Malfoy Manor

Severus Snape sah auf die weißverschneite Landschaft vor dem Fenster der Kutsche. Sie waren schon einige Zeit unterwegs und hatte nur noch ein kurzes Stück des Weges vor sich. Er fragte sich, was sie erwarten würde, ihn und den jungen Malfoy. Der junge Mann saß ihm gegenüber und schlief. Zumindest tat er so, denn der Lehrer war sich sicher, dass da nur ein Täuschungsmanöver war, um nicht mit ihm reden zu müssen. Der Slytherin hatte sich verändert. Die jungenhaften Züge waren einer neuen Männlichkeit, die seine feinen Züge aber eher unterstrich, denn versteckte. Die blonden Haare waren ein wenig länger als bisher und er schien mehr in sich selbst zu ruhen, als der verwöhnte, kleine Malfoy-Sohn als den Snape ihn kannte. Als hätte der andere seinen Blick gespürt, öffnete er die Augen.

„Wir sind bald da.", murmelte er nach einem Blick aus dem Fenster. Dann schaute er wieder zu Boden. Es war offensichtlich, dass er sich in anderer Gesellschaft wohler gefühlt hätte.

„Wir sollte noch kurz einige Dinge klären, Mister Malfoy.", ließ Snape verlauten und bemerkte den erleichterten Blick des Jungen. Offensichtlich hatte dieser dasselbe vorgehabt, sich aber nicht getraut. Befriedigt nahm der Meister der Zaubertränke zur Kenntnis, dass er offensichtlich trotz allem noch eine Respektsperson war.

Er fuhr fort: „Wir werden tatsächlich demnächst Malfoy Manor erreichen, und Sie wissen so gut wie ich, was uns dort erwartet. Es ist daher in unser beider Interesse, wenn wir eine gewisse Vertrauensebene eingehen."

„Ich... ich weiß nicht, was sie meinen, Professor.", versuchte der Slytherin seinem Gegenüber auszuweichen. Doch er hatte seine Rechnung ohne Snape gemacht.

„Ich rede von ihrer Beziehung zu Potter. Und zu ihrer angeblichen Liebschaft mit Miss Banes. Was ist an dieser ganzen Sache dran? Und woran haben sie die letzten Wochen so fieberhaft gearbeitet?"Auf einen erschrockenen Blick des Schülers fügte er hinzu: „Nun schauen Sie nicht wo, als wären sie ein Hufflepuff. Sie werden doch nicht im Ernst angenommen haben, dass mir ihr Treiben verborgen geblieben ist."

Draco zögerte und sagte dann leise: „Harry und ich sind ein Paar. Schon länger, aber das wissen Sie doch bereits von Raja."

Snape zog verärgert die Augenbrauen zusammen. „Woher wollen Sie wissen, dass ich das schon weiß. Ich habe sie lediglich in der Küche erwischt, vertieft in einen ziemlich unsachgemäßen Gebrauch von Lebensmitteln."

Nun sah der blonde Junge ihn direkt an. „Sie haben doch mit Raja gesprochen. Ich habe sie belauscht als..."Er stockte, wohl als ihm auffiel, dass jegliche Farbe aus dem Gesicht seines Lehrers gewichen war.

„Was fällt Ihnen ein, in meinem Büro herumzuschnüffeln und vertrauliche Gespräche mit einer Mitschülerin auszuspionieren?", fragte er mit deutlichem Zorn in der Stimme.

„A-Aber sie waren doch in unserem Gemeinschaftsraum.", stotterte Draco verständnislos und ihm schoss eine leichte Röte ins Gesicht.

„Ach das meinen Sie..."beruhigte sich der Lehrer wieder. „Naja, wie dem auch sei. Warum um alles in der Welt kommen sie mit dieser Neigung ausgerechnet auf Potter?"

Draco schwieg. Offensichtlich wollte er nicht darüber reden. Auch egal, viel wichtiger war Snape auch etwas anderes: „Und was denken sie, wird in ihrem Heim auf sie zukommen?"

Der Junge sah ihn an. Seine Lippen wurden schmal und er stieß nur ein einziges Wort hervor: „Voldemort!"

Der Zaubertrank-Lehrer war nicht erstaunt über das Wissen seines Schülers, so doch aber um den Ausdruck, den seinen Ausbruch begleitete. Er sah Wut und Ekel in dessen Zügen, die er in diesem Ausmaß nicht vermutet hätte. „Das ist eine ziemlich wahrscheinliche Annahme. Haben Sie eine Ahnung, was er von Ihnen will?"

„Dass ich ein Todesser werde, wie Sie und mein Vater. Was sollte er sonst wollen?", spuckte ihm der Schüler vor die Füße und sah wieder zum Fenster hinaus. „Aber er wird sich wundern. Einen Malfoy hat er vielleicht untergekriegt. Mir wird das nicht passieren."

„Unterschätzen Sie den Dunklen Lord nicht.", schnappte der Lehrer böse. „Sie wissen nicht, auf was sie sich da einlassen. Sie hören sich schon genauso an, wie Potter."

Der Schüler taxierte ihn abschätzend. "Wenn mehr Menschen wären wie Harry, wären vielleicht nicht so viele Unschuldige gestorben. Vielleicht braucht die Welt Menschen, die den Mund aufmachen, wenn sie eine Ungerechtigkeit sehen."

„Was wissen Sie schon über Ungerechtigkeit. Sie haben in ihrem Leben doch noch nie wirklich leiden müssen, Mister Malfoy.", ereiferte sich Snape. „Sie werden erfahren, was es heißt, sich unterzuordnen und nicht mehr als ein falsches Wort von ihrem Tod entfernt zu leben."

„Ich habe nicht vor das zu tun. Ich werde kämpfen. Um mein Leben. Und um das von Harry, wenn es sein muss.", knurrte der Blonde.

„So wichtig ist Potter nicht.", zischte der Schwarzhaarige. „Aber ich werde sie an ihre Worte erinnern, wenn sie vor dem Lord im Staub liegen und um ihr Leben wimmern. Er wird erfahren, dass ihre Beziehung zu dem kleinen Gryffindor nun eine andere ist."Ein hämisches Grinsen überflog sein Gesicht.

Doch die ruhige Antwort verblüffte ihn. „Nein, wird er nicht. Ich habe nicht vor, es ihm zu verraten."

Snape lachte bitter auf. „Als wenn sie über die nötigen Fähigkeiten verfügen würden, sich gegen den Einfluss des Lord zu wehren. Sie sind ein Kindskopf, Mister Malfoy!"

„Nehmen wir mal an, ich könnte es doch.", erwiderte der junge Mann mit einem Lächeln. „Was wäre ihr Plan?"
Snape verzog höhnisch die Mundwinkel. Er konnte nicht glauben, dass der naive Optimismus von Harry Potter tatsächlich auf den vor ihm sitzenden Slytherin abgefärbt haben sollte. „Dann sollte Sie versuchen möglichst viel über die Pläne des Dunklen Lords herauszukriegen. Und nichts auf eigene Faust unternehmen, haben wir uns verstanden?"

Der Junge nickte nur noch und sah wieder aus dem Fenster. „Wir sind da.", meinte er noch, da hielt die Kutsche auch schon, und sie stiegen aus.

Lucius Malfoy stand in einem ebenso teuren, wie warmen Umhang gekleidet auf der obersten Stufe der kleinen Treppe, die zu der wuchtigen Einganstür führte. Einen halben Schritt hinter ihm stand seine Frau, in ein ebensolches Kleidungsstück gehüllt. Trotzdem schien sie zu frieren und ihre blassen Augen blicktenteilnahmslos auf die Insassen des eben angekommenen Gefährts. Das riesige Anwesen, mit den angrenzenden Stallungen, von denen heute jedoch viele leer standen, war in reines Weiß gehüllt und strahlte eine Kälte aus, die sich sowohl in den Mienen der Bewohner, wie auch in deren knapper Begrüßung wiederfand. Als sie die Treppe hinaufsteigen, nickte der blonde Mann lediglich „Draco. Severus."

„Vater.", antwortet Draco in einem ähnlich unterkühlten Ton. „Ich bin deinem Wunsch gefolgt. Was verschafft mit die Ehre, Dich und Mutter früher als erwartet wiedersehen zu dürfen?"

„Später", gab der lediglich zurück. „Ihr müsst müde sein von der Reise. Die Hauselfen werden sich um euer Gepäck kümmern. Du wirst dich noch ein wenig gedulden müssen, Draco. Ich werde zunächst einige Dinge mit deinem Lehrer besprechen müssen."

Daraufhin winkte der Mann Severus und die beiden gingen in das Arbeitszimmer des Hausherren hinüber.

„Setz dich doch, Severus.", lud er den schwarzhaarigen Man ein, nachdem er seinen Umhang unachtsam beiseite geschleudert hatte. „Möchtest du etwas trinken?"Er lächelte spöttisch. „Whisky oder lieber Kürbissaft? Du bist ja unter deinen Schülern sicher nichts anderes gewöhnt."

Severus Augen verzogen sich zu einem wütenden Glitzern. Lucius Malfoy verstand es immer wieder hervorragend zu betonen, wie viel höher er doch in der Gunst des Lebens, wie des Dunklen Lords stand. Severus hasste und bewunderte ihn dafür gleichermaßen. Egal auf was für einer Seite man stand, dieser Mann war beeindruckend. Nicht umsonst war ihm damals ein junger, vom Leben gedemütigter Mann nur zu gerne gefolgt. Noch immer dachte er manchmal darüber nach, was wohl geschehen wäre, wenn er die Freundschaft des charismatischen Älteren damals ausgeschlagen hätte. Wo wäre er dann jetzt? Doch er hing seinen Gedanken nach, während der andere immer noch auf eine Antwort wartete und so sagte er schließlich: „Whisky."

Malfoy senior goss zwei Gläser ein und setzte sich zu dem Lehrer. „Die Sache sieht nicht gut aus, Severus. Er ist unzufrieden. Auch mit dir. Du hast zu lange nichts Wissenswertes mehr zu erzählen."Er sah ihn tadelnd an. „Das ist sehr bedauerlich."

Innerlich knirschte Snape mit den Zähnen. Er musste aufpassen, was er sagte. Die Warnung war für Lucius Verhältnisse schon fast deutlich gewesen. Er presste kurz die Lippen zusammen und sagte dann: „Es ist schwierig. Der alte Kauz ist misstrauisch geworden. Ich muss vorsichtig sein."

Der blonde Mann lehnte sich ein wenig vor und sah ihm direkt in die Augen. Er spürte, dass sein Gegenüber versuchte in ihnen zu lesen, doch dazu reichte seine Kraft nicht aus. „Du solltest seine Geduld nicht überstrapazieren. Wenn du nur versuchst deine Haut zu retten, ohne weiter nützlich zu sein, wird es dich teuer zu stehen kommen."

Das war jetzt deutlich. Wenn er nicht eine oder mehrere wichtige Informationen für den Lord parat hielt, würde es ihm an den Kragen gehen. Er fing an zu schwitzen und konzentrierte sich lieber auf sein Glas. Innerlich fluchend, weil ihn der andere Todesser so aus dem Konzept gebracht hatte. Was war nur mit ihm los. Er konnte doch sonst so gut austeilen. Wahrscheinlich spukte immer noch dieses Geschwätz von Draco Malfoy in seinen Gedanken herum.

„Außerdem ist geplant, meinen Sohn mit ihm bekannt zu machen. Draco ist längst alt genug dafür."Malfoy senior schien vor Stolz fast zu platzen. „Er wird mein Geschenk an den Herrn sein. Sozusagen zu Weihnachten."Kalt lachend über seinen eigenen Scherz erhob sich der Mann und sah Snape noch einmal spöttisch ins Gesicht.. „Du solltest vorbereitet sein, Sev. Wir sehen uns heute abend beim Essen. Ich habe dein übliches Zimmer für dich herrichten lassen. Wenn du noch etwas wünschst, lass es eine der Hauselfen erledigen."

Damit rauschte er aus dem Raum und ließ den schwarzhaarigen Mann alleine mit seinen Gedanken, wie er wohl seinen Hals aus der Schlinge ziehen könnte.

Er lächelte dünn, als ihm etwas einfiel.