Seufzend las Mizuki das Manuskript und legte es schließlich mit einem eher bitteren Gesicht auf den Tisch, wo zwei Kaffeetassen standen.

„Yuki-san, das entspricht überhaupt nicht ihren sonstigen Leistungen", bemerkte sie enttäuscht und besorgt.

Sie war zu höflich, dem mürrischen Romancier direkt zu sagen, dass sein neuestes Werk schlecht war und erst recht nicht an seine neueren Veröffentlichungen heranreichte. Er hatte in letzter Zeit einen so unglaublichen Sprung gemacht, dass es fast schon unheimlich war und viele seiner Novellen, Kurzgeschichten und auch sein letzter, großer Roman, besaßen ein Happy End. Früher schafften das gerade mal eine handvoll Werke und selbst da, wirkte es eher steif und leblos.

Eiri murrte nur und schaltete den Fernseher ein. Gelangweilt zappte er durch die Kanäle, während seine Verlegerin fast verzweifelte.

„Yuki-san", versuchte sie vorsichtig seine Aufmerksamkeit zu gewinnen und schaffte es auch wirklich.

Der blonde Autor bedachte sie mit einem gelangweilten Blick, der durch die halbrausfallende Zigarette noch verstärkt wurde. Er hatte nicht einmal bemerkt, dass der grad laufende Kanal ein Live-Konzert von „Bad Luck"übertrug. Es war ohnehin gerade bei einem weiteren Applaus, der nach einer zweiten Zugabe verlangte. Der Applaus ebbte ab und die wohlbekannte Stimme des Sängers erklang. Sofort blickte Yuki wieder zu dem Fernseher. Kritisch betrachtete er Shuichi, der zwar mit aller Macht fröhlich wirken wollte, aber in seinen Augen konnte der Halbjapaner eine tiefe Traurigkeit erkennen. Schweigend lauschte er Shuichis Worten. Seine Stimme war eine winzige Nuance tiefer und bedeutend melancholischer als er ihn kannte. Der Eindruck verstärkte sich noch, als das Lied erklang. Wie angekündigt eine brandneue Ballade. Erneut knabberten Schuldgefühle an Yuki. Der Text stammte eindeutig von Shuichi mit all seinen kleinen Fehlern, aber er war gut. Er war eine ganz andere Welt, als seine sonstigen Songtexte.

Yuki schaltete den Fernseher lauter und Shuichis Stimme hallte durch das Wohnzimmer. Selbst durch den Fernseher, verlor der „Bad Luck"-Sänger nichts von seiner Anziehungskraft und seine Stimme war voller Leidenschaft und fühlbarem Schmerz.

Nach der zweiten Strophe, schaltete Yuki ab und legte die Fernbedienung auf den Tisch. Er hatte keine Lust, sich von „Bad Luck"Schuldgefühle einreden zu lassen.

„Yuki-san?"

Mizuki legte vorsichtig eine Hand auf Eiris Arm und blickte ihn besorgt an. Sofort zog dieser murrend seinen Arm zurück und sah die junge Frau genervt an. Er wirkte verärgert und nachdenklich, dann ergriff er sein Manuskript und bohrte den glühenden Stummel, unter Mizukis entsetztem Aufschrei, hinein.

„Sie haben Recht. Es ist Mist. Sagen sie ihrem Chef, was immer sie wollen, ich werde es überarbeiten."


Mizuki war gerade raus und Yuki konnte vom Fenster aus sehen, wie sie in ihr Auto stieg. Er spürte das kalte Glas an seinem Unterarm, mit dem er sich am Fenster abstützte. Zwischen seinen Lippen klemmte eine neue Zigarette, deren Rauch sich über ihm sammelte. Er ärgerte sich über sein letztes Werk. Wie hatte er nur daran denken können, so etwas halbgares abgegeben zu wollen? Diese ganze Sache mit dem kleinen Idioten und den Drohbriefe, hatte einfach zu sehr an seinen Nerven gezerrt.

Erschrocken drehte er sich um, als hinter ihm erneut ein „Bad Luck"- Song erklang. Suchend blickte er sich um und entdeckte einen jugendlich wirkenden, recht zierlichen Mann mit blondgefärbten Haaren. Er fragte Seguchi nicht einmal, wie er hereingekommen war. Sein Schwager hatte dafür einfach seine eigenen Methoden.

„Sie sind richtig gut geworden", erklärte der blonde NG- Präsident.

Yuki hörte ihm nicht zu. Mit mürrischem Gesicht, ließ er sich aufs Sofa zurückfallen und musterte Seguchi Tohma abwartend.

„Vor allem Shindou-san hat sich gut entwickelt. Kein Wunder, er arbeitet in letzter Zeit ja auch wie besessen", fuhr der 31jährige fort.

„Bist du nur hier, um mir das zu sagen?"

Über Eiris genervten Blick, konnte Tohma nur milde und nachsichtig lächeln.

„Sei nicht so! Ich wollte sehen, wie es dir geht."

Auch er setzte sich auf das Sofa und überschlug die Beine. Forschend betrachtete er seinen jüngeren Schwager, den er wie einen Sohn oder kleinen Bruder liebte. Er konnte nicht anders, als jeden schlechten Charakterzug von Eiri geduldig zu ertragen. Noch immer war seine Seele eine einzige Sammlung von Schuldgefühlen und auch nur der Gedanke, dass der blonde Schriftsteller jemals wieder Schmerzen ertragen musste oder verraten wurde, ließ einen unsäglichen Hass in ihm aufkeimen. Momentan richtete sich dieser Hass allein gegen Shindou Shuichi, auch wenn es völlig unbegründet war. Er wusste eigentlich, dass Yuki dieses Problem auch allein gelöst hat. Der reinherzige „Bad Luck"- Sänger, war Yukis Kälte und Misstrauen nicht gewachsen. Von ihm, hätte der Halbjapaner nie etwas zu befürchten gehabt.

Tohma, schaltete den Fernseher etwas lauter, als das Konzert nun doch zu Ende war. Gespielt gelangweilt, blickte Eiri zu der Szene auf dem Bildschirm. Es zeigte sie Aufzeichnung einer Pressekonferenz von letzter Woche. Allein Fujisaki und Nakano beantworten gut gelaunt die Fragen. Shuichi saß, in sich gekehrt, zwischen den beiden und wich den Blicken der Reporter aus. Er hatte seine Hände vor dem Gesicht gefaltet und blickte etwas seitlich auf den Tisch. Die nächste Einstellung war eine Nahaufnahme des Sängers, die neben seiner Makellosigkeit, auch seine schönen Augen zeigte. Er war gebrochen. So sehr er auf der Bühne auch auflebte, er war nichts weiter, als eine Puppe. Professionell bis zur Selbstaufgabe, aber im Inneren hohl.

„Nur noch ein wenig und sie werden auf gleicher Stufe wie ‚Nittle Grasper' stehen. Beeindruckend, nicht?"

Eiri schnaubte kurz und blickte seinen Schwager gereizt an.

„Bist du gekommen, mir das unter sie Nase zu reiben? Darauf hab ich keine Lust. Also wenn du nicht mehr zu bieten hast."

Sofort wurde Seguchis Ausdruck ernster.

„Ich weiß, dass etwas nicht stimmt... und ich meine nicht Shindou-san. Du hast mich so angstvoll angeschaut, als ich reingekommen bin. Also, was ist los?"

Kurz zuckten Eiris Mundwinkel zu einem spöttischen Lächeln hoch. Seguchi merkte auch alles. Es war eben schlimm jemanden in seiner Nähe zu haben, der einen schon sehr lange kannte.

„Nichts, womit ich nicht selber fertig werde. Nur so ein kleiner Spinner, dem meine Arbeit nicht gefällt."

Fragend, hob Tohma eine Braue. Er verstand nicht Recht.

„Ein Stalker?"hakte er prüfend nach.

Yuki nahm seine Zigarette aus dem Mund und drückte sie in den Aschenbecher.

„Scheint so."

Sein ernster Blick, traf den „Nittle Grasper"-Produzenten und duldete keinen Widerspruch.

„Behalt das für dich! Ich kann weder Polizei, noch Presse gebrauchen."

„Weiß dein kleines Spielzeug davon?"

Noch immer blieben die grünen Augen eiskalt und bar jeglicher Emotion. Yuki wusste, dass es mehr als unfair war, Shuichi als Spielzeug zu bezeichnen. Der Junge hatte nie etwas getan, was ihn verletzen konnte und dennoch, verspottete er ihn immer wieder. Er war grausam, das wusste er, doch anders konnte er längst nicht mehr. Es gab keinen Grund mehr, Shuichi zu schonen, es gab nie einen Grund. Der jüngere war es doch, der immer wieder zurückkehrte und seine Nähe suchte. Warum sollte er seine eigene Dummheit dann noch vor Tohma verteidigen?

„Natürlich nicht", antwortete Yuki scharf. „Das geht ihn auch gar nichts an."

Seguchi lächelte milde und voller Zufriedenheit. Es schien so, als wären die Gerüchte war. Yuki hatte genug gespielt und war den hyperaktiven Sänger endlich leid. Er hatte schon die Befürchtung, Eiri würde sein Herz ernsthaft verlieren und etwas für Shindou empfinden, was nur verraten werden konnte.

Eiri wandte seine hellgrünen, fast bernsteinfarbenen Augen vom blonden Produzenten ab und blickte wieder zur Sondersendung über die Newcomer „Bad Luck". Es war eine typische Szene. Aufdringliche Journalisten verlangten nach Kommentaren und Kurzinterviews. Sie quetschten die Gruppe völlig ein und deren Manager K, ein Amerikaner mit sehr langem, blondem Haar und einer Affinität zu Waffen, musste ihnen einen Weg freikämpfen.

Yukis Unterkiefer klappte ein unmerkliches Stück tiefer und seine Pupillen zogen sich zusammen, als er ansehen musste, wie die Reporter mit ihren Kameras und Mikrofonen auf Shuichi zustürmten. Es hatte fast etwas von der Erstürmung einer Stadt.

Erschrocken und ängstlich, drückte der androgyne Sänger sich an den breiteren Körper seines Managers. Seine Finger suchten am weißen Hemd halt. Die blauen Augen weit aufgerissen und voller Panik, starrte er in die Kameras, als wären sie wilde Tiere. Er wirkte nicht, als würde er jeden Moment losheulen, wie ein kleines Kind, wie sonst, wenn er gerade deprimiert war. Shuichi war wirklich fertig. Ein tiefes Loch, aus dem er nicht so schnell wieder herauskam. Das Stehaufmännchen, war zerbrochen und konnte nicht mehr aufstehen.

Schützend stellten Hiroshi und der junge Fujisaki Suguru sich vor ihren Freund und versuchten die penetrante Presse zurückzudrängen.

„Schalt es aus!"

Yuki blickte weg vom Fernseher. Er hatte keine Lust, sich von Shuichi Schuldgefühle einreden zu lassen. Genau deswegen, bevorzugte er starke Persönlichkeiten für das Bett. Die wollten selten Beziehungen und wenn doch, ertrugen die es leichter, wenn es vorbei war. Was hatte er sich nur dabei gedacht, dieses Kind in sein Haus und Bett zu holen? Er war ein Mistkerl, das wusste er, aber er zerbrach keine Seelen. Auch er hatte so etwas wie eine Moral und auch ein derartig makelloser, schöner Körper wie Shuichis, sollte den Trieb nicht über die eigene Ethik triumphieren lassen.

Ohne weiter auf Seguchi Tohma zu achten, stand der attraktive Schriftsteller auf und ging in sein Arbeitszimmer. Er brauchte Ruhe, um sich einzureden, dass Shuichi damit klar kommen würde.


Ein leises Pling erklang, als eine salzige Träne auf die Coladose traf. Langsam, wurde die Blechdose zwischen den zierlichen Fingern, die fast an feine Frauenfinger erinnerten, gedreht. Noch immer, wollte der Schmerz in seiner Brust nicht aufhören. Es war so schrecklich demütigend gewesen. Diese eiskalten Augen und der Spott in der Stimme. Da war kein Hass oder eine sonstige Form von Gefühl, nur grausame, folternde Gleichgültigkeit und Geringschätzung.

Stimmen und Schritte näherten sich. Hastig stellte er die Dose auf die breite Ablage vor dem Spiegel und wischte sich die Hände über die Augen, um die Spuren der Tränen zu zerstören. Mit einem falschen Lächeln auf dem Gesicht, drehte Shuichi den Stuhl zur Tür, als diese aufsprang und Fujisaki in die Garderobe stolperte. Der sehr junge Keyboarder, blickte kurz besorgt zum Sänger der Band. In seinen Augen konnte dieser das Mitleid lesen und es beschämte ihn noch mehr. Freundlich lächelnd, versuchte Shuichi die Situation zu retten und schaffte es zumindest, dass Suguru sich ertappt fühlte und nervös durch sein grünstichiges, schwarzes Haar im Nacken strich. Auch wenn zwischen ihm und Shuichi immer eine Distanz bleiben würde, sorgte er sich doch sehr um den Sänger, der immer wieder über seine eigene Naivität und Gutmütigkeit stolperte. Fujisaki war vielleicht anfangs ein aufgedrücktes, zusätzliches Bandmitglied, aber jetzt, war ein zu fester Bestandteil, als das ihn das Leid der anderen unberührt ließ.

„Shindou-san komm, wir sind jetzt dran."

Shuichi nickte und sprang überschwänglich aus dem Drehstuhl. Ein letzter Blick in den großen Garderobenspiegel, sollte ihm sagen, ob sein gelber Mantel, die Lackshorts und das enge Shirt richtig saßen, doch alles, was er dort sah, war ein kleiner Junge mit traurigen Augen.

Der lange Mantel wehte, als der Sänger an Fujisaki vorbei, in den Gang rauschte und direkt zur Bühne ging. Kurz vor dem Bühnenaufgang blieb er noch einmal stehen, drehte sich zu seinem Gitarristen Hiroshi, zu K, dem Manager, Sakano, dem ewig besorgten Produzenten und Mädchen für alles und zu Suguru. Langsam streckte er seine Faust zu seinen Freunden aus und ließ dann den Daumen mit einem breiten Grinsen hochschnellen.

„Zeigen wir ihnen, was ‚Bad Luck' für eine Show bedeutet."


Ein fast schon vergessenes Glitzern, stand in Shuichis Augen, als er seine Hände um den Mikrofonständer legte und seine Blicke über die vielen Köpfe wandern ließ. Es war ein unheimliches Gedränge vor der Hauptbühne und allein die Atmosphäre, ließ seinen Puls rasen. Er spürte den kurzen Anflug von Schmetterlingen in seinem Bauch. All diese Menschen waren hier, um sie zu hören.

Er drehte seinen Kopf und blickte zu Hiroshi und Fujisaki, die beide verwundert die Verwandlung bemerkten. Shuichi war noch immer tieftraurig, aber das Gefühl auf einer Bühne zu sein, bewirkte etwas in ihm, was für Außenstehende nicht nachvollziehbar war. Die letzten kindlichen Züge, wichen einer professionellen Ernsthaftigkeit. Auf der Bühne, lag sein Zentrum von Gefühlen, so komprimiert, dass ein einzelnes wie Schmerz kurz vergessen war. Die Musik erklang und Shuichi spürte, wie seine eigene Stimme aus ihm heraussprudelte, voller Kraft und mit dem Willen, ein eigenes Leben zu führen. Seine Augen waren auf das kreischende, begeisterte Publikum gerichtet und blickten doch durch es hindurch. Er sang für alles und jeden und ganz besonders für sich. Kraftvoll, lebendig, die Seelen anderer erreichend. Er war die Sonne, deren Anziehungskraft ganze Planeten um sich kreisen ließ. Pure Magie, der sich niemand entziehen konnte, so sehr dieser es sich auch einbildete. Es war sein Publikum, auf die seine Stimme, seine Ausstrahlung und seine Bewegungen eine nahezu hypnotische Wirkung erzielten. Und doch, blieb immer dieser bittere Nachgeschmack. Auch diesmal ertappte er sich dabei, zwischen den vielen feiernden Menschen den einen zu suchen. Er wünschte sich so sehr, dass er einfach dastand, seine Sonnenbrille abnahm und ihn mit einem leichten Lächeln bedachte. Shuichi wusste, dass es Unsinn war. Selbst wenn Yuki gekommen wäre, dieses Festival war viel zu groß, um einen Einzelnen zu erkennen.


Mit verschränkten Armen, stand K hinter der Bühne und betrachtete seine drei Schützlinge kritisch. Neben ihm stand der eher unauffällige Sakano, der, in seinem schwarzen Anzug, eher wie ein Beamter, als wie ein Produzent wirkte.

„Heute ist er besonders gut", bemerkte der Japaner mit dem kurzen, leicht verwuschelten Haaren und schob seine Brille hoch.

K murrte nur. Seine blauen Augen, glitten von Hiroshi zu Fujisaki. Beide waren heute wirklich sehr gut. Shuichis letzte Leistungen hatten sie wahrlich angepeitscht. An ihnen ließ sich nicht meckern. Er blickte nun zu Shuichi, dem Zentrum des Bühnengeschehen und murrte leise.

„Sie haben Recht, aber es ist dennoch nicht gut."

Verwirrt blickte Sakano zum „Bad Luck"- Manager, der ihm nun fast wie der Fels in der Brandung vorkam. K's glatte Stirn, war in tiefe, besorgte Falten gelegt.

„Er singt nicht, er schreit seinen Schmerz heraus. Das wird ihn auf kurz oder lang kaputt machen. Egal, wie gut er im Moment ist, das auszunutzen, wäre falsch."

„Ah, K, lassen sie ihn nur, vielleicht hilft es ihm ja", erklang eine weiche, jugendliche Stimme hinter den beiden Männern.

Neugierig drehten beide sich um und blickten ihn Seguchis Gesicht. Souverän, wie eh und je, trat der NG- Präsident näher. Er hatte seine Hände hinter seinem Rücken und blickte mit einem milden Lächeln zu Shuichi auf die Bühne.

„Er muss lernen, dass alles ein Ende haben kann. Nur das macht ihn erwachsen und lässt ihn sich mehr Mühe geben."

Missmutig, murrte K über die Worte seines Chefs. Wenn es nur das wäre, aber hier ging es nicht um einfachen Liebeskummer. Bei so etwas, sang Shuichi nur einfach schlecht, heulte den ganzen Tag und ging einem gewaltig auf die Nerven. Aber, er sang wie ein Gott und war einfach zu ruhig und schweigsam, um einen zu nerven. Man hatte einfach nur noch Mitleid mit ihm.

„A-aber Chef", mischte Sakano sich ein, der es normalerweise nie wagte, seinem Seguchi-san zu widersprechen.

Dementsprechend erwartungsvoll, blickte dieser auch zu ihm. Ein Blick, der allein durch seine Freundlichkeit, jeden in die Knie zwingen konnten. Seguchi war kein lauter, cholerischer Chef, er war die stille, hintergründige Sorte Mensch, hinter deren Maske man nie blicken konnte und genau das machte ihn so gefährlich. Niemand, konnte etwas gegen Liebenswürdigkeit unternehmen und dann kam der unvermittelte Schlangenbiss.

Kalter Schweiß perlte von Sakanos Stirn und hastig versuchte er diesen, mit einem Taschentuch wegzutupfen. Sein ganzer Körper, stellte sich bereits darauf ein, in der nächsten Minute, auf die Knie zu fallen und um Verzeihung zu betteln, aber erst mal, musste er da durch.

„Ich glaube nicht, dass es nur mit der Trennung zu tun hat. Ich meine, ich denke schon, aber irgend etwas ist da noch. Shindou-kun ist völlig verändert, richtig... uhm..."

„... mit den Nerven am Ende", half K aus und erntete vom „Bad Luck"- Produzenten ein zustimmendes Nicken, das sehr an einen Wackeldackel im Kaffeerausch erinnerte.

Tohmas Lächeln wurde breiter und noch freundlicher, was bei K allerdings keine Wirkung zeigte. Kühl und berechnend, wie es sich für einen Manager gehörte, hielt er dem Angriff stand. Um so unvermittelter traf ihn der Vorschlag seines eher zierlichen Chefs, der in dem weiten Anzug und der Mütze, noch viel kindlicher, als normal aussah.

„Dann schlage ich vor, die Band macht demnächst Urlaub. Streichen sie alle Auftritte, Interviews und Aufnahmen. Gleich nach dem Konzert, haben sie genug Freizeit."

Nicht sicher, ob es purer Sarkasmus oder ein ernstzunehmender Ratschlag war, runzelte K die Stirn, während Sakano immer blasser wurde und fast vor dem Nervenzusammenbruch war.

„Das geht doch nicht", jammerte er.

„Warum nicht? Wäre es etwa nicht gut für die Band", fragte Seguchi übertrieben naiv, was Sakano einen zusätzlichen Peitschenhieb verpasste.

„Doch, natürlich", versicherte der Abklatsch eines Beamten einem Zerfall nahe, „aber... uhm... wir können die Auftritte nicht einfach absagen. Das könnte der Band schaden und würde garantiert auch auf NG und sie zurückfallen."

Leicht legte der NG-Präsident seinen Kopf schief und bedachte seinen ehemaligen Manager mit einem besonders netten Lächeln.

„Machen sie sich darüber keinen Kopf. Ich werde mich schon darum kümmern, zusammen mit ‚Nittle Grasper'."

Ohne jedes weitere Wort, drehte Seguchi Tohma sich um und verließ den Schauplatz wieder. K konnte nicht anders, als ihm einen mürrischen Blick hinterher zuwerfen. Er mochte Seguchi nicht sonderlich, oder besser, er mochte den Umgang dieses Mannes mit seinen Schützlingen nicht. Für ihn war der Präsident eine Schlange. Egal, wie friedlich sie in der Sonne lag und sich wärmte, da waren noch immer die Giftzähne, die besonders auf Shindous Fleisch zielten. Der Manager hatte immer das Gefühl, Seguchi wartete nur auf eine günstige Gelegenheit, „Bad Luck"oder wenigstens deren Sänger los zu werden und dann, gab es wieder diese Momente, in denen Seguchi sich fast ein Bein rausriss, um die junge Band zu fördern und an die Spitze der Charts zu bringen.


„Ah, endlich mal wieder Urlaub."

Genüsslich streckte Hiroshi sich. Etwas Erholung hatte er wirklich nötig. Der ganze Starrummel, war wirklich sehr schlauchend, auch wenn es ihm etwas seltsam vorkam, dass K und NG dem so plötzlich zustimmten.

Der hübsche Gitarrist blickte neben sich zu Shuichi, der nur schweigend auf den Boden blickte. Seine Hände hatte er tief in die Taschen seiner langen, orangefarbenen Lackjacke gesteckt und sein Atem kondensierte vor seinen Lippen. Es war wirklich kalt geworden, aber das schien den 19jährigen kaum zu kümmern.

„Hiro?"

Der Angesprochene hob fragend, leicht eine Braue.

„Lass uns einen trinken gehen, zur Feier des Tages", schloss Shuichi seinen Satz und blickte zu seinem besten Freund auf. Ein einnehmendes Lächeln lag unter den Augen, die so matt und deprimiert wie ein Wintermeer wirkten. Hiroshi nickte knapp, legte einen Arm um Shuichis Schulter und drückte den schmächtigen Mann leicht an sich.

„Wie du willst. Das haben wir ohnehin schon lang nicht mehr gemacht."

Innerlich seufzte Hiroshi. Sein kleiner Freund würde sich hoffnungslos betrinken, als ob es irgendetwas ändern würde. Aber nun gut, Nakano war auch nicht bereit, dem deprimierten Sänger diesen Wunsch abzuschlagen. Er musste ohnehin nicht befürchten, dass Shuichi nun immer trinken würde, um den Schmerz zu lindern, dafür war die Sucht nach der Bühne noch einfach zu groß und irgendwann, würden seine inneren Qualen auch aufhören. Nachdenklich betrachtete er den Sänger. Aber, so wie dieser aussah, konnte man meinen, dass es für ihn nie aufhören wurde. Zerbrochene Herzen konnte man zusammenkleben, aber was machte man bei Glasherzen, die in winzige Scherben zerschmettert worden waren?

Seufzend führte er Shuichi zu einer kleinen Kneipe, die nicht weit von der Festivalarena entfernt lag. Hiroshi hatte einfach keine Lust, mit einem teuren Taxi noch durch die ganze Stadt zu fahren, nicht nach so einem bombastischen und kräftezerrenden Auftritt.


Lediglich die glühende Zigarettenspitze, spendete im Umkreis von ein paar Millimetern etwas Wärme. Ein wenig fröstelnd, verkroch sich Yuki noch mehr in seinen Lamafellmantel. In der großen Halle und im Auto war es warm gewesen und jetzt dieser bittere Kälteschock.

„Wolltest du sehen, wie er sich macht?"

Yuki drehte sich um und blickte durch die Sonnenbrille in schwarze Schatten. Gelassen nahm er die Brille ab und blickte dorthin, wo er den Besitzer der wohlbekannten Stimme vermutete. Seguchi trat aus dem Schatten, den die massive Treppenbrüstung warf, hervor und blickte vom untersten Absatz zu seinem Schwager auf. Ausdruckslos, sah dieser hinab.

„Wovon redest du?"

Yukis Instinkt, gebot ihm Vorsicht. Seguchi Ausdruck war ernst und etwas drohendes, blitzte in seinen verdunkelten Augen.

„Ich weiß, dass du da warst. Ich habe dich gesehen."

Geschmeidig, kam er näher und blieb zwei Stufen unter seinem jüngeren Schwager stehen. Gnadenlos, bohrte er seinen Blick in den Schriftsteller.

„Was erhoffst du dir davon?"

Yuki schnaubte verächtlich und setzte ein süffisantes Lächeln auf.

„Du hast mir doch gesagt, dass sie auftreten werden. Wolltest du etwa nicht, dass ich komme."

Seguchi runzelte die Stirn und Zorn flammte in seinen Augen auf. Noch nie, war er ein Opfer von Yukis Kälte geworden.

„Du weißt sehr wohl, dass ich ganz bestimmt nicht wollte, dass er dich sieht."

Sehr kurz, lachte Yuki sarkastisch auf.

„Stimmt, du wolltest dich nur über den Kleinen lustig machen."

Wütend, knirschte Seguchi mit den Zähnen. Zugegeben, er war gegen die Beziehung der Beiden gewesen und hat so einiges getan, um sie zu zerstören, aber nichtsdestotrotz, war Shuichi noch immer ein wichtiges Produkt seiner Plattenfirma. Er konnte sich nur zu gut ausmalen, was passiert wäre, hätte der „Bad Luck"- Vocalist, diese blonde Personifizierung von Arroganz gesehen und das wäre völlig wider seine wirtschaftlichen Bestrebungen gewesen.

„Halt dich von Shindou-san fern! Das ist besser für alle", knirschte er gedämpft und erntete nur weitere Überheblichkeit.

„Vor allem besser für dich?!"

Die verschatteten Augen, verengten sich immer weiter. So angriffslustig, war Yuki noch nie seinem väterlichen Schwager gegenüber gewesen, was diesem absolut nicht schmeckte. Allmählich zeigte Seguchi sein wahres Gesicht, sehr zur Freude Eiris.

„Ja, ich bin froh, dass du dein Spielzeug zur Seite gelegt hast, was euch beiden weiteren Schmerz erspart", gab der blondierte Japaner zu, „Aber, mir gefällt nicht, dass du ein neues, absolut krankes Spiel mit ihm vorhast. Er steht bei mir unter Vertrag und ich brauche ihn, also halt dich von ihm fern, sonst wird er auf kurz oder lang zerbrechen."

Lässig, strichen weiße Finger naturblondes Haar aus dem schöngeschnittenen, makellosen Gesicht.

„Hab keine Angst um deine Goldkuh. Ich war ohnehin nicht wegen ihm da. Mein Date, wollte unbedingt dahin."

Forschend, maßen die dunklen Augen jeden Zentimeter des ausdruckslosen Marmorgesichts ab und konnten doch nicht erkennen, ob er log oder nicht.

Die teuren Schuhe klackten auf den Steinstufen, als Eiri heruntertrat und neben seinem Schwager stehen blieb.

„Mach dir keine Sorgen. Mein Spiel mit dem Kleinen ist endgültig vorbei. Ich habe einfach keine Lust mehr, auf Kindereien und seinem Liebesgesäusel. Lass uns lieber etwas spazieren gehen und über deine Idee mit den Songtexten sprechen."


So leicht und gut gelaunt, hatte Shuichi sich schon lange nicht mehr gefühlt. Er hatte fast das Gefühl fliegen zu können und versuchte dies auch sofort in die Tat umzusetzen. Hiroshi konnte seinen alkoholisierten Freund gerade noch am unteren Saum seiner Jacke festhalten und zurückziehen, bevor dieser die Treppen der Fußgängerüberführung heruntersprang. Mit einem kindlichen Schmollmund, drehte Shuichi sich um und bedachte den verzweifelten Gitarristen mit einem beleidigten Blick.

„Menno, Hiro, warum verdirbst du mir den Spaß?"

Der Angesprochene, seufzte schwer. Er schaffte es nicht einmal mehr, den jungen Sänger anzusehen. Dessen dunkelblaue, nahezu violetten Augen, versuchten verzweifelt die Umgebung aufzunehmen und bewegten sich unablässig, ohne einen bestimmten Punkt zu treffen, was Hiroshi sichtlich nervös machte.

Der Dunkelhaarige, ergriff Shuichis Arm und zerrte ihn hinter sich. Zuerst, wirkte der zierliche Junge verwirrt, lief dann aber rot an und kicherte wie ein Schulmädchen.

„Aber Hiro", gurrte er süßlich, „du bist ja auf einmal so stürmisch."

Hiroshi war kurz gewillt, seinen Kopf gegen die eiserne Absperrung zu hauen, verdrehte dann aber doch nur die Augen. Es war einfach unmöglich, einem Betrunkenen mit Vernunft gegenüberzutreten, vor allem, wenn dieser gerade summend hinter einem herhüpfte.

„Ich bring dich jetzt besser nach Hause."

„Oh ja... nach Hause... Hiro bringt mich nach Hause. Jahaaa... nicht Hiro-chaaan", krähte Shuichi voller künstlicher, guter Laune. Mindestens ein oder zwei Drinks, waren ihm eindeutig in den Kopf gestiegen und lähmten jeden Hirnbereich, der für Logik, Vernunft und Verantwortung zuständig war. Kurz, sämtliche Fußgänger auf der Brücke, der angrenzenden Passage und noch einem weiteren Block, erlebten Shindou Shuichi in Reinform. Es war so peinlich und gleichzeitig so erholsam für Hiroshi, dass er sich schmunzelnd zu dem dümmsten hinreißen ließ, was er sagen konnte. Shuichi annähernd so wie früher zu sehen, ließ ihn einfach alle Bedenken vergessen.

„Wie konnte Yuki-san es nur so lange mit dir aushalten?"

Sofort ging ein Ruck durch den zierlichen Körper des Pinkhaarigen. Mit entsetzten Augen, sah er seinen besten Freund an, der fast stolperte, weil Shuichi so abrupt angehalten hatte, aber immer noch Hiroshis Hand hielt. Mit einem bedauernden Gesicht, drehte der Brünette sich um. Shuichi stand einfach ganz still da, den Kopf gesenkt und das Gesicht kaum erkennbar.

„Shuichi... es... es tut mir leid."

Hiroshi wusste nicht, was er sonst hätte sagen können. Hilflos stand er nun seinem besten Freund gegenüber.

„Ist schon gut. Mit mir ist alles okay", erklärte Shuichi, dessen Stimme schon wieder nüchtern klang, viel zu nüchtern für das kleine Energiebündel.

Langsam blickte er auf und ein breites Lächeln lag auf seinen Lippen.

„Mach dir keine Sorgen. Mir geht es wirklich wieder gut. Was interessiert mich schon Yuki Eiri?"

Auch, wenn er noch abfällig klang und es schaffte, den Namen seines Exfreundes wie ein Stück schimmligen Essens auszuspucken, so strafte der unendlich traurige Blick in seinen Augen ihn dennoch Lügen.

Nakanos Fingerspitzen zuckten kurz. Er war versucht, seinen kleinen Freund einfach in die Arme zu nehmen und ihn fest an sich zudrücken. Shuichi hatte die Trennung härter getroffen, als er zuzugeben bereit war. Er war ja nicht einmal im Stande, einfach zu weinen. All den Schmerz in seinen Tränen herausbrechen zu lassen.

„Hiro?"

Der Angesprochene zuckte zusammen und blinzelte Shuichi fragend an.

„Bring mich bitte nach Hause, ja?"


Immer wieder, blickte Hiroshi zu Shuichi, um sich zu vergewissern, dass auch wirlich alles in Ordnung war, doch jener lächelte nur fröhlich. Erleichtert strich der Gitarrist sich durch sein braunes Haar und blickte zu den Häusern, die er über Shuichis Kopf hinweg, schemenhaft erkennen konnte. Es waren kleine, aber noble Apartmenthäuser, mit nicht mehr, als höchstens sechs Wohneinheiten. Theoretisch, hätte auch Hiroshi sich längst eine derartige Wohnung leisten können, aber sein herz hing einfach an seiner kleinen Einzimmerwohnung mit Blick auf ein Parkhaus.

Shuichi bog um eine Ecke, die von einer Straßenlaterne beleuchtet wurde und stolperte sofort wieder zurück. Er war gegen etwas gestoßen und blickte nun in den viel zu dunklen Schatten, außerhalb des Laternenlichts.

„Oh, bitte verzeihen sie, ich habe sie nicht gesehen", erklang eine freundliche Frauenstimme, die etwas älter, als Shuichi zu sein schien.

Verlegen rieb der Pinkhaarige sich den Nacken.

„Ah... ich hätte ja auch aufpassen müssen."

Die Frauengestalt, trat in den Schatten und die beiden „Bad Luck"- Mitglieder, standen einer Mittzwanzigerin, mit kurzem Haar, ähnlich wie Shuichis, gegenüber. Auf ihren ungeschminkten Lippen, lag ein mildes Lächeln. Und dennoch, betrachtete Hiroshi sie misstrauisch. Die Art, wie sie sich kleidete, wie sie zu blicken versuchte, die Frisur, es erinnerte ihn an jemanden, an Sakuma Ryuichi. Er verdrehte die Augen. Das war ja klar, ausgerechnet in einer Gegend, wo am Abend die Bordsteine hochgeklappt wurden, trafen sie auf einen „Nittle Grasper"- Fan. Nein, noch schlimmer, einen Sakuma-Fan. Diese Sorte Fan hatte ihre ganz speziellen Eigenarten, wie Shuichi und Tatsuha sehr deutlich bewiesen.

„Ah... ihr seid doch Nakano-san und Shindou-san von ‚Bad Luck'"

Zwei großen Augen, leuchtete die beiden begeistert an. Shuichi ergriff sofort das Wort und bewies wieder einmal, dass ihm all dieser Ruhm manchmal noch recht unheimlich war. Verlegen lächelnd und mit geröteten Wangen, nickte er leicht.

„Uhm... ja, genau, die sind wir."

Die Begeisterung im Gesicht der jungen Frau wuchs, und sie begann, wild in ihrer Handtasche zu kramen. Sehnsüchtig blickte Shuichi an ihr vorbei. Der Eingang zu seinem Haus, war nicht einmal 20 Meter entfernt. Er war müde und ausgelaugt und wünschte sich nur noch sein weiches Bett, aber nun gut, es würde ihm auch nie einfallen, einen Fan zu enttäuschen.

Besagte Frau, kramte weiterhin in den Tiefen ihrer Tasche und plauderte unaufhörlich drauflos.

„Ich habe gehört, du bist ein großer Bewunderer von Sakuma-san", erklärte sie lächelnd und strapazierte allmählich Hiroshis Geduld. „Ich bin auch ein sehr großer Fan von ihm. Er ist einfach ein Gott."

Sie schenkte Shuichi ein freundliches Lächeln, welches er nur erwidern konnte. Allein der Gedanke, ein sein früheres Vorbild und jetzigen Freund, ließ ihn etwas aufblühen.

„Ich war so froh, als ‚Nittle Grasper' ihr Comeback feierten", fuhr die junge Frau fort, „aber dann musstest du auftauchen und ihm Konkurrenz machen. Ich kann nicht zulassen, dass mein Sakuma wegen dir wieder in der Versenkung verschwindet. Jeder Feind von Sakuma-san ist auch meiner."


Konzentriert, achtete Yuki auf die Straße. Es war eigentlich unnötig, diese Gegend war um diese Zeit wie ausgestorben, allerdings, wollte er auch keine Katze, die plötzlich auf die Straße sprang, überfahren. Es war ohnehin teuer genug gewesen, den Mercedes wieder reparieren zu lassen.

Im Beifahrersitz, bewegte sich etwas und ein paar Finger, trommelten eine Melodie auf der Lehne.

„Ich danke dir, dass du mich nach Hause fährst."

Tohma, lächelte Yuki freundlich an. Ein Lächeln, dass er diesmal sogar ernst meinte, allerdings murrte der Halbjapaner nur und nahm einen tiefen Zug aus seiner Zigarette. Sein Schwager, seufzte unmerklich und blickte aus dem Fenster hinaus. Verwundert runzelte er die Stirn. Er kannte diese Gegend recht gut, immerhin, hatte er Shuichi hier eine Wohnung besorgt, als es nötig war, für ihn eine Adresse einzurichten. Sein fragender Blick richtete sich auf Yuki, der noch immer die Straße vor sich zu hypnotisieren versuchte.

„Shindou-san lebt hier", erklärte er kurz und erntete nur ein Schulterzucken Eiris.

Wieder blickte Seguchi aus dem Fenster. Dieser Weg war alles andere, als eine Abkürzung und er fragte sich, ob Yuki bewusst hier entlang fuhr. Die Art und Weise, wie er immer wieder Shuichis Nähe aufsuchte, gab dem blondierten Produzenten doch zu denken. Er konnte oder wollte sich nicht von Shindou lösen. Eine Situation, die für ihn nur Schmerz bedeuten konnte. Allein der Gedanke, Eiri wieder leiden zu sehen, stülpte Tohma den Magen um. Er musste die beiden einfach voneinander trennen und wenn er Shuichi ins Ausland schickte oder gar tötete. Er wollte es nicht, dafür war der Sänger ein zu wichtiges Zugpferd, aber allein, würde Yuki sich wohl nicht von ihm fernhalten und nichts, bedeutete Seguchi so viel, wie das Wohlergehen des Schriftstellers, welches eindeutig gefährdet war, solange er sich nicht von dem Jüngeren lösen konnte.

Plötzlich, zuckten beide Männer zusammen. Ein lauter Knall, zerriss die Nachtluft. Yukis Augen weiteten sich und seine Pupillen schrumpften zu kleinen Punkten. Er kannte dieses Geräusch und es jagte ihm einen Schauer über den Rücken.

Die Reifen des Mercedes quietschten, als der Wagen eine Vollbremsung machte. Ein Schatten huschte über die Straße und durch das Scheinwerferlicht des Autos.

Sofort stieg Seguchi aus und blickte etwas irritiert dorthin, wo das Scheinwerferlicht des Autos hinfiel.

„Bleib stehen du Mistkerl!"

Aus einer Seitenstraße, die zu einigen Wohnhäusern führte, erklang eine wütende, verzweifelte Stimme. Ein junger Mann rannte hervor und stoppte mitten im Lichtkegel. Nur aus den Augenwinkeln, hatte er das Auto gesehen und sich ablenken lassen. Atemlos stand er auf der Straße und blinzelte Seguchi entgegen, der ihn forschend musterte.

„Nakano-san?"fragte er etwas verwirrt von der Tatsache, dass er den jungen Mann hier antraf und dann auf diese Art.

Nach Luft schnappend, trat Hiroshi näher. In seinen Augen stand kurz etwas wie Erleichterung, die sofort wieder von tiefster Verzweiflung verdrängt wurde.

„Seguchi-san?!" Seguchi-san, schnell! Shuichi..."

Hiroshi unterbrach sich selber, als er Yuki erblickte, der nun auch ausgestiegen war. Dieser, betrachtete den Gitarristen mit einer Mischung aus Ärger und Interesse. Erst als Shuichis Name fiel, zog sich etwas in ihm zusammen, das kurz auch in seinen Augen aufblitzte. Die Verzweiflung und Angst Hiroshis, bedeutete alles andere, als gutes und versetzte Yuki einen heftigen, schmerzvollen Stich. Er schlug die Autotür zu und folgte, zusammen mit Tohma, dem aufgelösten Hiroshi zu Shuichis Wohnhaus.