Weihnachten

Harry ließ sich grinsend auf dem Fußboden im Turmzimmer nieder und beobachtete Raja, die seit einer Viertelstunde in dem kleinen Raum hin und her lief, wie ein Tiger im Käfig und schimpfte wie ein Rohrspatz.

„Diese blöde Kuh! Wie kann sie es wagen. Der verdreh ich ihren Dutt, bis sie nicht mehr aus ihren Augen gucken kann. Oder häng ihre Unterwäsche auf die höchste Turmspitze. Der kratz ich die Augen raus. Ich ....aah!"Frustriert schmiss sich das Mädchen neben ihm auf den Boden du starrte finster vor ich hin. Wortlos hielt ihr Harry einen Schokoriegel hin, den sie sogleich aufriss und fast ganz in den Mund steckte.

„Kannst du mir mal verraten, wer denn nun eigentlich Opfer deiner Rache-Aktion werden soll?", feixte er und machte auf ihren drohenden Blick hin aber sofort ein fast ernstes Gesicht.

„McGonagall!", mampfte sie und schluckte hörbar. „Die mag mich einfach nicht. Oder die mag allgemein keine Slytherins, ist dir das mal aufgefallen?"

„Und Snape mag keine Gryffindors.", seufzte Harry. „Sonst noch Neuigkeiten?"

Anklagend blickte sie Harry an. „Sie hat mir schon wieder ne Strafarbeit verpasst. Und ich darf drei Tage lang nicht raus. Höchstens zum Unterricht für Pflege magischer Geschöpfe. Morgen ist der letzte Unterrichtstag, das heißt ich muss das Wochenende vor Weihnachten drinnen bleiben. Ich sterbe hier, Harry!"

„Dann solltest du dir vielleicht mehr Mühe in Verwandlung geben. Und nicht einfach sagen: „Ich denke, die Eule bleibt lieber ein Vogel, anstatt ein Sofakissen zu werden."Das hat McGonagall nicht so gerne. Aber sonst ist sie echt Ok."

„Aber es stimmt doch.", maulte Raja und erinnerte in ihrer Tonlage sehr an einen gewissen Geist aus dem Mädchenklo im dritten Stock. „Das ist sooo ungerecht."

„Nur weil es nicht nach deiner Nase geht, ist es gleich unfair, oder was?", murrte der schwarzhaarige Gryffindor und kniff sie in die Seite.

„Au!", rief sie und rieb sich die Stelle. „Spinnst du? Ich glaube, ich habe einen schlechten Einfluss auf dich. Aber du hast ja Recht, ich sollte mich und mein großes Mundwerk mal zusammenreißen. McGonagall gibt sich ja Mühe, aber Verwandlung kann mir mal gestohlen bleiben. Binns Stunden sind ja wenigstens noch zum Schlafen gut, aber das hat mir bei der Schreckschraube das letzte Mal auch schon ne Runde mit Filch eingebracht. Aber der gute Argus ist gar nicht mal so übel."Sie grinste breit. „Und außerdem bestechlich."

"Typisch Slytherin!", stöhnte Harry gespielt verzweifelt und rang die Hände zur Zimmerdecke.

„Genau, ich bin ja soo gemein. Deswegen hängst du auch mit mir rum, anstatt mit deinen Gryffindor-Freunden.", meckerte sie und sah ihn dann aber ernst an. „Vermisst du die beiden eigentlich?"

Er dachte kurz nach. Klar, hätte er gerne wieder mehr mit Ron und Hermine gemacht. Aber das Wissen um seine Beziehung zu Draco stand zwischen ihnen. „Mhm, schon irgendwie. Aber das wird wohl nie wieder wie früher."

„Warum eigentlich nicht? Hast du mal überlegt, ob du es ihnen nicht doch sagst?", fragte sie weiter.

„Das würden sie nie verstehen. Hermine ist immer noch sauer, wegen der Sache mit dem Zauber und Ron weiß noch nicht mal, dass ich auf Männer stehe. Ich sehe da keinen Weg.", murmelte er und stützte das Kinn auf die Hände.

„Vielleicht tust du deinen Freunden auch Unrecht.", sagte Raja und fing an in ihrer kleinen Tasche herum zu wühlen. Fasziniert beobachtete Harry, was sie wieder einmal alles daraus hervorzauberte. „Ihr Gryffindors seid doch sonst so dicke, wenn es um Zusammenhalt und Verzeihen geht. Du solltest mal mit ihnen reden. Und was mitbringen. Drachenfutter macht sich immer gut."

„Wieso Drachenfutter?", verständnislos sah er sie an, während weiterhin diverse Dinge die Tasche verließen.

„Das ist etwas, dass man mitbringt, um jemanden zu besänftigen. Eben wie die Jungfrau für den gefräßigen Drachen. Nenn es Bestechung, wenn du willst."Sie hatte wohl endlich gefunden was sie suchte und fing an, alles wieder einzuräumen. Sein Blick blieb zuerst an einer Kaugummi-Packung kleben, die neben Schokolade Rajas ständiger Begleiter war und dann an einer kleinen Tube Handcreme, die ihn unweigerlich grinsen ließ- Draco...

„Hier!", sagte sie bestimmt und drückte ihm einen kleinen Lederbeutel in die Hand. „Hab ich dir besorgt, weil du sicherlich vergessen hast, ein Geschenk für die beiden zu Weihnachten zu kaufen."

Er schnürte den Beutel auf und drei Ketten fielen in seine Hand. An jeder hing ein kleiner Edelstein. Grün, rot und schwarz glitzerten die Anhänger. Erstaunt sah er sie an.

„Der grüne ist für Ron.", erklärte sie. „Das ist ein Aventurin und der hilft Ängste zu überwinden. Besonders die aus der früheren Kindheit. Ich dachte der ist gut, wenn er mal wieder auf Spinnenfang gehen muss. Der rote Feueropal ist für Hermine. Er gibt Ausdauer, das kann sie bei ihrem Stundenplan bestimmt brauchen. Und der schwarze ist für dich. Ein Hämatit ist gut gegen Alpträume und hilft bei der Entscheidungsfindung. Mein Weihnachts-Geschenk für dich."

Auf seinen ungläubigen Blick fügte sie schief grinsend hinzu: „Ich hab auch einen. Ein Chalcedon ist angeblich gut gegen Jähzorn. Ich bin mir aber nicht sicher, ob der wirklich hilft."

„D-danke.", stotterte Harry. Er hatte tatsächlich vergessen Geschenke für die beiden anderen Gryffindors zu besorgen. Nach einem weiteren Blick auf die Steine meinte er: „Ich glaube, du hast recht. Ich werde mal mit ihnen reden. Aber nur wenn du mitkommst."

„Klar", sagte sie und nahm seine Hand. „Wozu sind denn schließlich Freunde da.".

Am 25. Dezember wachte er zeitig auf und wartet ungeduldig, bis sich auch der Rest seines Schlafsaals langsam zu regen begann. Ein Aufschrei und heftiges Geraschel verrieten, dass Ron nun ebenfalls erwacht war. Harry zog die Vorhänge zurück und sah in ein strahlendes Gesicht.

„Fröhliche Weihnachten!", rief Ron so laut, dass auch die andere beiden nun wirklich nicht mehr weiterschlafen konnte. „Guck mal, Harry. Ich hab von George und Fred einen neuen Quidditch-Umhang gekriegt. Einen richtig neuen. Einen der passt. Und von Ma einen Pullover, der nicht kastanienbraun ist. Er ist grün, Harry GRÜN! Genau wie deiner."Fröhlich vor sich hinplappernd riss Ron auch noch seine restlichen Geschenke auf und ließ sich seine Laune noch nicht mal von Hermines Geschenk verderben. Er erhielt genau wie Harry ein Exemplar von „Die Geschichte von Hogwarts".

„Hermine hat wohl die Nase voll davon, uns den Inhalt immer nur in Bruchstücken um die Ohren zu schlagen.", grinste Harry und fing an, seine eigenen Geschenke auszupacken. Wie üblich bekam er einen neuen Pullover von Rons Mum und jede Menge Süßigkeiten. Auch ein Buch von Lupin war dabei. „Werwolf-, Vampir- und Drachenjäger.", war der Titel und eine Karte, die dabei lag besagte: „Fröhliche Weihnachten Harry! Ich musste bei dem Titel so lachen, da hab ich mir gedacht, als Auror musst du ja wissen, wie man solche schrecklichen Wesen zur Strecke bringt. Denn wer nicht über sich selbst lachen kann, sollte sich am besten gleich einen Sarg kaufen. Grüß Ron und Hermine schön von mir."

Wunderbarerweise war auch ein Geschenk von Draco dabei. Von ihm bekam Harry ein kleines silbernes Armband, mit seinem Namen darin eingraviert und ein ziemlich delikates Stück Unterwäsche, dass Harry schnell unter seinem Kopfkissen verschwinden ließ, bevor Ron es in die Finger bekam. Sein Gesicht glühte, als er den rothaarigen Gryffindor ihm gegenüber ansah. Der bekam das aber in einen völlig falschen Hals und starrte Harry an. Sein Blick fiel auf das letzte Paket, das Harry noch nicht ausgepackt hatte. Es war, wie ihm die zerknitterte Papier verriet von Ron und als er es mit gesenkten Augen auspackte, kam ein wunderschöner, und sicherlich für Rons Verhältnisse auch sehr teurer Schal hervor.

„Weil du ja immer so viel draußen bist.", meinte sein Freund mit belegter Stimme, denn ihm war offensichtlich aufgefallen, dass er kein Geschenk von Harry bekommen hatte. Seine Augen glitzerten verdächtig als er sich abrupt aufsetzte und intensiv nach seinen Hausschuhen suchte.

„Ron!", sagte Harry sanft. „Ich habe auch ein Geschenk für dich und Hermine. Ich möchte es euch aber erst heute Abend geben, wenn wir alleine sind Ich hab was mit euch zu besprechen."

Sein Freund sah ihn vorwurfsvoll an. „Ich hab schon nen Schreck gekriegt und dachte, du magst uns gar nicht mehr."
"Natürlich mag ich euch noch.", protestierte Harry, stand auf und legte die Arme um den Rothaarigen. „Ihr seid doch meine Freunde. Und das werdet ihr auch immer bleiben."

Da schniefte Ron noch einmal laut und die beiden machten sich lachend auf den Weg zum Frühstück.

Als es dunkel war, nah er die beiden Gryffindors mit hinauf zu dem kleinen Geheimzimmer. Als sie an dem Bild der alten Hexe vorbeikamen, rief diese: „Fröhliche Weihnachte, ihr Verschwörer. Da drin wird es jetzt ja langsam eng. Deine beiden anderen Freunde sind auch schon da."

Harr stutzte. „Wieso zwei? Ich denke Raja wartet alleine auf uns."

Die alte Hexe lächelte zahnlos und nahm einen kräftigen Schluck aus ihrem Likör-Glas. „Na ich rede von dem hübschen Blonde, den du so gerne magst.", kicherte sie und rülpste dann laut.

Doch das hörte Harry schon nicht mehr. Er war bereits durch die Portrait-Tür gestürzt und in Dracos Arme gesunken.

Langsam folgten ihm Ron und Hermine.