Krankenstation

Harry erwachte erst am nächsten Nachmittag und erkundigte sich sofort nach den anderen. Ron und Hermine, waren schon wieder wohl auf und Draco ließ es sich nicht nehmen, sofort zu ihm zu eilen und ihn trotz seines Verbandes in die Arme zu schließen, woraufhin die beiden in einem Kuss versanken, aus dem sie erst das höfliche Räuspern des Schulleiters wieder hervorholte.

„Harry, wie schön dass du nun auch wieder wach bist. Dann haben wir ja nur noch ein Sorgenkind.", schmunzelte Dumbledore.

„Raja?", fragte Harry. „Wie geht es ihr?"

„Sie lebt und schläft.", antwortete Draco an Stelle des Schulleiters. „Viel mehr können wir aber noch nicht sagen. Es wird wohl noch etwas dauern, bis sie aufwacht. Wir sollen vorerst nicht zu ihr."

Er sah Harry an. „Aber kannst du mir mal verraten, warum du Voldemort nicht getötet hast, als du die Gelegenheit dazu hattest? Ich hätte es getan, nach all dem, was er dir angetan hat."

Harry zögerte mit seiner Antwort. Was er in diesem Moment gefühlt hatte, war nicht leicht zu beschreiben. „Ich glaube", begann er dann, „Ich hatte in dem Moment keine Angst mehr vor ihm. Er lag da vor mir am Boden und war besiegt. Ich hätte einen Wehrlosen getötet und das wollte ich nicht. Wenn wir gekämpft hätten oder er einen von euch bedroht hätte, wäre es etwas anderes gewesen. Aber wenn ich es so getan hätte, wäre ich nicht besser als Voldemort selber. Und das wollte ich nicht. Verstehst du das?"Bittend sah er erst seinen Freund und dann den Schulleiter an.

Der weißhaarige Mann nickte nur, während Draco etwas erstaunt den Kopf schüttelte. „Du und dein blödes Helden-Getue.", lachte er dann. „Aber wenn du nicht so wärst, würde ich dich wahrscheinlich nicht so lieben. Und dass Verrückteste ist, ich verstehe es wirklich ein bisschen. Auch wenn ich sicher anders gehandelt hätte."

Da erklang die Stimme von Professor Dumbledore hinter ihm. „Darum, mein lieber Draco, sind die Menschen auch so verschieden. Wenn wir alle gleich wären, wären wir ebensolche Marionetten, wie Voldemort sie immer zu erschaffen versucht. Leicht kontrollierbar und nicht zu eigenen Entscheidungen fähig. Was Harry getan hat, war das was er fühlte. Und das ist oft das Richtige."

Damit ließ er die beiden Jungen alleine. Sie hatten sich sicherlich viel zu berichten.

Dann warf er noch schnell einen Blick in ein anderes Krankenzimmer und nickte dem Mann, der dort an einem Bett saß leicht zu. Zufrieden machte er sich auf den Weg in seine Büro. Er hatte da noch eine ganz vorzügliche Tasse Tee, die bei ein paar Keksen dampfend auf ihn wartete.

-

Der schwarzhaarige Mann richtete seinen Blick von der nun wieder geschlossenen Tür auf das Bett, in dem seine Schülerin immer noch schlief. Severus Snape seufzte und erhob sich langsam. Er durfte nicht zu lange bleiben, wenn es nicht auffallen sollte, dass er dieser speziellen Schülerin ein wenige mehr Aufmerksamkeit schenkte, als er es vielleicht bei jemand anderem aus seinem Haus getan hatte.

Er verließ das Zimmer und machte sich wieder auf den Weg in sein Labor. Dort war durch Rajas Suche eine ganze Mende Unordnung entstanden, die er sich fast ein wenig scheute zu entfernen. Als er anfing die verschiedenen Tiegel, Flaschen und Päckchen zu ordnen, schlich sich ein winziges Lächeln auf sein Gesicht. Sie hatte den Todes-Schlaf-Trank richtig zusammengestellt. Er hatte jedoch geschmeckt, dass ein wenig zu viel Tollkirschen-Extrakt und ein bisschen zu wenig der anderen Zutaten, die Wirkung im Moment kurz vor dem tatsächlichen Todes aufhielten, dazu getan hatte. Beinahe hätte sie ihn also tatsächlich umgebracht.

Stümperin!", dachte er und konnte trotzdem das Lächeln auf seine Lippen nicht bekämpfen. Sie war schon ein listiges, kleines Biest. Dann machte er sich an die Vorbereitung des Unterrichts, der in den nächsten Tagen wieder losgehen sollte.

Als er spätnachts endlich zu Bett gehen wollte, hielt er inne. Dann folgte er stattdessen einem plötzlichen Gefühl. Er zog sich nicht aus, sondern ging noch einmal zur Krankenstation hinauf. Leise schlich er im Dunkeln durch die Gänge, wie ein Dieb. Immer auf der Hut, um nicht gesehen zu werden. „Was mache ich hier eigentlich. Das ist doch nicht mehr normal.", dachte er, doch als er die Tür zu dem Zimmer von Raja Banes öffnete und vorsichtig hineinschlüpfte, waren seine Bedenken vergessen. Er trat an das Bett und sah auf das Mädchen hinab.

„Wenn du nur wüsstest, was ich mir für Sorgen gemacht habe, du dummes kleines Ding.", sagte er in einem sanften Ton, der ihm etwas rau von der Zunge ging. „Ich fürchte schon, du wachst nie mehr auf. Du musst wieder gesund werden, hörst du?"

Sanft strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie bewegte sich leicht unter seiner Berührung. Das war neu. In den letzten Tagen hatte sie sich nie bewegt. Er berührte noch einmal ihr Gesicht. Sie stöhnte und schlug die Augen auf. Als sie ihn erblickte fuhr sie mit einem Mal hoch und sah sich hektisch um.

„Wo bin ich? Wie komme ich hier her?", und mit einem Blick auf ihn fügte sie zischend hinzu: „Und was machen SIE hier?"

Er räusperte sich und sagte sachlich: „Sie befinden sich im Krankenflügel, Miss Banes. Sie haben drei Tage geschlafen, Ich habe sie her gebracht und wollte mich nun noch einmal nach ihrem Wohlbefinden erkundigen, weil sie schließlich Schülerin meines Hauses sind."

Die junge Frau sah sich um, sah ihn an und sah aus dem Fenster, vor dem langsam der abnehmende Mond aufging. Dann blickte sie wieder in seine Richtung und grinste. „Mitten in der Nacht? Das glauben sie ja wohl selber nicht, Professor Snape."

Er machte ein verblüfftes Gesicht. „Sie erstaunen mich immer wieder, Miss Banes. Erst veranstalten Sie ein riesiges Theater, führen alle an der Nase herum, bringen mich fast um, besiegen den Dunklen Lord, bringen sich fast um und alles was Ihnen einfällt ist über die Uhrzeit zu diskutieren?"Er war zum Ende seiner Rede immer lauter geworden und sah sich nun ängstlich um. Hoffentlich hatte ihn niemand gehört.

Doch das Mädchen kam hoch und kniete nun auf dem Bett. Sie grinste immer noch und sagte triumphierend: „Haben sie Angst, dass uns jemand hört, Professor? Was würden die Leute denken, wenn sie wüssten, dass der missmutige, griesgrämige, übellaunige Meister der Zaubertränke nachts an das Bett seiner Schülerin eilt, um nach ihr zu sehen. Wie rührend."

Er trat nun ganz nahe an das Bett, lehnte sich vor und flüsterte nahe an ihrem Gesicht: „Wenn sie das jemandem sagen, werde ich sie durchfallen lassen. Und ich werde dem Schuldirektor sagen, dass sie bei dem Trank, den sie mir so unsanft verabreichten, gepfuscht haben und somit mein Leben gefährdet."

Sie kam ein wenig hoch und erwiderte ebenso leise: „Und wer sagt, dass das keine Absicht war? Vielleicht wollte ich Sie ja töten, nachdem Sie mich so nett verpfiffen haben."

Er schluckte. Der Abstand zwischen ihnen war nun so gering, dass er ihren Atem auf seinem Gesicht spürte. „Wollten Sie das denn?", wisperte er.

„Nein, aber vielleicht sollte ich das tun, wenn du mich nicht gleich küsst, Severus."Bei diesem Satz sah sie ihm genau in die Augen.

Er begann heftiger zu atmen. „Aber das geht doch nicht, Miss Banes. Ich bin ihr Lehrer."

„Das stört mich nicht die Bohne.", argumentierte sie kokett in streckte ihr Kinn vor. „Also was ist? Letzte Gelegenheit. Sonst fange ich an zu schreien."

Seine Gedanken rasten genauso wie sein Puls. Sie öffnete bereits den Mund und holte tief Luft. Doch bevor sie einen Laut über ihre Lippen brachte, versiegelte er sie mit seinen eigenen. Entschlossen schlang er dann die Arme um sie und ließ sich von seinem Gefühl leiten. Er spürte, dass ihre Zunge lockend an seine geschlossenen Lippen schlug und er öffnete sie leicht. Dieses Gefühl war unbeschreiblich. Sie schmeckte süß nach... Schokolade?

Irritiert ließ er sie los. Sie lächelte. Dann fiel sein Blick auf den Nachttisch, auf dem eine angefangene Tafel der Süßigkeit lag. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. „Du warst die ganze Zeit wach?", keuchte er ungläubig.

Sie kniff die Augen zusammen und erwiderte zuckersüß: „Aber ja doch. Die ganze Zeit. Ich hab alles gehört."Sie kicherte jetzt. „Du musst wieder gesund werden"war echt zum Schießen. Das glaubt mir kein Mensch."

Erschrocken packte er sie am Arm. „Bitte, das darf niemand erfahren. Ich bitte dich. Ich bin sonst ruiniert."

Doch sie wand sich aus seinem Griff und fuhr ihm mit der Hand durch das Haar. „Das fiele mir nicht im Traum ein. Denn dann würde ich mich ja um das hier bringen."Damit zog sie ihn erneut an sich und küsste ihn tiefer als beim ersten Mal. Als sie sich wieder trennten, rang er ein wenig nach Luft. Er spürte das leichte Brennen auf seien Wangen und war dankbar dafür, dass hier nur der fahle Mond ein wenig Licht spendete.

„Und wie stellt du dir das zwischen uns vor. Ich bin immer noch dein Lehrer. Und ich weiß nicht, ob ich das kann. Ich..."Er verstummte und sah betreten zu Boden. Das ging alles in eine Richtung, die er nicht mehr kontrollieren konnte. Er wusste nicht, ob ihm das gefiel. Aber das Gefühl, dass dieses Mädchen in ihm auslöste gefiel ihm.

Sie hob sein Kinn mit der Hand ein wenig an. „Wenn du mir vertraust, werden wir das schon hinkriegen. Du musst nur machen, was ich dir sage."

„Du kriegst wohl immer, was du willst, was?", sagte er lächelnd.

Sie sah ihn verschmitzt an. „Du solltest öfter lächeln, das steht dir. Und jetzt solltest du gehen, denn meine allerliebste Krankenschwester wird wohl gleich hier sein."

Sie küsste ihn noch einmal und komplimentierte ihn dann zur Tür hinaus.

Schwer atmend stand er im Flur, doch als der Schein einer Kerze um eine Ecke fiel, beeilte er sich wieder in den Kerker zurückzukehren.

Dort schloss er die Tür ab und versuchte seinen Herzschlag zu beruhigen.

Was für eine Nacht.

Was für ein Gefühl.

Seit langem schlief er in dieser Nacht wieder einmal durch.

Und er hatte süße Träume.