Freund oder Feind
Draco war fassungslos. Raja hatte Snape getötet. Er sah die Gestalt, die dort verkrümmt am Boden lag, doch er konnte es nicht glauben. Voldemort jedoch, beglückwünschte seine neue Anhängerin zu diesem grandiosen Einfall.
„Was war das für ein Gift, meine Liebe?", fragte er Raja gerade.
„Etwas sehr passenden, mein Lord.", lächelte sie kalt. „Bella Donna. In dieser konzentrierten Form ein effektiv wirkendes Gift, das schließlich zu Atemlähmung führt. Aber es wirkt nicht so schnell, dass der Betreffende sofort tot ist. Es braucht seine Zeit. Er sollte leiden für sein Vergehen an Euch."Sie warf die Flasche in die Luft und fing sie geschickt wieder auf.
„Eine interessante Vorstellung.", sagte die Gestalt auf der anderen Seite des Feuers. „Sei mir denn willkommen in meiner Gefolgschaft."
„Gefolgschaft?", fragte Raja und zog die Augenbrauen hoch. „Ihr werdet mich doch wohl nicht mit Eurem Fußvolk verwechseln?"
„Bevor ich deinen Fähigkeiten traue, werde ich dich in den nächsten Tagen noch ein wenig testen müssen.", antwortete der Herr der Todesser gemächlich. „Halte dich hier bereit! Lucius wird sich so lange um deine Wohlbefinden kümmern."
Dracos Vater nahm diesen Befehl mit einem freudigen Nicken auf. „Ich fühle mich geehrt, mein Lord. Raja wird es an nichts fehlen."
Voldemort drehte sich nun zu Draco um und taxierte ihn. Der Slytherin hatte jedoch sowohl Geist wie auch Miene gegen irgendein Erkennen von außen verschlossen und so drang der rotäugige Zauberer nicht weiter in ihn. „Du hast deine Sache gut gemacht, junger Draco. Dein Vater kann stolz auf dich sein. Auch du, wirst noch weitere Chancen erhalten, dich zu bewähren."
Damit drehte er sich um und verschmolz wieder mit den Schatten.
Lucius Malfoy trat zum Körper seines ehemaligen Freundes. „Leb wohl, Severus.", sagte er arrogant lächelnd. „Du hast einfach nicht gewusst, was gut für dich ist. Aber was machen wir jetzt mit der Leiche? Verbrennen?"
„Lass sie uns an Dumbledore schicken.", kicherte Raja und legte verträumt den Kopf zur Seite. „Das wird sicher lustig und macht dir weniger Ärger, Lucius. Du könntest immer noch behaupten, er hätte den Freitod gewählt, wenn jemand dumme Fragen stellt. Schließlich ist diese Flasche aus seinem Labor gewesen. Vielleicht ist er mit seiner Vergangenheit einfach nicht fertig geworden."
Nun lachte auch sein Vater. „Du hast Recht, Raja. Was für kluge Ideen doch deinem hübschen Köpfchen entspringen."
Dann hatte Draco die Schnauze gestrichen voll. Er würde sich nicht weiter die Süßholzraspelei seines Vaters anhören, während hier ein Toter auf dem Boden lag und das Ziel dieser Bemühungen seine Mitschülerin war. Schnaubend entschuldigte er sich. „Ich werde mich mal um die Leiche kümmern.", Damit packte er den Körper unter den Armen und schleifte ihn aus der Tür. Trotz seiner Größe, war er erstaunlich leicht.
„Und mach dir nicht so viele Umstände. Severus war nie anspruchsvoll, was seine Unterbringung anging.", witzelte sein Vater noch, dann schloss sich die Tür hinter dem Slytherin.
Frustriert brachte Draco den leblosen Mann nach draußen und hieß eine Kutsche anspannen. Wenigstens in Würde zurückkehren sollte sein ehemaliger Lehrer. Als das Gefährt startklar war, hätte Draco sich am liebsten neben den toten Körper auf den Sitz gesetzt und geheult. Aber das gehörte sich wohl nicht, für einen Todesser-Anwärter und einen Malfoy. So schluckte er nur dreimal und ließ dann den Kutscher losfahren. Er drehte sich um und ging wieder ins Haus. Aus dem Salon drang lautes Lachen hervor, doch er war nur angewidert.
Er sollte ihr trauen? Das war ja wohl nichts gewesen. Er schleppte sich die Treppe hinauf und zog sich in sein Zimmer zurück irgendwann fiel er in einen unruhigen Schlaf, aus dem er immer wieder hochschreckte. Dann saß mit einem Mal Raja an seinem Bett. Im Lichte des Mondes, das noch durch die nachlässig geschlossenen Vorhänge drang, sah er ihre Silhouette deutlich.
Er fuhr in eine sitzende Position hoch und knurrte: „Was? Willst du mich auch noch umbringen?"
Sie lachte leise in der Dunkelheit. „Ich habe dir doch gesagt, du sollst mir vertrauen. Ich gehe schon ein hohes Risiko ein, wenn ich jetzt mit dir spreche. Vertrau mir, ich weiß was ich tue. Im Moment versuche ich dein Leben zu retten und das deiner Mutter."
„Wie? Indem du meinen Vater vögelst?", zischte er wütend.
"Dazu wird es garantiert nicht kommen. Aber...", sie zuckte zusammen. Dann stand sie wortlos auf und trat in den Schatten in einer Ecke des Raumes zurück. Auch Draco ließ sich schnell auf sein Kissen fallen. Seine Zimmertür wurde geöffnet und jemand betrat das Zimmer. Er bemühte sich, ruhig zu atmen und ganz den Eindruck zu erwecken, er schliefe fest.
Die Person ging leicht unsicher auf sein Bett zu. Als sich eine Hand auf sein Haar legte, erkannte er seine Mutter. „Sei unbesorgt, Draco. Sie wird mich nicht unterkriegen. Ich lasse dich nicht hier alleine zurück. Wenn sie dich hier behalten wollen, schreie ich die ganze Nachbarschaft zusammen."Sie drückte ihm noch kurz einen Kuss auf die Stirn und verließ dann wieder den Raum.
Raja tauchte wieder auf. Sie sah ihn nur kurz an. „Verzeih mir!", sagte sie noch, dann huschte sie aus der Tür.
Er warf sich wieder auf das Kopfkissen. Was sollte das nur werden?
Doch als er am nächsten Morgen von lautem Schreien erwachte, hatte er ziemlich schnell eine Vorstellung, was los war. Als er aus der Tür stürzte, warf seine Mutter gerade eine ziemlich teure Vase auf den Fußboden der Eingangshalle und schrie: „Du hast dieses Frauenzimmer ins Haus geholt. Ich denke gar nicht daran, meinen Mund zu halten. Wenn sie nicht augenblicklich das Haus verlässt, werde ich zum Ministerium gehen und denen mal ein paar Sachen erzählen."
Daraufhin zückte sein Vater nur seinen Zauberstab und ließ seine Frau per „Petrificus Totalus!"in einen bewegungslosen Zustand. Dann ging er hin, löste den Zauber wieder und flößte seiner Frau mit demselben Trick wie Raja gestern etwas gelbliche Flüssigkeit ein. Beinahe sofort kehrte Dracos Mutter wieder in ihren weggetretenen Zustand ein.
Draco schüttelte ungläubig den Kopf. Dann sah er, dass noch jemand auf der Empore stand.
Raja!
Sie hatte nur ein Handtuch am Körper und blickte zu seinem Vater hinunter. Gerade rief sie hinab: „Aber das ist ja nicht auszuhalten, Lucius. Du solltest sie wirklich woanders unterbringen. Habt ihr nicht irgendwelche Freunde, die ein bisschen weiter von hier weg wohnen? Da könntest du sie unter einer genügend hohen Dosis doch lassen."
Draco ballte die Fäuste. Das durfte doch nicht wahr sein. Gestern hatte sie ihm noch versprochen...
Moment.
Er besann sich noch mal auf ihre Worte. War es möglich, dass sie seinem Vater wirklich nur etwas vorspielte, um seine Mutter aus dem Haus zu bekommen? Er fing einen Blick von ihr auf. Ihre Augen funkelten und sie ließ sich kokett ihr Handtuch noch ein bisschen tiefer sinken, bevor sie anfing die Treppe hinunterzusteigen. Sein Vater reagierte, wie es offensichtlich geplant war und versprach dem Mädchen das Blaue vom Himmel herunter. Draco muss unwillkürlich grinsen. Offensichtlich war er doch ziemlich mit dem guten Lucius verwandt. Diesen Fehler hatten sie also beide schon gemacht. Leise zog er sich wieder zurück.
Am Nachmittag ließ ihn sein Vater zu sich rufen und beauftragte ihn, seine Mutter zu einer befreundeten Familie in Schottland zu bringen. Er solle darauf achten dass sie täglich zweimal ihre Medizin nahm. Das Klima dort, würde ihr sicher gut tun, versuchte sein Vater ihm noch einzureden. Doch Draco hörte nur mit halbem Ohr zu. Fieberhaft überlegte er, wie er seine Mutter möglichst woanders hinschaffen könnte, doch das würde sich finden. Ihre „Medizin"würde er ihr auf jeden Fall nicht verabreichen. Mit einem knappen Nicken machte er sich auf den Weg, um alles vorzubereiten. Wahrscheinlich war es eh besser, für ein paar Tage das Haus zu verlassen. Er fürchtete Raja, und somit auch sich selbst zu verraten. Er war einfach nicht mehr so abgebrüht wie früher.
Kurz wanderten seine Gedanken zu seinem toten Lehrer. Wie hatte Raja das tun können. Sicher war Snape zum Schluss alles andere als sein Freund gewesen, aber den Tod hatte er ihm nicht gewünscht. Seufzend machte er sich an die Arbeit und verließ drei Stunden später mit seiner Mutter zusammen das Haus.
Während der Reise, die wieder in einer magischen Kutsche stattfand, kam seine Mutter langsam zu sich und leise erzählte er ihr, was alles vorgefallen war. Er ließ auch nicht seine Liebe zu Harry aus, die seine Mutter kurz stutzen ließ.
„Aber du warst doch noch nie...", flüsterte sie zweifelnd. Doch in ihrem Blick lag keine Abscheu, wie er es zunächst befürchtet hatte.
„Das hat sich geändert, Mutter.", sagte er sanft. „Ich bin nicht mehr der, der ich einmal war. Und ich bin froh darüber. Voldemort muss vernichtet werden, bevor noch mehr passiert."
Seine Mutter nickte nur und sagte: „Ist gut, dann lass uns jetzt schweigen. Es ist nicht gut, so offen über solche Sachen zu reden."
Als sie in Schottland ankamen, mimte seine Mutter die Frau, die sie seit Jahren gewesen war. Teilnahmslos ließ sie alles über sich ergehen und gab ihren Gastgebern nicht den geringsten Anlass, sich über sie zu wundern. Draco war der, der alles Reden übernahm, und man einigte sich, dass er zunächst drei Tage bleiben würde und am Sylvester-Morgen per Kamin zurückreisen würde. Sein Vater wurde informiert und so blieb Draco nichts übrig als zu warten.
Er führte leise Gespräche mit seiner Mutter, wenn sie nicht beobachtet wurden und sie einigten sich darauf, ihre zweite Schwester Andromeda Tonks heimlich zu kontaktieren und im Zuge der Feierlichkeiten zum Neuen Jahr, das Schloss zu verlassen. Sie würden es als kopflose Tat tarnen, was sicher dazu führen würde, dass zunächst die nähere Umgebung abgesucht würde und schließlich ein paar Hinweise anbringen, die den Schluss zuließen, sie sei ins Meer gestürzt. Draco war sich ziemlich sicher, dass sein Vater nicht lange nach ihr suchen würde.
