Verliebte unter sich
Raja schoss über den kalten Rasen, dass er wirklich Mühe hatte mit ihr Schritt zu halten. Nach Luft schnappend lehnten sie sich schließlich an das große Portal und strahlten beide über das ganze Gesicht. Dann aber öffnete sich da Tor und Professor Snape trat hinaus. Er war in einem dicken Umhang gehüllt und trug einen großen, in ein Tuch gebetteten Gegenstand.
„Mister Potter, Miss Banes. Ich denke nicht, dass Sie sich zu dieser Zeit noch hier aufhalten sollten.", grollte er und richtete sich dann an Raja. „Sie haben meine Nachricht bekommen, Miss Banes?"
„Aber sicher, Professor. Ich fühle mich durch ihr Vertrauen geehrt.", meinte sie lächelnd.
Der Lehrer hob verwundert die Augenbrauen und blaffte sie an: „Dann machen sie sich schon mal Gedanken über ihre neue Aufgabe, anstatt hier draußen unnötiger weise herumzutrödeln."
Sie schlug die Augen nieder und murmelte: „Aber sicher Professor."Und zog Harry durch die Tür.
Sie eilte in einem derartigen Tempo die Treppe hinauf, dass Harry beinahe gestürzt wäre.
„Bist du verrückt?", meckerte er und riss sich in einem leeren Gang schließlich los. Dann sah er aber, warum sie sich so beeilt hatte. Sie platzte fast vor Lachen. Kichernd brach sie nun mitten auf dem Fußboden zusammen. „Böser, böser Snape", brachte sie schließlich zwischen zwei Lachern heraus. „Ich hab ja soo Angst vor dir. Und dann glaubt der auch noch, er hätte mich geärgert, obwohl er mir einen Riesen-Gefallen getan hat."
Harry grinste nun auch. Das Verhalten vorhin hatte aber auch gar nicht zu Raja gepasst. „Was ist denn nur los, dass du auf einmal so aufgedreht bist?", fragte er.
Sie blinzelte ein paar Mal und stand wieder auf. „Nicht hier!", meinte sie nur und lief auf dem direkten Weg zum Turmzimmer.
Dort angekommen ließ sie sich auf die alten Teppiche fallen und entzündete eine Lichtkugel in ihrer Hand und warf sie in Richtung der Decke, wo sie ruhig schweben blieb.
Harry plumpste neben sie, und sah zu, wie sie anfing ihren Apfel zu essen. Er hörte wie sein Magen knurrte. Bei der ganzen Warterei hatte er nicht besonders viel gegessen. Fragend hielt sie ihm den Apfel hin und er nahm hin dankbar.
„Jetzt will ich aber erstmal wissen, welche neue Gefahr dem Schloss droht.", schmatzte er.
Sie genoss noch einen kleinen Augenblick seine Anspannung und sagte dann schließlich nur: „Ghule."
„Wie jetzt, Ghule?", stutzte Harry. „Was ist mit Ghulen?".
„Na das sind die Viecher, die im Moment den Wald unsicher machen. Ich bin Ihnen schon seit ein paar Tagen auf der Spur. Die Bissspuren waren einfach zu eindeutig."
„Ich versteh nur Bahnhof.", meinte er.
„Na was ein Ghul ist, wirst du ja wohl wissen, oder?", fragte sie spöttisch.
Er nickte. „Bei Ron lebt einer unterm Dach."
„So? Na der wird mit den Exemplaren da draußen nicht viel gemeinsam haben. Die sind ziemlich bösartig. Ich habe versucht, ihren Unterschlupf zu finden, aber ich bin noch nicht sehr weit gekommen. Hagrid hat darauf bestanden, Professor Dumbledore zu informieren." Sie schaute verdrießlich. „Dabei wäre ich bestimmt alleine mit ihnen klar gekommen."
Harry glaubte sich verhört zu haben. „Du hast schon mal mit einem Ghul gekämpft?"
„Nein", gab sie dann errötend zu. „Aber das hörte sich nicht so schwer an."
„So wie auf einem Besen fliegen", zog er sie auf.
Böse schmiss sie mit einer Staubflocke nach ihm. „Naja, vielleicht hatte Hagrid ja Recht
„Aber warum war Dumbledore so besorgt.", kehrte Harry wieder zum Ausgangsthema.
„Weil er meint, dass die Ghule in dieser Zahl nicht natürlichen Ursprungs sein können. Auch sind Ghule sonst eher feige Aasfresser. Dass sie sich so nahe an das Schloss heranwagen ist ungewöhnlich. Er meinte unser Freund könnte dahinter stecken."So wie sie das Wort betonte, war klar, wer gemeint war.
„Du weißt ziemlich viel über so komische Tiere. Ghule, unsere ausländischen Gäste, das Kelpie...", er stockte
Bei der Erwähnung des Wassergeistes hatte sich ihr Gesicht plötzlich verändert.
„Was ist denn, hab ich was Falsches gesagt?", wollte er vorsichtig wissen.
„Mein Vater ist durch ein Kelpie ums Leben gekommen. Ist ne blöde Geschichte, lass uns über was anderes reden.", lenket sie ein und sah ihn an. „Was wolltest du mir denn nun eigentlich erzählen."
Er atmete hörbar ein. Nun musste er es ihr erzählen und hatte so gar keine Ahnung, wie sie reagieren würde. Allen Mut zusammennehmend begann er schließlich:„Ich hab heute mit Dra- Malfoy gesprochen. Er hat mit von dem Zauber erzählt, den du auf ihn gelegt hast."
Er machte eine Pause um ihre Reaktion zu beobachten, doch in ihrem Gesicht regte sich kein Muskel. So fuhr er fort: „Und dann hab ich mir eigentlich einen Spaß erlauben wollen, aber seit er mich gestern Abend schon mal geküsste hat..."
Er verstummte als er sah, wie sich ihr Gesicht langsam mit einem Schatten überzog. „Und was war dann?", fragte sie tonlos.
„Heute ist aus dem Spaß irgendwie Ernst geworden. Ich glaube, ich bin auch ein bisschen in ihn verliebt. Ich hab mit Hermine darüber gesprochen und ihr auch von dem Zauber erzählt und sie meinte, wir sollte unbedingt zu Dumbledore gehen und ihm die Sache beichten."
Raja blickte nun finster zu Boden. „Soso, die Granger weiß es also auch. Wie schön, dann kann sie ja auch gleich petzen gehen."
„Das darfst du so nicht sehen. Sie hat mir gesagt ich soll dich überzeugen. Sie lässt uns die Wahl.", meinte Harry verzweifelt, denn er verstand die Reaktion des Mädchens immer weniger.
„Dir ist doch klar, das ich dann meine Sachen packen kann, oder Harry?", fauchte sie nun wütend. „Ich will nicht wieder zurück."
Daran hatte er nicht gedacht. „Aber ich will ja eigentlich auch gar nicht, dass du den Zauber wieder wegnimmst.", meinte er dann zaghaft. „Ich würde Draco gerne so behalten, wie er jetzt ist."
„Als wenn das besser wäre.", murrte sie und wickelte sich in einen der Teppiche.
„Etwa nicht? Ich lasse Hermine schwören, dass sie es niemandem verrät."
Ein Grummeln war die einzige Antwort, er verstand aber nicht, was sie gesagt hatte.
„Aber sag mal, warum hast du ihm diesen Fluch eigentlich eingebrockt.", fragte Harry um sie aus der Reserve zu locken. Er kannte Raja inzwischen ja auch ein bisschen. Wenn sie angeben konnte, dann tat sie es auch gerne.
„...Arsch...", kam aus dem Teppich hervor.
„Wer ich? Was hab ich denn jetzt schon wieder gemacht?", entrüstete sich der Gryffindor und rückte ein Stückchen von ihr weg. Sollte sie doch beleidigte Leberwurst spielen.
„Nicht du, sondern Draco.", murmelte sie und kam wieder aus dem Teppich hervor.
„Und deshalb hast du ihn verzaubert? Wie?"
„Ich wollte ihm seine hübsche, kleine, hochnäsige Fresse einbläuen, aber das wäre zu auffällig gewesen. Also hab ich ihm eine Falle gestellt in die dieser arrogante Macho natürlich auch prompt getappt ist. Der Rest war ein bisschen Kräuterkunde und dann bin ich in die tieferen Schichten seiner Persönlichkeit hinabgestiegen und hab da mal ein paar Leitungen umgepolt."
„Und das geht so einfach?", wunderte sich der schwarzhaarige Junge.
„Nein natürlich nicht. Ich musste da erst ein bisschen was freilegen, bis ich an die richtigen Stellen herangekommen bin. Und frag nicht, wie, das verrat ich dir nicht."Sie muffelte wieder etwas in den Teppich, das er nicht verstand.
„Und kann man den Zauber wieder lösen?", wollte Harry wissen.
„Naja, theoretisch schon. Aber ich weiß nicht, ob ich da so ohne weiteres wieder rangehen könnte. Der Zauber sitzt ziemlich tief in seinen Instinkten, sonst würde er leider auch nicht so gut funktionieren."
Sie seufzte und starrte auf den Boden. Irgendwie schien sie traurig zu sein.
Der Junge rückte näher an sie heran und legte den Arm um sie.
„Das ist dir doch recht, oder?", fragte er sanft. „Schließlich hab ich grad herausgefunden, dass ich so ein ganz kleines bisschen schwul bin. Nicht das du dir Hoffnungen machst."
Das Mädchen zog die Beine enger an sich, legte den Kopf darauf und murmelte: „Nicht bei dir. Du bist schließlich mein bester Freund."
„Bei wem denn dann?", bohrte er ein bisschen.
„Sag ich dir nicht!", kam böse zwischen ihren Haaren hervor.
„Aber ich hab auch gebeichtet.", drängte er das Mädchen.
„Du lachst bestimmt. Außerdem könnte ich es nicht ertragen, wenn du es weißt. Das macht alles nur noch komplizierter.", murmelte sie noch leiser.
„Warum? Mich meinst du ja nicht..." Er stutzte und dann wusste er es.
Die vielen kleinen Andeutungen ergaben plötzlich einen Sinn. „Du bist auch in ihn verliebt, oder?"
„Mhm, und jetzt hat Snape mir auch noch befohlen dem lieben Draco Nachhilfe zu geben, weil er aus lauter Liebeskummer zu dir so schlecht geworden ist. Ich wollte ihn von Anfang an. Dann war er so ein Arsch und ich hab mir gedacht, ich erteile ihm eine Lektion, die er nicht mehr vergisst. Aber der sture Bock war nicht unterzukriegen. Ich hab ihm sogar alle seine Freunde systematisch ausgespannt, aber er wollte einfach nicht nachgeben. Ganz davon abgesehen, war er zu denen auch echt mies. Und so sind wir jetzt eher Feinde, als Freunde."
„Das war aber ganz schön fies von dir.", beschwerte sich der Junge kurz.
„Aber er hat es verdient. Er sollte mal am eigenen Leibe sehen, wie es ist ausgelacht und verachtet zu werden. Ich wollte ihn ganz unten haben. Aber dann hat er mir leid getan und ich hab immer nur diese wunderschönen, traurigen grauen Augen gesehen, wenn er dir hinterher geguckt hat."
Sie seufzte und ließ sich in seinen Arm fallen.
„Und jetzt wirst du mir wahrscheinlich jedes Mal von deinen tollen Liebesnächten mit ihm vorschwärmen und ich werde vor Neid ganz grün und schimmelig."
Er wurde leicht rot. „Hey, soweit sind wir noch gar nicht. Er will ja überhaupt nicht und wenn du ihn lieber willst..."
„Harry, wenn wir uns jetzt beide vor ihn stellen würden und ihr tatsächlich nach seiner Meinung fragten. Was würde er wohl sagen?", meinte sie schelmisch grinsend.
„Das wir beide nen ganz großen Vogel haben, wahrscheinlich.", grinste der zurück.
„ Na siehst du. Und so müssen wir eben das Beste aus der Situation machen und ihn teilen."
„Ich will ihn aber nicht teilen.", murrte er und dachte an die weichen Lippen, die ihn so zärtlich geküsste hatten.
„Na ich dachte, du nimmst ihn zum Lieben und ich zum Ärgern.", lachte sie und kuschelte sich an ihn. „Eigentlich hab ich ihn auch schon wieder von meiner Liste gestrichen. Der ist ja sowas von in dich vernarrt, das geht auf keine Kuhhaut."
Harry horchte auf. „Das musst du mir mal näher erläutern."
Sie lachte und begann dem Gryffindor zu erzählen, was sie in den letzten Wochen alles beobachtet hatte. Und Harry fand es wunderbar, so dass sie ganz vergaßen, in ihre Türme zurück zu gehen und irgendwann Arm in Arm zwischen den Teppichen einschliefen.
