Der Zaubertränkelehrer stob um eine Ecke. Er war auf dem Weg zum Schulleiter und hatte wichtige Neuigkeiten. In seiner Hand hielt er einen Brief, den eine Eule ihm vor weniger als einer halben Stunde hatte. Einen Brief, über den er dringend mit Dumbledore reden musste, auch wenn es schon später Samstagabend war.
Leicht außer Atem kam er an dem Wasserspeier an, hinter dem der Aufgang zum Büro des Schulleiters versteckt war. Er machte eine kurze Pause, atmete noch einmal durch, straffte seine Haltung und zischte: „Schokofrösche!", woraufhin ihm die Figur den Weg frei gab. Er murmelte noch eine abfällige Bemerkung über die seltsamen Passwörter seines Vorgesetzten und stieg die Treppe hinauf.
Albus Dumbledore saß ihn seinem Lehnstuhl und streichelte Fawkes, seinen Phönix, der offensichtlich gerade einen neun Lebenszyklus begonnen hatte. Glücklich quietschend saß der kleine Feuervogel auf dem Schreibtisch und stellte allerhand Unsinn an. Das würde sich jedoch in ein paar Stunden gegeben haben.
„Professor Dumbledore, es gibt schlechte Neuigkeiten.", begann Snape ohne Vorwarnung und setzte sich auf einen Wink des Schulleiters hin steif auf einen so eben erschienenen Stuhl. Klare, blaue Augen sahen ihn fragend an. „Was gibt es denn, Severus? Noch eine Ghul-Sichtung auf dem Gelände?"
„Nein, natürlich nicht. Ich bin auch der Meinung, dass sich Miss Weasley diese Sache nur ausgedacht hat."Spöttisch lächelnd dachte er an die aufgelöste Ginny, die noch Tage später erzählte, in einer Stunde „Pflege magischer Geschöpfe" von riesigen, blutunterlaufenen Augen angesehen worden zu sein. „Sie ist ihrem Bruder Ronald in seiner Neigung zur Hysterie sehr ähnlich. Nein, es geht um etwas ganz anderes."Doch bevor er weiterreden konnte, wurde er schon wieder von dem Schulleiter unterbrochen: „Hat man Ihnen schon bescheid gegeben, dass die Schüler Zabini und McDougal bereits nach den Weihnachtsferien nicht mehr in Hogwarts sein werden? Ihre Eltern bzw. Großeltern haben mir geschrieben und ich habe ihrer Bitte nachgegeben."
„Ja, aber ich habe im Moment wichtigere Neuigkeiten. Lucius Malfoy hat mir heute eine Eule gesandt. Er bittet mich, ihn über die Ferien zu besuchen und seinen Sohn ebenfalls mitzubringen.", konnte er nun endlich die Nachricht beenden. „Er sprach davon, dass der Junge gewissen Leuten vorgestellt und somit in die Gesellschaft eingeführt werden sollte. Ich denke, Sie wissen, was das bedeutet."Er sah Dumbledore ernst an, während dieser noch immer mit dem Phönix spielte.
„Das ist in der Tat eine interessante Neuigkeit. Es ist zu überlegen, wie wir darauf reagieren.", überlegte der weißbärtige Mann, stand auf und begann in seinem Arbeitszimmer umherzugehen.
„Ich kann diese Einladung nicht ablehnen. Nicht ohne danach in ernste Erklärungs-Not zu kommen.", schnaubte der schwarzhaarige Mann und verzog das Gesicht. „Ich denke, es wäre das Beste einfach abzuwarten, was er will."
„Und doch könnte diese Sache den jungen Mister Malfoy in ernste Schwierigkeiten bringen. Sollte tatsächlich das eintreten, was wir schon seit langem befürchten, wären wir gezwungen zu handeln. Gegen ihn, wenn es sein muss."Er drehte sich um und sah Snape an. „Ich würde es vorziehen, ihn dort herauszuhalten. Er ist noch kein Anhänger Voldemorts und es sollte vermieden werden, dass sich das ändert. Ebenso wie bei allen anderen Schülern Slytherins, deren Familien irgendwie mit dem Herrn der Todesser in Verbindung stehen. Nur können wir bei den meisten keinen Einfluss auf diese Entwicklung nehmen. Ich denke bei Draco Malfoy ist das noch möglich. Er hat sich verändert, wie Sie sicher gemerkt haben."
Der Lehrer knurrte nur. Sicherlich war ihm nicht entgangen, dass sich der Schüler verändert hatte. Nur der Grund für diese Sache gefiel ihm gar nicht. Er dachte ein wenig anders über den Zusammenhalt der Häuser als Dumbledore, auch wenn sie sich einig waren, dass der Dunkle Lord die Herrschaft nicht wieder erlangen durfte. Es hatte zu viele Opfer gegeben.
Aber mehr durften sie nicht erwarten Er hatte sich zu oft täuschen lassen. Und er hatte nichts übrig für die schwächliche, weiche Art des Schulleiters, wenn es um „seine Schüler" ging. Für Snape waren sie alle gleich. Wenn auch einige ihm die Möglichkeit verschafften, sich ein wenig des Glanzes zurückzuholen, der ihm zustand. Draco Malfoy hatte ihn verraten, indem er sich mit Potter und Banes zusammentat. Das sollte er ihm büßen.
Widerwillig fragte er: „Wie soll meine Antwort nun lauten?"
Der Schulleiter überlegte kurz. „Sie werden hinfahren, Severus. Aber ich möchte Sie bitten, ein Auge auf den Jungen zu haben. Finden Sie heraus, was da vorgeht. Aber seien Sie vorsichtig. Ich denke, wir sollten uns auf einen Angriff gefasst machen. Auch wenn Sie Miss Banes ...", er schmunzelte, „nicht unbedingt mögen, so hat ihre Aussage wohl Hand und Fuß. Ich habe mit Hagrid gesprochen und der hat mir die Sache bestätigt."
„Warum muss ich mir immer wieder von irgendwelchen Gören", er spie dieses Wort förmlich aus, „sagen lassen, was zu tun ist. Merken Sie denn nicht, wie sehr uns das aufhält?"
„Ich gedenke jede Kraft zu nutzen, die uns zur Verfügung steht, Severus.", gab der ältere Mann bedächtig zur Antwort. „Und ich denke, wir sollte das Potential von Raja Banes nicht unterschätzen. Wenn es um das Fließen magischer Kräfte geht, übertrifft ihr Wahrnehmungsvermögen das unsere bei weitem. Ich überlege, sie in den Phönix-Orden aufzunehmen, wenn das Schuljahr vorbei ist."
„Wie sie meinen...."Wütend stand Snape auf und nickte dem Schulleiter noch kurz zu. „Sie entschuldigen mich. Ich muss Mister Malfoy von dem Schreiben seines Vaters unterrichten."
Damit stampfte er zornig die Treppe wieder hinunter. Aber sicher! Machen wir doch einen Kindergarten aus dem Orden. Der Dunkle Lord wird sich freuen. Er wusste wirklich nicht, was Dumbledore sich bei solchen Ideen dachte.
Immer noch kochend eilte er dem Kerker entgegen und wäre beinahe über eine kleine Hauselfe gefallen, die am Boden saß und versuchte, sich die Ohren von einer klebrigen Masse zu befreien. Verstört sah er sie an. Normalerweise traten Hauselfen nicht offen in Erscheinung, und er befand es auch nicht für nötig, sich mit ihnen abzugeben. Doch in diesem Augenblick, kam sie ihm gerade recht.
„Was tust du hier?", fuhr er sie schroff an, glücklich endlich ein Ventil für seine Wut gefunden zu haben. „Solltest du nicht arbeiten, anstatt hier sinnlos in der Gegend rumzusitzen?"
Das kleine Wesen zuckte zusammen und piepste verschreckt. „Aber ja, Professor. Dippsy hatte nicht die Absicht faul zu sein. Ich war in der Küche und werde auch sofort dahin zurückkehren, wenn es vorbei ist."
„Wenn was vorbei ist?", schnarrte der Zaubertränkelehrer. Aber die kleine Elfe hielt sich nur den Mund zu und verschwand. Was war da los? Wenn irgendjemand in der Küche des Schlosses Unfug trieb, dann würde er jetzt Bekanntschaft machen, mit einem sehr zornigen Lehrer der Zaubertränke. Er eilte in den Gang mit dem Zugang zur Küche und kitzelte die grüne Birne. Wieder so eine blödsinnige Idee von Dumbledore. Die Tür öffnete sich und er hörte lautes Gelächter und eine ihm wohl bekannte Stimme, die so eben rief: „ Wer hat hier jetzt Angst?"
BANES!
Er eilte aufgebracht die Treppe hinab und erstarrte auf der Türschwelle.
Er konnte nicht glauben, was sich dann vor seinen Augen abspielte.
In einer ziemlich zerwühlten Küche stand Raja Banes vor Draco Malfoy. Über ihrer Hand schwebte ein Stück Torte auf und nieder, das der blonde Junge ängstlich beobachtete.
„Ich warne dich. Wage es ja nicht, Raja", drohte er ihr. „Hör sofort auf mit dem Quatsch."
„Ich denk nicht dran", lachte sie und ließ den Kuchen noch ein wenig höher schweben. „Du bist und bleibst ein Lackaffe, Draco."
„Nur weil ich auf mein Äußeres achte, bin ich noch lange nicht eingebildet", beschwerte der sich. „Das hat was mit Stil zu tun, den du ja offensichtlich nicht hast."Er rümpfte die Nase.
„Das war zuviel!", kreischte sie lachend und schleuderte dem Slytherin das Sahnestück mitten ins Gesicht. Tropfend stand er da und schaute das Mädchen ungläubig an. Harry Potter erhob sich von seinem Sitzplatz auf dem Küchentisch und ging zu dem anderen Jungen hin.
„Du bist so süß, wenn du schmollst.", lächelte er den Blonden an.
Der grinste mit einem Male hinterhältig und meinte: „Ich werde dir zeigen, was süß ist."Damit zog er den Gryffindor an sich und drückte ihm seinen sahnebeschmierten Mund auf die Lippen und die beiden versanken in einem Kuss.
„Ihr seid so eklig.", quietschte Banes und drehte sich um.
Auge in Auge stand sie nun mit ihm.
Keiner sagte ein Wort.
Er spürte, wie mittlerweile alle Farbe aus seinem Gesicht gewichen war.
Das durfte doch nicht wahr sein.
Inzwischen hatten auch die beiden jungen Männer die Stille bemerkt und drehten sich zur Tür. Entsetzen machte sich auf ihren Gesichtern breit, als sie ihren Lehrer erblickten. Schnell lösten sie sich aus ihrer Umarmung und traten einen Schritt voneinander zurück.
„Was.Ist.Hier.Los?", knirschte Snape und zermalmte jedes Wort einzeln zwischen seinen Kiefern. Er hatte doch nicht wirklich gerade gesehen, wie Potter und der junge Malfoy sich geküsst hatten. Noch dazu in der Schlossküche. Mit Sahnetorte. Sein Gehirn verweigerte den Dienst, diese Information auch nur ansatzweise zu verarbeiten.
Das dunkelhaarige Mädchen überwand zuerst seine Verblüffung. „Professor Snape. Wie nett. Wollen sie auch ein Stück Kuchen?", fragte sie freundlich.
Wie konnte diese Göre es wagen. „Nein, ich möchte eine Erklärung hierfür.", fauchte er. „Sofort."
Malfoy wagte sich einen Schritt nach vorne und wischte sie die Sahne aus dem Gesicht. „Professor, es ist nicht so, wie sie denken...."
„Ach nein, was denke ich denn?", fragte er zornig und zog seine Augen zu schmalen Schlitzen zusammen.
„Ich denke, dass ich sie der auf der Stelle aus der Schule verweisen lassen werde. Wegen Ruhestörung, Umgehen der Nachtruhe, Diebstahls und Zerstörung von Schuleigentum, Erregung öffentlichen Ärgernisses...."Er wies mit ausgestrecktem Arm einmal quer durch die Küche. „Wegen Vandalismus. Was meinen Sie eigentlich, wer Sie sind? Selbst ihr Herr Vater, Mister Potter, hatte den Anstand seine „Aktionen"etwas diskreter zu gestalten."
Er sah, dass der Gryffindor die Faust ballt, aber sie wieder sinken ließ, als der blonde Slytherin zu ihm trat und beruhigend seine Hand nahm.
„Und sie, Mister Malfoy? Ich bin schwer enttäuscht von Ihnen. Wenn ich schon an ihrem Geschmack gezweifelt habe, was ihre Beziehung zu Miss Banes angeht, so muss ich sagen, dass mich ihre jetzige Wahl doch ziemlich an ihrem Verstand zweifeln lässt. Ihr Vater wird sich sicher dafür interessieren."
Sein Gegenüber sog wütend die Luft ein, sagte aber nichts.
„Und dann natürlich wieder Miss Banes. Sie haben bei dieser Menage-a-trois wohl die Spielleitung übernommen. Das wundert mich nicht, bei ihrer Erziehung."Befriedigt sah er, dass ihre Augen zornig blitzten. „Sie haben ihre Launen hier lange genug ausgelebt."
Hämisch grinsend fuhr er fort: „Sie werden mich jetzt alle drei zum Schulleiter begleiten. Der wird ihrem Treiben ein Ende bereiten. Auch ein Albus Dumbledore wird einsehen, dass ein solches Verhalten absolut inakzeptabel ist."Er drehte sich um und wollte schon zur Tür eilen, da hörte er Banes Stimme.
„Nein."
Er blieb stehen. Sie wagte es noch zu protestieren? Mit nun vor Wut gerötetem Gesicht, machte er auf dem Absatz kehrt und baute sich vor dem Mädchen auf. Er überragte sie um Haupteslänge. "Können sie mir verraten, was sie zu dem völlig irrigen Schluss kommen lässt, dass ihre Meinung jetzt noch gefragt ist?", brüllte er das Mädchen in voller Lautstärke an. „Sie werden jetzt ihren Hintern sofort in Bewegung setzen, sonst vergesse ich mich und jage Ihnen einen Fluch auf den Hals, dass sie Ostern nicht mehr von Weihnachten unterschieden können."
„Das will ich sehen.", grinste die Schülerin und sah ihn auffordernd an.
Er hob vor lauter Wut schon den Zauberstab, doch dann besann er sich.
Er beugte sich vor und zischte ihr leise ins Ohr: „Sie sind in einer sehr prekären Lage, Miss Banes, ist Ihnen das bewusst?"
„Haben Sie sich schon mal gefragt, was mit einem Lehrer passiert, der eine Schülerin belästigt?", fragte sie unschuldig, hob die Hand und strich mit zwei Fingern über seine Brust.
Er wich einen Schritt zurück.
„Miss Banes, mäßigen Sie sich. Sonst werden Sie wirklich ernste Schwierigkeiten bekommen.", flüsterte er gepresst.
Doch das Mädchen glitt geschmeidig auf ihn zu und flüsterte ebenso leise: „Ich denke nicht, dass ich die Schwierigkeiten bekommen werde."
Er wich weiter zurück. Worauf wollte dieses verrückte Ding hinaus? Dann dämmerte es ihm. Er grinste höhnisch. „Damit würden sie nicht durchkommen. Das würde niemand glauben. Es gibt Wege, die Wahrheit herauszufinden."
Wieder kam sie näher und meinte sanft: „Veritas-Serum? Nun ich denke nicht, dass das bei mir die entsprechende Wirkung zeigen würde. Aber so eine Aussage setzt sich in den Köpfen der Leute fest."
„Erpressung ist nicht ihre Stärke, Miss Banes. Spielen sie lieber weiter in ihrer eigenen Liga.", warnte er sie und trat aber noch eine Schritt zurück, so dass er jetzt unangenehmerweise die Wand im Rücken hatte.
Doch sie lächelte nur und meinte süffisant: „Als wenn Sie eine Ahnung hätten, in was für einer Liga ich spielen könnte. Würde es Ihnen Spaß machen, das herauszufinden?"
„Miss Banes. Jetzt ist es aber genug!", keuchte er. „Machen Sie, dass sie in ihren Schlafsaal kommen."Und mit einem Blick auf die beiden verwundert dreinblickenden Jungs fügte er hinzu: „Alle drei. Sie melden sich morgen wegen dieser Sache bei mir. Und jetzt will ich keinen Mucks mehr hören."
Damit drehte er sich um und flüchtete aus der Küche.
Blitzende grüne Augen sahen ihm interessiert nach.
