ich teile im übrigen eure Meinung, Amarayl. Legolas ist auf gar keinen Fall tot. Er ist der Sohn meiner geliebten Schwester und ich bin mir sicher, ich hätte es auf jeden Fall gespürt, wenn Finlass die Wahrheit gesagt hätte. Legolas und ich, wir sind durch eine Art magisches Band miteinander verbunden, denke ich. Ich werde ihn finden und verhindern, dass er hier in die Falle läuft.", sagte er und senkte dabei seine Stimme verschwörerisch.
Amarayl blickte den älteren Elben fragend an.
"Ich kann nicht sagen, was Finlass vorhat aber es ist offensichtlich, das Legolas ihm dabei ihm Weg stehen würde. Aus welchem Grund sonst hätte er Thranduil belügen sollen? Ich zweifele nicht daran, dass er tatsächlich vorhat, Legolas zu töten. Wenn das so ist, dann ist er auf jeden Fall in allergrößter Gefahr.", erklärte Dionoril. "Wenn ich mich morgen noch vor dem Sonnenaufgang auf den Weg mache, müßt ihr dafür sorgen, dass alles still bleibt und niemand Verdacht schöpft. Es muß weiterhin den Anschein haben, die Tawarwaith seien mit ihrem neuen König einverstanden. Ich verlasse mich auf euch Amarayl."
~*~
Dionoril war noch vor dem Sonnenaufgang des auf das Gespräch zwischen ihm und Amarayl folgenden Tages aufgebrochen. Auf dem Weg zur Westgrenze von Eryn Lasgalen hatte es keine Zwischenfälle gegeben. Er war ein Meister der Heimlichkeit und er wußte, dass er sowohl für die Angehörigen seines Volkes, als auch für die Feinde nahezu unsichtbar war. Er hatte immerhin 6 Jahrtausende gehabt um diese besondere Gabe zu schulen. Das einzige, was ihn beunruhigte, waren die vereinzelten Trupps dieser bleichgesichtigen, nach Tod riechenden Männer, die durch den Wald streiften und offensichtlich nicht zu denjenigen gehörten, die Finlass mitgebracht hatte. Sie suchten irgend etwas oder irgendjemanden und Dionoril hoffte, dass nicht auch sie auf der Suche nach Legolas waren. Andererseits wäre dies wiederum auch ein gutes Zeichen und eine Bestätigung seiner Annahme, dass der junge Prinz noch lebte. Wahrscheinlich hatte der Junge gar keine Ahnung, in welcher Gefahr er schwebte.
Dionoril mußte an seine schöne Schwester Mailtheniel denken, Legolas Mutter. Würde sie noch leben, würde sie sich darauf verlassen, dass er ihren Sohn, den sie von all ihren Kindern am meisten geliebt hatte, vor der Gefahr warnte und ihn begleitete. Aber er würde auch unbedingt mit Legolas reden müssen. Der Junge benahm sich unmöglich. Wegen einem Halbelbenmädchen so sehr den Kopf zu verlieren, dass er den Blick für die Gefahr verlor... nun, es erinnerte ihn an einen anderen jungen Elben, der bis über beide Ohren verliebt gewesen war und sich nicht hatte davon abbringen lassen, eine gewisse Dame aus Imladris zu "entführen".
Dionoril duckte sich plötzlich ins Unterholz. Dem geschickten Elben gelang es, sich dadurch nahezu unsichtbar zu machen. Die Geräusche, die er schon vernommen hatte, bevor ein Mensch sie hätte hören können, näherten sich stetig. Es war das Klirren von schweren Kettenhemden und das klatschende Geräusch von metallenen Waffen gegen dickes Leder. Das waren mit Sicherheit keine Elben, die sich da näherten. Dionoril vermutete eine Abordnung dieser finsteren Dunkelelben oder der Geschöpfe, die er insgeheim als wandelnde Leichen bezeichnete. Doch warum marschierten sie aus Yst Tewair fort? War es nicht Finlass' Ziel gewesen, Eryn Lasgalen für sich zu erobern? Welche weiteren Ziele konnte er wohl noch verfolgen? Um einen besseren Überblick zu erhalten, hastete Dionoril in den Schatten des Waldes zu einer Eiche mit einer besonders dicken Laubkrone. Flink und geräuschlos kletterte er an dem stark verästelten Stamm hoch und ließ sich auf einem besonders stabilen Ast in hockender Stellung nieder. So sollte es gelingen, beobachten zu können, ohne selbst entdeckt zu werden.
Als die Kolonne in sein Sichtfeld kam, fiel ihm sogleich auf, dass die Marschierenden tatsächlich wie zu einem Krieg gerüstet waren. Er fing einige Wortfetzen auf und hörte die Worte "Gondor" und "Minas Tirith".
'Ich kann das nicht glauben', dachte er, 'Er hat doch wohl nicht wirklich vor, die Menschen aus Mittelerde zu vertreiben? Mein Neffe ist wirklich größenwahnsinnig geworden.'
Als die Kolonne, die eine Stärke von 200 bis an die Zähne bewaffneten Mann hatte, vorbeimarschiert war, kletterte Dionoril wieder herunter. Er lief weiter in den Wald hinein. Die Truppe machte einen solchen Lärm, dass es nicht weiter auffiel, wie er sie leichtfüßig und schnell im Dickicht parallel zum Waldweg überholte. Die Zeit drängte. Er mußte Legolas unbedingt finden.
~*~
Es war der sechste Tag seit ihrer Abreise aus Pardanor. Legolas hatte gesagt, dass sie nun den Pass südlich von Moria überqueren würden. Sie konnten nicht den Hohen Pass nehmen, der näher an Düsterwald lag, weil es Winter war und die Wege selbst für Elben nahezu unpassierbar waren. Für die Pferde, die sie nicht zurücklassen wollten, wäre er absolut undenkbar gewesen. Sie würden auf der anderen Seite des Gebirges südlich von Lorien ankommen und dort eine kurze Rast einlegen. Er plante den Pass möglichst an einem oder zwei Tagen überquert zu haben, denn er wollte im Gebirge nicht rasten. Je näher sie Düsterwald kamen, desto stiller und in sich gekehrter wurde Legolas. Valshiya sorgte sich um ihn. Er war vor seiner Abreise, vor dem Ringkrieg, niemals so nachdenklich gewesen und nun befand er sich sehr oft in einer düsteren Stimmung.
Ohne es beabsichtigt zu haben wurde sie am Abend vor der Überquerung des Passes Zeuge eines Gespräches zwischen ihm und Alfiriel.
"Was wirst du machen, wenn wir in Eryn Lasgalen ankommen. Wie wirst du mit Finlass verfahren? Er ist letzten Endes unser Bruder, das selbe Blut fließt in seinen Adern... egal was er getan haben mag.", fragte die Prinzessin ihren Bruder, der mit ihr vornweg ritt.
"Ich kann es dir wirklich nicht sagen. Das ist es ja, was mir die ganze Zeit im Kopf herumschwirrt. Ich finde keine Ruhe. Ja, er ist unser Bruder und ich kann immer noch nicht glauben, dass er tatsächlich vorhatte mich umzubringen. Ich will es einfach nicht wahrhaben. Vielleicht ist es alles nur ein schreckliches Mißverständnis.", erwiderte Legolas.
Alfiriel konnte verstehen, dass er sich das wünschte. Er war nicht so naiv, daran zu glauben, das alles nur ein Mißverständnis war aber irgendwie versuchte er, diesen einen Hoffnungsschimmer in seinem Herzen nicht verlöschen zu lassen. Alfiriel ritt näher heran und legte ihre Hand auf die ihres Bruders. Er blickte auf und schaute sie dankbar an.
"Ich glaube, das Tarawyn die Wahrheit sagt. Natürlich wollte er zunächst einmal seinen eigenen Kopf retten. Immerhin hat er diesen Plan wohl zusammen mit Finlass ausgeheckt aber er hat seitdem sehr loyal zu dir gehalten. Er würde dir den Rücken freihalten, du kannst dich auf ihn verlassen.", sagte Alfiriel leise und doch hatte Valshiya es gehört.
Erschrocken blickte sie sich zu ihrem Bruder um, der das Gespräch zwischen Legolas und Alfiriel nicht mitbekommen hatte. Er begegnete ihrem Blick und lächelte sie nichtsahnend an. Sie konnte nicht glauben, was die Prinzessin da gesagt hatte. Tarawyn sollte an einem Mordkomplott gegen Legolas beteiligt gewesen sein? Sobald sie Rast machten, würde sie ihn darauf ansprechen.
In einem Tannenhain, in dem der Schnee nicht so hoch lag, wie dort, wo die nun kahlen Laubbäume standen, machten sie schließlich halt. Kaum hatte Tarawyn sich aus dem Sattel geschwungen und einen Fuß auf die Erde gesetzt, da legte Valshiya ihre Hand auf seine Schulter und sagte:
"Ich glaube, wir müssen einmal miteinander reden. Mir ist da etwas zu Ohren gekommen, das ich einfach nicht glauben kann... nicht glauben will."
Tarawyn sah seine Schwester zerknirscht an, denn er ahnte schon, was Valshiya meinte. Trotz allem mußte er sich wohl oder übel den Fragen seiner Schwester stellen. Er schaute sich um und bat anschließend:
"Bitte sprich nicht so laut. Ich werde dir Rede und Antwort stehen aber tu mir einen Gefallen und sprich nicht so laut."
Valshiya gab mit einem Nicken ihr Einverständnis zu erkennen. Tarawyn fuhr fort:
"Ich weiß, worum es geht. Nun... ich kann es mir zumindest denken. Ich habe geglaubt, ich könnte es vor dir verheimlichen, dachte du würdest es vielleicht niemals erfahren aber da habe ich mich wohl getäuscht."
"Ich will das alles gar nicht hören. Sag mir einfach jetzt sofort, was du mit diesem Mordkomplott gegen Legolas zu tun hattest! Ist es wirklich wahr, das du mit Finlass diesen Plan ausgeheckt hast?", zischte Valshiya.
"Nein! Ich hatte nichts damit zu tun. Glaube mir.", antwortete Finlass. "Du kannst die Prinzessin selbst fragen. Prinz Finlass ist an mich herangetreten, ja. Er hatte tatsächlich geplant, dass ich Legolas umbringen soll... aber ich... konnte es einfach nicht. Abgesehen von seiner Hochmütigkeit hat der Prinz mir schließlich nichts getan. Ich habe Finlass in dem Glauben gelassen, ich würde es tun. Er hat sich verändert. Seine Augen waren fiebrig und seine Stimme klang spitz und ein Anflug des Wahnsinns ließ sich darin hören. Er hat mir versprochen, mir Alfiriel zur Gemahlin zu geben, wenn ich dafür sorge, dass Legolas... einen Unfall erleidet."
Während Tarawyn gesprochen hatte, waren Valshiya die Tränen in die Augen getreten. Was sie gerade gehört hatte, verwirrte sie über alle Maßen. Sie und Arwen, die hoffentlich auf dem sicheren Heimweg nach Gondor war, waren selbst erst gerade den Klauen von Saurons Brut entkommen, die sich an den überlebenden Mitgliedern der Ringgemeinschaft rächen wollten. Jetzt mußte sie auch noch erfahren, das in Eryn Lasgalen auch nicht alles zum Besten stand. Mit einem Mal war ihr auch klar, warum Legolas so still war. Er bereitete sich im Geiste auf eine Auseinandersetzung mit seinem eigenen Bruder vor. Gehetzt schaute sie von Tarawyn zu Alfiriel und schlussendlich zu ihrem Geliebten hinüber. Finlass wollte ihn umbringen! Die plötzliche Angst, schnürte ihr die Kehle zu. Sie schüttelte den Kopf und machte einige Schritte rückwärts.
"Valshiya, ich... es tut mir leid wenn...", stotterte Tarawyn, doch Valshiya hörte ihm gar nicht mehr zu.
Legolas würde es nicht mögen, wenn sie sich ihm nun an den Hals warf und ihn bitten würde, umzukehren, vielleicht nach Gondor zu reiten um Aragorn um Hilfe zu bitten. Für ihn war das eine Angelegenheit zwischen ihm und seinem Bruder und er würde sich durch nichts von der Konfrontation mit Finlass abbringen lassen, nicht einmal von der Frau, die ihn liebte. Er war in großer Gefahr. Wie oft hatte sie von ihm selbst gehört, das Finlass und er die selbe Ausbildung genossen hatten, das sie sich in ihren Kampffertigkeiten und ihrer Kraft in nichts nachstanden. Finlass war ein ebenbürtiger Gegner und wenn er Legolas beseitigen wollte...
Sie raffte ihre Röcke, drehte sich um und lief in den Wald hinein, um mit ihrer Angst allein zu sein.
~*~
Legolas hatte Dywaith gerade das Zaumzeug abgenommen, als er sah, wie Valshiya geduckt unter den Tannen verschwand. Tarawyn machte einige Schritte in die selbe Richtung, doch bevor er ihr folgen konnte, hatte Legolas ihn am Arm gefaßt und fragte ihn wütend:
"Was hast du ihr erzählt, dass sie davonläuft? Womit hast du ihr Angst gemacht?"
Er wartete jedoch nicht lange genug ab, um Tarawyns Antwort zu hören. Er lief in halsbrecherischem Tempo hinter Valshiya her.
Es war leicht, ihrer Spur zu folgen, denn dort, wo sie lang gelaufen war, lag kein Schnee mehr auf den niedrigen Zweigen der Tannen. Bald konnte er sie zwischen den eng beieinander stehenden Bäumen sehen. Sie hatte sich unter die tiefhängenden, mit Schnee bedeckten Äste einer Tanne gekauert und wollte ganz offensichtlich nicht gesehen werden und allein sein. Als er sich ihr näherte, konnte er hören, das sie von einem starken Schluchzen geschüttelt wurde. Für einen Moment blieb er stehen und dachte: 'Oh nein, nicht schon wieder.' Er hätte nicht gedacht, das es so schwer sein würde, in jemanden verliebt zu sein. Valshiya sorgte sich dermaßen um ihn, das es ihn hemmte, die Dinge zu tun, die er tun mußte. Vielleicht war das der Mensch in ihr, der solche Furcht davor hatte, einen geliebten Menschen zu verlieren. Vielleicht waren aber auch alle weiblichen Wesen so veranlagt, egal ob Mensch, Elb oder Zwerg.
Erschrocken blickte Valshiya auf, als Legolas sie entdeckt hatte.
"Du hättest mir nicht folgen dürfen. Ich kann nichts anderes, als dir Kummer bereiten. Vielleicht hättest du doch besser Riona zur Gemahlin nehmen sollen. Sie ist dir viel ähnlicher."
Legolas seufzte, dann kniete er sich vor Valshiya und nahm ihre Hände in seine.
"Das ist nicht wahr. Ich will meine Träume mit dir teilen und mit keiner anderen. Genauso gern wie du schaue ich hinauf zu den Sternen und gebe mich meinen Gedanken hin. Ein Krieger bin ich nur, wenn es die Situation erfordert. Im Moment ist das so aber es wird auch eine Zeit kommen, in der endlich wieder Friede herrscht.", sagte er.
Valshiya blickte ihn hilflos an und flüsterte:
"Ai Melethron, wenn ich doch nur ein wenig geschickter im Umgang mit dem Schwert und dem Bogen wäre, dann würde ich dir besser zur Seite stehen können. Ich wünschte ich wäre entschlossener und mutiger, als ich es bin. Wenn ich nur..."
Legolas unterbrach sie, indem er ihr den Zeigefinger auf die Lippen legte.
"Deinen Mut hast du längst bewiesen und allein das Wissen um deine Nähe wird mir Kraft geben," sagte er.
Diese Feststellung zauberte ein zuversichtliches Lächeln auf Valshiyas Lippen.
Minutenlang sahen sie sich schweigend in die Augen, lasen tief in der Seele des anderen.
Schließlich hatte sie einen Einfall und mit leuchtenden Augen bat sie ihn:
"Bring' mir den Umgang mit dem Schwert bei! Ich will kämpfen können... so wie du."
Legolas blickte sie überrascht an. Er öffnete den Mund, um ihr den Wunsch abzuschlagen, doch dann fiel ihm ein, dass er nicht wußte, was ihn in Eryn Lasgalen erwartete und dass es gar nicht so falsch war, dass sich Valshiya im schlimmsten Falle auch selbst verteidigen konnte.
Er stand auf und sagte:
"Nun gut, wenn du es so möchtest. Warte einen Augenblick."
Er suchte nach zwei besonders geraden und stabilen Stöcken. Er dachte nicht daran, der ungeübten Valshiya gleich einen Dolch oder ein Schwert auszuhändigen. Bis sie Eryn Lasgalen erreichten, hatten sie noch genug Zeit, um miteinander zu üben und wenn sie tatsächlich besser geworden war, wollte er ihr vielleicht einen kleinen Dolch oder ein Kurzschwert geben.
Als er zwei geeignete Stöcke gefunden hatte, die er bei dieser Kampfübung einsetzen konnte, warf er Valshiya einen zu. Er machte sich kampfbereit und rief Valshiya zu:
"Steh auf, Melethril, Im dravon a le awarthach had[2]"
Valshiya stand auf und blickte auf den Stock, den sie in der rechten Hand hielt. Sie wirkte unentschlossen.
Legolas forderte sie auf:
"Dravo na ranc fair nîn[3]"
Valshiya machte einige Schritte vorwärts. Sie hob den Stock mit beiden Händen und blickte nur auf das Ziel, das Legolas ihr vorgegeben hatte, seinen rechten Arm. Sie bemerkte nicht, dass er selbst ebenfalls nicht zurückwich, sondern einen seitlichen Schritt nach vorn machte. Er lenkte mit seinem "Schwert" das ihre ab und stellte ihr gleichzeitig ein Bein, so dass sie der Länge nach in den Schnee fiel. Schnell drehte sie sich um und blickte Legolas mit einem überraschten Ausdruck an.
"Das war ein Fehler, Melethril. Du darfst deinen Gegner niemals aus den Augen lassen und dich nur auf ein Ziel konzentrieren. Du mußt alle seine Bewegungen im Auge behalten. Du mußt davon ausgehen, dass er sich gegen einen Angriff deinerseits zu verteidigen weiß, also mußt du auch seinen nächsten Schritt voraussehen. Versuch es noch einmal. Meigol am![4]"
Valshiya rappelte sich auf, angelte sich ihr "Schwert" das ihr aus der Hand gefallen war und startete einen erneuten Angriffsversuch. Diesmal machte Legolas einige Schritte rückwärts und drehte sich behende zur Seite, so dass ihr zweiter Angriff ebenfalls ins Leere ging. Zu allem Überfluss, versetzte er ihr auch noch mit dem Stock einen leichten Schlag auf ihren Po.
"Huch!", entfuhr es ihr empört.
Sie drehte sich blitzschnell um und funkelte ihn wütend an.
Legolas lachte und meinte:
"Wäre ich ein Ork gewesen, dann würdest du jetzt nicht mehr leben. Orks sind hinterhältig und greifen meist auch so an. Sie töten dich hinterrücks. Ehe du dich versiehst hast du einen Pfeil oder ein Schwert im Rücken. Sei aufmerksamer! Dravo na thelc cheir nîn[5]."
Valshiya glaubte jetzt zu wissen, worauf es ankam. Wann immer sie etwas tat, womit er rechnete, würde er sich auch zu verteidigen wissen. Sie griff also ihr "Schwert" und überlegte, wie sie ihn jetzt ihrerseits austricksen konnte. Sie schaute ihm direkt in die Augen und griff ihn dann an. Sie täuschte einen Angriff auf sein linkes Bein vor, so wie er es gewollt hatte, doch dann riss sie den Stock hoch und schlug auf seinen rechten Arm. Legolas wich überrascht zurück, es gelang ihm jedoch den Schlag abzuwehren.
"Rinc hen maer[6]. Du hast mich wirklich überrascht.", gab er zu.
Valshiya lächelte zufrieden, doch sie konnte sich nicht lange an ihren Fortschritten erfreuen, denn Legolas griff nun seinerseits an.
Nun war sie überrascht und sah sich plötzlich in der Defensive. Sie konnte nur immer weiter zurück weichen, bis sie mit dem Rücken an einem Baumstamm stand. Eine ganz schlechte Lage, wenn es sich um einen wirklichen Kampf gehandelt hätte.
Legolas, der nach den schnell aufeinanderfolgenden Angriffen nicht einmal leicht außer Atem war, sagte:
"Garo i veigol erin annranc[7]. Lass dich niemals so in die Defensive bringen, wie ich es gerade getan habe. Zwinge dem Gegner deinen Kampfstil auf."
Valshiya kam langsam wieder zu Atem. Sie lächelte Legolas an und sagte:
"Ich möchte, das du mit deiner Schülerin zufrieden bist."
Legolas blickte sie fragend an und war für einen Moment abgelenkt. Diesen Moment nutzte Valshiya aus, um ihn von sich fortzustoßen. Sie griff an und schlug auf ihn ein. Es schien, als wurde sie sich jetzt erst ihrer eigenen Gewandtheit bewußt. Sie war kleiner als er, was sie ausnutzte, indem sie sich mehrmals durch ein Ducken zur rechten Zeit seinem Angriff entzog. Als er schließlich selbst zurückweichen mußte, weil er vollkommen überrumpelt war, lächelte sie zufrieden. Doch Legolas lächelte ebenfalls. Er erklärte:
"Wenn ich wollte, könnte ich dich noch immer zurückschlagen. Dravo angorn[8]"
Gerne kam Valshiya dieser Aufforderung nach. Sie wollte ihm unbedingt beweisen, dass sie nicht nutzlos war.
Als ihre "Schwerter" ein weiteres Mal in der Luft zusammenkamen, brachen sie entzwei. Sie verloren beide das Gleichgewicht und landeten mit überraschtem Gesichtsausdruck auf dem mit Schnee und Tannennadeln übersäten Boden. Zunächst schauten sie sich nur verdutzt an, doch dann lachten sie beide aus vollem Halse.
"Du bist für eine Anfängerin gar nicht so übel. Allerdings solltest du deine Wut im Zaum halten. Sie kann dir für einige Sekunden einen Vorteil verschaffen aber dann hast du dich schnell müde gekämpft und dein Gegner gewinnt die Überhand. Im übrigen mußt du bedenken, das ein echtes Schwert, natürlich viel schwerer ist. Kühle Berechnung, Ausdauer und Ruhe macht einen Kämpfer überlegen, so dass er...."
Weiter kam er nicht, denn Valshiya schloss seinen Mund mit einem leidenschaftlichen Kuss. Zunächst war er vollkommen verblüfft, doch dann riss er sie in die Arme und erwiderte ihren Kuss mit brennender Leidenschaft. Er fürchtete schon, der schöne Moment sei auch genauso schnell wieder vorbei, als Valshiya die Augen öffnete und atemlos flüsterte:
"Legolas, es tut mir leid... ich hätte nicht... das muß das menschliche Temperament in mir sein."
Ebenso atemlos erwiderte er:
"Es muß dir nicht leid tun, Valshiya. Bei Iluvatar, wir gehören zusammen!"
Seine linke Hand zerwühlte ihr Haar, während er die weiche Haut an ihrem Hals mit sehnsuchtsvollen Küssen bedeckte. Seine linke Hand glitt zu den Schnüren, ihrer ledernen Weste und nestelten daran herum. Wortlos stellten seine Blicke ihr die Frage, ob sie damit einverstanden wäre. Sie antwortete ihm, indem sie ihre Hand in seinen Nacken legte und zu einem weiteren Kuss zu sich heranzog. Er entlockte ihr ein höchst zufriedenes, kehliges Geräusch, als er seine Zunge auf eine sinnliche Entdeckungsreise durch ihren Mund schickte. Er bäumte sich leicht auf, als ihre forschenden Hände unter seinem Lederwams ihm einen wohligen Schauer über den Rücken kriechen ließen.
"Aniron cen, Valshiya. Milin cen![9]" hauchte er und seine Stimme klang dabei seltsam belegt.
Valshiya war bereit für ihn, obwohl sie noch vor wenigen Minuten geglaubt hatte, dass es nicht richtig wäre, ihm so nahe zu kommen, bevor sie nicht mit ihrem Vater darüber gesprochen hatte, das sie und Legolas sich liebten und bevor er nicht bei Amarayl um ihre Hand angehalten hatte.
Ihre Angst war wie fortgeblasen und die Kälte des Schnees nahm sie gar nicht mehr wahr.
Legolas öffnete seine Mantelschließe und wollte gerade seinen Mantel auf dem Boden ausbreiten, als sich aus sich jemand hinter einer Tanne östlich von der Lichtung räusperte und die Magie des Augenblicks mit einem Mal zerstörte.
Mit katzenhafter Gewandtheit war Legolas wieder auf den Beinen und hatte in der selben Bewegung sein Schwert gezogen. Als er jedoch die Person erblickte, ließ er es sogleich wieder sinken.
"Dionoril!", entfuhr es ihm überrascht.
"Ja, ja, das bin ich wohl. Zugegeben es war eine sehr romantische Szene, die sich da gerade vor meinen Augen abspielte und ich kann gut verstehen, das du, mein Junge, das Mädchen sehr liebst und ja, ich gestehe auch, wärst Du nicht mein Neffe, dann hätte ich diese Szene wahrscheinlich sogar bis zum Ende beobachtet aber letzten Endes gebot mir meine Moral doch, euch zu unterbrechen."
Der hoch gewachsene Mann, der sprach, als sei es für ihn das natürlichste auf der Welt, zwei Liebende zu beobachten, trat hinter den Tannen hervor. Er war ein Elb. An der Tiefgründigkeit seiner Augen konnte Valshiya erkennen, das er viel älter als Legolas war.
"Was machst du hier... warum bist du hier?" fragte Legolas.
Er schien ziemlich ungehalten über diese Störung zu sein, zu überraschen schien es ihn jedoch nicht. Ganz als ob er derartiges von dem Neuankömmling durchaus gewohnt war.
Valshiya blickte nur verstört von einem der beiden Männer zum anderen und konnte sich nicht erklären, was da vor sich ging.
"Lieber Schwestersohn, das ist eine lange und unangenehme Geschichte. Ich nehme an, deine wunderschöne Schwester und der Bruder der Hiril Valshiya sind auch hier irgendwo in der Nähe. Wenn Du mich nun zu eurem Lager geleitest, werde ich dir gerne erklären, was mich hierher geführt hat."
Legolas steckte, begleitet von einigen, kaum hörbaren Unmutsäußerungen sein Schwert weg. Valshiya bemerkte, das er sogar leicht errötet war. Etwas, was sie noch niemals bei ihm gesehen hatte.
Der ältere Elb hob den Zeigefinger und machte ein Gesicht, als sei ihm etwas wichtiges, was ihm kurzzeitig entfallen war, wieder ins Gedächtnis gekommen.
"Im übrigen denke ich, das ihr für das, was ihr ganz offensichtlich vorhattet, gewiss einen romantischeren Ort finden könntet."
Legolas blickte gen Himmel und verdrehte die Augen mit einem tiefen Seufzer, was der andere Elb mit einem süffisanten Grinsen quittierte.
"Schäm!" Ein weiteres Fast-NC 17. Ich denke nicht, dass ich es in dieser Geschichte noch einmal schaffen werde. Ich versuche, euch nicht zu lange auf das nächste Kapitel warten zu lassen ----------------------- [1] Waldstadt [2] Ich greife an und du wehrst ab [3] Schlage auf meinen rechten Arm [4] Schwert hoch! [5] Schlage auf mein linkes Bein [6] Diese Bewegung war gut [7] Halte das Schwert am langen Arm [8] Schlage fester [9] Ich begehre dich, Valshiya. Ich liebe dich
