Kapitel 2
Es war
früher Morgen, als Elenael aufstand und sich auf den Weg hinunter zu der Küche
machte um zu fragen, ob es etwas gab, das sie zu erledigen hatte. Nach einer
Weile lief sie Anaraen über den Weg, die auch sogleich nach ihr rief.
„Sei so gut und sieh nach Prinz Legolas, ob ihm etwas fehlt." Für einen Moment
sah Elenael die ältere Elbin verwirrt an.
„Prinz Legolas?"
Anaraen lachte.
„Liebes, sag bloß, du wusstest nicht, dass unser gutaussehender junger Gast
Thranduils Sohn ist?" Noch bevor sie völlig realisiert hatte, was Anaraen
gesagt hatte, war diese schon verschwunden. Bevor Elenael sie bitten konnte,
diese Aufgabe doch jemand anderem zu übertragen. Die dunkelhaarige Elbin
stöhnte auf. Das durfte einfach nicht wahr sein!
Als Legolas erwachte, war es noch früh am Morgen, zu früh um irgendjemanden zu
wecken und so entschloss er sich, erst mal ein langes Bad zu nehmen. Die
Besuche in Bruchtal brachten so einige Annehmlichkeiten mit sich. So hatten die
besseren Gemächer alle ihr eigenes Bad, welches durch ein verzweigtes
Leitungssystem mit Wasser versorgt wurde, während es in Düsterwald und Lorien
öffentliche Badestätten unter freiem Himmel gab. Er ließ reichlich warmes
Wasser in den hellen Zuber ein und legte dann seine Schlafgewänder ab um in das
angenehme Nass zu steigen. Gerne hätte er schon gestern ein Bad genommen, um
den Schmutz der Reise von sich zu waschen, doch hatte sich tagsüber nicht die
Gelegenheit geboten, und abends war er zu müde gewesen. Sorgfältig wusch er
sein langes Haar und kämmte es noch nass mit einem breiten Kamm durch, um es
von den vielen kleinen Knötchen zu befreien. Als er damit fertig war, stieg er
aus der Wanne und trocknete sich ab. Plötzlich hörte er ein Klopfen an der Tür
seines Gemachs. Er wickelte sich schnell das Handtuch um die Hüften. Es musste
einer der Zwillinge sein, dachte er. Wer sonst würde ihm in dieser frühen
Stunde einen Besuch abstatten? Doch als er die Tür öffnete, fiel sein Blick auf
die leicht verdutzte Dienerin, eben die, der er gestern bereits zwei Mal
begegnet war. Er wollte soeben etwas sagen, als er spürte, wie das Handtuch
plötzlich von seinem Körper rutschte. Rasch griff er danach, um das schlimmste
zu verhindern und seine wichtigsten Stellen bedeckt zu halten, doch stolperte er
dabei über einen Zipfel des Stoffes und fiel vor der Elbin auf die Nase.
Der Anblick, der sich Elenael bot, nachdem sie nichts Böses ahnend an die Tür
geklopft und diese sich bald geöffnet hatte, ließ sie mitten in der Bewegung
erstarren. Sie konnte ihre Augen nicht daran hindern, den fast nackten Elben,
der vor ihr stand und auf dessen Haut und Haaren noch immer einige
Wassertropfen glitzerten, blitzschnell von oben bis unten zu mustern. Sie
spürte, wie eine leichte Röte in ihre Wangen stieg, doch bevor er es bemerken
konnte, musste Legolas seine ganze Aufmerksamkeit dem widerspenstigen Handtuch
widmen, das sonst wohl auf Reisen gegangen wäre. Als er dabei auch noch
stolperte und vor ihren Füßen landete, konnte Elenael nicht anders und ein
leises Kichern erfüllte den Raum, bevor sie sich zusammenreißen konnte.
Legolas hörte ihr leises Lachen, als er versuchte, wieder aufzustehen, ohne das
Handtuch auf dem Boden liegen zu lassen. Als er endlich wieder auf beiden Füßen
stand, schaute er die Elbin an, die äußerst amüsiert wirkte.
"Wartet", brachte er endlich heraus und schloss dann die Tür vor dem
verdutzten Gesicht der Elbenmaid. Er griff seine Hose und ein sauberes Hemd, um
beides schnell anzuziehen, während er leise vor sich hin fluchte und nur den
Kopf schütteln konnte. Womit hatte er das verdient? Als er wieder bekleidet
war, öffnete er die Tür erneut und blickte, immer noch beschämt, zu der
dunkelhaarigen Elbin.
"W- was kann ich für Euch tun?" fragte er höflich und bemüht darum,
die Röte aus seinem Gesicht zu vertreiben.
Etwas verdutzt musste Elenael mit ansehen, wie die Tür seines Zimmers sich vor
ihrer Nase schloss. Doch da sie sich denken konnte, warum, breitete sich erneut
ein Grinsen auf ihrem Gesicht aus, das sie jedoch schnell wieder verbannte,
sobald sich die Tür erneut, wenn auch etwas zögernder, öffnete. Sie bemerkte
die leichte Unsicherheit in seiner Stimme, als er sie fragte, was er für sie
tun konnte und ein kleiner Teil in ihr konnte die Schadenfreude nicht ganz
unterdrücken.
"Oh, ich wurde nur geschickt um zu sehen, ob Ihr noch etwas braucht, ob
Ihr vielleicht ein Bad nehmen wolltet ... doch wie ich sehe, habt Ihr das
bereits getan."
Legolas erkannte so etwas wie Schadenfreude in ihren Gesichtszügen. "Nun …
ich … ich benötige nichts weiter", sagte er knapp und sie nickte ihm zu.
Sie war gerade dabei, sich zum Gehen zu wenden, als Legolas wieder das Wort
ergriff.
"Doch, da ist etwas." Sie blickte ihn fragend an. "Ich, nun, ich
wollte mich für gestern entschuldigen. Erst habe ich euch umgestoßen und wie
ich sehe, habt Ihr eine Beule davon getragen, und zweitens wollte ich mich für
Euer Kleid entschuldigen. Ich hoffe, die Flecken gingen wieder heraus?"
Elenaels Gesichtszüge wurden ein wenig sanfter, als sie in seinen Augen sah,
dass es ihm ehrlich leid tat.
"Macht Euch keine Sorgen deshalb. Und mit der Beule werde ich wohl leben
müssen - wohl ganz wie Ihr selbst", setzte sie mit einem weiteren Lächeln
hinzu, als sie ebenfalls den Ansatz einer Beule auf seiner Stirn erkennen
konnte. Ihr Blick glitt über seine Gesichtszüge und ohne, dass sie etwas
dagegen tun konnte, noch einmal an seinem Körper hinab, als sie sich an ihre
Begegnung von vor wenigen Minuten erinnerte.
Legolas griff sich an die Stirn. Er hatte schon wieder vergessen, dass dort ein
Anzeichen des Zusammenpralls war.
"Es tut gar nicht weh", sagte er und lächelte ein wenig verlegen. Für
ein paar Augenblicke schaute er sie nur an, ohne etwas zu sagen, und auch sie
schien nicht zu wissen, wie sie eine Konversation heran treiben könnte.
"Ehm", Legolas räusperte sich. "Ihr habt bestimmt noch viel zu
tun … wie war noch gleich Euer Name?" Er lobte sich innerlich für diesen
taktisch klugen Zug, denn so musste er nicht zugeben, dass er ihren Namen noch
überhaupt nicht kannte, aber ebenso wenig geriet er in die Verlegenheit aus
reinem Interesse danach zu fragen.
"Elenael", antwortete die Elbin und strich sich, wie es ihre
Angewohnheit war, wieder eine ihrer langen, dunklen Haarstränen hinter ihr Ohr.
"Und wenn wir schon bei Entschuldigungen sind ... Wegen gestern, das tut
mir leid. Ich hatte einen ... nun ja ... einen schlechten Tag und wollte meine
Wut nicht an Euch auslassen." Sie fühlte sich plötzlich ein wenig
unsicher, als sie hinzufügte: "Ich wusste noch nicht einmal, wer Ihr seid
..." Sobald sie die Worte ausgesprochen hatte, bereute sie sie auch schon
wieder und Elenael biss sich leicht auf die Lippe, als hätte sie etwas Falsches
gesagt.
Legolas musste kurz stutzen. Was hatte sie soeben gemeint? Sie hatte ihn vorhin
mit Namen angeredet, also musste sie erfahren haben, wer er war, doch was war
so besonderes daran? "Was macht es für einen Unterschied wer ich bin, wenn
ich doch ungeschickt genug bin, Euch zwei Mal an einem Tag in eine unangenehme
Situation zu bringen?"
Elenael wusste selbst nicht, was sie darauf antworten sollte und nach einer
kurzen Stille schlüpfte sie wieder in die Rolle, die sie gewohnt war.
"Nun, braucht Ihr noch etwas?" Erst, als sie die Frage ausgesprochen
hatte, fiel ihr ein, dass sie eben dies vor wenigen Minuten schon einmal
gefragt hatte; sie schloss kurz die Augen und fügte dann schnell hinzu:
"Ich meine ... Wenn Ihr etwas brauchen solltet, ruft einfach."
Legolas warf ihr einen leicht verwunderten Blick zu, als sie seiner Frage
auswich, doch schien sie wohl nicht an einer Unterhaltung mit ihm interessiert.
Vielleicht war sie doch noch ein wenig wütend auf ihn, und war soeben nur so
freundlich gewesen, weil es ihre Pflicht als Dienerin war. Er unterdrückte ein
leicht enttäuschtes Seufzen.
"Danke, aber ich brauche nichts", sagte er knapp und schloss dann
nach einem kurzen Nicken von Elenael die Tür seines Gemachs.
Als die Tür sich vor ihrer Nase schloss, zuckte Elenael leicht zusammen.
Legolas' letzte Worte schienen ihr weit weniger freundlich gewesen zu sein als
zuvor und unwillkürlich fragte sie sich, welche der beiden Verhaltensweisen
wirklich zu ihm gehörte. Adelige, die auf diejenigen, die sie bedienten,
herabsahen, kannte sie genug, auch, wenn es bei Elben höchst selten war, doch
der Ton, den sie aus seinen letzten Worten herausgehört hatte, kam ihr in
diesem Zusammenhang recht bekannt vor. Elenaels Gesichtszüge härteten sich
leicht, als sie sich endlich von der Tür abwandte.
Sie war auf dem Weg zurück nach unten, als sie hörte, wie jemand ihren Namen
rief. Ein leichtes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, bevor sie sich umdrehte
und Elrohir entgegensah, der auf sie zugeeilt kam.
"Guten Morgen", antwortete sie. "Seid Ihr auf dem Weg zum
Frühstück? Soweit ich weiß, dürfte es gerade vorbereitet werden." Der
dunkelhaarige Zwilling war inzwischen bei ihr angekommen und verdrehte nun
leicht belustigt die Augen.
"Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass diese Formalitäten unnötig sind?
Wir sind praktisch zusammen aufgewachsen, schon vergessen?" Elenael lachte.
„Wie könnte ich? Und ihr beide habt euch nach all den Jahren, in denen ich bei
eurer Schwester war, noch immer nicht geändert …" Fast schon entrüstet sah
Elrohir sie an.
„Geändert? Wir? Wieso auch? Du weißt doch, unser Ziel im Leben ist es, für
immer gemeingefährliche Kinder zu bleiben." Ein Grinsen breitete sich bei den
Worten auf seinem Gesicht aus und Elenael verpasste ihm einen leichten Stoß.
„Weißt du, ich frage mich, warum Herr Elrond mit euch als Söhnen keine grauen
Haare bekommen hat." Erst sah es so aus, als wolle Elrohir darauf etwas
erwidern, als er plötzlich der leichten Beule an ihrem Haaransatz gewahr wurde.
Ohne darüber nachzudenken hob er eine Hand und fuhr leicht darüber.
„Was hast du gemacht?", fragte er, das schelmische Funkeln für einen Moment aus
seinen Augen verschwunden.
„Bekanntschaft mit Prinz Legolas", erwiderte Elenael nur seufzend.
„Was?!" Elrohirs Stimme hatte einen leicht scharfen Tonfall angenommen, als er
sie mit leicht verengten Augen ansah. Daraufhin musste Elenael nun doch wieder
grinsen und begann, ihm die - für den Zwilling - doch recht amüsante Geschichte
ihres ersten Zusammentreffens zu erzählen.
Als Legolas den kleineren privaten Speiseraum Elronds betrat, saß der Herr von
Bruchtal mit seinem ältesten Sohn bereits am Tisch, um das Frühstück
einzunehmen.
"Ah, Legolas, da bist du ja. Ich habe soeben Elrohir losgeschickt um dich
zu rufen. Setz dich doch", bot Elrond an, und Legolas kam seiner
Aufforderung nach.
"Ich hätte euch beinahe nicht gefunden, wenn mir einer der Diener nicht
gesagt hätte, dass ihr das Frühstück in deinen Gemächern einnehmt",
antwortete Legolas, als er ein paar Früchte und Brot von dem großen Teller
nahm, der in der Mitte des Tisches stand.
"Aber Elrohir bin ich nicht über den Weg gelaufen."
"Er war ohnehin schon mit dem Frühstück fertig", sagte Elladan, und
biss herzhaft in einen Apfel.
"Wie lange wirst du uns diesmal mit deiner Anwesenheit beehren?"
fragte Elrond lächelnd, während er etwas Butter auf eine Scheibe Brot
strich.
"Nun, ich habe mir ehrlich gesagt darüber noch keine Gedanken gemacht. Ich
würde gerne ein wenig bleiben, es sei denn, du hast wichtige Nachricht für
meinen Vater, die ich ihm überbringen muss." Legolas hoffte jedoch, er
könne seinen Besuch noch etwas ausdehnen. Er war gerne in Imladris und
verbrachte Zeit mit den Zwillingen, die ihm über die Jahre gute Freunde
geworden waren.
"Nein, die Nachrichten, die ich für Thranduil habe, sind nicht von
Dringlichkeit. Sie können warten, so lange du bleiben möchtest", sagte
Elrond freundlich. "Auch ich freue mich, wenn du uns besuchst."
Legolas schoss plötzlich ein anderer Gedanke durch den Kopf. Er grübelte kurz
darüber nach, wie er am geschicktesten fragen könnte.
"Ich hoffe, dieser Tag verläuft für mich ein wenig glimpflicher als der
gestrige, denn normalerweise ist es nicht meine Absicht, die Diener des Herren
von Bruchtal mit Wein zu bekleckern. Sag, ist diese Dienerin immer so
temperamentvoll?"
Elladan lachte kurz auf. "Du meinst Elenael? Oh ja, das ist sie. Es war
nicht gerade das feinste Benehmen gestern."
Doch Legolas winkte ab. "Nein, es war ja meine Schuld. Ich hätte besser
aufpassen sollen. Außerdem bin ich ihr schon zuvor begegnet. Ich … nun … ich
bin mit ihr unfreiwillig zusammen geprallt und habe ihr wohl eine Beule am Kopf
zugezogen." Er spürte, wie seine Wangen erröteten, als er über das
Missgeschick berichtete und Elladans Lachen laut durch den Raum schallte.
"Du bist doch sonst nicht so ungeschickt", sagte er, als er sich
endlich wieder beruhigt hatte.
"Ich war ein wenig in Gedanken gewesen und hatte sie nicht bemerkt",
gab Legolas zu. "Und dann, als ich sie das zweite Mal sah … nun, ich
denke, ich war ein wenig nervös wegen unseres ersten Zusammentreffens, dass ich
auch diesmal wieder ungeschickt war." Die Erklärung klang plausibel, doch
aus irgendeinem Grund grinste Elladan ihn schelmisch an. Bevor dieser jedoch
etwas sagen konnte, erhob sich Legolas von seinem Platz.
"Danke für das Frühstück. Ich werde jetzt noch einmal zu meinem Gemach
gehen."
"Willst du nachher mit mir und Elrohir ein wenig Schwertkampf üben?"
fragte Elladan. "Dann kann ich dir ja noch ein wenig mehr über Elenael
erzählen", fügte er hinzu und das Grinsen auf seinen Zügen wurde breiter,
doch Legolas rollte nur leicht die Augen und verließ dann die Gemächer, um zu
seinen eigenen zurück zu kehren.
Als er um die Ecke eines Gangs bog, fiel sein Blick plötzlich auf zwei
Gestalten. Einer der beiden war Elrohir, der sich zu der anderen - Elenael -
herunter beugte und ihr sanft mit der Hand über das Gesicht strich, ein
freundliches Lächeln auf seinen Lippen. Sie hatten ihn nicht bemerkt, und
Legolas wollte auch alles andere als das. Er wusste nicht warum, aber aus
irgendeinem Grund war ihm der Anblick, der sich ihm bot, unangenehm. Flink, und
bevor sie irgendetwas bemerken konnten, wand er sich herum und wollte wieder um
die Ecke biegen, um in dem dahinter liegenden Gang zu verschwinden, als er
plötzlich mit einem Kerzenständer zusammenstieß, der sich unterhalb seiner
Sichthöhe befand, jedoch hoch genug, um ihn genau mit seinen edelsten Teilen
dagegen prallen zu lassen. Ein lautes, schmerzerfülltes Stöhnen hallte durch
den Korridor, als Legolas zu Boden sank und sich die schmerzende Stelle hielt.
Elrohir hatte sich köstlich über die kleine Geschichte amüsiert, die Elenael
ihm soeben zum Besten gegeben hatte und versuchte immer noch, ein leises
Kichern zu unterdrücken. Elenael aber wechselte das Thema, als sie sich an das
Versprechen, das sie sich selbst abgenommen hatte, erinnerte.
"Ich wollte mich bei euch entschuldigen ... wegen gestern. Ich hätte nicht
einfach so verschwinden sollen, aber ich hatte einen wirklich schlechten Tag
und ich ..." Weiter kam sie nicht, da sie von Elrohir lächelnd
unterbrochen wurde.
"Du brauchst dich nicht zu entschuldigen - auch bei Vater nicht",
wandte er ein, als er sah, dass sie wieder zum Sprechen ansetzte. "Du
brauchst dich vor uns nicht zu rechtfertigen. So, und jetzt lass mich nochmal
sehen", fügte er hinzu, um weiteren Protest von ihrer Seite zu
unterdrücken und beugte sich, immer noch ein Lächeln auf den Lippen, vor, um
sich, diesmal genauer, ihre Stirn anzusehen. Elenael lächelte ebenfalls und
verdrehte leicht die Augen, da sie wusste, dass jegliche Widerrede zwecklos
sein würde. Elrohir setzte gerade an, wieder etwas zu sagen, als ein Geräusch
an ihrer beider Ohren drang und keine Sekunde darauf ein schmerzerfülltes
Stöhnen durch den Gang hallte. Beide Elben wandten ihre Blicke um und stürmten
gleichzeitig los, um dem auf den Grund zu gehen. Als sie um eine Ecke bogen,
kamen sie recht plötzlich zum Stehen, bei dem Anblick, der sich ihnen bot.
Eine blonde Gestalt, in Grün gekleidet, saß leicht gekrümmt an die Wand gelehnt
auf dem Boden, die Augen zusammengepresst und das Gesicht vor Schmerz verzogen.
Sofort erkannte Elenael Legolas und sie fragte sich leicht erschrocken, was
geschehen sein mochte. Sie verzog leicht das Gesicht in Sympathie zu ihm,
obwohl sie überhaupt nicht wusste, was ihm passiert war, doch sein
Gesichtsausdruck sprach Bände.
„Legolas?", hörte sie Elrohirs besorgte Stimme neben sich fragen. „Was ist
geschehen? Geht es dir gut?"
Legolas wollte auf der Stelle im Erdboden versinken, aber glücklicher Weise
hatten die beiden nicht gesehen, wie ihm dieses Missgeschick geschehen war,
denn es musste äußerst tollpatschig ausgesehen haben. Er musste sich sehr
zusammen nehmen, um überhaupt genügend Kraft zum Reden zu finden.
"Ich … Kerzenständer … da", brachte er nur keuchend heraus und
deutete auf den umgeworfenen Gegenstand.
Bei Legolas' Worten blickten Elrohir und Elenael sich gleichzeitig um und sahen
den Kerzenständer, der noch auf dem Boden lag. Er musste ihn irgendwie
umgeworfen und sich dabei irgendwo gestoßen haben. Die leichte Schadenfreude,
die sie noch am Tag davor wahrscheinlich verspürt hatte, stellte sich nicht
ein, dafür merkte Elenael, dass Legolas ihr irgendwie leid tat. Sie sah nicht,
wie sich auf Elrohirs Gesicht, der - als Mann - anscheinend begriffen hatte,
ein mitfühlender Ausdruck breitmachte und seine Lippen sich zu einem stummen
"oh" formten. Stattdessen sah sie Legolas an und fragte ruhig:
"Kann ich Euch irgendwie helfen ... ?"
Legolas schüttelte nur den Kopf und atmetet dann einige Male tief ein und
wieder aus. Allmählich ließ der Schmerz etwas nach und er brachte es zu Stande,
sich langsam zu erheben, und - wenn auch leicht gebeugt - auf seinen Füßen zu
stehen.
"Es … geht schon wieder", sagte er tapfer und vermied es, den beiden
in die Augen zu sehen. Schon wieder war er in Elenaels Gegenwart in eine
äußerst peinliche Situation geraten. Wieso in Erus Namen musste dies
ausgerechnet ihm passieren, wo es doch sonst gar nicht seine Art war, so
ungeschickt zu sein?
Nur sehr schwer und nur im letzten Moment konnte Elrohir sich davon abhalten,
bei Elenaels letzten Worten in Lachen auszubrechen. Dafür bekam er von ihr
einen leicht zurechtweisenden Blick zugeworfen - sie wusste nicht, was genau er
so lustig fand. Die Elbin konzentrierte sich wieder auf den Prinzen vor ihnen
und als er wieder aufgestanden war und - noch immer mit leicht zitternder
Stimme - gesagt hatte, dass es schon gehen würde, fragte sie noch einmal nach.
"Seid Ihr sicher? Ich will nicht … ich meine … es sah recht schmerzhaft
aus." Das hatte es wirklich. Doch allmählich fragte Elenael sich wirklich,
ob Legolas von Natur aus so ungeschickt war oder ob er in den letzten beiden
Tagen einfach nur Pech gehabt hatte.
Nein, er war sich nicht sicher. Es tat immer noch höllisch weh, aber er konnte
ihr wohl kaum sagen, weshalb. Sie schien es noch nicht begriffen zu haben, was
genau ihn so schmerzte, und darüber war Legolas auch froh. Doch ihre ständigen
Fragen schienen Elrohir wohl bald dazu zu bringen, in lautes Gelächter
auszubrechen. Legolas war die gesamte Situation äußerst peinlich und er wollte
nur noch schnellstmöglich in seine Gemächer zurückkehren.
"Es ist schon in Ordnung, wirklich", sagte er, und bemühte sich um
eine festere Stimme. "Ich werde jetzt gehen. Elrohir, sag deinem Bruder,
dass ich mich euch nachher bei den Schwertübungen anschließen werde." Das
letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war, als Feigling da zu stehen, und bis
dahin würde der Schmerz auch sicherlich wieder verschwunden sein, oder?
„Schwertübungen?", fragte Elrohir, der sich nun doch zusammenreißen konnte.
„Ja, ich sage es ihm." Ein Grinsen, das er nicht unterdrücken konnte, stahl
sich bei seinen nächsten Worten auf seine Lippen.
„Ich will sehen, ob ich für dich nicht etwas … Kaltes auftreiben kann."
Elenael bemerkte, wie ein Hauch Röte in Legolas' Wangen aufstieg und beschloss
um seinetwillen, das Ganze zu beenden. Sie wusste, wie die Zwillinge in solchen
Situationen sein konnten.
„Elrohir, er sagte doch, dass es ihm gut geht. Jetzt geh schon, such deinen
Bruder!" Wobei sie bei ihren ersten Worten noch immer leicht skeptisch war,
dies aber recht gut verbergen konnte.
Legolas biss sich auf die Unterlippe, um Elenael nicht zu widersprechen und sie
damit vermutlich noch in Verlegenheit zu bringen, doch etwas Kaltes wäre
sicherlich angenehm gewesen.
"Wir sehen uns dann später", sagte er zu Elrohir und wand sich dann
letztendlich zum Gehen, bemüht darum, so aufrecht wie möglich zu laufen, um das
letzte bisschen Würde, das ihm nach dieser Reihe von Peinlichkeiten noch blieb,
aufrecht zu halten.
Elenael sah ihm einen Augenblick nach und wandte sich dann zu Elrohir um, der
ihr mit einem schelmischen Blitzen in den Augen zuflüsterte:
"Oh, ich glaube nicht, dass er etwas dagegen gehabt hätte, würde ihm
jemand etwas Kaltes bringen ..." Elenael sagte nichts dazu, musste ihm
aber, wenn ihre wachsenden Vermutungen stimmen sollten, recht geben, während
Elrohir sich fragte, ob er ihr erzählen sollte, was genau den armen Legolas
getroffen hatte.
~ TBC ~
Wir hoffen, es gefällt euch. Bitte lasst es uns wissen. Und natürlich ist auch
konstruktive Kritik willkommen
