Okklumentik

Harry war weniger beunruhigt als sein Freund, was die Sache mit Snape anging. Als er Raja auch noch einmal alleine nach den Vorgängen der Nacht fragte, hatte sie nur gelächelt und gesagt: „Vertrau mir einfach, Harry. Snape ist kein Problem mehr. Ich weiß, was ich tue."

„So wie bei Draco?", hatte er nachgebohrt, denn er erinnerte sich selbst immer mal wieder daran, was ihm den blonden Jungen eigentlich bescherte hatte.

Sie hatte jedoch abgewinkt. „Ich an deiner Stelle würde Draco mal fragen, wie er zu der Sache steht. Es scheint mir nicht, als wäre er besonders unglücklich. Ihr seid so niedlich zusammen. Wie weit seid ihr eigentlich?"

Daraufhin war er rot geworden, bis über beide Ohren und hatte wütend einen Schneeball nach ihr geworfen. Das ging selbst Raja nichts an.

Nun saßen die drei wieder einmal in dem Turmzimmer und hielten sozusagen Kriegsrat. Draco hatte berichtet, was vorgefallen war und dass er nicht wusste, wie er mit der Situation zu hause umgehen sollte.

„Mein Vater wird mich umbringen, wenn er das erfährt. Und ich weiß nicht wie der Dunkle Lord wohl reagiert, wenn ich ihm sage: Tut mir leid, aber ich liebe leider deinen Feind, mach´s gut.", führte er gerade sarkastisch aus. „Das ist wohl keine so gute Idee."

Harry sah seinen Freund ernst an. Dass er in dieser Situation noch Witze machen konnte, war ihm schleierhaft. Vielleicht lag das daran, dass Draco Voldemort noch nicht erlebt hatte. Er selbst träumte jetzt manchmal noch von diesen unheimlichen, roten Augen, die sich so tief in seine Seele gebohrt hatten.

„Mitspielen!", rief Raja auf einmal und fing an in dem kleinen Raum hin und her zu gehen. „Das ist die einzige Möglichkeit."

„Aber Voldemort kann man nicht anlügen. Das ist unmöglich.", widersprach Harry heftig. „Er liest deine Gedanken, als wären sie ein offenes Buch mit drei Meter großen Buchstaben."

„Es gibt Wege, dass zu verhindern, Harry, das weißt du.", warf Raja ein. Sicher, aber er war nie besonders erfolgreich gewesen, es zu lernen. Raja hatte ihm noch ein paar Sachen gezeigt, die seine Visionen, die er immer noch schwach spürte, endgültig zum Versiegen gebracht hatten. Aber Auge in Auge mit Voldemort, wäre er nicht dazu im Stande gewesen.

„Du kannst es nicht besonders gut, aber Draco vielleicht.", hörte er Rajas Stimme einwenden.

Misstrauisch sah er das Mädchen an. „Du meinst, er könnte es schaffen so schnell zu lernen, Voldemort abzublocken?", fragte er sie ungläubig.

Dann schaltete sich Draco wieder in ihr Gespräch ein. „Könnt ihr mir vielleicht mal verraten, um was es hier geht?", motzte er aufgebracht. „Ich muss schließlich in die Höhle des Löwen."

Harry drehte sich zu seinem blonden Freund um. „Es geht darum, dass du lernst, fremde Gedanken aus deinem Geist auszuschließen. Du musst Okklumentik lernen und zwar ziemlich schnell."

Der schaute den Gryffindor an, als hätte er verlangt, eine lebende Schnecke zu essen. „Ich soll schon wieder jemand in meinem Kopf rumpfuschen lassen. Nein Danke! Einmal reicht doch, oder?"schrie der Slytherin und sprang nun ebenfalls auf. „Ihr habt sie doch nicht alle!"

Verletzt sah Harry ihn an. Er hatte gehofft, dass Draco inzwischen darüber hinweg war. Hatte er sich getäuscht? Doch dann mischte sich Raja wieder ein. „Eben weil ich das schon mal gemacht habe, weiß ich, dass du einen starken Geist hast, Draco. Dein Widerstand war nicht leicht zu brechen und deshalb wäre es auch so schwer, den Zauber wieder zu entfernen. Wenn du vorbereitet und konzentriert bist, sollte es nicht möglich sein, deine Gedanken zu lesen. Das geht immer nur wenn du besonders ängstlich, aufgeregt oder...", Sie verstummte und sah den Blonden vielsagend an. Harry hätte zu gerne gewusst, wie die Sache mit dem Zauber dann damals funktioniert hatte.

Etwas lauter fuhr das Mädchen fort: „Du musst deine Gabe eigentlich geerbt haben. Harry hat nur einen Bruchteil dieser Fähigkeiten, weil er sie wahrscheinlich ebenso wie die Sache mit dem Parsel von Voldemort übertragen bekommen hat. Wie ich aus Erzählungen weiß, habe ich meine Gabe von meiner Mutter. Weißt du, von wem du es hast?"

Draco musste offensichtlich nicht lange überlegen. „Mein Vater.", sagte er bestimmt. „Er hat früher schon immer gewusst, wenn ich was ausgefressen hatte. Ich habe immer versucht, ihn zu überlisten, aber meistens hat es nicht funktioniert."

Raja lachte bitter auf. „War ja klar. Aber in diesem Fall ist das offensichtlich ein Vorteil. So sollte es möglich sein, zumindestens etwas zu erreichen, bevor du nach hause musst."Sie drehte sich zu Draco um. „Nun musst du nur entscheiden, wen du fragen willst, um es dir beizubringen. Dumbledore, Snape oder mich. Eine andere Auswahl haben wir zur Zeit leider nicht."

Gespannt sah Harry seinen Freund an. Er mochte nicht in seiner Haut stecken, denn er konnte gut verstehen, dass Draco dieser Sache nicht unbedingt positiv gegenüber stand.

Der Slytherin zögerte. Zweifelnd sah er das dunkelhaarige Mädchen an und man sah, wie er mit sich rang. Dann seufzte er und meinte: „Es gefällt mir zwar nicht, aber würdest du es mir bitte beibringen? Ich denke, damit wähle ich wohl das kleinste Übel." Der junge Mann schüttelte den Kopf. „Ich muss doch verrückt sein.", fügte er leise hinzu.

Der Gryffindor und nahm den Blonden in den Arm und flüsterte ihm ins Ohr: „Raja wir dir nicht mehr weht tun. Und sie ist eine gute Lehrerin. Hab keine Angst und vertrau ihr. Du schaffst das."Er sah dem anderen in die Augen und strich sanft über sein Haar.

„Ich lass mich schon nicht unterkriegen.", knurrte der spielerisch. „Schließlich bin ich ein Malfoy."Und dann lachte er und umarmte Harry stürmisch. Mit einem Blick auf das Mädchen am anderen Ende des Raums meinte er: „Und wann fangen wir an?"

„Am besten sofort, doch dazu wäre ich erst gerne ein bisschen alleine mit dir."Entschuldigend sah sie Harry an. „Es ist am Anfang immer ein wenig schwierig."

Aber der schwarzhaarige Junge lachte nur. „Nein, macht nur Ich habe eh noch was zu tun."Damit machte er sich auf den weg in den Gryffindor-Turm. Hausaufgaben machten sich eben auch nicht von alleine.

Von da an übten Raja und Draco jeden Abend zusammen, waren fast gar nicht mehr im Schloss zu sehen und ließen auch schon mal eine Unterrichts-Stunde ausfallen. Die wildesten Spekulationen kursierten durch die Klassen, doch weil aber auch so gar nichts über den Verbleib der beiden Slytherin-Schüler bekannt wurde, legte sich die Aufregung bald wieder. Bis auf gelegentliche Nachfragen von Ron und Hermine, warum er denn nun auf einmal wieder Zeit für sie hatte, interessierte sich nach ein fünf Tagen fast niemand mehr darüber.

Harry gefiel dieser Zustand auch nicht besonders. Seine Zweifel, ob Draco nicht vielleicht Raja bitten würde, den Bann wieder von ihm zu nehmen, wurden immer größer. Auch seine Eifersucht auf die viele Zeit, die die beiden alleine zusammen verbrachten, wuchs. Doch Draco schwor ihm jedes Mal mit müdem Lächeln, dass da nichts war. Der Unterricht musste in dieser geballten Form ziemlich anstrengend sein. Sein Freund war nun immerzu müde und sehr still. Aber er war auch ruhig uns ausgeglichen wie nie, so dass Harry sich keine ernsthaften Sorgen machte.

Eines Abends schlich er sich jedoch leise in das Geheimzimmer. Er wollte sehen, wie weit die beiden waren. Möglichst geräuschlos öffnete er die Tür und schlüpfte hindurch. In dem kleinen Raum war es fast vollständig dunkel, und nur der Mond schien ein wenig durch das Fenster herein. Er flüsterte in das Dunkel: „Draco, Raja, seid ihr da?"

Eine Wolke von Gefühlen hüllte ihn mit einem Mal ein. Er spürte Raja, ruhig und kraftvoll, aber auch Draco, schwächer, aber deutlich tiefer und...heißer. Er schüttelte den Kopf und die Verbindung brach ab.

„Macht ihr Fortschritte?", fragte er und näherte sich vorsichtig. Da spürte er eine Hand in seiner und Draco zog ihn zu sich herunter. Er spürte den Mund des Slytherin auf seinem, bevor er noch irgendetwas sagen konnte. Gierig saugte der Slytherin an seinen Lippen und nahm Harry fast völlig dem Atem. „Auf jeden Fall hast du mich wohl vermisst", keuchte er, als Draco ihn endlich wieder los ließ. „Warum habt ihr kein Licht an?"

„Das würde die Konzentration stören. Außerdem macht es die Sache einfacher.", erklärte Raja.

„Aber ihr sitzt so weit weg voneinander. Hast du mir nicht mal erklärt, dass Körperkontakt die Übertragung einfacher macht?", wunderte sich Harry.

„Ich bin noch dabei, Draco die Strukturen zu erklären, die er beherrschen will. Wenn er nicht weiß, wo sein Geist aufhört und Voldemorts anfängt, hat er schon verloren. Er muss wissen, was drinnen und draußen ist, damit er das Störende eliminieren und die fremden Gedanken ausschließen kann. Da er aber einen natürlichen Schutz gegen diese Einmischung hat, muss ich seine Mauer erst ein bisschen mürbe machen, bevor wir mit dem Unterricht beginnen.", argumentierte Raja weiter.

Irgendwie kam Harry die Atmosphäre ein dem Raum komisch vor. Draco kicherte neben ihm und fing an, durch Harrys Haare zu streichen. Er fühlte den Atem des Jungen an seinem Ohr, der leise flüsterte: „Ich wäre jetzt gerne mit dir alleine."

Verwundert nahm der Gryffindor einen leisen Geruch nach Himbeeren von Draco ausgehend wahr. Und er hatte auch so einen Geschmack auf seine Lippen, als dieser ihn schon wieder verlangend küsste. Er spürte die Erregung des anderen.

Irritiert schob er den Slytherin von sich und fragte entsetzt: „Raja, was hast du ihm gegeben."

„Werde ich jetzt geköpft, wenn ich sage einen Zaubertrank, der die Sinne ein bisschen erweitert?", antwortete sie vorsichtig.

„WAS MACHT IHR DANN HIER IM DUNKELN", schrie Harry nun wütend und stieß seinen Freund grob von sich. Zornig schoss er im Dunkeln auf Raja zu, zog das Mädchen hoch und fauchte: „Erklär mir das!"

„Ganz ruhig, Harry.", versuchte sie ihn zu beschwichtigen. „Es ist nicht so, wie du denkst. Wir versuchen hier lediglich, sein Leben zu retten."

„Und deshalb macht ihr hier...", er brachte es nicht über die Lippen, was für Dinge ihm durch den Kopf gingen. „Und ich habe dir vertraut."

Sie befreite sich aus seinem Griff. „Ja sicher."Sie klang jetzt gekränkt. „Deswegen ist es auch stockdunkel und wir sitzen meterweit voneinander entfernt auf dem Boden. Ich hätte es auch gerne anders, aber Draco ist eine harte Nuss. Er braucht einen starken Führer. Da ich ihn aber nicht zwingen will, weil das die Sache nur schwieriger macht, haben wir beide beschlossen erstmal auf ein Hilfsmittel zurückzugreifen, bis er die Grundstrukturen beherrscht. Man kann nicht einfach hingehen und sagen: Verschließ mal deinen Geist gegen mich!, wenn der andere sich nicht mit seinem eigenen Innenleben auskennt."

„Und warum hat Snape damals nicht so etwas mit mir gemacht, wenn es dann doch viel einfacher ist?", bohrte Harry skeptisch weiter. Das überzeugte ihn alles noch nicht.

„Der Trank hat eben eine Nebenwirkung. Er macht ziemlich... wild?"Sie gluckste jetzt. „Ich denke nicht, dass Snape gewollt hätte, dass du ihm auf den Schoß springst und anfängst ihn abzuknutschen."

Stöhnend ließ sich Harry zu Boden sinken. „Das darf doch alles nicht wahr sein.", jammerte er.

Da spürte er Draco neben sich rutschen. Unwillkürlich versteifte er sich.

„Es tut mir leid, Harry", flüsterte der andere. „Ich wollte doch nur helfen. Aber es ist wirklich nichts passiert."

„Hast du damals den Zauber auch so angebracht.", fragte Harry tonlos in die Dunkelheit.

„Ja.", kam es lediglich zurück.

Er spürte, wie sich Raja auf seine andere Seite setzte. Sie nahm seine Hand und er spürte, dass sie sanft um Einlass in seine Gedanken fragte. Er ließ sie gewähren. Er war so enttäuscht, dass das nun auch egal war. Sie hatten ihn beide betrogen.

Doch dann spürte er, wie Raja ihn an der geistigen Hand nahm und meinte: „Ich zeig dir jetzt mal was. Draco hat noch so viel von dem Zeug intus, dass es eigentlich reichen müsste, um dich mitzunehmen."

Dann fühlte er, wie sie ihn in eine gedankliche Richtung schob und dann waren sie in Draco. Es war allzu deutlich. Das Innere des jungen Mannes war anders als Rajas. Unbeständiger und impulsiver jagten leuchtende Gedanken an ihnen vorbei.

Und jetzt sieh genau hin.", sagte sie noch, bevor sie ihn in eine Flut von Bildern eintauchen ließ. Bilder von ihm selber, so wie Draco ihn sah. Er lachte oder war traurig, saß auf einem Besen oder in dem kleinen Turmzimmer, war wach, oder schlief, während Draco ihm sanft die Wange streichelte. Doch immer war die Wärme zu spüren, die mit diesen Bildern verbunden war.

Er liebt dich", flüsterte Raja nun wieder an seinem Ohr. „Begreifst du das nun endlich mal Er will dich beschützen und deshalb ist er hier."

Aber was ist mit...", begann Harry kurz zu protestieren.

Vergiss das mit dem Zauber. Der ist inzwischen völlig mit ihm verschmolzen. Er will nicht, dass es wieder weggeht. Er will bei dir bleiben."Dann zog sie ihn wieder sanft aus dem fremden Geist zurück.

Mit Tränen in den Augen, sah der Gryffindor seinen Freund an. „Es tut mir auch leid, Draco."Er nahm den Jungen in den Arm. „Tut mir leid, dass ich immer noch gezweifelt habe."