Winterfreuden

„Harry, wach auf! Es hat schon wieder geschneit!", Rons Stimme holte Harry aus seinen Träumen.

„Ja und? Das hat es gestern und vorgestern auch schon getan.", brummte er und verzog sich wieder unter die Decke. Es war gestern wieder spät geworden. Nach der Nahhilfe war er mit Draco noch bis in die Nacht wach gewesen. Raja hatte sich nach kurzer Zeit wieder taktvoll aus dem Turmzimmer verabschiedet und war in der Nacht verschwunden. Manchmal fragte er sich, was sie eigentlich die ganze Zeit trieb.

„Nun steh schon auf, sonst kommen wir zu spät zum Frühstück. Hermine wartet schon."
Gut, das war ein Argument. Er wollte dem Mädchen nicht Anlass geben noch weiter nachzubohren, wo er denn gestern noch so lange gewesen war. Das hatte sie nach seiner Rückkehr in den Gemeinschaftsraum schon ausgiebig getan. Wenigstens hatte sie die Aussicht, dass Harry Nachhilfe nahm ein wenig beruhigt. Denn seine Noten waren trotz Snapes Bemühungen, ihm möglichst nicht einmal das Schwarze unter den Fingernägeln zu gönnen, langsam auf dem Weg nach oben.

Dennoch standen sowohl sie, wie auch Ron, der ganzen Sache mit den beiden Slytherins ziemlich skeptisch gegenüber. „Es ist komisch, mich mit Malfoy normal unterhalten zu wollen", hatte sein rothaariger Freund schon am Anfang gesagt. „Er mag mich nicht und ich mag ihn nicht. Da wird im Leben nix draus."Und Hermine kriegte jedes Mal fast einen Anfall, nachdem Raja wieder weg war. „Die ist nicht ganz normal Harry. Sie hat so was im Blick, das mir Angst und Bange wird.", sagte sie immer wieder.

Harry schwieg dann immer und wünschte sich, seinen Freunden erzählen zu können, wie die beiden anderen wirklich waren. Aber er wagte es nicht, denn das Eis auf dem sie sich bewegten war dünn.

Seufzend wagte er sich also aus dem Bett und zog sich an. Es war ziemlich kalt, weil einer der anderen Jungs ein Fenster sperrangelweit aufgerissen hatte. Er fröstelte und wagte einen Blick nach draußen. Ron hatte nicht übertrieben, ganz Hogwarts war mit einer dicken weißen Schicht überzogen.

„Nun komm schon!", drängte Ron. „Die essen sonst alles weg."

Der Gryffindor musste grinsen. Das war das einzige, auf das er nicht verzichten musste, wenn er mit den beiden anderen unterwegs war. Raja hatte eigentlich auch immer Hunger. „Das liegt an dem größeren Energie-Verbrauch", hatte sie ihm erklärt und gespielt überheblich hinzugefügt: „Unendliche kosmische Macht kommt eben nicht von ungefähr."Er hatte sie bestraft, indem er sie ordentlich durchkitzelte.

Als Harry aus dem Schlafsaal trat, schlang Ron gerade seine Arme um Hermine und küsste sie ausgiebig. Wenn er doch nur morgens auch mal so mit Draco den Tag beginnen dürfte.

„Morgen, Hermine!", begrüßte Harry das Mädchen.

„Hi, Harry!", antwortete sie. „Hast du Lust nachher mit mir und Ron nach Hogsmeade zu kommen?"

Er zögerte. Eigentlich hatte er vorgehabt, seinen Samstag mit jemand anderen zu verbringen. Dann gab er sich aber einen Ruck und meinte lächelnd: „Klar, komm ich mit."

Doch Hermine hatte sein Zögern bemerkt. „Du hattest was anderes vor, oder?"Sie sah ihn prüfend an. „Mit den beiden Schlangen?"Er nickte.

„Dann frag sie doch einfach, ob sie mitkommen wollen, sagte Ron gut gelaunt und zog seine beiden Freunde einfach mit in Richtung der Großen Halle. „Wenn ich erstmal was im Bauch habe, ertrage ich sogar Malfoy."Und auch Hermine zeigte sich einverstanden damit.

Doch als Harry die beiden anderen nach dem Frühstück danach fragte, schüttelte Raja den Kopf und meinte. „Ich kann nicht. Ich muss Hagrid helfen. Soll ne Überraschung werden. Aber kommt doch nachher einfach alle mal bei ihm vorbei. Ich denke, dass wird die anderen auch interessieren."

Harry sah Draco bittend an. "Kommst du wenigstens mit? "

"Du meinst, ich soll mit dir, Wiesel und Granger einen Ausflug wagen. Das wird doch nie klappen."

Nach einiger Zeit ließ sich der Slytherin aber vom Gegenteil überzeugen und willigte ein. Leider musste Harry zugeben, dass sich Dracos Vermutungen als äußerst zutreffend erwiesen. Das Treffen mit den zwei anderen Gryffindors war ziemlich anstrengend gewesen. Erst hatten die beiden Draco dauernd vorgeworfen, dass er immer alles bestimmen wollte. Dann hatte der Slytherin Ron wegen seines miesen Quidditch-Spieler aufgezogen und Harry hatte den Rothaarigen nur mit Mühe zurückhalten können, nicht gleich mitten in den „Drei Besen"eine Keilerei anzufangen. Zum Schluss waren sie sich über Hermines Lieblings-Thema, die Hauselfen, in die Haare geraten, dem Draco, wie zu erwarten etwas anders gegenüberstand als das engagierte Mädchen. Sie war immer noch böse, weil Dracos Familie damals so gemein zu Dobby gewesen war und hielt diesem einen langen Vortrag über B.Elfe.R. Der stand aber zu seiner Familie und so waren sie schließlich getrennter Wege gegangen, wobei sich Harry noch einige böse Blicke zuzog, weil er mit dem Slytherin mitging.

Schweigend stapften die beiden Jungen durch den Schnee zu Hagrids Hütte.

Plötzlich blieb Draco stehen und sah Harry ernst an. „Es tut mir leid.", sagte er zerknirscht. „Ich mag dich wirklich, aber mit deinen beiden Freunden komme ich einfach nicht klar. Ich kann einfach nicht nett zu jemandem sein, der mich die ganze Zeit anmacht."

„Du warst aber auch nicht ganz unschuldig.", gab Harry zurück.

„Was sollte ich denn machen. Zuhören, wie Miss Neunmalklug meine Familie beleidigt.", murrte Draco und wühlte mit seinem Fuß im Schnee. „ich hab schließlich auch meinen Stolz.

„Dein verdammter Stolz wird dir noch mal den Hals brechen", schnaubte Harry nun. „Und außerdem hasst du Ron aber zuerst angemacht wegen dem Quidditch."

„Warum musst du nur immer Recht haben?", grinste der Blonde versöhnlich. „Wird das nicht irgendwann langweilig, immer nur nett zu sein?"

„Nicht, wenn ich mit dir zusammen bin", lachte jetzt auch Harry und sie setzten ihren Weg fort.

Raja war begeistert, dass die beiden endlich auftauchten. Ungeduldig zerrte sie die beiden Jungen mit glänzenden Augen sofort auf den Wald zu. „Sie sind so schön!", jubelte sie. Und als sie ein Stück in den Wald eingedrungen waren, sahen sie auch, was das Mädchen so in Verzückung versetzt hatte.

Hippogreife.

Zwei Elterntiere und ein Junges, dem noch die Federn am Kopf abstanden. Schützend stellten sich die beiden großen Tiere vor ihren Nachwuchs und das große, schwarze Männchen ruckte unablässig mit seinem Kopf hin und her.

Hagrid stand am Zaun des großen Gatters und strahlte ebenfalls bis über beide Ohren. „Sind die nicht toll, Jungs?", fragte er immer wieder. „Ich hab jetzt ne Genehmigung, welche zu züchten. Dumbledore hat die vom Ministerium überredet."

Staunend betrachtete Harry die stolzen Tiere und langsam gewöhnten sie sich an ihre Gegenwart, so dass er auch das Junge genauer betrachten konnte. Es war noch ziemlich tollpatschig und versuchte trotzdem dauernd zu fliegen Daher knallte es immer wieder mit dem Schnabel in den Schnee, schüttelte sich, und startete einen neuen Versuch.

Raja wagte sich sogar in das Gatter hinein, und nachdem sie sich mit dem Vater geeinigt hatte, dass keiner seiner kleinen Familie etwas tun wollte, ließ er auch Harry hinein. Draco blieb lieber, wo er war. Hippogreife waren nun wirklich nicht sein Ding.

Als Hagrid dann schließlich ging, rief er ihnen noch nach, sie sollte nicht zu lange im Wald bleiben und vorsichtig sein. Raja lächelte aber nur und schob den Halbriesen in Richtung des Waldrandes. „Mach dir keine Sorgen, Hagrid, den Hippos wird schon nix passieren und an uns ist nachher auch noch alles dran. Versprochen!"

Als das kleine Fabeltier sich jedoch unter den schützenden Flügeln seiner Mutter zum Schlafen legte, scheuchte Raja Harry aus der Umzäunung. „Wir sollten Perlenauge nun schlafen lassen. Aber ich will euch noch was zeigen."

Daraufhin winkte sie den beiden, ihr tiefer in den Wald zu folgen. Harry sah Draco an, doch der zuckte nur mit den Schultern und setzte sich in Bewegung. Zögerlich folgte Harry den beiden.

An einem kleinen Tümpel hielt Raja an, und wies auf das andere Ufer. Dort lag ein ziemlich verstümmelter Tierkadaver, der inzwischen schon langsam mit einer Rauhreifschicht überzog.

„Wie werden hier warten, Ich will sehen, ob sie kommen.", meinte sie und expedierte die Jungen in ein kleines, schneegeschütztes Lager, dass sie wohl aus einigen Zweigen zusammengezimmert hatte. Sie nestelte eine kleine Flasche aus ihrer Tasche und meinte: „Trinkt das!"

Zögernd öffnete Harry die Flasche und ihm stieg ein scharfer Kräuter-Geruch in die Nase „Damit einem nicht so kalt wird.", grinste sie. „Meinst du ich hab Lust, mir nachher euer Gejammer anzuhören, weil euch die edelsten Teile abgefroren sind."

Harr wurde rot und weil er nicht wusste, was er darauf erwidern sollte, nahm er einfach einen kräftigen Schluck aus der Flasche.

Kurz darauf konnte er sogar wieder atmen.

„Was ist das?", krächzte er und hustete sich die halbe Lunge aus dem Leib. „Das brennt ja höllisch."

„Altes Geheimrezept. Sind Kräuter drin.", feixte das dunkelhaarige Mädchen.

Draco nahm ihm die Flasche aus der Hand und roch daran. „Und ne Menge Alkohol, wie´s scheint.", ergänzte er lachend und nahm ebenfalls einen großen Schluck. Befriedigt stellte Harry fest, dass auch seinem Freund die Tränen in die Augen traten und er merklich um Atem rang.

„Scharf!", meinte er dann. „Aber nicht übel. Könnte man sich dran gewöhnen."
"Ihr Schnapsnasen sollte euch nicht besaufen. Für die Wirkung reicht ein Schluck des Trankes aus.", erklärte Raja und nahm ebenfalls einen großen Schluck. Sie schien jedoch keine Probleme mit ihren primären Lebensfunktionen zu kriegen.

Dann merkte Harry, wie die Wirkung einsetzte und sich eine wohlige Wärme von seinem Magen aus im ganzen Körper ausbreitete. Er kuschelte sich an Draco und fragte: „Auf was warten wir jetzt eigentlich?".

Doch Raja machte eine abwehrende Handbewegung, bedeutete ihm zu schweigen und zeigte wortlos auf die Dunkelheit am anderen Ufer. Harrys Blick schweifte über die Schatten der riesigen Bäume und dann sah er sie.

Große, rote Augen glühten im Dunkel. Erst ein Paar, dann drei oder vier weitere. Ein Schnauben und Geifern wehte mit dem Wind herüber, das sich Harry die Nackenhaare sträubten.

Ghule!

Sie waren durchweg hässlich und die Haut schien ihnen in Fetzen am Leib zu hängen. Etwa einen Meter und fünfzig groß, gingen sie teilweise auf zwei Beinen oder hinkten auf allen Vieren daher. Scharfe, übergroße Zähne ragten aus ihren großen Mäulern und eine lange, schleimige Zunge fuhr immer wieder darüber hinweg. Sabbernd fielen sie über die Fleischreste am Ufer her und balgten sich dabei wie Tiere um die besten Stücke. Dabei zerrissen sie das gefrorenen Fleisch, als sein es aus Pappmachee. Sie sicherten jedoch immer wieder die Umgebung in alle Richtungen ab und sogen mit ihren plattgedrückten Nasen, den Wind ein, um eventuell neue Beute zu finden. Harry erstarrte, als einer der Ghule zu ihm herübersah und misstrauisch in dieser Position verharrte.

Er spürte eine kleine Berührung an seine Hand und hätte beinahe aufgeschrieen, als er Raja in seinen Gedanken vernahm.
"Ganz ruhig!", schien sie zu flüstern. „Ich werde uns tarnen, aber ihr müsst leise sein und dürft euch nicht bewegen."Dann hatte er das Gefühl, ein Schleier sei über die Welt gezogen worden und es atmete nun wieder ruhiger und gleichmäßiger.

„Es sind mehr als sonst", hallte Rajas Stimme immer noch durch seine Gedanken. „Mehr als drei, waren es bis jetzt nie auf einem Haufen. Das gefällt mir nicht. Es tut mir leid, aber wir werde wohl noch etwas hier bleiben müssen."
"Wie geht es Draco?", formulierte er sorgfältig eine Frage.

Sie kicherte. „Der hat sich ganz schön erschreckt, besonders als ich ihn dann „besucht"habe. Er steht nicht so auf Gedankenlesen, weißt du. Aber es geht ihm gut, doch du solltest aufhören, seine Hand zu zerquetschen."

Harry lies Dracos Hand ein wenig lockerer, drehte leicht den Kopf und sah in entschuldigend an. Der Blonde verdrehte die Augen und beobachtete dann mit kritischem Blick die Ghule, Deren Zahl inzwischen auf ungefähr zehn angewachsne war. Ein Gerangel um das Fleisch brach aus, und erst zwei Stunden später, war auch das letzte Vieh verschwunden.

„Puh, dar war ziemlich knapp.", stöhnte der Gryffindor und streckte seinen steifgewordenen Glieder. „Du hättest uns vorwarnen müssen, Raja!", fügte er mit einem vorwurfsvollen Blick hinzu.

„Eben, es ist nicht jeder so lebensmüde wie du", ärgerte sich auch Draco und strich sich seinem Umhang glatt.

„Normalerweise haben sie sich die Köder auch nur geschnappt und sind damit abgezogen.", verteidigte sie sich schwach. „Das konnte ich doch nicht ahnen."

„Meinst du nicht, dass du sie damit gerade anlockst?", fragte Harry nach.

„Wenn sie kein Aas finden, töten sie die lebendigen Tiere.", meinte sie ruhig. „Das ist ein völlig untypisches Verhalten, sagt auch Hagrid. Außerdem ist es wichtig zu wissen, wie viele es sind. Denn wie wir ja heute festgestellt haben, werden es mehr und sie werden mutiger. Das ist kein gutes Zeichen."

„Jetzt ist es schon stockduster und zu spät zum Essen.", meckerte Draco nun und fing an zum Waldrand zurückzugehen.

Raja sah Harry an und meinte grinsend: „Sollen wir unserem Prinzen mal das Küchenpersonal vorstellen?"Und als Harry nickte, nahmen sie den blonden Jungen einfach in ihre Mitte und jagten durch den Schnee bis zum Schloss-Portal