Fauler Zauber

Draco wachte einigermaßen erholt wieder auf. Draußen musste es schon dunkel sein, denn sein Magen knurrte vernehmlich. Er schwang sich aus dem Bett, gähnte und streckte sich genüsslich. So gut hatte er vor dem Treffen mit Harry lange nicht geschlafen.

Schweigen im Kopf.

Dann stöhnte er laut auf. Ach ja, das vermaledeite Treffen, das so gar nicht nach seinen Vorstellungen verlaufen war. Und dann noch Snape, der ihn mit Nachhilfe quälen wollte. Sein Blick fiel auf das Pergament. Er seufzte noch einmal und machte sich dann mit dem Schreiben zusammen auf den Weg zum Abendessen. Dort würde sie ja wohl auftauchen.

Aber seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Banes kam und kam nicht. Stattdessen musste er sich immer wieder zwingen, nicht zum Gryffindor-Tisch hinüberzustarren, wo Potter mit seinen Freunden saß und lachte. Dieser verdammte... Wahrscheinlich lachte er sich gerade kringelig über Draco und seine Unterlegenheit an diesen dämlichen Zauber. Die Blicke, die er immer wieder zu Draco rüberwarf, sprachen zwar eine andere Sprache, aber das konnte doch nicht sein. Oder doch? Stand der andere tatsächlich auf Jungs und Draco hatte tatsächlich eine Chance bei ihm?

„Ach was rede ich denn da.", schimpfte er innerlich mit sich selbst. Er war doch nicht wirklich schwul. Nur weil er sich danach sehnte jede Minute mit dem Gryffindor zu verbringen, ihn anzufassen und zu küssen, war er noch lange nicht schwul.

„Und was würdest du dann als schwul bezeichnen?", fragte diese lästige kleine Stimme in seinem Kopf wieder, als er versuchte den Eindruck zu erwecken, er sei genauso wie immer.

Das Essen neigte sich langsam seinem Ende zu, aber diese verdammte Schlange Banes war immer noch nicht aufgetaucht. Missmutig rührte er in seinem Nachtisch und lehnte sämtliche Angebote, den Abend mit jemandem zu verbringen ab. Er sah zwar, dass ihm das nicht gerade Pluspunkte brachte, aber Banes war jetzt wichtiger. Außerdem saß ein gewisser Gryffindor auch immer noch an einem fast leeren Tisch und schaute die ganze Zeit zu ihm herüber.

Plötzlich stand Banes tatsächlich in der Tür und durchquerte nach einem Blick in die Runde, schnurstracks den Saal auf dem Weg zum Lehrertisch. Dort redete sie leise mit Professor Dumbledore, der mit einem Mal aufstand, mit Professor Snape und Professor McGonagall einige Worte wechselte, woraufhin alle drei Lehrer eiligst die Große Halle verließen. Was war da los?

Aber dann kam Banes auf denn Slytherin-Tisch zu und setzte sich an das andere Ende. Gierig begann sie die Reste auf ihren Teller zu häufen und zu essen. Er staunte. Sie sah aus, als hätte sie den ganzen Tag nichts zwischen die Zähne gekriegt. Aber das war nicht sein Problem. Er stand auf und ging zu ihr rüber. Als er schließlich hinter ihr stand, sah er auf und blickte in grüne Augen, die unter verwuschelten, schwarzen Haaren hervorlugten.

Potter!

Der Gryffindor stand auf der anderen Seite des Tisches und hatte offensichtlich ebenfalls vorgehabt mit Banes zu reden. Über heute Nachmittag?

Er versuchte die Frage direkt in Potters Kopf zu übertragen.

Der hatte offensichtlich verstanden und nickte stumm.

Dann sag bloß nichts Falsches, schoss Draco aus sprühenden Augen noch hinterher.

Wieder ein schwaches Nicken auf der anderen Seite.

Dann wurde ihr Blickkontakt durch ein lautes Räuspern unterbrochen.

„Könntet ihr wohl die Güte haben, etwas leiser zu denken? Ich esse noch!", motze Banes mit einem Male und der magische Moment der Verständigung war unweigerlich vorbei.

Sie drehte sich zu ihm um und musterte ihn. Verwunderte starrte er zurück Sie trug nicht die normale Uniform unter ihrem Mantel, sondern eine schwarze Lederhose und etwas, das er nicht genau erkennen konnte. Aber was interessierte ihn das. Er kramte das Pergament aus seiner Tasche und gab es ihr. „Schönen Abend noch!", knurrte er dann, machte auf dem Absatz kehrt und stürmte aus der Halle.

„Na der hatte es aber eilig, unser kleiner Blondschopf.", murmelte sie und wand sich Harry zu. „Was ist los?", fragte sie ihn dann.

Harry setzte sich zu ihr, die verwirrten Blicke der noch Anwesenden fast erfolgreich ignorierend.

„Ich muss mit dir reden.", flüsterte er, während sie halb erstaunt, halb belustigt das Pergament las.

„Worüber?", fragte sie dann aber und steckte sich noch einen Apfel in die Tasche, als sie aufstand.

Harry beeilte sich, sich ebenfalls zu erheben und folgte ihr.

„Über Malfoy.", flüsterte er ihr zu.

„Sorry, Harry, aber dafür hab ich im Moment echt keine Zeit. Ich muss wieder in den Wald.", versuchte sie ihm abzuwimmeln.

„Aber ich MUSS mit dir reden.", versuchte er eindringlich ihre Aufmerksamkeit zu erhalten.

Sie blieb stehen und sah ihn an. „Ok, dann nachher noch. Ich muss jetzt erst noch zu Dumbledore, dann treffen wir uns."

Mit einer schnellen Drehung war sie auch schon wieder aus der Tür hinaus. Was war denn das jetzt gewesen. War da im Wald etwas passiert? Seine Neugier erwachte wieder in ihm. Sollte er es wagen, sich mit dem Tarnumhang auf den Weg in den Wald zu machen? Wenn auch Raja da war, konnte es ja nicht soo gefährlich sein, redete er sich ein, schlich in den Turm und entwischte in einem unbeobachteten Moment durch die Tür. Die Karte des Rumtreibers ebenfalls fest unter den Arm geklemmt, machte er sich auf den Weg aus dem Schloss. Er musste vorsichtiger sein als sonst, und wäre fast in Neville reingerannt, der einem der Drittklässler aus Gryffindor gerade erklärte: „Wenn du „Kräuterkunde"magst, dann ist „Zaubertränke"eigentlich ganz einfach. Du musst dir nur mal vorstellen, Snape würde nackt unterrichten."

Harry grinste. Das war also immer noch Rajas Geheimtipp. Ob das wohl auch bei ihm wirken würde? Er schüttelte sich. Nein, das stellte er sich lieber nicht vor, auch wenn er tatsächlich auf Männer stehen sollte, wie es ja nun den Anschein hatte. Sehnsüchtig dachte er kurz, wie schön es wäre, diese Abenteuer mit Draco zusammen zu erleben. Inzwischen hatte er längst aufgehört sich gegen diese Bezeichnung für seinen ehemaligen Feind wehren zu wollen. Das war einfach nicht mehr Malfoy.

Inzwischen hatte er das Große Portal erreicht und schlüpfte unbemerkt hinaus. Draußen war es kälter, als er gedacht hatte. Schnee lag in der Luft. Er sah seinen Atem in der Kälte kondensieren. Hoffentlich verriet er sich damit nicht.

Eilig strebte er dem Waldrand zu. Dort flüsterte er leise: „Lumos!", und versuchte die Karte unter dem Umhang zu lesen. Etliche Meter vor ihm im Wald waren die Punkte von Professor Dumbledore und McGonagall zu entdecken. Hagrid und Raja standen dicht neben ihnen. Er löschte das Licht und versuchte so leise wie möglich, weiter in den Wald zu kommen, ohne ein Geräusch zu verursachen. Am Rande einer Lichtung machte er halt. Dort standen die vier und unterhielten sich leise.

„Und sie sind sich sicher, Miss Banes?", fragte Professor McGonagall gerade ungläubig nach.

„Sicher bin ich mir sicher.", gab sie unfreundlich zurück. „Ich erkenne doch einen, wenn ich ihn sehe. So etwas vergisst man nicht. Dieses Pack scheint schon seit ein paar Tagen durch den Wald zu geistern. Ich frage mich nur, warum."

„Sie wollen fressen, ganz bestimmt.", mischte sich Hagrid nun ein. „Die würden es sonst nicht wagen hierher zu kommen."

Professor Dumbledore strich sich über seinen weißen Bart. „Wir müssen sehr vorsichtig sein. Wenn sie sich erstmal hier heimisch fühlen, können wir für die Sicherheit der Schüler nicht mehr garantieren. Ich würde es daher begrüßen, Miss Banes, wenn sie ihr „Ausflüge"in Zukunft unterlassen würden."Mit ernstem Gesicht, wandte er sich an Raja.

Die schnaubte nur und sah Dumbledore wütend an. „Ich verkrieche mich doch nicht vor denen. Die sollen mich kennenlernen."

„Das untersage ich Ihnen mit allem Nachdruck.", fuhr Dumbledore nun schärfer fort. „Sie werden sich daran halten, was ich Ihnen gesagt habe."

Harry starrte immer noch ungläubig auf die ganze Szene. Was sollte das alles nur? Wer war hier im Wald unterwegs?

Dann machte sich die Vier offensichtlich auf den Weg zurück zum Schloss. Harry atmete auf. Er war nicht entdeckt worden. Aber was jetzt?

Plötzlich hörte er ein Geräusch dicht neben sich und erstarrte.

„Nun komm schon raus, ich hab dich gehört.", rief Raja leise. Harry rührte sich immer noch nicht.

„Harry, nun sein nicht so stur, sonst such ich dich und dann hattest du mal einen Tarn-Umhang.", drohte sie und der Gryffindor sah ein, dass er verloren hatte. Doch Raja war allein. Die Lehrer waren alle schon gegangen.

„Na, was Interessantes gehört.", grinste sie nur. Und ließ sich neben ihn auf den Boden gleiten.

„Was soll das alles, Raja?", fragte er gespannt. „Was ist hier los?"

„Das soll aber keiner wissen.", grinste sie noch breiter. „Wer weiß, vielleicht kriegt unser kleiner Harry Angst, wenn ich es ihm erzähle."

„Sehr witzig, nun sag schon und spann mich nicht so auf die Folter!", murrte Harry und rutschte unbehaglich auf dem kalten Boden hin und her.

„Na gut, dann gehen wir aber rein und du sagst mir auch, was du mir vorhin erzählen wolltest."

Sie stand auf.

„Nun komm schon, je schneller wir drinnen sind, um so schneller weißt du bescheid.", neckte sie ihn und er stürmte lachend hinter ihr her.