Fragen über Fragen

In einem plötzlichen Anfall von Leidenschaft zog Draco ihn an sich.

Hey, bist du jetzt ver...mmm"

Den Rest des Satzes erstickte Draco mit einem Kuss.

Eng presste er sich an den Körper des Ersehnten und versuchte ihn mit sanften Zungenstößen dazu zu bewegen den Mund zu öffnen.

Harry versteifte sich. Was tat Malfoy da? War der denn wirklich total bescheuert. Er fühlte die Hände seines Gegenübers auf seinem Rücken und dessen ungeduldige Zunge immer noch auf seinen Lippen. Unwillkürlich öffnete er tatsächlich leicht den Mund und spürte sogleich die Zunge des anderen die seine suchen.

Plötzlich ließ Malfoy ihn los und taumelte einen Schritt rückwärts. Harry konnte ihn nicht sehen, aber aus dem unverständlichen Gestammel, das jetzt aus der Dunkelheit zu ihm drang, konnte man merken, dass Draco ungefähr so rot im Gesicht sein musste, wie er selbst weiß.

„Ich...Potter... was... es tut mir...", stotterte der Slytherin, doch bevor Harry noch etwas erwidern konnte, stürmte der durch die Tür und war verschwunden.

Harry war allein. Immer noch unfähig sich zu bewegen starrte er in die Dunkelheit und versuchte einen Sinn in das so eben Geschehene zu bringen.

„Mal ganz langsam", versuchte er seine Gedanken und seinen rasenden Puls gleichermaßen zu beruhigen. "Wie war das?"

Malfoy hatte sich mit Raja gestritten, dann war diese abgehauen und der Blonde hatte seinen Namen geflüstert. War es möglich, dass er gar nicht gewusst hatte, dass Harry vor der Tür stand und lauschte? Während der Gryffindor darüber nachdachte wurde diese Möglichkeit sogar immer wahrscheinlicher.

Dann versuchte er sich in Erinnerung zu rufen, um was es bei dem Streit der beiden Slytherins gegangen sein musste, aber er fand keine Antwort. Raja hatte offensichtlich etwas herausgefunden, mit dem sie Malfoy erpresste, damit dieser Harry und seine Freunde in Ruhe ließ. Die „beiden Jungs"mussten Morag McDougal und Blaise Zabini sein, die Raja ja schon früher verteidigt hatte. Was konnte das aber sein?

Und warum hatte Malfoy ihn geküsst. Das war das einzige, was keinen Sinn zu ergeben schien. Malfoy war sein Feind. Sie hassten sich seit der ersten Klasse.

Immer noch grübelnd war Harry langsam durch die dunklen Gewölbe getigert und landete schließlich vor dem Eingang des Slytherin-Gemeinschaftsraumes.

Jemand bog um die Ecke.

Das war doch wohl nicht etwa Malfoy?

Nein: Es war Raja!

Erstaunt blieb sie stehen. Sie schien nicht sehr erfreut zu sein, ihn zu sehen.

„Raja!", rief er, in der Erwartung mit seiner Freundin über das Geschehene reden zu können.

„Was willst du hier, Harry?", gab sie kühl zur Antwort. „Ich dachte, ich hätte dir gesagt, dass du nicht hierher kommen sollst."

„Aber... ich ... Malfoy...er hat...", stotterte Harry verwirrt.

„So hat er?", fragte sie belustigt.

Argwöhnisch musterte er das Mädchen. Sie schien nicht die Gleiche zu sein, mit der er so viele Stunden einfach nur mit Reden und Zuhören verbracht hatte.

„Raja, hast du etwas mit der ganzen Sache zu tun?", wollte er schließlich wissen.

Sie musterte ihn kalt lächelnd. „Und wenn es so wäre?"

Dann ging sie an ihm vorbei und murmelte das Passwort.

„Du hättest nicht hierher kommen sollen.", sagte sie noch, bevor sich die Wand wieder hinter ihr schloss.

Harry starrte verblüfft auf die geschlossene Wand. Was sollte das denn jetzt? Schließlich hatte er genauso das Recht hier unten zu sein, wie sie und...Malfoy.

Unwillkürlich wanderten seine Gedanken wieder zurück zu dem blonden Slytherin und dessen Kuss, da wurden sie auch schon wieder unterbrochen.

„Potter!", ließ ihn Professor Snapes Stimme zusammenfahren. „Was tun sie hier unten? Haben sie nicht irgendetwas Heldenhaftes in einem möglichst weit entfernten Teil des Schlosses zu tun", fragte der übellaunige Zaubertränkelehrer. „Fünf Punkte Abzug für Gryffindor und nun verschwinden Sie endlich."

Eilig zog Harry den Rückzug an. Wie lange stand Snape schon da? Hatte er etwas von der ganzen Sache mitgekriegt? Wohl kaum, aber Harry wollte nicht, dass Raja seinetwegen Schwierigkeiten mit ihrem Hauslehrer bekam. Sie mochte sich zwar etwas seltsam benehmen, aber sie war immer noch seine Freundin. Die anderen Slytherins konnten ihm gerne mal den Buckel runterrutschen. Malfoy zum Beispiel.

„Himmel!" Er schlug sich innerlich selbst mit der Hand auf die Stirn. Er konnte sich doch nicht wegen eines durchgedrehten Slytherin aus der Bahn werfen lassen. Wahrscheinlich hatte der nur wieder eine kranke Idee ausgebrütet um ihn zu ärgern.

Die kleine Stimme ignorierend, dass es sich aber gar nicht so angefühlt hatte, stürmte er die Treppen hinauf um wieder in den Gemeinschaftsraum der Gryffindors zu gelangen. Lieber mit Hermine versuchen, Ron einen Muggel-Haushalt zu erklären, als weiter über diesen blöden Blondschopf nachzudenken.

Dort angekommen ließ er sich schnaufend auf einen Sessel fallen, während Ron gerade absolutes Unverständnis der Funktionsweise einer Waschmaschine gegenüber zur Schau stellte.

„Wie, dann kommt da Wasser rein und es dreht sich? Einfach nur Umrühren soll saubermachen?"Fassungslos kaute der rothaarige Schüler auf dem Ende seiner Feder herum, mit der er sich schon zwölf Zoll Notizen gemacht hatte. „Das kann nicht stimmen, Hermine. Das ginge nur mit Zauberei."

Diese verdrehte genervt die Augen. „Harry versuch du es doch mal, ich kenn mich mit diesen technischen Details auch nicht so aus."Mit diesen Worten drehte sie sich zu Harry um und starrte ihn an.

„Wie siehst du denn aus?", fragte sie dann entgeistert. „Du bist kalkweiß, hast fiebrige Flecken auf den Wangen und total rote Lippen. Du musst sofort zu Madame Pomfrey gehen. Du wirst krank."

Entschieden stand das Mädchen auf und zerrte den protestierenden Gryffindor zu Tür hinaus.

"Hey!", brüllte Ron ihr nach. „Und was ist jetzt mit dieser Wischwasch-Maschine?"

„Später!", rief die durch das sich schließende Portrait-Loch zurück. „Erstmal ist Harry dran!"

Harry versuchte sich gegen Hermine zur Wehr zu setzen, die ihn tatsächlich bis zur Krankenstation schleppen zu wollen schien.

"Hermine ich bin nicht krank!", rief er verzweifelt.

Die grinste ihn an. „Naja, selbst wenn nicht, für eine Ausrede um Ron zu entkommen, kommst du mir grade recht."

„So schlimm, dass du ihn gleich für immer loswerden willst?", feixte Harry zurück.

„Nein, aber ich würde mit ihm jetzt lieber was anderes machen, als seine Hausaufgaben", grinste sie noch breiter.

Verständnislos sah Harry sie an. Hermine und keine Hausaufgaben machen? War denn die ganze Welt heute verrückt geworden.

„Was willst du denn dann mit ihm machen?", fragte er noch.

Doch Hermines Gesicht-Ausdruck sprach eigentlich Bände und seine Frage war ihm sofort wieder peinlich. Außerdem erinnerte ihn das wieder an Malfoy und die Szene im Kerker. Er fühlte, dass seine Gesichtsfarbe jetzt nicht mehr im Geringsten blass sein konnte und Rons oft tomatenartiger Röte in nichts nachzustehen schien.

Hermine sah ihn belustigt an. „Du erinnerst mich ein wenig an den „Zauberlehrling"von Goethe."

„Häh?", machte Harry nur.

„Na, du hast doch Ron und mich unbedingt zusammenbringen wollen. Du solltest wirklich öfter mal einen Blick in ein Buch werfen.", meinte sie, während sie nun einen Gang in entgegengesetzter Richtung zum Krankenflügel entlangliefen.

„Ja und?", er verstand immer noch nicht.

„Und eine berühmte Zeile aus diesem Gedicht heißt nun mal: Die ich rief, die Geister
werd ich nun nicht los.
"

Sie blieb stehen und sah ihn an. „Ist es dir unangenehm über Sex zu sprechen Harry?", fragte sie geradeheraus.

Er fühlte, wie die gerade aus seinem Gesicht entstandene Farbe mit einem Schlag wieder entwich. "A-aber Hermine...", stotterte er.

„Das muss dir nicht peinlich sein.", lächelte sie. „In vielen Zauberer-Familien ist das so. Aber eigentlich hatte ich erwartet, dass dich deine Muggel-Verwandten aufgeklärt haben."

Harry erinnerte sich, dass sein Onkel und seine Tante mal eine ziemlich peinlich Aktion mit ihm und Dudley veranstaltet hatten, bei der es um Bienchen und Blümchen gegangen war. Aber sein dämlicher Cousin hatte die ganze Zeit nur gegrinst und versucht, Harry von der Couch zu schubsen, insofern war seine „Aufklärung"nicht grade üppig ausgefallen. Zum Schluss hatte er dann ein Buch auf seinem Nachttisch gefunden, in dem die wichtigsten Sachen erklärt wurden und damit hatte es sich. Den Rest hatte sich Harry dann zusammengereimt.

„Najaa..." meint er dann gedehnt. „Ich weiß schon, wie es geht, wenn es das ist, was du meinst."Dann betrachtete er ziemlich interessiert den Fußboden.

„Na, ich dachte nur.", meinte Hermine dann achselzuckend. „Weil du ja auch noch nie eine richtige Freundin hattest. Aber wenn du mal wen zum Reden brauchst, bin ich für dich da, Ok?"sie lächelte Harry schief an, so dass der einfach nicht anders konnte, als sie mal kurz in die Arme zu nehmen.

„Du bist ziemlich in Ordnung, Hermine", meinte er dann. „Zumindestens für ein Mädchen...", fügte er grinsend hinzu und brachte sich lachend in Sicherheit, weil ihm das Mädchen versuchte, mal eben kurz den Hals umzudrehen.