Waffenstillstand
Draco sah dem Lehrer missmutig nach. So hatte er sich das eigentlich nicht vorgestellt. Daran war nur Potter mit seinen blöden Sprüchen schuld...
Seufzend stellte er sich dem Unvermeidlichen und drehte sich um.
Das Mädchen war aufgestanden und sah ihn verwundert an. Jetzt würde sie gleich kommen, die Frage, auf die er eigentlich nicht so recht eine Antwort hatte.
Er wurde enttäuscht.
Sie begann plötzlich zu grinsen. „Was immer du mit Malfoy gemacht hast, lass ihn bloß da, wo er ist."
Dann ging sie an ihm vorbei und begann sich an die aufgetragene Putzarbeit zu machen. Sollte es so leicht gewesen sein? Wohl kaum. Schweigend begann auch er aufzuräumen.
„Ich bin erstaunt.", meinte sie dann nach einer Weile. „Du bist noch nicht mal ins Stocken gekommen. Liegt dir Lügen so sehr im Blut?"
„War ja klar.", antwortete er, während er an einem besonders stark verkrusteten Kessel herumschrubbte. „Banes hat natürlich was zu meckern. Außerdem hab ich gar nicht gelogen."
„Doch hast du.", meinte sie trocken. „Für mich. Warum?"
Da war sie also die Frage.
„Ich hab nachgedacht.", begann er.
„Hört, hört", unterbrach sie ihn sofort wieder. „Wann hat denn das angefangen?"
„Nun halt doch endlich mal die Klappe, Banes.", schimpfte er ärgerlich. „Das ist auch nicht so einfach."Wütend begann er wider an dem Kessel herumzufuhrwerken.
„Tut mir leid.", kam nach einer Weile von ihr. „Macht der Gewohnheit. Schließlich kommt es nicht grade oft vor, dass der große Draco Malfoy auch mal an andere denkst."
„Mhm", brummte er. „Das hab ich schon mal gehört. Und ich hab darüber nachgedacht."Nun war es eh alles egal, er musste da jetzt durch. Schlimmer ging es ja nicht mehr. Er räusperte sich und redete einfach drauf los. „Ich hab mir überlegt, dass ich so nicht weitermachen kann. Ich muss meine Situation akzeptieren und dazu gehören anscheinend nun mal das Gespann Banes und Potter. Dass du mir diesen verfluchte Zauber aufgehalst hast, war vielleicht nicht mal das Schlechteste, was in meinem Leben passiert ist."
Er stoppte seine Arbeit, um sich umzudrehen und ihre Reaktion zu beobachten. Sie hatte sich ebenfalls zu ihm gewandt und musterte ihn kritisch. „Und was heißt das jetzt?", fragte sie dann.
„Dass ich mich mit meinem Faible für Potter abgefunden habe und dich als einzige Lösung sehe, das irgendwann mal zu beenden. Aber bis dahin, wollte ich eigentlich aufhören, mich die ganze Zeit mit euch zu streiten. Ich schlage deshalb einen Waffenstillstand vor." Endlich hatte er gewagt auszusprechen, was in den Tagen seit dem Gespräch mit dem Gryffindor in seinem Kopf herangewachsen war.
„Das hört sich endlich mal vernünftig an. Aber du weißt, dass ich den Bann nicht einfach von dir nehmen werde, nur weil du auf einmal so tust, als wenn du kein Arschloch mehr bist, Malfoy. Außerdem kann ich es auch gar nicht. Nicht ohne dich danach nach St.Mungos bringen zu müssen."Sie stockte kurz. „Das Ganze ist ein bisschen außer Kontrolle geraten.", gab sie dann zu.
„So langsam hab ich das auch kapiert. Verrätst du mir wenigstens, wie du das gemacht hast? Schließlich ist es mein Körper, dessen Hormone hier auf einmal in die völlig falsche Richtung schwimmen.", fragte er zögernd.
„Das würdest du so ohne weiteres nicht verstehen. Ich mach dir nen Vorschlag. Wir machen das hier fertig und dann kommst du mit. Ich hab eh noch ne Verabredung mit Harry.", schlug sie vor. Ein Lächeln huschte dabei über ihr Gesicht.
„Na
meinetwegen. Du gibst ja eh keine Ruhe, bis ich genau das mache, was
du willst."
"Stimmt, woher weißt du das nur?",
lächelte sie unschuldig.
„Aber tu mir einen Gefallen. Wir gehen vorher noch zur Krankenstation, Banes. Du siehst echt Scheiße aus."Grinsend machte er sich wieder über seinen Kessel her und ignorierte ihren scharfen Kommentar einfach. Er würde den schwarzhaarigen Gryffindor also nachher noch treffen. Irgendwie gefiel ihm dieser Gedanke jetzt doch ziemlich.
Harry lief nervös in dem geheimen Zimmer auf und ab. Er hatte sich heimlich hierher schleichen müssen, weil ihm Hermine die ganze Zeit zusetzte, endlich wegen der Geschichte zu Dumbledore zu gehen. Aber Harry wusste jetzt, dass er es nicht wollte. Er hatte den blonden Slytherin in den letzten Tagen beobachtet. Und es war ihm klar geworden, dass er ihn tatsächlich attraktiv fand. Ziemlich attraktiv. Sogar ohne Haare. Er lachte kurz, als er sich an dessen Gesicht erinnerte und den verzweifelten Blick, der Harry getroffen hatte. Fast so, als wäre da wirklich etwas zwischen ihnen, was über ihre alte Feindschaft hinausging. Nun aber hatte ihn die Wirklichkeit wieder eingeholt, in Form einer Hermine, die die ganze Sache gar nicht gut fand. Er hatte sie bekniet, ihm noch Zeit zu geben, die Sache zu regeln. Aber sie hatte nicht sehr überzeugt gewirkt. Dann hatte sie aber doch schweren Herzens zugestimmt und geschworen, niemandem etwas zu verraten. Er hoffte nur, dass sie sich auch wirklich daran hielt.
Die Portrait-Tür öffnete sich ein wenig und Raja trat ein. Er wollte schon anfangen ihr von der ganzen Sache zu erzählen, als sie die Hand hob und meinte: „Ich hab da noch jemanden mitgebracht."Damit öffnete sie die Tür ganz und Draco trat ein.
Harrys Körper versteifte sich automatisch. Er hatte den anderen zwar in den letzten Tagen beobachtet, jeglichen direkten Kontakt aber soweit es ging vermieden. Außer ein paar Blickkontakten beim Essen war nichts gewesen. Und nun stand er leibhaftig vor ihm.
Schweigend starrten sich die beiden Jungs an. Dann fing sich der Blonde als erster wieder und sah sich in dem kleinen Raum um. „Gemütlich, aber ein bisschen staubig. Ihr solltet mal putzen.", grinste er und setzte sich auf den Fußboden.
Harry sah Raja an. Die lächelte und deutete ihm, sich zu setzen. Was kam jetzt?
„Dra...Mal...Wie soll ich dich jetzt eigentlich nennen, Blondie?", versuchte sie die Situation zu entspannen nachdem sie sich ebenfalls auf den Teppichen niedergelassen hatte.
Der Slytherin verzog das Gesicht. „Auf jeden Fall nicht Blondie! Das hört sich an wie ein Name für ein Pony. Versuchen wir´s mal mit Draco."
„Ok, und ich bin Raja und falls du es noch nicht weißt: Dieser Schnuckel hier ist Harry", schmunzelte sie und grinste bis über beide, langsam wieder mit Haaren bedeckten Ohren.
„Witzig...Raja.", knurrte Draco und sah Harry direkt in die Augen. „Nun erzähl schon, was hier los ist."
Harry spürte, wie er langsam ein bisschen rot wurde und sah wieder auf seine Hände. Dort ließ er seinen Blick auch die meiste Zeit, in der Raja Draco in kürzerer Form als ihm über ihre Herkunft und ihre Kräfte informierte. Der Blonde pfiff leicht durch die Zähne. Als die Erzählung allerdings zu der Verzauberung kam, hörte Harry, wie Raja ins Stocken kam.
„Naja, und dann kam ich her.", meinte sie schnell. „Und weil ich dich nicht leiden konnte und dir eins auswischen wollte, hab ich ein bisschen in deiner Persönlichkeit rumgepfuscht.", nuschelte sie noch und verstummte.
Draco schien nicht überzeugt. „Und das kannst du alles, aber meine Verzauberung kannst du nicht wieder wegmachen?"
„Naja, vielleicht, wenn die Situation so ähnlich wäre. Dann ginge es. Aber auch nur eventuell.", grübelte sie.
„Nein!", schrie Harry innerlich. Das durften sie ihm nicht wieder wegnehmen. Dieser neue Draco war so anders. Und er sorgte dafür, dass ihm Schmetterlinge durch den Bauch tanzten. Er sah auf und wieder trafen sich seine grünen Augen mit den sturmgrauen des Slytherin. Er sah auch in dessen Blick das Verlangen und die Sehnsucht nach seiner Berührung. Es wäre doch so schön, wenn es wahr werden könnte.
Plötzlich stand Raja auf. „Ich denke, ihr habt hier was alleine zu bereden.", und bevor Harry noch protestieren konnte, war sie fort und die Tür schloss sich wieder hinter ihr.
Er schluckte und sah Draco an. Der fühlte sich offensichtlich auch nicht so ganz wohl in seiner Haut, denn er hatte begonnen, mit seinem Pony zu spielen, der ihm inzwischen fast bis zum Kinn reichte.
„Deine Haare sind ein bisschen länger als vorher.", sagte Harry nach schier endlosem Schweigen indifferenziert.
„Ja, ich hab wohl ein bisschen viel von dem Trank genommen. Ich schneid sie morgen wieder ab.", antwortete Draco ebenso ungerührt.
„Nein!", entfuhr es Harry. Und auf einen fragenden Blick des anderen fuhr er fort. „Das steht dir. Wirklich..."
„Findest du?", Draco lächelte nun.
Dann stand er auf und setzte sich im Schneidersitz direkt neben Harry und lehnte den Kopf an die Wand. Sein Knie berührte Harrys Oberschenkel. Die Stelle fühlte sich an, als wäre sie zum Leben erwacht und tausend Ameisen hätten sie so eben zu ihrem Picknickplatz erklärt. Und das Gefühl wurde noch schlimmer und fing an sich auszubreiten, als Draco ihn plötzlich ansah und mit seinem Zeigefinger anfing über Harrys Handoberfläche zu streichen. Er überlegte fieberhaft, was er jetzt tun sollte. Sein Kopf war wie leergefegt und das Zentrum seines Denkens konzentrierte sich auf die wenigen Quadratzentimeter Haut, die von dem Slytherin berührt wurden. Dann beugte sich der blonde Junge vor und sah Harry genau ins Gesicht. Die grauen Augen blickten ihn an, als würden tausend Fragen in ihnen schwimmen, doch die Berührung des warmen Atems und die sanften Lippen auf seinem Mund, schwemmte sie alle hinfort.
Erst vorsichtig tastend, dann immer forscher berührten ihn die fremden Lippen und er gab seine Passivität auf und öffnete nun ebenfalls seine Mund. Eine süße Zunge suchte die seine und er fühlte die zurückgehaltene Leidenschaft des anderen förmlich unter dessen Lippen pulsieren. Er wurde mutiger und wagte sich auch wieder aus seiner Zurückgezogenheit und fing seinerseits an, das Innere des warmen Mundes ihm gegenüber zu erkunden.
Draco hatte seine Hand in Harrys Nacken geschoben und rutschte nun so, dass ihre Oberkörper einander gegenüberlagen. Auch Harry hob seine Hand begann langsam am Arm des blonden Jungen entlang zu streichen. Dann zog er ihn an sich und ihre Küsse wurden tiefer.
Nach einer Weile lösten sie sich mit glänzenden Augen und geröteten Wangen wieder voneinander. Immer noch befangen von der ungewohnten Nähe des fremden und vor allem männlichen Körpers, schien Harry auf einmal über viel zu viele Arme und Beine zu verfügen und rutschte unruhig hin und her.
Auch Draco schien sich zu besinnen, wie merkwürdig die Situation war, denn der Slytherin wurde auf einmal ziemlich rosa um die Nase.
„Du wirst ja rot.", grinste Harry frech.
„Ach ja, rat mal wer noch", flüsterte Draco halb belustigt, halb verärgert. „Das ist ja auch alles total verrückt. Aber..."
Harry sah zu Boden. Was kam jetzt? Aber Draco schob ihm die Hand unter das Kinn und zwang den Gryffindor ihn wieder anzusehen. „Aber ich weiß nicht", fuhr er fort, „ob ich Raja noch böse sein soll."
Glücklich zog Harry ihn an sich und legte die Arme um ihn. Wie hatte er sich nur jemals mit diesem süßen Kerls streiten können. „Naja", flüsterte die dumme kleine Stimme in seinem Kopf wieder. „Vielleicht weil er ein ganz andere gewesen ist?"
„Ach sei ruhig.", murmelte er in Dracos weiche Haare hinein.
„Aber ich sage doch gar nichts.", protestierte der, kam mit einem Mal hoch und drehte Harry mit einer schnellen Bewegung wieder einmal auf den Rücken und setzte sich auf ihn.
„Harry Potter, du stehst auf süße, kleine Jungs.", witzelte er albern. „Du bist ja so was von schwul. Vielleicht sollte ich das doch an die Presse geben."
Harry nahm die Herausforderung an und zog den blonden Jungen an sich. „Ok, dann erzähl ich ihnen, dass du mich verführt hast.", drohte er.
„Würdest du das denn wollen?", lachte Draco. „So behütet wie unser Goldjunge ist, bist du doch garantiert noch Jungfrau."
Harry spürte, dass er ärgerlicherweise schon wieder dieses Brennen auf den Wangen hatte. Scheiße! Draco brachte ihn total aus dem Konzept. Doch dann beugte sich der andere wieder zu ihm herab und verschloss seinen noch nach einer Antwort suchenden Mund mit einem weiteren Kuss.
„Ach was soll´s?", dachte Harry noch, und konzentrierte sich lieber wieder auf die weichen Lippen, die ihn so angenehm aus der Realität entführten.
